Der Notarzt 457 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 457 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Die neunzehnjährige Pia steht kurz vor der Vollendung ihres Pflegestudiums an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik und kommt mit all ihren Kollegen und Vorgesetzten sehr gut aus. Die junge Frau ist fleißig, höflich, verlässlich und kompetent. Und sie scheint gerade auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen, denn sie ist frisch verliebt in ihren Freund Gerry, der sie regelmäßig zur Klinik bringt und auch wieder abholt - sehr zum Missfallen von Dr. Milo Bachmann. Der dreiundzwanzigjährige Assistenzarzt hat sich selbst in die bildhübsche Kollegin verliebt, behält seine Gefühle aber für sich, da er ja offensichtlich ohnehin keine Chance bei ihr hat.
Doch so glücklich Pia auf ihr Umfeld auch wirkt, in ihrem Inneren trägt sie schwere Kämpfe aus. Kämpfe gegen ihre eigenen Dämonen, Ängste und Gefühle. Und dann erhält die Pflegerin einen Anruf, der mit einem Schlag ihre Welt zum Einstürzen bringt ...


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Inhalt

Cover

Meine inneren Dämonen

Vorschau

Impressum

Meine inneren Dämonen

Jeder hielt Pia für glücklich, doch in ihr sah es ganz anders aus

Karin Graf

Die neunzehnjährige Pia steht kurz vor der Vollendung ihres Pflegestudiums an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik und kommt mit all ihren Kollegen und Vorgesetzten sehr gut aus. Die junge Frau ist fleißig, höflich, verlässlich und kompetent. Und sie scheint gerade auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen, denn sie ist frisch verliebt in ihren Freund Gerry, der sie regelmäßig zur Klinik bringt und auch wieder abholt – sehr zum Missfallen von Dr. Milo Bachmann. Der dreiundzwanzigjährige Assistenzarzt hat sich selbst in die bildhübsche Kollegin verliebt, behält seine Gefühle aber für sich, da er ja offensichtlich ohnehin keine Chance bei ihr hat.

Doch so glücklich Pia auf ihr Umfeld auch wirkt, in ihrem Inneren trägt sie schwere Kämpfe aus. Kämpfe gegen ihre eigenen Dämonen, Ängste und Gefühle. Und dann erhält die Pflegerin einen Anruf, der mit einem Schlag ihre Welt zum Einstürzen bringt ...

»Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!«

Dies war einer der Lieblingssprüche des Verwaltungsdirektors der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, und diesen schmetterte er eben jetzt Prof. Lutz Weidner lautstark entgegen.

»Ein geschenkter Gaul kann aber eine ganze Menge Ungemach verursachen!«, konterte der Chefarzt.

Er hob seine Hand und zählte unter Zuhilfenahme der Finger die einzelnen Punkte auf, die seiner Meinung nach gegen einen geschenkten Gaul sprachen.

»Erstens muss man für die Haltungskosten aufkommen und zwar ungeachtet dessen, ob der Gaul zu irgendetwas zu gebrauchen ist oder nicht. Zweitens kann so ein unnützer Gaul ungeahnte Schäden verursachen, für die wir ebenfalls aufkommen müssten. Drittens würde es unserer Reputation schaden, würde der Gaul sich während der Zeit, in der er bei uns weilt, erneut etwas zuschulden kommen lassen. Viertens ...«

»Ach, Sie immer mit Ihren faulen Ausreden, Weidner! Sie suchen mit der Lupe nach einer Fliege in der Suppe und finden ja doch nichts als Nudeln«, grummelte Direktor Emil Rohrmoser.

Er nahm nun ebenfalls seine Finger zu Hilfe.

»Erstens entstehen uns absolut keine Haltungskosten, denn der Gaul braucht ja nicht gefüttert zu werden. Zweitens ist der Gaul versichert, und die Versicherung kommt für sämtliche Schäden auf, die der Gaul verursacht. Und drittens hat der Gaul eine erstklassige Erziehung genossen und lässt sich garantiert nichts zuschulden kommen!«

»Sie vergessen wohl, dass der Gaul die unliebsame Gewohnheit hat, wie ein Rabe zu stehlen!«

»Sie meinen wohl wie eine Elster!«

»Nun, die Elster zählt ja zu den Rabenvögeln!«

»Ach, Sie immer mit Ihren Spitzfindigkeiten!«, donnerte Emil. »Meinetwegen! Aber das Rabenvieh, nein, der Gaul stiehlt ausschließlich Schmuck und Designerkleider und keine Bettpfannen oder Herz-Lungen-Maschinen!«

»Einem Gaul mit einer pathologischen Veranlagung zum Stehlen ist es in der Regel egal, was er stiehlt, Direktor. Sobald der Gaul merkt, dass es hier weder Schmuck noch Designerkleider gibt, kann er ohne Weiteres auf Bettpfannen oder Herz-Lungen-Maschinen umsatteln! Außerdem ...«

Der Chefarzt brach ab und schüttelte genervt den Kopf.

»Grundgütiger! Warum reden wir hier überhaupt über einen Gaul? Es handelt sich doch um eine Dame! Eine Dame im weit fortgeschrittenen Alter!«

Emil hob seinen wurstähnlichen Zeigefinger hoch.

»Einundsiebzig, aber noch sehr flink und wendig. Das erkennt man schon daran, dass es ihr innerhalb kurzer Zeit gelungen ist, Waren im Wert von rund hunderttausend Euro zu klauen. Versuchen Sie das doch mal! Das ist vermutlich gar nicht so einfach. Man braucht starke Nerven und Fingerspitzengefühl.«

»Gelungen? Ha!« Prof. Weidner lachte lauf auf. »Sie ist erwischt worden, und man hat das Warenlager in ihrem Haus entdeckt. Da kann man wohl kaum vom Gelingen oder von übermäßigem Talent sprechen!«

»Aber davon, dass sie tüchtig, flink und wendig ist!«, entgegnete Direktor Rohrmoser trotzig. »So viele Kleider, Schuhe, Hüte und Schmuckstücke zu klauen, dafür muss man schon sehr geschickt sein. Da wird sie sich wohl auch beim Bettpfannen ausleeren und Essen servieren nicht allzu unbeholfen anstellen.«

»Ich will es aber nicht, Direktor!« Ganz gegen seine Gewohnheit wurde Lutz Weidner nun ebenfalls ziemlich laut. »Ich will es nicht, und da beißt die Maus ...«

»Hören Sie auf, mit meinen Sprüchen hausieren zu gehen, Weidner! Und ich will es aber doch! Ich will es! Da beißt die Maus keinen Faden ab! Basta! Ende im Gelände!«, brüllte der Verwaltungsdirektor.

»Was haben wir denn davon?«, brüllte der Professor zurück. »Bekommen Sie Geld dafür, oder was?«

»Was, was, was, Geld, Geld, Geld!«, äffte Emil ihn nach. »Eine völlig kostenlose Arbeitskraft haben wir davon! Und zwar ein ganzes halbes Jahr lang! Und eine kostenlose Arbeitskraft bedeutet Einsparungen, und Einsparungen bedeuten Geld. Das haben wir davon!«

»Einsparungen hin und Geld her, ich will es trotzdem nicht! Es ist mir viel zu riskant! Meine endgültige Antwort lautet Nein!«

»Ha! Als ob ich auf Ihre Erlaubnis angewiesen wäre, Sie sturer alter Zausel! Die Verwaltung meiner ... unserer Klinik obliegt immer noch mir! Ich habe mehr zu sagen als Sie! Zumindest, wenn es sich um verwaltungstechnische Angelegenheiten handelt. Und genau darum handelt es sich hierbei! Ende, aus, Nikolaus!«

»Nehmen Sie die Dame doch zu sich nach oben, wenn Ihnen so viel an ihr liegt! Lassen Sie sie das Geld in der Portokasse zählen oder die Bilanzen ...«

»Sind Sie vom wilden Affen gebissen, Weidner!«, brauste Emil leidenschaftlich auf. »Dann wäre die Portokasse doch sofort leer und ausgetrocknet wie die Wüste Sahara! Und Goldie auch noch gleich dazu! Und womöglich geht sie an den Schrank, in dem ich diverse Snacks für Notzeiten aufbewahre!«

»Ach ja?« Der Chefarzt legte den Kopf schief und lächelte vielsagend. »So ist das also? Sie machen sich Sorgen um Goldie, Ihr Sparschwein, um Ihre Kekse und Kartoffelchips, aber die Sorgen um meine Patienten, die sollen nicht zählen?«

»Das kann man doch nicht vergleichen! Ist sie vielleicht dazu in der Lage, sich Ihre Patienten heimlich einzustecken und sie wegzutragen? Wie? Nein, ist sie nicht, Sie uneinsichtiger, verbiesterter, dickköpfiger ...«

Emil Rohrmoser fuhr wütend herum, als die Tür zu Lutz Weidners Büro von draußen geöffnet wurde.

»Wer stört?«, brüllte er und riss entsetzt beide Arme hoch, als er plötzlich in den trichterförmigen Lauf einer reich verzierten Donnerbüchse aus dem siebzehnten oder achtzehnten Jahrhundert blickte.

»Keine Sorge, Direktor!« Marianne Hoppe, die langjährige Sekretärin des Chefarztes, senkte den Lauf der alten Waffe, die sie sich von Albert Kleinschuster, dem Hauptbuchhalter der Klinik, ausgeliehen hatte.

Kleinschuster, der ein leidenschaftlicher Sammler von alten Briefmarken und alten Waffen war, hatte die Wand hinter seinem Schreibtisch mit einigen seiner Prunkstücke dekoriert.

»Sie ist nicht geladen. Noch nicht!« Sie deutete mit dem Kinn zur offenen Tür. »Können wir gehen?«

»Gehen? Wohin denn, Marianne?« Lutz Weidner zuckte ahnungslos mit den Schultern.

»Runter in den Klinikpark!«

»Warum sollten wir?«, wollte Emil Rohrmoser wissen. »Dort unten ist es kalt und nass. Ich kann es mir nicht leisten, einen Schnupfen zu bekommen. Außerdem habe ich nun wirklich keine Zeit, um spazieren zu gehen!«

»Seit über einer Viertelstunde versetzen Sie beide nun schon die gesamte Kardiologie mit Ihrem Gebrüll in Angst und Schrecken«, erwiderte die vollschlanke Mittfünfzigerin mit den bordeauxroten Ringellöckchen.

Sie hob statt ihres Zeigefingers die Waffe hoch.

»Kar-di-o-lo-gie, wohlgemerkt! Hier liegen lauter Patienten mit schwachen und kranken Herzen, die Ruhe brauchen. Ru-he! Und die brauche ich auch, um meine Arbeit erledigen zu können.«

Sie deutete zur offenen Tür, durch die man etliche zusammengeknüllte Zettel auf dem Boden neben ihrem Schreibtisch liegen sehen konnte.

»Ich habe jetzt ein und denselben Brief achtmal ausgedruckt und jedes Mal aufs Neue einen Tippfehler darin gefunden! Und ich mache sonst nie Tippfehler! Nie!«

»Das vergeudete Papier ziehe ich Ihnen von Ihrem nächsten Monatsgehalt ...«

»So, jetzt aber!«, fiel Marianne dem Verwaltungsdirektor energisch ins Wort. Sie hob den Lauf der alten Pistole, und Emil Rohrmoser sprang – erstaunlich behände für sein Übergewicht – auf und versuchte sich hinter der Sessellehne in Sicherheit zu bringen.

»Rufen Sie Ihre Tippse zur Raison, Weidner!«, lamentierte er. »Sie ist vom wilden Affen gebissen worden! Sie läuft Amok!«

»Ich bin nicht gebissen worden, und ich laufe nirgendwohin!«, protestierte Marianne. »Wenn es hier wilde Affen gibt, dann ...« Sie blickte vielsagend von einem zum andern, sprach jedoch nicht aus, was sie dachte. »Ach, lassen wir das! Ich will das Gebrüll nur so rasch wie möglich beenden.«

»Indem Sie einen von uns beiden erschießen?« Prof. Weidners Augenbrauen gingen nach oben.

»Nein, Chef.« Marianne schüttelte den Kopf. »Das müssen Sie schon selbst erledigen. Davon steht nichts in meiner Arbeitsplatzbeschreibung. Ich dachte vielmehr an ein Duell. Wir gehen runter in den Park, Sie versuchen auf diese Weise zu einer endgültigen Einigung zu gelangen, und ich mache Ihnen den Sextanten.«

»Sekundant meinen Sie wohl«, konterte der Chefarzt. »Ein Sextant ist ein nautisches Messgerät.«

»Das wusste ich!«, behauptete Frau Hoppe. »Aber bei Ihrem Gebrüll kann man ja wirklich völlig nautisch im Kopf werden. Wie auch immer! Ich habe neulich im Kino gesehen, wie das geht. Sie stehen Rücken an Rücken, dann entfernen Sie sich drei Schritte weit voneinander, drehen sich auf mein Kommando um und schießen. Wer dann tot ist, hat verloren.«

»Drei Schritte sind viel zu wenig!«, protestierte der Chefarzt. »Drei Schritte würden gerade einmal dafür reichen, dass Direktor Rohrmosers dicker Bauch mich beim Umdrehen nicht umschmeißt!«

»Apropos Bauch!«, fiel es dem Verwaltungsdirektor ein. »Es ist höchste Zeit für mein zweites Frühstü...«

»Als Sex... Sekundingsda bestimme ich die Regeln! Und ich sage drei Schritte! So kann ich sicher sein, dass einer von Ihnen beiden auch wirklich trifft!«

»Und wie sieht es mit einer kostenlosen Henkersmahlzeit vor dem Duell aus?«, erkundigte sich der Verwaltungsdirektor grinsend. Er hatte den ersten Schrecken überwunden und merkte jetzt, dass Marianne nur scherzte.

»Ist bei einem Duell nicht üblich«, entgegnete die Sekretärin. »Man weiß ja vorher noch nicht, wem die Henkersmahlzeit zustünde. Und hinterher ist es zu spät dafür.«

»Dann will ich mich nicht duellieren«, winkte Emil ab. »Außerdem haben wir uns ja ohnehin schon geeinigt.«

»Ach ja? Haben wir das?«

Emil nickte. »Wir machen es wie immer so, wie ich es haben will!«

»Träumen Sie weiter, Direktor!«, empörte sich der Klinikchef. »Nur über meine Leiche!«

»Bitte sehr, wie Sie wünschen!«, zischte Marianne Hoppe.

Der Chefarzt zuckte erschrocken zusammen, als das schaurige Klicken ertönte, mit dem der Schlagbolzen gegen den zum Glück leeren Lauf der Waffe schlug.

Breitbeinig wie Gary Cooper in »High Noon« stand Marianne mitten im Zimmer und zielte zur Decke hinauf.

»Einer muss nachgeben, sonst geht das bis in alle Ewigkeit so weiter!«, befahl sie. »Worum handelt es sich denn überhaupt?«

»Um einen geschenkten Gaul!«, seufzte der Chefarzt.

»Ich habe eine Anfrage von einem Rechtsanwalt erhalten«, erklärte Direktor Rohrmoser, als die Sekretärin ihn fragend anblickte. »Dessen Mandantin, eine einundsiebzig Jahre alte Dame aus der sogenannten feinen Gesellschaft, ist wegen wiederholten Ladendiebstahls zu sechs Monaten Gefängnisaufenthalt verurteilt worden.«

»Es ging aber nicht bloß um einen Kaugummi! Das müssen Sie schon auch dazusagen«, rügte der Chefarzt den Verwaltungsdirektor. »Sie hat Waren im Wert von hunderttausend Euro gestohlen.«

»Ja, ja, schon gut«, maulte Emil. »Auf alle Fälle hat der zuständige Richter angemerkt, dass er auch mit einer Haftersatzstrafe in Form von Sozialstunden zufrieden wäre.«

»Aha?« Marianne dachte kurz nach. »Eine Kleptokratin also?«

»Nein, eine Aristokratin«, entgegnete Emil Rohrmoser.

»Kleptokraten sind üblicherweise Politiker, die ihr Volk ausbeuten und das Geld in die eigene Tasche wirtschaften«, erklärte der Chefarzt. »Bei uns gibt es solche zum Glück nicht. Was Sie meinen, Marianne, nennt man Kleptomanie. Eine pathologische Veranlagung zum Stehlen.«

»Aber Aristokratin ist sie ebenfalls«, rechtfertigte sich Emil. »Mechthild von Eisenstett.«

»Eisenstett ...?« Frau Hoppe runzelte nachdenklich die Stirn. »Ist das nicht diese schrecklich vornehme Familie, die behauptet, sie stamme in direkter Linie von Karl dem Großen ab? Die, denen gut ein Viertel von Frankfurt und Umgebung gehört?«

Prof. Weidner nickte. »Genau diese.«

»Und ... Kann man die noble Dame mit den langen Fingern wieder vor die Tür setzen, wenn sie zu viele Probleme verursacht?«

»Natürlich kann man das.« Emil nickte. »Das hat der Rechtsanwalt extra hervorgehoben. Wenn sie ihre Chance nicht nutzt, kommt sie endgültig in den Knast.«

»Bravo, Marianne!« Lutz Weidner nickte seiner Sekretärin anerkennend zu. »An diese Option hatte ich gar nicht gedacht.« Er seufzte tief. »Also gut! Wenn diese Möglichkeit besteht und vertraglich festgelegt wird, dann versuchen wir es eben in Gottes Namen mit ihr.«

»Na also! Warum nicht gleich, Weidner? Ich habe die Dame und ihren Rechtsanwalt für vierzehn Uhr herbestellt und erwarte Sie um dieselbe Zeit oben in unserer Rechtsabteilung zur Besprechung der Einzelheiten.«

Emil deutete mit seinem schwammigen Dreifachkinn auf die Donnerbüchse.

»Ist das eines von Kleinschusters Spielsachen?«

Marianne nickte. »Ich habe sie mir nur ausgeliehen. Ich stand doch kurz vor der Verzweiflung.«

»Es wundert mich, dass der alte Erbsenzähler sie Ihnen geliehen hat. Er betrachtet seine Sammlerstücke ja beinahe als seine leiblichen Kinder. Mussten Sie ihn denn sehr lange dazu überreden oder vielleicht sogar Gewalt anwenden?«

»Überhaupt nicht, Direktor.« Marianne Hoppe schüttelte den Kopf. »Er hat sie mir förmlich aufgedrängt. Er meinte, das Stück würde enorm im Wert steigen, wenn nachweislich jemand damit erschossen wurde.«

»Entzückend!«, unkte der Verwaltungsdirektor. »Na, mal sehen. Wenn Kleinschuster sich auch bei der nächsten Bilanz wieder verrechnet, dann tue ich ihm vielleicht den Gefallen, das Ding ein bisschen aufzuwerten.«

Er watschelte auf seinen stämmigen Beinen zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um.

»Also, um Punkt zwei in der Rechtsabteilung, Weidner. Und überlegen Sie sich schon mal, in welcher Abteilung Sie die Dame einsetzen wollen.«

Der Chefarzt seufzte. Er bereute sein Ja längst wieder.

»Mal sehen. Vielleicht auf der Kinderkrebsstation. Kinder bringen keinen Schmuck und keine Kreditkarten mit ins Krankenhaus. Dort findet sie vermutlich nichts zum Klauen. Und ich werde das Personal instruieren, wachsam zu sein.«

***

»Gerry-hat-gesagt?«

Mit dieser Frage trat Dr. Valerian Schubert, der Oberarzt der Kinderkrebsstation, hinter Milo, der mit geballten Fäusten am Fenster stand und zum Eingangsbereich der Sauerbruch-Klinik hinunterblickte.

Gerry-hat-gesagt, so nannten fast alle hier den Freund von Schwester Pia hinter vorgehaltener Hand. Pia Herzog, die kurz vor der Vollendung ihres Pflegestudiums stand und zum Abschluss nur noch ein paar Monate Praktikum benötigte, zitierte ihren Freund nämlich an die hundert Mal pro Tag mit genau diesen Worten.

»Mhm.« Milo – das war Dr. Maximilian Bachmann, der dreiundzwanzigjährige Assistenzarzt, der vor rund zwei Monaten von der Notaufnahme auf die Kinderonkologie gewechselt hatte – nickte nur und deutete mit dem Kinn nach unten.

Valerian folgte seinem Blick. Gerry-hat-gesagt hielt die neunzehnjährige Pia Herzog eng umklammert und küsste sie, während die bildhübsche Schwesternschülerin ihre Hände tatenlos hängen und sowohl die Umklammerung als auch die Küsse einfach über sich ergehen ließ und nicht sonderlich verliebt oder leidenschaftlich wirkte.

Der Oberarzt, der wusste, dass Milo sich in Pia verguckt hatte, lachte leise und klopfte mit dem Handrücken gegen die geballte Faust des jungen Kollegen.