Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Tanja Biallas, Jahrgang 1971, geprüfte Fremdsprachenkorrespondentin (IHK) und leidenschaftliche Fitneß- und Gesundheitstrainerin (BSA), wurde bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn lebensbedrohlich verbrannt. Eindrucksvoll beschreibt sie ihre schmerzhaften Erlebnisse, scheut sich nicht, das am eigenen Körper erfahrene Leid und die Strapazen der Seele, durch gnadenlos reale Fotodokumentationen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Mit intensiven Worten offenbart sie ihr "Leben im Koma" und spricht von der "Vergewaltigung der Haut", während des jahrelangen Operationsmarathons. Gleichzeitig erwächst in ihr großer innerer Frieden, tiefe Dankbarkeit und sie trifft in diesem neuen, komplett veränderten Lebensentwurf auf unschätzbar wertvolle Menschen. Vor allem aber gibt sie ihrer Leserschaft großartige Möglichkeiten an die Hand - direkt und für jeden anwendbar - sich größtenteils selbst zu rehabilitieren. Eine packende Reise, zurück auf dem Weg in ein kraftvolles Leben, der härtesten Herausforderung überhaupt. Ein Mutbuch - für alle, die es wissen wollen!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 533
Veröffentlichungsjahr: 2016
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Dem sind keine Grenzen gesetzt, der sie nicht hinnimmt.
Zen-Weisheit
Ich habe es nicht alleine geschafft.
Ich wäre heute nicht da, wo ich bin,
hätte ich nicht die richtigen Menschen,
zur richtigen Zeit getroffen.
Diese wenigen, handverlesenen, wertvollen
Persönlichkeiten,
die mich nach Kräften unterstützt haben
und es noch tun.
Ihnen ist dieses Buch gewidmet,
ein Stück weit mir selbst,
meinem geliebten Training
und dem
Leben.
Vorspann
PROLOG
Ansatz 2, der eigentlich der Erste war
Warm-up
Ein Beispiel
DIE KAPITEL
Kapitel 1 Der Unfall und seine Folgen
Unfalldetails
SuperHubis
Der Gong
Needs time
Mein Leben im Koma
Intro
Schwarz-
Weiß
Disziplin im Koma
Hypnotherapie im Koma
Assi-Oma und Assi-Opa
In Dassensen
Verbrennungsintensiv-Station
Bewußt auf Intensiv
Eisenplatten im Verband
Alltag auf V-Int
.
Tage und Nächte
Endokarditis
Keine Spiegel
Anstrengende Atemübungen
Aufstehen
Living in a cage
Verbandswechsel und Wundreinigung
Ausbürsten der Wunden und Berührung mit Wasser
Ekel
Die ersten Tränen
Augen, Lunge, Arm und Bein
Anekdote zum Thema „Schminken
“
Entlassung von V-Int
.
Kapitel 2 Zurück im sozialen Umfeld
Aufenthalt in Bad Salzdetfurth
Back „home“ - das keines war
Dr. Milo
Mein rechtes Ohr
Problemzone Familie
Vater – Mutter – Schwester
Meine Schwester kommt nicht klar
Mehrgenerationenkonflikt
Erben und Seitenspringen
Omia & Opia
Ablehnung und Nicht-Verhalten
Böse Unterstellungen und Beleidigungen
Konsequenzen
Alpträume
(Nachts) im Schlaf erstickt werden
Stringtanga versus Windelhose
Zyklus
Kapitel 3 Rehabilitations-Kliniken
Allgemeines
Kritikpunkte
Der Rhythmus der Haut
Meine Vision
Gute Reha als Primärrehabilitation
Schlecht geschultes Personal und Schein-Experten
Frau Pilzhut
Heißes Paraffinbad
Unterschwelliges Training in Reha-Kliniken
Selbst-Stigmatisierung
Behandlung unter Medikamenten
Fortschrittliche Ansätze der Brandwundenbehandlung
Manuell
Psychisch
Isny 2006
„Medis
“
Kapitel 4 Selbststärkung/Psychotherapie - Hilfe für Körper, Geist und Seele -
Systemische Therapie meets Hypnotherapie
Kostenübernahme
Seelenleben
Angst vor Ehrlichkeit
Aus einem Lebensentwurf herausarbeiten
Dissoziationen
Spannung
Mein Expertinnentum in Blitz-Trance zu gehen
(Lebenslang) auf der Flucht
Was hilft kurzfristig?
Was hilft noch – sofort
Was hilft mittel- und langfristig?
Müssen
Vertrauen lernen
Tunnel-Attacke
Hypnosystemisches phone-coaching
Sinnbild für den Tod
Anmerkung zum Licht
Verblüffend gute Ergebnisse
KatastrophenKasse - die ewig Gestrige
Ablehung Kostenübernahme Psychotherapie nach lebensbedrohlichen Verbrennungen
- Hintergrundfakten
Ablehnung der grundsätzlichen und zeitnahen Bereitstellung von Wundpflegemitteln nach OP
- Experten-
Ausschuß
Steißgeburt bei Kostenübernahme klinisch getesteter, speziell für Brandverletzte entwickelter Hautnachsorgeprodukte
Geeignete Therapieverfahren
Osteopathie
Akupunktur
Yoga
Neue Ansätze und Vorschläge aus meiner Sicht
Harmonium auf Verbrennungsintensiv-Stationen
Etablierung von Akupunktur und Osteopathie
Negativerfahrungen in der Mumpitz-Klinik
Gedanken zur „östlichen“ Behandlungsart
Gedanken zur „westlichen“ Behandlungsart
Nochmal Erfahrungswerte + Arzneimittelhersteller
Einführung systemischer Kurzzeittherapie + klinischer Hypnose
Spark in the dark – gnadenlos positiv
Laß Nahrung deine Medizin sein
Kapitel 5 Rekonstruktions-Marathon
München
Herr Professor Ninkovic
Verschiedene Operationstechniken
INTEGRA
Dank ans KMB
Mein Hausarzt
Folgen der Verbrennung: Keloide + hypertrophic scars
Kleine Kunstwerke
Stern
Aus anthroposophischer Sicht
Schnitte in die Seele
Meine Bitte an die operierenden Plastischen Chirurgen
Großflächige Entnahmestellen
Ein Leben in der Zwangsjacke
Operationen
Training in der Klinik
Bildliches survival-pack bei stationären Aufenthalten
Gesunde Abgrenzung
Als ich anfing zu glauben
„Brüder & Schwestern
“
Durch Denken Grenzen überwinden
Weisheiten
Kapitel 6 How to handle it
Annehmen und Akzeptieren
H.A.A.R.P. – Klimawandel – Wettermanipulation
Schmerzen
Natürliche Schmerzmittel
Von ALLEM zu viel
Schlechte Tage und Phasen
Die Verbrennung ist eine große Lehrmeisterin
„Selbstheilung
“
Präoperatives Mentaltraining
Die Zauberformel
Strengen Sie sich an und übernehmen Sie Verantwortung
Und dann tut es doch wieder weh
Etwas Schönes
Weitermachen
Verwandle Negatives in Schönes
Loslassen
Kapitel 7 Soziales/Menschliche Interaktionen
Glück
Vorbilder
Herr Professor Ninkovic
Ein Paradoxon?
Großartige Frauen
Individuelles Therapeutennetz versus stationären Einheitsbrei
Freunde – alte und neue
Zitate zu Freunden
Tiefe, schmerzende Gedanken
Gefahrlose Gespräche
Kranke Einstellung
Angst vor der (eigenen) Stärke
Almosen Beziehung
„Gier frißt Hirn“ und der Fetischismus des Geldes
Balsam versus Breitseite
Angriffe auf die Seele
Kapitel 8 Nasses, Textilien & Hautpflege
Meilensteine
Schwimmen
RFB
Der Ursprung des Vertrauens
Im Schwimmbad
Bekleidung
Aus der Haut – in die Kompressionsbekleidung – und wieder zurück
Farben
Postoperative Farben
ANA & ANDA
Hautpflege
Pflichtprogramm
Schnelles Notfallprogramm
Aloe Vera
Hautschmeichlereien
Duschen & Baden
Kapitel 9 Sinnfragen
Kaputt
Allein
gelassen
Warum?
Fehlinterpretation
Das Leben geht jetzt erst richtig los
Eine neue Lebenslinie
Läuterung?
Kapitel 10 Ernährung
Flüssigkeitshaushalt
Niere
Cappuccino & Co – Milch
Grander Wasser
Lebensmittel
Eiweiß
Liste Aminosäuren
Proteinkonzentrate
Literatur
Kleine, feine Firma
Vitamine – Mineralstoffe – Spurenelemente
Liste Vitamine und Bioflavonoide
Liste Mineralstoffe und Spurenelemente
Multi-Vitamin-Präparate
Literatur
Kluger Bio-Bäcker
ERNÄHRUNGSKONZEPT
zur Leistungssteigerung und Gesundheitsoptimierung Brandverletzter durch diagnosespezifische Ernährung Kurzeinführung
Ernährungskonzept (exemplarische Basisversorgung)
Quelle
Kapitel 11 Sport
Krafttraining
Konstitutionsspezifisches Geräte- und FreihanteltrainingSpezielle Übungsformen für Brandverletzte zur maximalen Hormonstimulation
Die großen Drei
Fragwürdige Forschung
Hypertrophie und Hyperplasie der Skelettmuskulatur
Ausdauertraining
Anpassungserscheinungen des Herz-Kreislauf- und Nervensystems durch regelmäßige Langzeitausdauerbelastungen
Literatur
Dehnen – Tanzen – Turnen
Trainingskonzepte im Fluss und ohne Stempel
Kapitel 12 Philosophisch-Schöngeistiges
Reduce the
unessential
Freiheit
Ehrfurcht vor dem Leben durch intensive Erfahrungen
Zitate
Menschliche und
unmenschliche
Meine persönlichen Unworte
EPILOG I
EPILOG II
Anonyme Engel
Anmerkung
Hilfreiche Literatur
Bücher
CD`s
Schutz
Zum Schutz beteiligter Personen und Institutionen habe ich Synonyme verwendet. Sollten Übereinstimmungen mit real existierenden Personen und Einrichtungen auftreten, sind diese rein zufällig. In einigen Fällen habe ich, nach vorheriger Absprache und vorliegender schriftlicher Genehmigung, die bürgerlichen Namen verwendet.
Empfehlungen
Die deutsche Rechtsprechung hält es für problematisch, Produkte, Internetseiten, Bücher, CDs und Vorgehensweisen zu empfehlen. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?! Ich möchte Ihnen mitteilen, daß ICH die in diesem Buch vorgeschlagenen Produkte und Anwendungen bzw. Vorgehensweisen an mir selbst getestet und für sehr gut befunden habe. Ebenso wurden die vorgeschlagenen Bücher, Internetseiten und CDs und von mir gelesen, angesehen bzw. angehört, durchgearbeitet und für lesens- und hörenswert befunden. Ich bin weder die Eigentümerin dieser Seiten, Bücher, CDs und Produkte, noch habe ich Einfluß darauf, was dort zu finden ist bzw. wie die Inhaltsstoffe und Verfahren bei Ihnen wirken. Es bestehen keine vertraglichen Bindungen noch sonstige Geschäftsbeziehungen. Mit dieser Auflistung ist nicht die Billigung aller Inhalte verbunden und ich erhebe auch nicht den Anspruch, alles in Gänze zu kennen.
„Enter at your own risk“ – but: Nur, wenn Sie sich mit den vorgeschlagenen Inhalten selbstverantwortlich auseinandersetzen, können Sie sich eine eigene Meinung darüber bilden.
Damen & Herren
Geschlechtsbezogene Formulierungen in diesem Buch sind auf Grund der Gleichstellung bitte für beiderlei Geschlechter aufzufassen. In einigen Fällen habe ich bewußt die weibliche Form oder beide gewählt, weil es mir einfach wichtig erschien und ich die Betonung verstärken möchte. Auch habe ich mich besonderer Wortkreationen bedient oder diese selbst geschaffen. Ich mache in diesen Fällen von meiner schöpferisch-künstlerischen Freiheit Gebrauch, mit Sprache umzugehen.
Rechtschreibung
Ich habe mich vorwiegend an die Regeln der „alten“ Rechtschreibung gehalten – ich mag sie und bin eine Befürworterin derselben. Gleichzeitig habe ich, in Ansätzen, die „neue“ Rechtschreibung Einzug halten lassen, wenngleich ich glaube, daß die „neue“ Variante zu einer gewissen Verarmung unserer Sprache und damit zu einer geistigen Verarmung unserer Gesellschaft führt. Ich stoße immer wieder auf sprachliche Ungetüme und werde Fitneß-Studio niemals mit drei „s“ schreiben oder Bett-Tuch in einem Wort mit „Tripel-T“. Ich schätze die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes, die Herkunft und vor allem die Sinnhaftigkeit, die enthaltene Wahrheit. Dennoch möchte ich „Altes & Neues“ verknüpfen. Bezogen auf meine Hautsituation kann ich sagen, daß ich auch in zweierlei Hautqualitäten lebe - in einer „alten“ und einer „neuen“, aber trotzdem „Eins“ bin. Diesem Rechnung tragend, finden Sie beide Rechtschreibvarianten in meinem Buch und vielleicht gelingt es Ihnen, diese Erscheinung als stimmiges Ganzes zu sehen.
Tanja Biallas
Vier Gründe, die mich bewegt haben, dieses Buch zu schreiben:
1. Ich möchte den Menschen Wege zeigen und Strategien an die Hand geben, ein lebenswertes und qualitativ hochwertiges Leben mit schwersten Verbrennungen zu führen.
2. Große Verärgerung und eine gewisse Wut über Machtstrukturen unseres sogenanten Gesundheits- und Sozialsystems, die scheinbar nicht zu ändern sind, weil sich Entscheidungsträger und Institutionen gegenseitig decken und den Rücken stärken. Gesetzliche Richtlinien manifestieren Umstände, in denen Vorgehensweisen durchgesetzt und Entscheidungen getroffen werden können und dürfen, die sozialpolitischen Lügen gleichen. Diese können langfristig etabliert werden, obwohl sie schlicht und ergreifend oft veraltet (ich möchte nicht sagen „falsch“ sind) und dringend überarbeitet gehörten, da sie sich gegen das Wohl der Patientenschaft richten und diese für dumm verkaufen. Viele bleiben auf der Strecke, weil ihnen die Kraft und der Mut fehlen, sich zu wehren und für ihre Belange einzusetzen.
3. Die Faszination darüber, immer wieder auf simple und gleichzeitig hocheffektive Methoden zu stoßen, das „Schiff“ zu wenden und Negatives in Schönes zu verwandeln.
4. Ich habe mir immer gewünscht, jemanden zu haben, den ich um Rat fragen kann - eine neutrale Person. Kein Arzt, kein Therapeut, keine Selbsthilfeopfergruppe; keine zickigen Frauen, die sich an der Spitze eines Zusammenschlußes altklug profilieren, im Kompetenzgerangel mit sich selbst und der „Konkurrenztin“. Ein Mensch, der weiß wie es geht. Der selbst ein Leben mit Verbrennungen leben muß, sich aber nicht ausschließlich darüber definiert. Der lautlos mit der Situation umgeht, ohne sich künstlich aufzublähen. Der seine Erkenntnisse und sein Wissen aus der Eigenerfahrung gewonnen hat und schöpferisch handelt. Der einfach tut, was zu tun ist, ohne Wertung. In meiner Vorstellung war es ein älterer, lebenserfahrener Herr. Leider habe ich ihn nie getroffen. Vielleicht bin ich nun selbst auf dem Weg, zu diesem Ideal zu werden.
Ich verfüge über einen großen inneren Antrieb, dazu zu lernen und mich weiter zu entwickeln. Ich habe die Weisheit nicht „mit Löffeln gegessen“, aber wenn ich vor dem Spiegel stehe und mich anschaue, scheine ich eine ganze Menge richtig zu machen. In diesem Buch gebe ich mein Wissen, meine Werte und Erfahrungen weiter, die sich als positiv wirksam und effektiv erwiesen haben. Sie sind einfach. Sollte ich die KernElemente meines Buches in Kürze zusammenfassen, auf die Frage: „Was braucht ein schwerstbrandverletzter Mensch nach der Akutphase?“, lautet meine Antwort:
Bewegung – Essen – Denken – Schlaf
(die Reihenfolge ist variabel)
Bewegung und Ernährung sind das A & O, neben Kompression, genauester und detaillierter Hautpflege, positiv-konstruktiven Denkmustern und ausreichender Regeneration mit gutem, erholsamem Schlaf.
Ich bewege mich, indem ich laufe (alternativ Mountainbike, Indoor-Cycling und Schwimmen) und Gewichte hebe (gezieltes Krafttraining) - ich achte auf eine saubere, gesunde und typgerechte Ernährung - übe mich im vorwärts-gerichteten Denken - schlafe soviel wie ich brauche und dann, wann ich es brauche - und: Ich lasse mir von Experten und Expertinnen auf den Gebieten helfen, die ich alleine nicht bewältigen kann. So einfach.
Größtenteils herrscht eine negative Sicht auf ein Leben mit den Folgen von Verbrennungen sowohl seitens der Betroffenen und Angehörigen als auch des erweiterten sozialen Umfelds. Es wird von Entstellung, Randgruppe, Stigmatisierung, von einer perspektivlosen Zukunft gesprochen. Ich werde Wege zeigen, die ein würdiges Leben ermöglichen und ich mache MUT! Einerseits den Menschen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, Verbrennungen zugezogen haben, ihren Angehörigen sowie all den Menschen, die ebenfalls eine außergewöhnliche Lebenssituation zu meistern haben. Ich denke, es ist außerdem eine gute Lektüre für alle anderen Personen, die ein scheinbar normales Leben leben, denn es zeigt ihnen, wie gut es den meisten von uns geht und daß viele sogenannten „Probleme“ selbstgemacht und viele Selbstverständlichkeiten Großartigkeiten sind, denen deutlich mehr Beachtung, Wertschätzung und daraus resultierende Freude gebührt.
Ein Thema, das streckenweise im gesamten Buch immer wieder auftaucht, sind mehrfach schlechte Erfahrungen in sogenannten Reha- und Trauma-Kliniken (alleine die Bezeichnung „Trauma-Klinik“ ist meiner Meinung nach schon von vorneherein zum Scheitern verurteilt), die sich zwar mit Fachkompetenz brüsten und stets zum Wohle des Patienten ausgerichtet zu sein, in denen es jedoch in einigen Bereichen nicht unerheblichen Verbesserungsbedarf sowohl menschlicher als auch fachlicher Natur gibt. Ich habe die Strukturen in den mir persönlich bekannten Reha-Einrichtungen kritisch hinterfragt, ebenso die Arbeit von Selbsthilfegruppen. Mit eingeflochten habe ich Verbesserungsvorschläge, die meines Erachtens die aktuelle Gesamtsituation voran bringen könn(t)en.
„Schmerzen“ – körperliche und seelische; der gescheite und langfristig erfolgreiche Umgang damit, sind ein weiteres Kapitel. Ich hatte Folgeschmerzen, natürlich, und ich habe immer noch Verkürzungen in Form von nicht ausreichend elastischen Gewebestrukturen, Spannung im Gewebe selbst, Druck, unterschiedliche Sensibilitätsgrade etc., aber ich kann damit leben und ein Stück weit muß ich es auch, weil es sich nicht weg-operieren läßt. Der Unterschied von mir zu (vielen) anderen Personen ist einzig und alleine, daß ich aktiv etwas tue und nicht lauthals herum jammere, deshalb erscheine ich nach außen meistens fröhlich und unbeschwert. Phasenweise brachten mich diese „Schmerzen“, diese massiven Unstimmigkeiten im Gewebe sogar an Grenzen, wenn sich Häufigkeit und Intensität auf einem hohen Niveau bewegten. Trotz allem - oder besser gesagt - weil es zeitweise so ausweglos und endgültig erschien, war und bin ich gezwungen, mich immer wieder neu zu orientieren und andere Wege zu finden, um diese Zustandsveränderungen erfolgreich zu managen. Es gelingt mir. Ich habe einen hohen Maßstab angelegt und begegne meiner eingeschränkten Gewebeflexibilität auf natürliche Art und Weise – das heißt: Keine Medikamente.
Ich habe die Bereiche Ernährung, Kraft- und Ausdauertraining implementiert, da sie extrem wichtige Grundpfeiler bilden. Ich gebe Trainingsempfehlungen, habe spezielle Listen von Aminosäuren, Vitaminen, Mineralstoffen zusammengestellt und ein maßgeschneidertes Ernährungskonzept erarbeitet, das im ersten Schritt den spezifischen Bedürfnissen eines Schwerstbrandverletzten gerecht wird. Sowohl das konsequente Training als auch die sinnvolle Ernährung gehören zu meinen Lieblingsthemen und liegen mir persönlich sehr am Herzen.
Oft habe ich das Gefühl, meistens nach Gesprächen mit opferisierten Negativisteninnen (dazu müssen diese noch nicht einmal verletzt sein, um sich in dieser Rolle scheinbar zu gefallen…), eine der wenigen Personen auf diesem Planeten zu sein, der es gelingt, ihr Leben größtenteils fröhlich und erfüllt zu leben. Dabei ist es möglich ein wirklich GUTES Leben zu führen (innen und außen), auch mit und nach Verbrennungen. Ich glaube sogar, daß das einmal schrecklich Erlebte der Grundstein sein kann, um dankbarer und phasenweise auch ein Stück weit glücklicher zu sein.
Dieses Buch beschreibt (m)ein Konzept, welches es ermöglicht, klug und sinnstiftend mit den Folgen wirklich schwerer Brandverletzungen umzugehen, die im Vorfeld nicht selten tödlich enden. Es ist eine Mischung aus sehr intensiven Erfahrungen, daraus abgeleiteten bzw. zwangsweise resultierenden Bewältigungsstrategien, die ein Leit- und Lösungskonzept darstellen können, um leistungsfähig zu sein: Auf der körperlich-geistigen Ebene, ausgeglichen - auf der psychisch-emotionalen und möglicherweise einen Zugang zur spirituellen Ebene zu finden.
Es mußte also endlich ein Buch geschrieben werden, das Methoden und Wege aufzeigt, wie es funktionieren kann, um auch andere Menschen daran teilhaben zu lassen. Ich wollte etwas Schönes erschaffen und es sollte der Welt dienlich sein
Ich wünsche Ihnen eine spannende Reise durch einen wichtigen Teil meines Lebens.
Tanja Biallas
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle ebenfalls meinen ersten und aus dem Bauch heraus geschriebenen Ansatz der Einleitung präsentieren, ganz ehrlich und gerade heraus:
„Selbsthilfegruppen finde ich doof“. Mit dieser flapsigen aber ehrlichen Aussage werde ich mir sicher viele Freunde machen… Natürlich sind diese Gruppen wichtig, wenn sie konstruktive Arbeit leisten und für Personen, die diesen Gleichgesinnten-Rahmen als Halt brauchen. Ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Meine Erfahrungen mit Selbsthilfegruppen bestehen darin, dort meistens Menschen zu finden, die sich gegenseitig „runterziehen“, indem sie das erfahrene Leid gegenseitig verstärken, anstatt sich aufzubauen. Sie nehmen bei jedem Treffen ein Vollbad in der Negativ-Trance, sie sehen sich als Opfer, das einer Situation mehr oder weniger hilflos ausgesetzt ist, das schuldlos mit Leid beladen wurde und benutzen dies als Ausrede, bestimmte Dinge nicht tun oder ändern zu können. Hier sehe ich übrigens auch das Problem bei vielen Reha-Kliniken, im schlimmsten Fall bei langfristig angelegten Intervall-Aufenthalten: Das Opferkarussell dreht sich immer weiter, bei jedem Aufenthalt. Dazu addieren sich noch Trigger-Situationen untereinander. Sicher ist jeder Mensch anders strukturiert und sollte sein Leben auf seine Weise und nach seinen Bedürfnissen leben. Es geht auch nicht darum, wer hat Recht oder Unrecht, sondern, wem geht es besser! Wer erarbeitet sich die bestmögliche Lebensqualität?! – langfristig und nachhaltig. Wie ich es mache, sehen und lesen Sie in diesem Buch. Es ist mein persönlicher Weg, der für mich funktioniert.
Tanja Biallas
Um eine erste Grundlage zu schaffen, beginne ich mit den Bildern direkt nach dem Autounfall, bei Einlieferung auf die Verbrennungsintensivstation (V-Int.) im Oststadtkrankenhaus Hannover am 29. April 2003. Diese Abteilung befindet sich jetzt in der MHH Hannover, unter der Leitung von Herrn Chefarzt Prof. Dr. P. Vogt.
29.04.2003 (Einlieferung)
08.05.2003 (im Koma)
16.05.2003 (extubiert und bei Bewußtsein)
22.05.2003
03.06.2003 (2 Tage vor Entlassung)
01.07.2003 Im Sanitätshaus
März 2014
Von dem Weg,
der zwischen diesen Bildern liegt,
handelt mein Buch!
Beginnen wir mit einem einfachen, aber eindrucksvollen Beispiel, um Ihnen ein Gefühl von meiner Situation, direkt nach Entlassung von der Verbrennungsintensiv-Station zu geben. Stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Ihre Haare sind abrasiert, ihr Gesicht knallrot angemalt und Sie stecken in einem beigefarbenen, hautengen Ganzkörperkompressionsanzug und gehen über den Marktplatz Ihrer Heimatstadt. Wie sind die Reaktionen der Menschen, die Sie dort treffen und wie fühlen Sie sich dabei?
Der Unterschied zu mir ist, daß Sie sich, wenn Sie wieder zu Hause sind, die rote Farbe aus dem Gesicht waschen können, die Glatzen-Perücke abnehmen, dem Kompressionsanzug entsteigen können und Ihre Haut intakt ist. Sie haben nicht wochenlang im Koma gelegen und Sie haben auch im Vorfeld keine höllischen Schmerzen aushalten müssen. Nicht so bei mir.
Mit dieser kleinen Übung möchte ich Ihnen einen Eindruck davon geben, wie ich mich gefühlt habe, wenn ich auf die Straße ging. Wissen Sie, ich kenne jetzt beide Seiten: Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn die Leute sich nach ihnen umdrehen, weil sie so hübsch sind und ich weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn die Leute sich nach ihnen umdrehen, weil sie so katastrophal verletzt sind und den Schrecken in ihren Gesichtern nicht verbergen können. Wenn sich Köpfe nach Ihnen umdrehen oder Sie in die entsetzten Augen der Kinder sehen, die sich nicht abwenden können, weil sie noch zu klein sind, während ihr Mund offen stehen bleibt und es ihnen gleichzeitig die Sprache verschlägt.
Die Bandbreite der Reaktionen ist sehr groß; sie reicht vom unsicheren Wegschauen, Straßenseite wechseln bis hin zu entsetztem Anstarren, hinterher Gaffen bis zu direkten Ansprachen wie: „Boah, Sie sehen ja schlimm aus, was ist Ihnen denn passiert?“ Tagesgeschäft… Kinder sind sehr direkt und fragen ganz offen und ehrlich. Bei ihnen schwingt noch eine gewisse Unschuld und Ehrlichkeit mit. Das Schöne bei Kindern ist ihr ehrliches Interesse und ihre Unbeschwertheit, mit der Wahrheit umzugehen. Wenn sie fragen, sind sie (noch) nicht von Mitleid oder vorgeschriebener Anteilnahme besetzt. Bekommen sie dann eine klare Erklärung, wird das Thema abgehakt und sie widmen sich wieder ihrer Beschäftigung. Schluß, aus, fertig - so einfach.
Eines von vielen atemberaubenden Beispielen möchte ich kurz nennen, das mir ca. acht Jahre nach dem Unfall widerfahren ist: Herr Böhm, ein Herr Anfang Siebzig, den ich bisher zu den Menschen mit Verstand zählte. Ich saß in einem Café und las in einem Buch. Plötzlich kam Herr Böhm an meinen Tisch, um mir ungefragt mitzuteilen: „Na Frau Biallas, das sieht ja schon ganz gut aus, jetzt muß nur noch das Rote aus dem Gesicht weg gehen!“ Ich bin wirklich nicht auf den Mund gefallen, aber bei dieser unverschämten Äußerung fehlten mir anfänglich buchstäblich die Worte. Ich habe ihn nur angeschaut und nach kurzem Schweigen entgegnet: „Lieber Herr Böhm, halten Sie sich immer noch an der Optik fest?! Wissen Sie, ich habe ganz andere Dinge zu bewältigen“ - und widmete mich wieder meinem Buch.
Kein Wunder, wie mir im Nachhinein einfiel: Der Mensch spricht immer mit dem, was in ihm steckt. Herr Böhm hat sich dem „Schönheitsideal“ unterworfen und ist auch mit seinen alten 70 Jahren immer noch abhängig vom kanzerogenen Bräunungswahn, um sich seine UV-gegerbte, lederartiganmutende Haut zu erhalten… Er hatte es natürlich nur gut gemeint…
Oft macht es den Menschen Angst, einer Person direkt zu begegnen, der offensichtlich Schlimmstes widerfahren ist. Sie werden durch solch einen Anblick an grauenvolle Szenarien erinnert und ihnen wird bewußt, daß es jeden von heute auf morgen treffen kann – auch sie. Damit wollen und können sich die meisten nicht auseinandersetzen. Es sind übliche Denk- und Verhaltensmuster der Menschen. Ebenso könnte es ein Rollstuhlfahrer oder eine junge Frau mit halbseitiger Lähmung nach Schlaganfall sein, deren Speichel bei geöffnetem Mund auf den Pullover tropft. Oder die Gegenwart eines Menschen, der geistig eingeschränkt ist und sein Leben auf seine Weise lebt. Sie können den Anblick nicht aushalten.
Lernen Sie, es nicht persönlich zu nehmen, sollte Ihnen eine ähnliche Situation widerfahren; Sie sind nur ein Beispiel von vielen. Es ist in erster Linie die Unfähigkeit der anderen, mit nicht-alltäglichen Situationen umzugehen.
Gleichzeitig gibt es ebenso Menschen, die können, aus welchem Grund auch immer, mit eben diesen außergewöhnlichen Situationen umgehen. Diese Personen sind einfach klasse und der Umgang mit ihnen wird Ihnen gut tun. Bemühen Sie sich aber, nicht zu werten. Üben Sie sich eher in Nachsichtigkeit und Gleichmut. Ich habe festgestellt, daß es sich viel besser lebt, den Menschen friedlich zu begegnen, als sich immer wieder über deren Fehlverhalten aufzuregen.
Natürlich müssen Sie sich auch nicht alles gefallen lassen und wenn Grenzen überschritten oder besser gesagt unterschritten werden, dann gilt es angemessen zu reagieren. Hierzu kommen wir im Laufe meines Buches und ich werde Ihnen exemplarisch einige Bespiele nennen, die ich erlebt habe. Ich möchte Ihnen ein wertvolles und hilfreiches Buch empfehlen: „Buddhistische Ethik im Alltag“ von Meister Hsing Yun (Schirner Verlag, ISBN 3-930944-987). Für mich war und ist es eine große Bereicherung diverse Situationen im Verständnis und Licht der buddhistischen Lehren zu betrachten, die unserer westlichen Welt leider meist sehr fern sind. Es erweitert den Horizont und oft empfinde ich die Lektüre wie eine heilsame Medizin.
Irgendwann werden Sie gekonnt mit diesen Situationen umgehen, den Spieß umdrehen, die Menschen sowohl an ihrer eigenen Blöd- und Taktlosigkeit wie auch an der eigenen Nase herumführen und sich einen Spaß aus ihrer verletzenden Dummheit machen. Sie stehen dann einfach über den Dingen.
Ich „buche“ solche Art Begegnungen ab unter „Lernaufgabe“ oder auch unter Lehre, die dann mehr eine Leere ist. Das Leben erzieht uns bekanntlicherweise, es bestraft uns nicht. Zugegebenermaßen ist diese Sichtweise nicht immer angenehm, dennoch glaube ich, daß dies so ist und es immer nur an uns liegt, wie wir mit der Situation umgehen und sie meistern.
Kapitel 1 Der Unfall und seine Folgen
Unfalldetails
Am 29.04.2003, ein Dienstag, um 14:31 Uhr, zog ich mir bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn lebensbedrohliche Verbrennungen zu von insgesamt 47% KOF (Körperoberfläche), 2. und 3.gradig. Hautentnahmestellen, die nachfolgend großflächig zu lebenserhaltenden Hauttransplantationen entnommen werden mußten und ebenfalls einen großen Defekt der Haut darstellen, sind hierin prozentual noch nicht enthalten. Dies ist ein Ausmaß und eine Tiefe von schwersten Verletzungen, die ein Mensch nur selten überlebt und ich glaube, es ist auch gut so. Interessant ist, daß ich ebenfalls an einem Dienstag um 14:31 Uhr geboren wurde, am 09.11.1971. Ich bin ein Skorpion. In der Astrologie wird der Dienstag als der Tag des Skorpiones bezeichnet.
Ich kann mich an alles erinnern, bis ich ins Koma gefallen bin. Um es kurz zu machen: Ich fuhr mit meinem silbernen Kleinwagen auf der Autobahn und konnte plötzlich nicht mehr lenken. Das Lenkrad blockierte und der Wagen schleuderte. Wie sich später herausstellte war ich über eine Metallrampe gefahren, die von einem LKW gefallen war. Solch eine dunkelgrauasphaltfarbene Auffahrrampe aus Metall, die benötigt wird, damit z. B. Straßenbaufahrzeuge auf einen Hänger hinauffahren können.
Diese Rampe war nicht plan. Sie hatte sich beim Darüberfahren unter dem Boden meines Fahrzeuges verkeilt und den Benzintank aufgerissen. Mein Auto zog noch während des Schleudervorganges eine Benzinspur hinter sich her, die sich entzündete und den hinteren Innenraum in „Null Komma Nichts“ zum Brennen brachte. Ich kollidierte an der Innenleitplanke der Autobahn und der Wagen kam zum Stehen.
Das nachfolgend Beschriebene waren nur SEKUNDEN und Handgriffe in höchster Not, die vollautomatisch abliefen und das in absoluter Lebensgefahr, völlig unvorbereitet. Es ist wirklich fantastisch, wie unglaublich wunderbar unser Unbewußtes in Notsituationen reagiert!
Der Wagen steht, ich mache eine mega-kurze Bestandsaufnahme der Situation. Hinter mir brennt der Innenraum, ich höre das bedrohliche Knacken und Zischen der Flammen. Die Luft ist brennend heiß, sie schmerzt in meinem Gesicht und es fühlt sich an, als ob eine heiße Barriere gegen meine Haut stößt - die toxischen Gase des brennenden Kunststoffes gelangen in meine Augen und Lungen. RAUS!!! Meine Rechte Hand drückt vollautomatisch den Entsicherungsknopf des Sicherheitsgurtes, die linke Hand betätigt den silbernen Hebel des Türöffners der Fahrertür und mein Ellenbogen drückt gegen die Tür, um sie zu öffnen. GEHT NICHT AUF!! Die Leitplanke blockiert die Tür. Versuche es noch zwei Mal mit aller Kraft. Keine Chance! Panischer Gedankencheck: Wie komme ich hier raus??? Zweite Möglichkeit: Durch das Schiebedach. Geht auch nicht, der Knopf zum Öffnen oberhalb des Rückspiegels funktioniert nicht mehr und es würde auch zu lange dauern, bis es geöffnet wäre! Es ist höllisch heiß, die Flammen erreichen mich. Meine Haare fangen Feuer und der rechte Arm. Jetzt geht gar nichts mehr und ich muß den letzten möglichen Ausweg über die Mittelkonsole und den Beifahrersitz, durch die Beifahrertür nehmen.
Problem: Der Weg ist lang und ich muß durch die Flamme, da die hintere und mittlere Beifahrerseite des Wagens bereits brennt (der Tank befand sich auf der rechten Seite). Glücklicherweise ließ sich die Beifahrertür öffnen!!! Doch beim Durchsteigen des Türrahmens mußte ich durch die Flamme und mich dabei klein machen. So mußte ich mein Gesicht, Hals und Oberkörper in Richtung Feuer absenken und mein rechtes Bein notgedrungen durch die Flammen hindurchbewegen. Ich bin rausgekommen!
Der ausgebrannte Wagen auf dem Schrottplatz.
Endstück Metallrampe
Motorraum…
Blick von oben durch das ehemalige Faltdach in den Innenraum des Wagens…
Verbogenes, hochstehendes Endstück der Metallplatte
Sichergestellte Metallrampe (Unterseite)
Dann bin ich nur noch gerannt, gerannt, gerannt - gerannt um mein Leben, Hals über Kopf, mitten auf der Autobahn. Es war der schlimmste Moment in meinem Leben. Ich, alleine, völlig panisch und voller heißer Schmerzen, die in mir schrien, auf der leeren Autobahn. Vor mir grauer Asphalt, auf der anderen Seite der Lärm der vorbeirasenden Fahrzeuge und hinter mir das gewaltige Geräusch meines brennenden Autos und diese unglaubliche Hitzewelle, die von ihm ausstrahlte. Ich kann von Glück sagen, daß ein Polizist, der in Zivil hinter mir fuhr, meinen Unfall mit angesehen und den folgenden Verkehr geistesgegenwärtig gestoppt hatte, sonst wäre ich möglicherweise überfahren worden.
Einmal blieb ich stehen, drehte mich um, weil ich dachte, ich müßte meine wichtigen Unterlagen (Ausweis, Portemonnaie etc.) noch aus dem Auto holen…(Pflichtbewußtsein…!) und es war ein Bild des Grauens, was sich mir bot! Mein Wagen brannte lichterloh, hohe Flammen schlugen in die Höhe in orange-gelb-rot-schwarz und eine wahnsinnige Hitze, ein regelrechter Hitzewall, der sich um das Feuerungetüm legte. Es zischte, knallte, knackte. Die Ereignisse und meine Gedanken überschlugen sich.
Geistesgegenwärtig entschied ich: Hau ab! Rette Dich, solange es noch geht. Bis oben hin mit Furcht erfüllt und innerlich verzweifelt schreiend bin ich weg gerannt, weitergerannt um mein Leben. Eigentlich kann ein Mensch mit diesen schweren Verletzungen gar nicht mehr laufen. Im absoluten Notprogramm schon!
Im Nachhinein kann ich sagen: Ich habe erfahren, was für ein Wunderwerk der menschliche Körper mit all seinen Funktionen und Fähigkeiten ist. Bei einer 3.gradigen Verbrennung spüren Sie den wahnsinnigen Schmerz der Verbrennung kaum mehr, weil die Nervenenden zerstört sind. Es sieht furchtbar aus, aber Du spürst es nicht mehr.
Eine „interessante“ Verhaltensreaktion ist mir aufgefallen, die auch von anderen Menschen beschrieben wird, als sie sahen, daß ihr Körper brannte: Nachdem ich mich aus dem brennenden Auto gerettet hatte, sah ich, daß mein rechter Unterarm brannte, verkohlt war und Stoffteile des Ärmels daran klebten und mit der Haut irgendwie verschmolzen waren. Ebenso war der Stoff meiner Hose am rechten Bein in die Haut eingebrannt, mit ihr verschmort, die Flammen waren also auch an Wade und Oberschenkel. Ich wußte intuitiv, Du mußt dich auf den Boden werfen, um die Flammen zu ersticken, aber ich konnte es nicht. Ich habe es gesehen, aber ich konnte nicht reagieren. Vielleicht war es auch eine unbewußt Angst, mich auf die Autobahn zu werfen, um nicht überfahren zu werden, denn ich wußte in dem Moment nicht, daß der Verkehr gestoppt war. Vielleicht hatte ich auch Angst, mir noch mehr weh zu tun und noch mehr Schmerzen zuzufügen, wenn ich mich auf den harten Boden werfe.
Panisch und in Todesangst rannte ich weg von diesem heißen Flammenberg - weg, weg, weg!! Mir war so heiß, es durchstach mich förmlich; es stank nach verbrannten Sachen, nach Ruß, nach verbranntem Fleisch, alles an mir und so nah, ich roch und sah meine blutenden Wunden und ich bekam Schmerzen, starke Schmerzen. Eine quälende Pein - Schmerzen, wie ich sie noch nie in meinem Leben vorher gespürt hatte und es war eine Größenordnung, die größer ist als das Leben.
Auf dem Standstreifen sah ich rechts einen roten Kombi mit weißem Schriftzug der Firma, die schwarze, zuckerhaltige Limonade herstellt. Ein junger Mann saß am Steuer und hatte die Scheibe heruntergekurbelt. Ich war außer mir, sprach ihn aber trotzdem fast fragend an, ob er mir helfen könne, mein Auto würde brennen. Ich kann mich noch sehr genau an meine Gefühle dabei erinnern; ich hatte nicht ausgeschlossen, daß er ablehnen und weiterfahren würde, vielleicht weil ich so grausam zugerichtet war und er Angst bekommen würde?! Er war sehr nett und sagte, er habe schon Feuerwehr und Polizei benachrichtigt. Ich bat ihn, meine Eltern und Lebenspartner anzurufen und sogar in dieser maximalen Notsituation konnte ich beide Telefonnummern nennen. Er stieg aus und führte mich auf den Grünstreifen, ein zweiter Mann kam dazu, wie sich herausstellte ein junger Polizist in Zivil, der gerade vom Dienst kam und sich auf dem Heimweg befand. Das war sehr hilfreich, denn er konnte gut mit dieser Krisensituation umgehen.
Ich hatte wahnsinnige Schmerzen und mir war so heiß, die Hitze legte sich wie ein Mantel über mich und sie kroch immer weiter in mich hinein - es war furchtbar, es tat so weh! Ich erinnere mich noch an laute Feuerwehr-Sirenen, große Löschwagen und immer dieses Wahnsinns-Geräusch des brennenden Autos. Das Knacken und Zischen, fast ein Dröhnen des Flammenmeeres, der Rauch und der Gestank.
Jetzt kam ein weiterer unerwarteter Helfer dazu und das war wieder großes Glück im Unglück. Fast nicht zu glauben, aber so war es tatsächlich: Auf der Gegenfahrbahn hatte ein Motorradfahrer meinen Unfall miterlebt, ein Arzt. Geistesgegenwärtig hielt er, überquerte die Autobahn und kam zu uns. Er wies sich als Arzt aus, machte eine professionelle Erstversorgung und gab den anderen beiden Helfern Anweisungen. Leider habe ich seine Daten bis heute nicht ermitteln können. Ich würde ihm so gerne danken!! Vielleicht lesen Sie mein Buch?!
Ich wurde auf den Boden gelegt, die Beine hochgelagert und ich konnte auch wirklich nicht mehr. Ich merkte, daß ich immer schwächer wurde, wollte das aber nicht zulassen. Ich hatte nahezu unerträglich heiße Schmerzen, die meinen ganzen Körper ergriffen und mehr und mehr auch meinen Geist vernebelten und mich betäubten. Es fühlte sich an, als ob sie immer weiter von außen nach innen, in tiefer liegende Schichten, gleißend heiß hineinströmten und sich ausbreiteten. Ich konnte das Ausmaß meiner tatsächlichen Verletzungen überhaupt nicht realisieren, ich wußte nur, daß ich ohne Hilfe verloren war und nebelte immer weiter zu. Mein Körper verabschiedete sich langsam und ich versuchte, mit aller Macht und Anstrengung, stabil und wach zu bleiben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir über Verbrennungen niemals Gedanken gemacht. Und außerdem war ich Sportlerin und wirklich gut trainiert. In mir war ein Widerstand, der es nicht zulassen wollte, in die Knie zu gehen.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich innerlich gekämpft habe. Aber die Schmerzen waren atemberaubend. Das fiese ist, daß die Verbrennung sich weiter ausbreitet, über das verletzte Areal hinaus weiter kriecht, weiter brennt und das ist ein höllisches Gefühl. Dann waren auf einmal viele Menschen um mich herum die Fragen stellten und sich meiner annahmen. So weit es ging, wurden Hose und Bluse aufgeschnitten und so gut wie möglich von meinem Körper entfernt. Mein großes Glück war, daß ich Lederschuhe trug, die der Hitze getrotzt hatten und ich auf meinen unverletzten Füßen fliehen konnte. Ich wurde mit einer Rettungsdecke zugedeckt, begann fürchterlich zu frieren und hatte wahnsinnigen Durst. Die Menschen um mich herum waren alle sehr freundlich, aber trinken durfte ich nichts.
Die Stimmen um mich herum wurden immer undeutlicher, immer weiter entfernten sie sich von mir - ich wußte nicht mehr, wie ich diese Schmerzen aushalten sollte. Der Nebel wurde immer dichter und das Leben entfernte sich immer weiter von mir. Und dann kam ein Gefühl, ein Zustand, von dem ich ganz klar spürte: Das ist jetzt größer als ich, das schaffe ich nicht mehr. Ich habe mich so sehr bemüht, gekämpft, es weiter auszuhalten, aber es ging nicht mehr. Es war alles nur noch grauenhafter Schmerz, heiß und kalt, alles gleichzeitig und in einem Ausmaß und einer Intensität, die mich schier umbrachte und zu zerreißen drohte. Auch das Atmen wurde immer schwerer und es tat weh. Ich erinnere mich noch, daß ich zu den Männern um mich herum sagte: “Ich glaube, das schaffe ich jetzt nicht mehr.“ Ich wollte mich bemerkbar machen und ein Zeichen geben, daß jetzt irgendetwas passiert, das nicht mehr in meiner Macht liegt. Dann wurde ich ohnmächtig und bin ins Koma gefallen.
Von diesem Zeitpunkt an fehlt mir ein Teil des Filmes, bis ich irgendwann, Wochen später, auf der Verbrennungsintensiv-Station im Oststadtkrankenhaus Hannover wieder aufwachte. Nachdem ich das Bewußtsein an der Unfallstelle verloren hatte wurde ich von den Sanitätern in ein städtisches Krankenhaus in Hildesheim gebracht. Dort wurde ich erstversorgt und glücklicherweise erkannte die diensthabende Ärztin den Ernst meiner Lage und veranlaßte einen schnellstmöglichen Weitertransport per Rettungshubschrauber in die Spezialklinik für Verbrennungen nach Hannover!
SuperHubis
An dieser Stelle möchte ich deutlich auf die Wichtigkeit der DRF Luftrettung hinweisen! Der schnelle und zuverlässige Einsatz eines Rettungshubschraubers, dieser fliegenden Intensivstation, war ein extrem wichtiges Glied in der gesamten Rettungskette! Vielleicht würde ich nicht mehr leben, hätte es ihn nicht gegeben! Ich bin mittlerweile aktive Förderin der DRF Luftrettung und möchte Sie einmal bitten, für sich zu überlegen, welchen Stellenwert für Sie persönlich eine zuverlässig gesicherte Luftrettung auf technisch und medizinisch höchstem Niveau hat und ob Sie sich als Unterstützer/-in anschließen möchten. Aus meiner eigenen Situation heraus, ist es für mich selbstverständlich, daß ich mich einsetze. Weitere Gründe, von denen ich bisher nichts wußte, weil ich mich mit der Versorgungssituation noch nicht im Detail auseinandergesetzt hatte, sind:
1. Der Staat beteiligt sich gar nicht an den Kosten der Luftrettung
2. Die Krankenkassen übernehmen nicht alle der entstehenden Kosten
3. Ohne Förderbeiträge müßte die DRF Luftrettung Stationen schließen
Ich liebe diese Superhubschrauber, diese wendigen, sympathischen Kraftpakete. Sie haben etwas von einem Terrier (der aus dem Stand locker bis auf die Türklinke springt), wenn sie aus dem Stand senkrecht nach oben steigen, sich einmal um die eigene Achse drehen, um dann mit vollem Einsatz an den Notfallpunkt zu düsen – was für ein Kraftakt.
Und WIE OFT habe ich die Rettungshubschrauber bei meinen Klinikaufenthalten landen und starten sehen, wenn sie Menschen brachten… Wenngleich es auch immer mit der Gewißheit verbunden ist, daß hier gerade ein Menschenleben in akuter Gefahr ist, bin ich jedesmal sehr dankbar für ihre Präsenz und denke: „Wie gut, daß es euch gibt!“.
Interessant ist, daß ich mich bewußt nicht an den Hubschrauberflug erinnern kann, aber noch viele Jahre danach bekam ich, scheinbar grundlos, beim Hören eines Hubschraubers ein mulmiges Gefühl, in den ersten Jahren sogar ein ernsthaftes Gefühl der Bedrohung und Angst. Wieder ein Beweis für die Arbeit und die Macht des unbewußten Anteils, der alles haargenau 1:1 speichert. Zum ersten Mal wurde ich auf dieses Phänomen aufmerksam, als nach einer Yoga-Stunde der Gong gespielt wurde.
Der Gong
Als unterstützendes Medium in der Endentspannung kann ein Gong gespielt werden. Dieser Gong ist eine große, goldschimmernde Scheibe mit einem Durchmesser von ca. 1 m, der in einem Gestell an zwei dicken Schnüren aufgehängt ist. Der Yoga-Lehrer spielt ihn mit einem weich überzogenen Klangstab - eigentlich ist es „nur“ ein gefühlvolles Streichen und vibrierendes Klopfen, das die Scheibe in unterschiedliche Schwingungen mit entsprechender Klangwiedergabe versetzt. Ein schönes, kraftvolles Energieerlebnis, das mich beim ersten Mal allerdings 100% getriggert hat, völlig unvorbereitet, weil ich die Hubschrauber-Szenen bewußt nicht gespeichert habe. Dieses Geräuscherlebnis hat mich quasi aus dem Nichts überrollt und alle inneren Alarmmechanismen in Gang gesetzt, so daß ich den Raum verlassen mußte. Diese Erfahrungen müssen wahrscheinlich gemacht werden, um das Erlebte zu bewältigen und zu lernen, damit umzugehen. Und so ist das Erlebte ein ständiger Begleiter, tagein – tagaus, Jahr für Jahr. Es ist in unserem Gehirn, auf unserem „Erfahrungs-Daten-Chip“ gespeichert, fest eingebrannt, ob wir wollen oder nicht. Und selbst, wenn sich nicht alles im Bewußtsein zu erkennen gibt, wofür ich teilweise dankbar bin!, wird es sich in alltäglichen Situationen zu Wort melden und auf sich aufmerksam machen, manchmal auf sehr deutliche und anstrengende Art und Weise. Deshalb gibt es nur diesen einen Weg: Das Erfahrene anzunehmen, sich mit ihm freundlich auseinanderzusetzen und schließlich zu einem hellen, positiven Teil unseres Selbst zu transformieren .
Das braucht ZEIT!!!
Es braucht Zeit, Geduld und den unerschütterlichen Glauben, daß es besser wird, erträglicher, leichter, bis zur maximalen Linderung. Sollten Sie für sich ehrlich feststellen, daß ein gewisser Umstand zur „Qual“ wird und das dauerhaft, kann ich Ihnen (nur) raten, holen Sie sich professionelle Hilfe! Jemand, der zu Ihnen und ihrem Thema, ihrer Situation paßt. Auch hier sind wieder Geduld und Ausdauer gefragt. Trauen Sie sich „Nein“ zu sagen, wenn die Chemie nicht stimmt und ihr Gefühl ihnen sagt, es müßte noch jemand anders sein. Auch wenn die Kasse es bezahlt und ihr Umfeld, das nicht in ihrer Haut steckt, Ihnen etwas anderes einreden sollte. Hierzu finden Sie mehr im Kapitel „Selbststärkung / Psychotherapie“.
Um das Ganze abzuschließen möchte ich festhalten, daß ich mittlerweile sogar direkt neben dem Gong liegen kann und es liebe, wenn die Klangschwingungen an meine Körpergrenze stoßen und durch sie hindurch in mein Körperinneres dringen. Ich mag dieses Gefühl sehr und bin seit den Verbrennungen taktisch-habtisch viel sensibler und empfänglicher als früher. Auch wieder ein schönes Beispiel für das wunderbare Wirken feinstofflicher Energien, die von der klassischen Schulmedizin leider immer noch oft unterschätzt werden.
Auch habe ich in den letzten Jahren die Bekanntschaft eines Heilpraktikers gemacht und die Erfahrung des Be-Handelns auf energetischer Ebene erfahren dürfen. Ich möchte in diesem Zusammenhang von heilenden Händen sprechen, die in der Tat einige wenige Menschen besitzen, so wie es z. B. auch Aura-sichtige Menschen gibt. Ich werde hier nicht im Detail auf meine Erlebnisse mit der Energiearbeit eingehen, es würde den Rahmen des Buches sprengen. Ich möchte jedoch festhalten, daß es – meiner Meinung nach – noch viel mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als wir sehen, fühlen und uns wagen vorzustellen. Ich habe die Behandlungen sehr genossen und sie haben meinen Horizont erweitert; ich bin zu tiefem Dank dafür verpflichtet. Danke, Sebastus.
MEIN LEBEN IM KOMA
Intro
In vielen Köpfen herrscht die Meinung, ein Mensch im Koma oder auch im künstlichen Koma, spüre nichts. Er liegt einfach nur da und „schläft“. In meinem Fall war es anders und ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, wenn ich aus heutiger Sicht vor die Wahl gestellt würde, dieses Höllenszenario (inklusive Koma und Verbrennungsintensiv-Station) noch einmal zu durchleben oder zu sterben, dann würde ich lieber „in den Himmel eintreten“. Es war wirklich die Hölle auf Erden und deswegen glaube ich auch, daß es gut und richtig ist, wenn ein Mensch mit einem großen Ausmaß an schwersten Verbrennungen durch den Tod erlöst wird. Ich sage das mit aller Vorsicht. Ich bin ehrlich: Das Koma an sich ist maximal fordernd (meines war es zumindest), die Verbrennungsintensiv-Station ist qualvoll und alles, was nach dem Überleben kommt, stellt hohe Anforderungen an den gesamten Menschen. Letztendlich ist „es“ aber machbar. Sie sind nicht alleine auf diesem Weg, es gibt hochqualifizierte Mediziner, Therapeuten, Mitmenschen, die Sie nach Kräften unterstützen. Aus meiner Sicht ist dieser Weg nur in Würde zu bewältigen und phasenweise muß er auch ertragen werden, wenn er als Lebensaufgabe (vielleicht muß auch ein bißchen des alten Lebens aufgegeben werden), als Prüfung, als Chance zum Wachstum gesehen wird. Es bedarf viel, viel Kraft, Mut und immer wieder positiver Denkmuster, diesen LebensWeg tapfer und niveauvoll zu gehen.
Natürlich bin ich unsagbar dankbar für die medizinischen Möglichkeiten, die uns die plastische Chirurgie bietet; es ist ein großes, großes Geschenk, nicht auszudenken, es gäbe diese operativen Maßnahmen nicht… Und ebenso dankbar bin ich für die großartigen Menschen, die ich auf diesem Weg treffe! Persönlichkeiten, die sich dieser Herausforderung stellen, sie annehmen, und mit all ihrem Wissen, ihrer Expertise und ihrer Menschlichkeit in nicht nur einem, sondern vielen, vielen dramatischen Fällen helfen und Lebensqualität schaffen!
Die Klinik München-Bogenhausen ist eine Art „zu Hause“. Nicht, weil es so schön ist, sich immer wieder operieren lassen zu müssen… - sondern, weil ich dort angenommen bin. So wie ich bin und wie meine Situation ist. Es sind die Menschen dort, die mich ein Stück weit den Weg tragen. Und erstaunlich für mich: Es waren eigentlich fremde Menschen, die mir dieses Gefühl gaben, es war und ist nicht meine Familie! Nicht ein Mitglied meiner Familie würde jemals mit mir nach München fahren, um bei mir zu sein, mir die Hand zu halten, mir zur Seite zu stehen. Ich wache immer alleine auf, nach jeder OP. Sie kennen weder Herrn Professor Ninkovic noch einen meiner behandelnden Fachärzte; sie kennen meine Welt, mein Leben dort nicht, sie lehnen alles von vorne bis hinten ab, komplett und ALLE! Vater, Mutter, Schwester, Schwager, Tante, Onkel, Cousine. Hierzu mehr im Kapitel „Familie“.
Schwarz-Weiß
Mein komatöser Traum war durchgängig schwarz-weiß, also kein Farbfilm, und beginnt auf einem Schiff. Es war ein großes Passagierschiff, etwas kleiner als das „Traumschiff“ und es war weiß. Ich befand mich dort mit meinem ehemaligen Lebensgefährten (GK) an Bord, es war früher Abend und wir wollten zum Abendessen gehen. Ich vermute, daß mein unbewußter Anteil ein Schiff als „Drehort“ ausgewählt hat, weil ich in einem Rotorest-Bett lag (ein Spezialbett zur Kinetischen Therapie bei Schwerbrandverletzten mit erheblichen Lungenkomplikationen, ich litt an einem Inhalationstrauma. Die seitliche Rotation um die Längsachse kann bis zu 60° pro Seite betragen, also eine gleichmäßige Schaukelbewegung in der horizontalen Ebene von rechts nach links, von links nach rechts, immer wiederkehrend). Aus Gesprächen mit anderen Brandverletzten weiß ich, daß diese ebenfalls Schiff-Szenen erlebt haben, während sie in diesen Betten lagen.
An Deck waren Tische und Stühle aufgestellt und wir nahmen Platz. Ein Ober brachte die Speisekarte und wir suchten unser Essen aus. Ich weiß noch genau, daß ich mit dem Rücken zur Toilettentür saß und bevor das Essen kam, wollte ich diese noch kurz aufsuchen. Ich konnte, aus welchen Gründen auch immer, nicht aufstehen. Ich war auf einmal sehr schwach und hatte kaum Kraft in den Beinen, es kam wie angeflogen. Nach mehrmaligen Versuchen gelang es mir endlich, den Stuhl zurück zu schieben und mich, an der Tischkante festhaltend, gerade hinzustellen. Ich war sehr, sehr wackelig auf den Beinen und GK wußte nicht recht damit umzugehen, war ich doch aktive Sportlerin, Harzer-Berglauf Gewinnerin, und er dachte, ich würde Theater spielen, und so äußerte er, ich solle mich nicht so anstellen und komisch tun. Ich antwortete, daß es ernst sei und es mir nicht gut ginge. Nach einer kurzen Verschnaufpause drehte ich mich um und ging die drei Schritte zur Toilettentür. Dort bekam ich noch die Türklinke in die Hand, konnte sie aber kaum mehr herunterdrücken, so schwach war ich. Dann sackten mir die Beine weg und ich rutschte an der Tür hinunter auf den Boden. Ich war nicht mehr in der Lage aufzustehen - ein völlig unbekannter Zustand für mich; ich kann gewöhnlich immer aufstehen, besser gesagt, ich sacke erst gar nicht auf den Boden und sollte es so sein, dann würde ich es nicht wollen und mein Wille würde mich aufrecht stehen lassen! Hier war es ganz anders, ich konnte nichts dagegen tun. Mir wurde schwarz vor Augen.
Einige Zeit später, ich weiß nicht wie lange es war, es können Minuten, Stunden oder auch Wochen gewesen sein, wachte ich in einem weiß bezogenen Bett auf und um mich herum stand eine Traube von weiß gekleideten Menschen, die Gesichter meiner Eltern waren auch schemenhaft dabei. Sie hielten Schreibunterlagen in ihren Händen und waren freundlich zu mir. Sie sagten: „Frau Biallas, Ihnen ist etwas Schlimmes passiert, aber wir kriegen das wieder hin“. Dann stießen sie kurz mit Sektkelchen an und gingen weiter. Was ich aus meiner liegenden Perspektive wahrnehmen konnte, ich lag in einem weiß bezogenen Bett, immer noch an Deck dieses Schiffes, jetzt allerdings im hintersten Teil, waren kleine Gruppen von Menschen, die zusammenstanden, sich unterhielten und fröhlich waren. Es hatte den Anschein eines kleinen Festes, einer Party oder eines Empfangs mit Schnittchen und Sekt. Ich war schwach, verdammt schwach, obwohl ich lag; Schmerzen fühlte ich zu diesem Zeitpunkt kaum und schlief wieder ein.
Dann kam eine Phase des Nichts. Wie im Nirwana. Es mag komisch klingen, aber ich kann mich an diese Phase des Nichts erinnern. Und sie hatte auch eine Farbe, sie war anthrazit. Nicht schwarz, nicht weiß, eine anthrazitfarbene rechteckige Strecke, wie eine Autobahn, frei von jeglichen Gefühlen, Schmerz, irdischem Bewußtsein, die seelenlos war, ich erinnere mich an sie, aber es war ein Nichts- und Niemandsland. Ich habe mich in ihr weiterbewegt, nicht als Mensch, als Person Tanja Biallas, sondern, ich möchte es als eine Zustandsform bezeichnen, als Energie? Vielleicht war ich auch schon feinstofflich in dieser Zeit?
Ich habe ein Bild gemalt, ca. sieben Monate nach dem Unfall. Es ist eine innere Landkarte meines damaligen Zustands. Auf dem Bild ist diese Phase des „Nichts“ ebenfalls deutlich zu sehen.
Auf diese Phase folgt ein extrem schmerzhafter und tiefschwarzer Abschnitt mit entscheidender Bedeutung, sowohl für den Moment als auch für das spätere, reale Leben.
Um mich herum war alles nur noch schwarz. Und wenn es unterschiedliche Schwarztöne gibt, dann befand ich mich im tiefsten Schwarz, das es gibt. Es war ein schwarzer Raum, kein Zimmer, sondern eine Art Abschnitt auf dieser „Autobahn“, die dann jedoch in einen anderen Zustand überging. Ich versuche es zu beschreiben: In diesem schwarzen Raum habe ich mich nicht mehr weiterbewegt, keine Strecke mehr zurückgelegt, so wie auf der anthrazitfarbenen Autobahn in der vorherigen Phase. Ich fühlte mich eher schon wie im Weltall. Diese Szene fand nicht mehr auf der Weltkugel statt, es war ein anderer Raum, eine andere Sphäre, ich möchte sagen, eine Ebene höher. Auch die Schwerkraft war aufgelöst - ich war leicht. Vergleichbar mit Astronauten, die sich federleicht in ihrem Raumschiff bewegen. Ich befand mich in diesem schwarzen Raum, dessen Grenzen an das fühlbar Unendliche anschlossen und um mich herum war nichts mehr – gar nichts.
Ich hatte nur noch Schmerzen, höllische Schmerzen und wenn ich an mir herunterschaute, dann sah und vor allem roch ich schwarze, verkohlte Haut. Außerdem Wunden, viele Wunden die meinen Körper übersäten und Haut, die in Fetzen und Streifen zum Teil an mir „herunter hing“. Es war furchtbar. Ich war jetzt kein Zustand mehr, sondern habe mich wieder als Person sehen und fühlen können. Ich habe nicht von außen auf mich geschaut, sondern ich war in mir, in meinem Körper. In diesem Zustand des qualvollen Schmerzes, des Nichts, das mich umgab, there were nowhere to go – würde ich es auf Englisch beschreiben, kam eine Gestalt, ein Wesen, etwas Menschenähnliches ohne Gesicht, gehüllt in einen schwarzen Umhang mit Kapuze zu mir. Es war da und kam von rechts an meine Seite. Es gab mir zu verstehen, daß es mir helfen, mich erlösen könne. Es zeigte mit seinem Arm in die schwarze Ferne, die vor mir lag. Ich folgte seinem Fingerzeig mit meinem Blick und sah, wie durch einen laangen Tunnel, wie durch ein Fernrohr, ein Licht. Einen hellen, gleißenden Lichtpunkt, weit, weit entfernt, dessen Farbe im Hintergrund immer wärmer und einladender wurde. Ich schaute die Gestalt an und dann wieder das Licht. Und mit dem Betrachten dieses Lichtpunktes verband sich ein Gefühl der Erleichterung, ich möchte sagen ein Versprechen der Erlösung, Glückseeligkeit. Ich wußte und ich spürte, daß alles Leid ein Ende hätte, wenn ich mich mit diesem Licht verband. Es war so ein wunderbares, gar himmlisches Gefühl, vergleichbar mit 100.000 Orgasmen plus „x“, was sich mir offerierte, doch ich traute diesem Wesen nicht, dessen Hand ich nehmen sollte, als Zeichen der Einwilligung, um dort hinzugelangen. Und so stand ich vor dem Tunnel und war hin und hergerissen, was ich tun sollte. Ich drehte mich um, entfernte mich, aber dort war es nur schwarz. Dann ging ich wieder zurück, weil mich dieses Gefühl der Erlösung, des Glücks, des scheinbaren Paradieses, das mir hinter diesem Licht versprochen wurde, magisch anzog. Außerdem hatte ich diese furchtbaren Schmerzen!
Disziplin im Koma
Und da stand es immer noch, mir freundlich zugewandt, in seinen schwarzen Umhang gehüllt und mich in seine Welt einladend. Gib mir die Hand, schlag ein und Du läßt diesen qualvollen Abschnitt hinter Dir und trittst ein in ein neues leichtes „Leben“, in etwas Anderes. Und glauben Sie mir, deshalb habe ich diesen Abschnitt auch „Disziplin im Koma“ genannt! Es war sooo verlockend dieses Angebot und ich mußte meine gesamte Disziplin zusammennehmen, um zu widerstehen! Ich habe ihm einfach nicht getraut und ich wußte scheinbar unbewußt, daß es das Ende dieses Lebens bedeutet hätte. Und so habe ich mich mit all meiner Kraft abgewendet; abgewendet von diesem wunderbaren Gefühl, diesem Licht der Erlösung, wohl wissend, daß mit dieser Entscheidung ein harter, schwerer Weg vor mir liegen würde und bin zurück in „mein“ Dunkles gegangen, in das tiefe Schwarz, in den verkohlten Zustand, in die schwarze Leere.
Ich habe diese Erfahrung für mich als Nahtoderfahrung eingeordnet, die Entscheidung zu leben oder zu sterben. Die nachfolgenden Abschnitte ordne ich in die Zeit der Operationen ein, während ich ca. drei Wochen im künstlichen Koma lag.
Hypnotherapie im Koma
Einfach genial!! Es ist psychisch-emotional anstrengend für mich, diese intensiven Erfahrungen aufzuschreiben. Ich sehe es jedoch als meine Pflicht und Aufgabe, dieses Wissen zu veröffentlichen, damit Therapieverfahren, die wirklich funktionieren, ja sogar Leben retten können, mehr ins öffentliche Bewußtsein gelangen und weil ich möchte, daß diese Verfahren von Kassen anerkannt und bezahlt werden! Insbesondere für die Therapeuten und Ärzte unter Ihnen dürften diese Erfahrungen hochinteressant sein und eine Weichenstellung für zukünftige Verordnungen und Anwendungen.
Die Situation: Ich lag im Koma auf der Verbrennungsintensiv-Station, Hannover, Oststadt-Krankenhaus. Auch hier hatte ich wieder großes Glück und einen Schutzengel, der dafür gesorgt hat, daß eine qualifizierte Therapeutin zu mir durfte, gegen den ausdrücklichen Willen meines Vaters! Meine verantwortlichen Ärzte hatten entschieden, nachdem sie bemerkten, wie gut mir die Besuche dieser Spezialistin taten (meßbar an Werten der Vitalfunktionen: Atmung, Herzfrequenz, Blutdruck), daß die Sitzungen weiterhin stattfinden durften. Hierfür danke ich dem Himmel!!!
Ich weiß, daß ich Schmerzen hatte, es war eine Qual und ich wußte nicht, wie ich es in diesem, meinem Körper aushalten sollte. Ich konnte aber auch nicht „gehen“, also sterben, um aus diesem Leben, diesem Körper zu treten. Ich erinnere mich, daß sie an meinem Bett saß, an meiner linken Seite; obwohl ich sie nicht sehen konnte, habe ich ihre Anwesenheit gespürt. Es beruhigte mich, gab mir Vertrauen und ich war nicht so alleine. Außerdem die Gewißheit, in „guten Händen“ zu sein.
An einem Tag, an dem es mir nicht gut ging und sich mein Zustand verschlechterte, habe ich in einem hypnotherapeutischen setting Gelegenheit und Erlaubnis bekommen, meinen Körper zu verlassen, wenn ich es gar nicht mehr in ihm aushalte konnte. Die Seele durfte den Körper für eine gewisse Zeit verlassen, so wie eine Mutter ihrem Kind erlaubt, zum Spielen nach draußen zu gehen und beim Dunkelwerden wieder heim zu kommen. Ich mußte versprechen, nach einer gewissen Zeit, so wie ich es brauchte und es mir gut tat, wieder zurück zu kommen. Mag absurd klingen, war aber so. Ich bin dann raus gegangen aus meinem Körper, aus all dem Schmerz, den Wunden, den krustigen Verbänden, dem Blut, dem Geruch, nach oben, Richtung Himmel und es war blau dort. Fast ein himmelbau und dort war es leicht und schön. Ich hatte etwas Weiches, Wattiges unter mir zum Verweilen, es ähnelte einer Wolke. Dort oben konnte ich bleiben und mich ausruhen. Ich war sooo froh, dort, an diesen Platz gehen zu können. Ich weiß nicht, was passiert wäre, hätte ich diese Möglichkeit nicht bekommen…
Bezeichnend sind außerdem die Sitzungen, bei denen meine Werte durch die klinische Hypnose deutlich besser wurden und die Reaktionen des Personals darauf. Die diensthabenden Pflegerinnen und Pfleger maßen den Wirkungen der therapeutischen Arbeit wenig Bedeutung zu, sie haben meine positiven, deutlich meß- und sichtbaren körperlichen Reaktionen kühl und klinisch-sachlich betrachtet. Gleichzeitig möchte ich betonen, daß ich diese Menschen, die freiwillig auf einer Verbrennungsintensiv-Station ihre Dienste leisten, im Höchstmaß bewundere und unsagbar dankbar für ihren Einsatz bin, sich dieser extremen Belastung auszusetzen!
In einer Phase, in der sich mein Zustand dramatisch verschlechtert hatte, kommunizierten wir über den Atemrhythmus, zeitlich einzuordnen in den Abschnitt der Entscheidung für das Leben oder den Tod. Und in genau dieser entscheidenden Phase war sie da und hat mich begleitet. Sie fragte mich: „Liebe Tanja, was möchtest Du? Was ist jetzt gut und richtig für Dich? Prüfe gut und gib mir, wenn es an der Zeit ist ein Zeichen, wie Du Dich entschieden hast. Ich bin bei Dir und werde Dich begleiten. Entscheidest Du Dich für das Leben, bin ich für Dich da – möchtest Du lieber gehen, werde ich Dich in Würde, Ruhe und Frieden gehen lassen.“
Ich habe mich für das Leben entschieden.
Auf die Fragestellung, welchen Weg ich gehen wolle, habe ich zum Zeichen meiner Entscheidung für das Leben einen schweren, tiefen Schnaufer von mir gegeben und aus den Verbänden meines Kopfes, am linken Auge, quoll eine große Träne hervor. Es ist selbstredend, daß ich nur mit dieser Frau meinen weiteren Weg bestreite! Die KKasse sieht das allerdings anders!
Ich möchte das Bild noch einmal ganz deutlich beschreiben: Ich war an eine Beatmungsmaschine angeschlossen. Frau Herder hat im Rhythmus des Ein- und Ausatems mit mir kommuniziert. Die Fragestellungen, ihre Botschaften, hat sie in meinen Ausatmungsrhythmus hineingesprochen. Sie hat mich erreicht, über den „Kanal“, die Methode der klinischen Hypnose. Ich wußte vorher nicht, daß ich einen Unfall haben werde und „eine Therapeutin“ mit mir hypnotherapeutisch arbeiten würde. Andernfalls könnte behauptet werden, die Patientin habe der Therapeutin bewußt einen Gefallen getan und auf die Tranceinduktionen reagiert. Da dies nicht der Fall ist, beweißt es, daß die klinische Hypnose wirksam ist, auch unter extremen Bedingungen. Mir ist es wichtig, diese Tatsache noch einmal glasklar dargestellt zu haben.
Außerdem ist es mir ein Anliegen, insbesondere das Pflegepersonal auf den Verbrennungs-Intensiv-Stationen mit diesem Wissen zu versorgen und auf die Möglichkeiten und das Funktionieren der klinischen Hypnose hinzuweisen. Die Pfleger und Schwestern sollten auf diese fortschrittliche Methode geschult werden, ist es doch bisher ein eher seltener Fall, den ich erleben „durfte“. Die diensthabende Schwester stand „meiner Vorstellung“ sprachlos bis ablehnend gegenüber. Ihre Meinung war: „Die Patientin ist maximal mit Morphium abgespritzt, die merkt nichts. Die Träne ist Wundwasser, das aus den Augen quillt.“ Wenig erklärbar waren für sie allerdings die sich wieder einmal auffällig verbessernden Werte während der Trance-Sitzung, ablesbar an der Herz-Lungen-Maschine.
Auch in dieser Zeit war niemand von meiner Familie da. Mein Vater war und ist der Ansicht, daß ein Mensch, der im Koma liegt „sowieso nichts mitkriegt“, so seine original Äußerung, warum solle er also dann den (für ihn) weiten Weg nach Hannover fahren (eine Strecke sind ca. 100 km, Autobahn)?? Außerdem würde die Fahrerei auch immer Geld kosten, das ihm die Krankenkasse nicht erstatte und da er selbständig ist, habe er sowieso keine Zeit dafür.
Während der Zeit im Koma, nach der Nahtoderfahrung, fand mein Leben Abschnittweise in dem Haus meiner Großeltern mütterlicherseits in Dassensen im Solling statt. Möglicherweise hat sich mein unbewußter Anteil für diesen Ort entschieden, weil ich dort gerne als Kind war und schöne Erinnerungen an Omia und Opia habe, im Gegensatz zu den Großeltern väterlicherseits (Assi-Oma und Assi-Opa).
Assi-Oma und Assi-Opa
Hier war nur der angeheiratete Assi-Opa (ein Förster) ein richtig lieber Opa (Assi-Opa leitet sich von der Dackeldame „Assi“ ab), obwohl er nicht mein „richtiger“ Opa war, denn der leibliche Vater meines Vaters, Franz B., ein passionierter Reiter, ist früh in Ostpreußen im Krieg gefallen. Hieraus erklärt sich auch die Neurose meines Vaters (Kriegskind, Tod des eigenen Vaters, den er also nie richtig kennengelernt hat, das emotionale Bild eines liebenden Vaters fehlt ihm, Flucht aus Ostpreußen mit vielen Verlusten (menschliches Sterben miterleben, Pferde, Wagen und Menschen die ins Eis einbrechen und verenden während des Trecks über das Haff etc.)). Das Ganze nie be- oder aufgearbeitet, auch nicht in späteren Jahren, als die Möglichkeit und Chance dazu bestand; er war immer ein schwieriger Junge, auch in der Schule und so setzt sich seine Lebensgeschichte fort und gipfelt in meinem Leben mit der kompletten Ablehnung meiner Gesamtsituation als Tochter Tanja, die mit schwersten Verbrennungen so gut wie dem Tode geweiht war.
Assi-Oma, die Mutter meines Vaters, Jahrgang 1917, lebt immer noch und niemand konnte sie je leiden, bis heute. Weder meine Mutter, sie haßt sie nach eigenen Aussagen, noch meine Schwester, noch ich, als Enkelkinder. Außer mir, sagte dies nur keiner. Alle waren und sind immer mega genervt und sprechen schlecht über Assi-Oma. Wenn aber ihr Besuch anstand, dann wurde zum Apell geblasen. Vorne herum wurde geheuchelt und schön getan, hinter ihrem Rücken genau das Gegenteil. Sie ist die mächtigste Frau in der Familie B., bis heute, auch als Pflegefall, in einem Bett liegend, geistig fern von dieser Welt.
Ich war die einzige, die die Dinge beim Namen genannt hat und sich stellvertretend für alle so richtig in die Nesseln gesetzt hat. Auch als Kinder wollten wir nie freiwillig zu ihr, es war immer kühl, künstlich und steif, wenn wir sonntags zu ihr fuhren. Anstrengende Gespräche, Zeugnisnoten vorzeigen, am Tisch still sitzen müssen, Hand geben und Danke sagen.
In Dassensen
Und so befand ich mich im Hause meiner „lieben“ Großeltern in Dassensen. Dort war ich entweder auf dem Dachboden oder in der Küche untergebracht. Befand ich mich oben auf dem Dachboden, war unter mir die Küche. Dort spielte sich Leben ab, was ich deutlich mitbekommen habe. Es war das Leben der Familie meiner Therapeutin. Ihre Kinder kamen mittags aus der Schule zurück und dann setzten sie sich oft am Küchentisch zusammen, aßen gemeinsam und besprachen die Ereignisse des Tages. Ich habe ihre Stimmen gehört, wäre gerne zu ihnen hinunter gegangen, aber ich konnte es nicht, da ich an meine Matratze gebunden war und mich nicht selbständig bewegen konnte. Auch konnte ich mich nicht artikulieren zu dieser Zeit, aus Schwäche.
Mein Gehirn hat die Informationen, die sie mir während ihrer Besuche an meinem „Verbrennungsbett“ gab, zu einem lebendigen Film zusammengesetzt! Ich hatte dann viel geistigen Input und habe mich wenig als Patientin gefühlt, weil ich gut abgelenkt und eingebunden war in die Geschehnisse, wenn auch von oben. Diese Situation hat mir gut getan und war erleichternd.