Der Notarzt 445 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 445 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Der neunjährige Matz und die siebenjährige Itzy verstehen sich alles andere als gut. Itzy ist ein musikalisches Wunderkind, ebenso begabt wie ihre berühmte Mutter Patricia, von der sie über alle Maßen verhätschelt wird. Matz hingegen ist ein talentloser "Nichtsnutz", wie die Mutter immer sagt. Und um ihrer Mama zu gefallen und deren Liebe nicht zu verlieren, plappert die Siebenjährige ihr alles nach und schaut verächtlich auf den Bruder herab. Obwohl der Vater der beiden, der attraktive Sportmediziner Dr. Calvin Erhardt, alles tut, um den Familienfrieden wiederherzustellen, gehen seine Versuche ins Leere. Seine Frau scheint es förmlich zu forcieren, dass Itzy und sie eine Front gegen die "Männer" bilden.
Notarzt Dr. Peter Kersten bemerkt den tiefen Kummer seines Kollegen, aber Calvin weigert sich, mit irgendjemandem über seine Probleme zu sprechen. Zu tief sitzen seine Verzweiflung und Scham.
Und dann ist es plötzlich zu spät für Gespräche, denn ausgerechnet als das Eis zwischen den Geschwistern doch noch zu tauen scheint, kommt es zu einer furchtbaren Katastrophe ...


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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Zu jung, um zu sterben

Vorschau

Impressum

Zu jung, um zu sterben

Wird das Schicksal die beiden Geschwister trennen?

Karin Graf

Der neunjährige Matz und die siebenjährige Itzy verstehen sich alles andere als gut. Itzy ist ein musikalisches Wunderkind, ebenso begabt wie ihre berühmte Mutter Patricia, von der sie über alle Maßen verhätschelt wird. Matz hingegen ist ein talentloser »Nichtsnutz«, wie die Mutter immer sagt. Und um ihrer Mama zu gefallen und deren Liebe nicht zu verlieren, plappert die Siebenjährige ihr alles nach und schaut verächtlich auf den Bruder herab. Obwohl der Vater der beiden, der attraktive Sportmediziner Dr. Calvin Erhardt, alles tut, um den Familienfrieden wiederherzustellen, gehen seine Versuche ins Leere. Seine Frau scheint es förmlich zu forcieren, dass Itzy und sie eine Front gegen die »Männer« bilden.

Notarzt Dr. Peter Kersten bemerkt den tiefen Kummer seines Kollegen, aber Calvin weigert sich, mit irgendjemandem über seine Probleme zu sprechen. Zu tief sitzen seine Verzweiflung und Scham.

Und dann ist es plötzlich zu spät für Gespräche, denn ausgerechnet als das Eis zwischen den Geschwistern doch noch zu tauen scheint, kommt es zu einer furchtbaren Katastrophe ...

Die Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Lea König sprang aus dem Bett, als am Montagmorgen der Wecker um halb sechs Uhr klingelte.

Ihr erster Weg führte sie zum Fenster, um nachzusehen, ob sich das neue Familienmitglied gut eingelebt hätte und wohlauf sei.

»Ach Gott, wie schön!«, seufzte sie beim Anblick des bereits über drei Meter hohen Lindenbaums, den Peter und sie am Samstag beim Gärtner um die Ecke gekauft und sofort im eigenen großen Garten eingebuddelt hatten.

Wenn diese Linde erst einmal blühte, würde es hier nur so von Bienen und Hummeln wimmeln. Und aus den abgefallenen Blüten könnten sie Tee zubereiten. Lindenblütentee war ein uraltes Heilmittel. Er half bei Erkältungen und Grippe, war fiebersenkend, entzündungshemmend, schmerzstillend, half bei Rheuma und Nierenerkrankungen, heilte äußerlich als Umschlag angewendet Wunden und schmeckte auch noch gut.

Wie viele andere Gartenbesitzer auch, hatten Lea und ihr Lebensgefährte Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, bis vor Kurzem eher auf pflegeleichte und immergrüne Zierbäume gesetzt.

Die sahen hübsch aus, verloren weder Blüten noch Blätter, die man im Herbst mühselig zusammenrechen musste, brauchten nicht ständig Wasser und lockten auch kein Ungeziefer wie Blattlaus und Co an.

Diese Einstellung hatte sich grundlegend geändert, als Lea bei ihrem letzten Zahnarztbesuch im Wartezimmer in einem Gartenmagazin geschmökert hatte. Darin hatte sie gelesen, dass genau das einer der Gründe für das Bienensterben und die starke Dezimierung etlicher Singvögel und seltener Schmetterlingsarten war.

Vogelarten wie Mauersegler, Schwalbe, Bachstelze, Rotkehlchen und Kiebitz, die sich ausschließlich von Insekten ernährten, fänden kaum noch Futter und würden immer seltener gesehen. Außerdem mache das Fehlen herbstlicher Laubhaufen vielen Tieren wie Igel, Haselmaus oder Amsel das Überwintern schwer.

Seither war Lea sehr darum bemüht, ihren Fehler zu korrigieren. Sie pflanzte Blumen, die Schmetterlinge und jede Menge »Ungeziefer« als Nahrung für selten gewordene Vogelarten anlockten, sie setzte Bäume, die üppig blühten, Bienen und Hummeln Nahrung boten und im Herbst für genügend Laub sorgten, und Sträucher, mit deren Früchten sich die Tiere genügend Winterspeck anfuttern konnten.

»Morgen bringt uns Herr Sommer eine Eiche und einen Nussbaum für die Eichhörnchen. Beide Bäume sind schon ziemlich groß. Wenn es heute Abend nicht zu spät bei dir wird, Schatz, könntest du schon mal zwei Gruben ausheben. Einen halben Meter sollten sie mindestens tief sein, hat Herr Sommer gesagt.«

Als sie keine Antwort bekam, drehte sie sich lachend zum Bett um.

»Bist du wieder eingeschlafen, du Faultier? Raus aus den Fed...«

Sie brach ab, als sie sah, dass Peter auf dem Rücken lag und wie eine gestrandete Suppenschildkröte mit Armen und Beinen ruderte, um hochzukommen.

»Was ist los, Schatz?« Besorgt eilte sie an das Bett heran. »Kannst du nicht aufstehen? Tut dir was weh?«

»Das Loch ...«, ächzte der Notarzt mit schmerzverzerrtem Gesicht.

»Das Loch? Welches Loch? Hast du irgendwo eine Wunde?«

»Nein«, stöhnte Peter mit zusammengebissenen Zähnen. »Zumindest nicht äußerlich. Das Loch für die Linde, das ich gegraben habe. Eine meiner Bandscheiben muss dabei herausgeflutscht sein. Ich kann mich nicht mehr bewegen. Jedenfalls nicht ohne Schmerzen.«

»Ach Gott, du Ärmster! Wenn ich das geahnt hätte, dann hätte ich die Grube lieber selbst ausgehoben. Meine Rückenmuskeln sind ziemlich stabil, weil ich früher jede Menge Sport betrieben habe.«

»Danke«, grummelte Peter. »Jetzt ist nicht nur meine Bandscheibe im Eimer, sondern auch noch mein männliches Selbstbewusstsein.«

»Nun sei doch nicht so ein vorsintflutlicher Macho!«, rügte sie ihn. »Die Zeiten, in denen man die zarten Frauchen in enge Korsetts gepfercht hat, damit sie kaum atmen konnten und nach jedem dritten Schritt in Ohnmacht fielen, sind längst vorüber. Ihr Kerle müsst endlich einsehen, dass wir mindestens so viel leisten können wie ihr.«

Peter grinste kläglich. »Daran habe ich doch nie gezweifelt. Aber Löcher graben und Mammuts erlegen ist immer noch Männersache!«

»Dann steh auf, grab ein Loch und schieß uns ein Mammut fürs Frühstück!«, feixte Lea.

»Ich kann nicht!«

»Eben!«

Als sie sich diese kleine Genugtuung verschafft hatte, überkam Lea wieder Mitgefühl.

»Was kann ich tun, damit es dir besser geht? Würde eine Rückenmassage helfen?«

Peter schüttelte den Kopf.

»Nein. Wenn man nicht genau weiß, wie, kann man dabei nur noch mehr Schaden anrichten. Ruf Wolf an. Er soll mir eine Spritze geben, damit ich wenigstens zur Klinik fahren kann. Dort lasse ich mich von Calvin behandeln.«

»Kann ich dir die Spritze nicht setzen? Du hast mir doch beigebracht, wie es geht.«

»Nein!« Bei diesem Gedanken lief Peter eine Gänsehaut über den lädierten Rücken. »Ich brauche eine epidurale Steroidinjektion. Dabei wird die Nadel zwischen zwei Dornfortsätzen in den Spinalkanal geschoben und der gereizte Nerv mit einer Mischung aus Kortison und einem lokalen Betäubungsmittel umspült. Das muss man wirklich gut können, denn die Gefahr, dass man dabei die Hirnhäute durchsticht, ist verdammt groß.«

»Die Hirnhäute?« Leas Augen weiteten sich. »Du bekommst die Spritze ins Gehirn? Ist das nicht ziemlich gefährlich?«

»Himmel! Nein!« Peter verdrehte stöhnend die Augen. »Auch das Rückenmark ist von Hirnhäuten umgeben. Man kann sie auch Rückenmarkshäute nennen, ist aber das Gleiche. Ruf Wolf an!«

»Okay.« Lea kam Peters Bitte nach, und keine zehn Minuten später war sein bester Freund, Dr. Wolf Habermann, der Cheforthopäde der Sauerbruch-Klinik, zur Stelle.

»Tut's weh?«, lautete seine erste Frage, die Peter sofort auf die Palme brachte.

»Frag doch nicht so dämlich!«, fuhr er seinen Freund unwirsch an. »Du weißt genau, dass es wehtut!«

»Ach ja ...« Wolf legte einen schon etwas ramponierten Teddybären, den er sich unter den Arm geklemmt hatte, auf Peters Brust. »Der ist von Vera. Sie lässt dich lieb grüßen. Sie sagt, an dem kannst du dich festhalten, wenn du Angst vor der Spritze hast. Sie will ihn aber wiederhaben.«

»Ach Gott, wie lieb von ihr.« Lea war gerührt. Wolfs sechsjährige Tochter Vera war Peters Patenkind. »Macht sie sich große Sorgen?«

Wolf Habermann nickte. »Sie hat mir aufgetragen, dafür zu sorgen, dass er auf alle Fälle überlebt. Zumindest noch so lange, dass er sein Versprechen, sie an seinem nächsten freien Tag von der Schule abzuholen und mit ihr essen und dann ins Kino zu gehen, wahr machen kann.«

»Entzückend!«, unkte Peter. »Und das ist der einzige Grund, warum sie will, dass ich noch länger lebe?«, lamentierte er.

Wolf zuckte mit den Schultern.

»Du weißt ja, Vera ist sehr praktisch veranlagt. Bei drei kleinen Brüdern muss sie darauf achten, dass sie nicht zu kurz kommt.«

Er holte Desinfektionsmittel, Tupfer, Spritze und eine Ampulle aus seiner Tasche und legte alles auf Peters Nachtschränkchen bereit.

»Apropos praktisch veranlagt ... Ich habe dich doch neulich gefragt, ob du mich in zwei Wochen zu diesem langweiligen Vortrag des Ärztekammerpräsidenten in Bad Homburg begleitest, zu dem ich verdonnert wurde ...«

»Ja, hast du. Und? Ich habe Nein gesagt. Keine Lust«, erwiderte Peter und klang dabei ziemlich gereizt. Er wollte endlich die Spritze bekommen, damit die schrecklichen Schmerzen aufhörten.

»Na ja, ich dachte, du möchtest es dir angesichts deiner hilflosen Lage jetzt noch mal anders überlegen«, sagte der Orthopäde grinsend. »Immerhin bist du ja jetzt auf mich angewiesen. Du weißt ja, eine Hand wäscht die andere.«

»Soll das eine Erpressung sein?«, brauste Peter auf.

»Genau das!«, bestätigte Wolf frei heraus. »Ich bin ebenfalls sehr praktisch veranlagt und muss darauf achten, dass ich nicht zu kurz komme.«

»Träum weiter!«, zischte der Notarzt. »Ich kann auch einen Notarzt rufen. Von dem kriege ich die Spritze umsonst!«

»Na klar!«, feixte Wolf Habermann. »Wenn du Glück hast, erwischst du den schönen Sven. Der sticht zwei Meter weit daneben, und hinterher geht es dir noch schlechter.«

»Du ausgekochtes Schlitzohr!«

»Tja, man tut, was man kann.«

Wolf blinzelte Lea, die ihn ein bisschen erschrocken anguckte, schmunzelnd zu. Natürlich scherzte er nur, und Peter wusste das ganz genau. Die beiden Ärzte zogen einander bei jeder Gelegenheit auf. Sie kannten sich schon seit frühester Kindheit und verfielen automatisch in den Jargon halbstarker Jungs, wenn sie zusammen waren. In Wahrheit konnte einer sich auf den anderen blind verlassen.

Außerdem wollte Wolf Peters Kampfgeist anfachen und ihn so ein bisschen von den Schmerzen und der Angst vor der Spritze, die auch nicht ganz schmerzfrei sein würde, ablenken.

»Krieg ich jetzt die Spritze oder nicht?«

»Aufsetzen und das neckische Jäckchen ausziehen! Sind da kleine Häschen drauf?«

»Hast du was an den Augen? Das sind Flugzeuge!«

»Entzückend! Da war wohl einer sehr brav und hat was Schönes vom Weihnachtsmann bekommen. Jetzt setz dich endlich auf. Und dann krümmen wir schön den Rücken!«

»Ich werd dir gleich was krümmen! Wie soll ich das denn machen, wenn ich mich nicht bewegen kann?«

»Beiß halt die Zähne zusammen, du Warmduscher!« Wolf fasste Peter unter den Armen und zog ihn in eine sitzende Position.

»Au! Willst du mich umbringen?«

»Unkraut ist kaum totzukriegen. Beug dich nach vorne und leg den Kopf auf die Knie!«

»Sehr witzig! Wie denn, wenn ich ... Auaaa!«

»Na also, geht ja«, sagte der Orthopäde lachend, nachdem er ein bisschen nachgeholfen hatte. »Was sind wir doch für ein tapferer Junge.«

Wolf tastete Peters Lendenwirbelsäule mit den Fingern ab und suchte nach der richtigen Stelle.

»Wir könnten während des Vortrags Schiffe versenken spielen. Wie damals am Gymnasium. Weißt du noch? Ich habe immer gewonnen, weil du schon damals ein bisschen unterbelichtet warst.«

»Hast du beginnenden Alzheimer, oder was? Ich war derjenige, der fast immer gewonn... Auaaa!!! Was tust du?«

»Schon erledigt«, sagte Wolf lachend und warf die leere Spritze auf Peters Nachtschränkchen. »Die schenke ich dir. Damit kannst du abends in der Wanne spielen und Mutti nass spritzen.«

»Idiot!«

»Gern geschehen. In zwei bis drei Minuten müsste der Schmerz nachlassen. Wenn ich einen Kaffee bekomme, warte ich auf dich und nehme dich nachher in die Klinik mit. Dort kannst du dir die morschen alten Knochen von Calvin zurechtbiegen lassen. Er hat Tricks auf Lager, die ich leider nicht beherrsche.«

***

Auch Dr. Calvin Erhardt war zu dieser frühen Stunde bereits wach, obwohl er erst gegen halb acht Uhr aus dem Haus musste, um zuerst die Kinder zur Schule zu bringen und anschließend zum Dienst in die Sauerbruch-Klinik zu fahren.

Er stand in der Küche und schmierte Pausenbrote für die Kinder. Er steckte sie zusammen mit je einem Apfel und ein paar Keksen in die Lunchboxen und verstaute diese in den beiden Schulranzen. Dann begann er, das Frühstück für die gesamte Familie zuzubereiten.

Anders als die meisten Ärzte in der Sauerbruch-Klinik brauchte der siebenunddreißigjährige Dr. Calvin Erhardt keine Zwölfstundendienste zu schieben.