Der Notarzt 452 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 452 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Seit ihrer frühesten Kindheit ist Alva Carlsbach ein Organisationstalent und Überflieger. In der Schule hat sie mehrere Klassen übersprungen, danach ihr Studium in der schnellstmöglichen Zeit abgeschlossen und es anschließend zur Marketingdirektorin eines großen Fernsehsenders gebracht. Doch jetzt, mit neunundzwanzig, scheint sie plötzlich all ihre Energie verloren zu haben. Selbst das morgendliche Duschen und Zähneputzen bedeutet für sie einen riesigen Kraftakt, ihre Post öffnet sie schon lange nicht mehr, und ihre Arbeitskollegen erkennen die ehemals so eloquente und zielstrebige Frau kaum wieder. Als auch noch Herzprobleme und Atemnot hinzukommen, sucht Alva die Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik auf.
Dr. Peter Kersten erkennt schnell, woran seine Patientin leidet. Und dem erfahrenen Mediziner ist sofort klar, dass ihr eine klassische Behandlung nicht weiterhelfen wird. Alva muss einen ungewöhnlichen Weg gehen, um wieder gesund zu werden. Aber weder Dr. Kersten noch Alva ahnen, wie viel dieser Weg von ihr abverlangen wird - und welch große Überraschung dabei am Ende auf sie wartet ...


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Seitenzahl: 116

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Schließe deine Augen, Alva

Vorschau

Impressum

Schließe deine Augen, Alva

Als alles zu viel wird, geht die junge Frau einen ungewöhnlichen Weg

Karin Graf

Seit ihrer frühesten Kindheit ist Alva Carlsbach ein Organisationstalent und Überflieger. In der Schule hat sie mehrere Klassen übersprungen, danach ihr Studium in der schnellstmöglichen Zeit abgeschlossen und es anschließend zur Marketingdirektorin eines großen Fernsehsenders gebracht. Doch jetzt, mit neunundzwanzig, scheint sie plötzlich all ihre Energie verloren zu haben. Selbst das morgendliche Duschen und Zähneputzen bedeutet für sie einen riesigen Kraftakt, ihre Post öffnet sie schon lange nicht mehr, und ihre Arbeitskollegen erkennen die ehemals so eloquente und zielstrebige Frau kaum wieder. Als auch noch Herzprobleme und Atemnot hinzukommen, sucht Alva die Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik auf.

Dr. Peter Kersten erkennt schnell, woran seine Patientin leidet. Und dem erfahrenen Mediziner ist sofort klar, dass ihr eine klassische Behandlung nicht weiterhelfen wird. Alva muss einen ungewöhnlichen Weg gehen, um wieder gesund zu werden. Aber weder Dr. Kersten noch Alva ahnen, wie viel dieser Weg von ihr abverlangen wird – und welch große Überraschung dabei am Ende auf sie wartet ...

Sie war schon immer ein unglaubliches Organisationsgenie gewesen. Kaum hatte Alva Carlsbach es mit rund drei Jahren geschafft, einen Bleistift so zu benutzen, dass man hinterher auch halbwegs erkennen konnte, was sie auf das Papier gekritzelt hatte, hatte sie damit begonnen, ihren Alltag zu organisieren.

Sie hatte zum Beispiel alles aufgezeichnet, was sie gerne aß. Bananen und Äpfel, Birnen und Weintrauben, Kartoffeln und Suppe, Salat und Butterbrot, einfach alles, was ihr schmeckte.

Ihre Mutter war das genaue Gegenteil von ihr. Chaotisch und ziemlich planlos. Immer wieder setzte sie ihr Speisen vor, die Alva nicht mochte. Sie konnte sich einfach nicht merken, dass ihre Tochter sich beispielsweise konsequent weigerte, Kohl zu essen, setzte ihr fast täglich welchen vor, weil sie im Garten viel zu viel davon angepflanzt hatte, und kippte diesen hinterher ins Klo.

Sie machte es noch heute so. Der größte Teil ihres Geldes ging dafür drauf, dass sie Dinge kaufte, die sie nicht brauchte und hinterher wegwarf oder verschenkte. Sie kaufte auch immer viel zu viel Essen, das ebenfalls im Müll landete, wenn es vergammelt war.

Vielleicht war Alva genau aus diesem Grund so strukturiert veranlagt. Weil ihr dieses Verhalten schon als Kleinkind ziemlich widernatürlich vorgekommen war.

Wenn Mama ihr neue Anziehsachen gekauft hatte, hatte sie im Laden immer »Wird schon passen« gesagt, weil sie keine Lust gehabt hatte, Alva vorher abzumessen oder sie die Sachen vorher anprobieren zu lassen.

Sie hatten nur selten gepasst, und umtauschen war dann nicht mehr möglich gewesen, weil sie die Kleider immer gleich vor dem ersten Anziehen in die Waschmaschine gesteckt hatte.

Die Nachbarn im Haus nebenan, die etwas kleinere Kinder gehabt hatten, hatten sich immer sehr über die neuen Kleider gefreut. Sie hatten kaum jemals neue Sachen für ihre Kinder kaufen müssen und sich auf diese Weise in wenigen Jahren ein großes Gewächshaus für den Garten zusammengespart, während Mama nie auf einen grünen Zweig gekommen war.

Bereits mit vier Jahren hatte Alva sich selbst das Lesen und das Schreiben beigebracht. Von da an hatte sie immer Einkaufslisten verfasst, was ihre Mutter nie getan hatte und nach wie vor nicht tat.

Marie Carlsbach zog beispielsweise los, um Butter, Milch und Brot zu kaufen, und kam mit Socken, Keksen und dem geschätzten dreißigsten neuen Regenschirm zurück.

Bei den Sonderangeboten im Eingangsbereich des Supermarktes verlor sie regelmäßig den Kopf, kaufte alles, was hübsch, bunt und billig war, und vergaß darüber völlig, weshalb sie eigentlich hingegangen war.

Alva war nicht besonders gerne zur Schule gegangen. Sie hatte sich dort schrecklich gelangweilt. Doch während andere Kinder mit demselben Problem während der Unterrichtsstunden Faxen machten oder einfach nur unbeteiligt dasaßen, dann schlechte Noten bekamen und die Klasse vielleicht sogar wiederholen mussten, hatte Alva ihre Schulzeit bereits mit acht Jahren vom Anfang bis zum Ende durchgeplant gehabt.

Sie hatte etliche Klassen übersprungen und ihr Abitur mit sechzehn in der Tasche gehabt. Danach hatte sie ihr Studium – Volkswirtschaft, Medien und Kommunikationsmanagement und Medieninformatik – begonnen. Mit zwanzig war sie mit ihrer Ausbildung fertig gewesen und hatte ihre Karriere geplant und begonnen.

Innerhalb weniger Jahre hatte sie sich bei einem großen Fernsehsender bis zur Public Relations- und Marketingdirektorin hochgedient. Sie war als jene bekannt geworden, die immer Zeit hatte.

Egal, wie viel Arbeit man ihr auch aufbürdete, sie hatte immer noch ein bisschen Zeit für etwas Neues übrig. Auch für ihre Fitness fand sich noch genügend Zeit. Jeden Morgen lief sie exakt zehn Kilometer weit, und ihre Mittagspausen verbrachte sie im Fitnessraum der Fernsehanstalt.

Das ist alles nur eine Frage der Einteilung und des Willens, pflegte sie zu sagen, wenn jemand sie fragte, ob ihr Tag denn doppelt so viele Stunden hätte wie der Tag aller anderen.

Doch heute, nach fast zehnjähriger, extrem steiler Karriere – sie ging auf die dreißig zu –, wollte es mit der Einteilung nicht mehr richtig klappen. Auch nicht mit dem strategischen Denken und mit der exakten Planung ihres Tagesablaufs.

Das Feuer, das noch bis vor Kurzem in ihr gebrannt und sie dazu angetrieben hatte, mit Begeisterung bis an ihre Grenzen und darüber hinaus zu gehen, war ihr völlig abhandengekommen. Es schien erloschen zu sein. Erstickt unter einer nie gekannten Lethargie.

Hatte sie in all den Jahren zuvor das Leben noch in vollen Zügen genossen, so konnte sie jetzt plötzlich keinen Gefallen mehr daran finden. Das ging sogar so weit, dass sie schon mehrmals darüber nachgedacht hatte, es zu beenden.

Außerdem litt sie in letzter Zeit ziemlich häufig unter Atemnot und einem beklemmenden Gefühl in der Brust. Es fühlte sich fast so an, als ob ihr Herz genauso wie sie selbst keine Lust mehr dazu hätte, seinen Dienst ordentlich zu verrichten.

Beruflich funktionierte sie noch einigermaßen gut. So gut, dass niemandem an ihrem Arbeitsplatz eine Veränderung auffiel. Ihr Privatleben ging jedoch seit einigen Wochen kontinuierlich den Bach runter.

Der Briefkasten an der Tür des hübschen Einfamilienhauses am grünen Rand von Frankfurt, das sie sich bereits mit fünfundzwanzig gekauft hatte, quoll über, weil sie abends nicht mehr die Energie dazu hatte, ihn auszuleeren.

Wenn sie zu Hause war, ging sie nicht mehr ans Telefon. Selbst dann nicht, wenn ihre beste Freundin, ihre Mutter oder sonst jemand anrief, mit dem sie früher gerne und oft gesprochen hatte.

Sie nahm es mit ihrem Äußeren nicht mehr ganz so genau. Sie ging auch schon mal in ihrem Businesskostüm ins Bett, weil sie zu müde war, um sich abends auszuziehen und zu duschen. Und weil sie am Morgen noch immer müde war, ging sie in dem zerknitterten Kostüm auch gleich wieder zur Arbeit.

Während sie noch bis vor wenigen Monaten leichtfüßig durchs Leben getänzelt war und jede Hürde mühelos übersprungen hatte, fühlte sich neuerdings jeder einzelne Schritt für sie so an, als würde sie durch hüfttiefes Wasser waten. Und zwar gegen den Strom.

Sie wusste, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte, aber es war ihr egal. Überhaupt war ihr in letzter Zeit alles egal.

Ihre langjährige Freundin Larissa hatte ihr vor rund fünf Wochen eine Sprachnachricht auf ihrem Smartphone hinterlassen. Larissa war sehr aufgeregt gewesen und hatte berichtet, dass sie Adrian, einen gemeinsamen Freund aus der Jugendzeit, heiraten würde. Sie hatte Alva gefragt, ob sie ihre Trauzeugin sein wolle.

Alva hatte nie zurückgerufen. Sie hatte den Rückruf von einem auf den nächsten Tag verschoben, denn die Aufgabe, Trauzeugin zu sein, war ihr unbezwingbar erschienen.

Als Trauzeugin müsste sie traditionsgemäß Larissas Junggesellinnenabschied organisieren, sie müsste Larissa bei der Auswahl ihres Brautkleids begleiten und beraten, sie müsste bei der Vorbereitung der Hochzeit und des anschließenden Festes helfen, der Braut am Hochzeitsmorgen beistehen und sie dann zum Standesamt oder zur Kirche bringen und so weiter.

Tagelang hatte ihr dieses Problem schwer im Magen gelegen. So sehr sie auch darüber nachgedacht hatte, sie hatte keinen blassen Schimmer gehabt, wie sie das alles bewältigen sollte. Es hatte sogar Momente gegeben, in denen sie ihre beste Freundin dafür hasste, dass diese ihr eine solche Last aufbürden wollte.

Als sie heute – es war Freitag, und es ging schon auf Mitternacht zu – von der Arbeit nach Hause kam ...

»Oh, verdammt!« Der Postbote, der sie bereits mehrmals darauf hingewiesen hatte, sie solle endlich mal ihren Briefkasten leeren, hatte wohl die Schnauze voll gehabt und ihre heutige Post einfach vor die Tür geworfen.

Abonnierte Tageszeitungen und Magazine, Rechnungen, Werbeprospekte, Briefe, alles lag kunterbunt durcheinander in einem beachtlich großen Haufen auf ihrer Fußmatte und war nass, weil es tagsüber ein bisschen geregnet hatte.

Sie raffte das ganze Zeug mit beiden Händen zusammen, um es in die Papiertonne zu werfen, als ein einzelner Brief hinunterfiel und im Lichtkegel der Außenbeleuchtung liegen blieb.

Der Briefumschlag war schwarz umrandet. Es musste also jemand gestorben sein. Jemand, den sie gut kannte.

Ihr erster Gedanke galt ihrer Mutter, die ihr vor fast zwei Monaten eine E-Mail geschickt und darin erwähnt hatte, dass sie krank sei. Alva hatte sie weder angerufen noch die Nachricht beantwortet.

Mit zitternden Fingern riss sie den Umschlag auf und las im Schein der Außenbeleuchtung, dass es sich um Adrian, Larissas zukünftigen Ehemann, handelte, der bei einem Unfall mit dem Motorrad ums Leben gekommen war.

Das Gefühl, das Alva bei dieser Nachricht überkam, entsetzte sie selbst dermaßen, dass sie beschloss, sofort etwas gegen ihre seltsame Verwandlung zu unternehmen.

Sie fühlte sich nämlich grenzenlos erleichtert. Kein Adrian mehr, das bedeutete, dass es keine Hochzeit geben würde, und das wiederum hieß, dass sie sich nicht länger damit belasten musste, herauszufinden, ob sie Larissas Trauzeugin sein sollte oder nicht.

Zutiefst entsetzt über diese ebenso grausamen wie selbstsüchtigen Gedanken, stieg sie sofort wieder ins Auto. Die Notaufnahme der Sauerbruch-Klinik war ihr Ziel.

Sie brauchte Hilfe. Und zwar sofort, ehe sie sich vollends in ein unmenschliches Monstrum verwandelte.

***

Rund sechshundert Kilometer von Frankfurt entfernt, in einer der schönsten Gegenden der Welt, nämlich im Val Müstair im Schweizer Kanton Graubünden, brütete der siebenundvierzigjährige Patrick Schreiner zu dieser späten Stunde noch über den Geschäftsbüchern.

Er und seine zwei Jahre jüngere Frau Juliane hatten vor drei Jahren eine Frühstückspension und eine dazugehörige Almhütte geerbt. Der vormalige Besitzer der Pension war ein sehr entfernter Verwandter von Juliane gewesen, den sie kaum jemals zu Gesicht bekommen hatten. Die Erbschaft hatte sie also sehr überrascht. Und sie war ihnen wie ein Wink des Schicksals erschienen.

Beide waren sie damals beruflich stark eingespannt gewesen. Patrick als Filialleiter einer Bank in Berlin und Juliane als Professorin für Deutsch, Geschichte und Sport an einem Berliner Gymnasium.

Beide hatten sie damals bereits mit großer Ungeduld auf ihre Pensionierung gewartet und sich fast täglich ausgemalt, wie sie dem hektischen Berlin den Rücken kehren und ihre restliche Lebenszeit irgendwo in Ruhe und Beschaulichkeit verbringen würden.

Deshalb hatten sie auch nicht besonders lange überlegt und waren mit Sack und Pack nach Santa Maria ausgewandert, um Großonkel Retos Pension weiterzuführen.

Die Schweizer waren ja dafür bekannt, dass sie alles langsam und gemütlich angingen, deshalb hatten sie sich das neue Leben wie einen einzigen langen Urlaub vorgestellt. Doch recht bald hatten sie erkennen müssen, dass das Leben hier kaum weniger stressig war als in Berlin.

In dem Dorf, das knapp dreihundertfünfzig Einwohner hatte, war es zwar in der Tat ruhig und beschaulich. Nachts war es hier noch richtig dunkel, und es rissen einen keine um die Kurven schrammenden Straßenbahnen, keine gellenden Martinshörner oder übers Dach knatternde Hubschrauber aus dem Schlaf.

Es gab auch keine nervenden Nachbarn, die einem das Leben schwer machten. In Santa Maria tummelten sich gerade einmal acht Einwohner pro Quadratkilometer. Wenn also einer den anderen durch den Maschendrahtzaun hindurch beschimpfen wollte, bräuchte er entweder ein Megafon oder müsste der Kunst des Jodelns mächtig sein.

Die Natur war hier berauschend schön, die Luft rein und würzig, und wenn man durstig war, konnte man noch mit bloßen Händen Wasser aus dem Bach schöpfen und es trinken, ohne sich damit die Hände und die Kehle zu verätzen.

Es handelte sich auch um eine völlig andere Art von Stress als jener in Berlin. Das liebe Geld war der einzige Punkt in ihrem neuen Leben, das ihren Frieden störte. Es kam immer ein bisschen zu wenig herein, um alle Rechnungen sofort bezahlen und ruhig schlafen zu können.

»Kommst du nicht ins Bett, Schatz? Es ist schon bald Mitternacht.«

Juliane Schreiner betrat das kleine Arbeitszimmer hinter der Rezeption. Sie war bereits im Nachthemd und trug ein kleines Tablett, auf dem ein Glas und eine Flasche Bier standen.

Vom Bier, das wusste sie, wurde ihr Mann immer müde. Er ließ sich dann leichter dazu überreden, das sinnlose Rechnen aufzugeben und ins Bett zu gehen.

»Dieser Franzose, der unsere Berghütte für den ganzen Sommer mieten wollte, ist einfach nicht aufgetaucht«, seufzte Patrick und rieb sich mit den Fäusten die Augen. »Ich hatte das Geld aber schon fest eingeplant. Wir brauchen dringend eine neue Heizung, weil sonst die Wintergäste ausbleiben werden. Ein paar Reparaturen stehen an, und die nächste Kreditrate ist auch bald wieder fällig.«

»Ach, Schatz!« Juliane goss Bier in das Glas. »Wir müssen aufhören, wie zwei gestresste Berliner zu denken. Hier ticken die Uhren doch ganz anders. Die Menschen hier nehmen alles viel gelassener. Kommt Zeit, kommt Rat, so heißt es doch, oder?«

Patrick nickte. »Ja, so heißt es«, seufzte er. »Aber das ist ein alter Spruch. Heute muss man ›Kommt Zeit, kommt die Bank und nimmt uns die Pension weg‹ sagen. Und diesbezüglich ticken die Uhren hier genauso wie auch sonst überall auf der Welt.«

Er trank einen Schluck Bier und seufzte auf.

»Die Sprünglis haben erst vor vier Monaten ihren Bauernhof verlassen müssen, weil sie wegen des Ernteausfalls im letzten Herbst den Kredit für die neuen Maschinen nicht zurückbezahlen konnten.«

»Wir werden es schon schaffen«, redete Juliane beruhigend auf ihren Mann ein. »Wir haben es bisher doch immer geschafft. Immer wenn wir dachten, es geht nicht weiter, haben wir plötzlich genügend Geld eingenommen, um alle Schulden abstottern zu können. Das wird diesmal nicht anders sein.«

Sie beugte sich über den Bildschirm des Computers, vor dem Patrick saß.