Der Pinguin meines Lebens - Tom Michell - E-Book
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Der Pinguin meines Lebens E-Book

Tom Michell

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Beschreibung

Eine wahre und herzergreifende Freundschaftsgeschichte zwischen Mensch und Pinguin, wie es sie noch nie gab. Der junge Lehrer Tom Michell geht mit 21 nach Südamerika, bereist Uruguay und heuert dann in Argentinien als Lehrer in einem Internat an. Was er sucht, ist das ganz große Abenteuer. Womit er nicht rechnet, ist ein Pinguin, der sein Leben verändern soll. Als Tom Michell einen Pinguin mit ölverschmiertem Gefieder am Strand von Uruguay findet und beschließt, ihn mitzunehmen um das Öl zu entfernen, ahnt er noch nicht, dass der watschelnde Zeitgenosse nicht nur sein Leben vollkommen auf den Kopf stellen wird. Michell beschließt, den Pinguin mit nach Argentinien zu nehmen und tauft ihn Juan Salvador: "Ich betete, dass der Pinguin überleben würde. Ich hatte ihm in diesem Augenblick einen Namen gegeben, und mit diesem Namen begann eine enge Verbundenheit, die ein Leben lang halten sollte." Der Pinguin zieht auf Tom Michells Terasse ein. Für den jungen Lehrer wird er ein treuer Freund, für seine Schüler zum Pinguin des Vertrauens. Pinguine sind nämlich nicht nur wahnsinnig niedlich, sondern auch hervorragende Zuhörer … Ein herzergreifendes, traurig-schönes Memoir und ein Geschenk für alle, die im Zoo auch immer zuerst zu den Pinguinen gehen, und für alle Fans von Lassie, Flipper und Bob.

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MOBI

Seitenzahl: 286

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Tom Michell

Der Pinguin meines Lebens

Die wahre Geschichte einer unwahrscheinlichen Freundschaft

 

Aus dem Englischen von Lisa Kögeböhn

 

Über dieses Buch

 

 

Die Geschichte einer außergewöhnlichen Freundschaft: Tom Michell ging mit 21 nach Südamerika, um dort als Lehrer in einem Internat anzuheuern. Was er suchte, war das ganz große Abenteuer. Womit er nicht rechnete, war ein gefiederter Freund, der sein Leben veränderte. Der junge Lehrer rettet am Strand von Uruguay einen Pinguin mit ölverschmiertem Gefieder, und der watschelnde Zeitgenosse wird sein treuer Begleiter, folgt ihm auf Schritt und Tritt und stellt sein Leben und das von Michells Schülern vollkommen auf den Kopf.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Tom Michell lebt heute mit Frau und Kindern in Cornwall, England.

Impressum

 

 

Erschienen bei FISCHER E-Books

 

Original English language edition first published by Penguin Books Ltd. London

Text copyright © Tom Michell, 2015

Illustrations copyright © Neil Baker, 2015

The author has asserted his moral rights.

All rights reserved.

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt am Main

 

Covergestaltung und -abbildung: www.buerosued.de

 

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.

ISBN 978-3-10-403742-4

 

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Inhalt

[Widmung]

Prolog

Ein Pinguin läuft mir zu

Magellan-Pinguine

Badetag

Sturmwarnung für die Falkland-inseln

Hart an der Grenze

Fische, frische Fische!

Treppauf, treppab

Neue Freunde

Ein glücklicher Fund

Terrassengespräche

Ein Besuch im Zoo

Das Maskottchen

Ein Besuch bei Maria zu Hause

Ganz schön wild

Auf der Suche nach dem Eldorado

»Kann ich schwimmen?«

Und wenn sie nicht gestorben sind …

Gedanken aus der Ferne

Epilog

Glossar spanischer Begriffe

Quellennachweise

Danksagung

Für W, A, M und C

Prolog

Wenn jemand mir als Kind in den fünfziger Jahren erzählt hätte, dass ich mein Leben eines Tages mit einem Pinguin verbringen würde – und es zumindest eine Zeitlang heißen würde: er und ich gegen den Rest der Welt –, wäre ich nicht allzu verwundert gewesen. Schließlich hatte meine Mutter in unserem Haus in Esher drei Alligatoren gehalten, bis sie zu groß und gefährlich für die beschauliche Kleinstadt wurden und von Tierpflegern vom Chessington Zoo abgeholt wurden. Es war nie ihr Plan gewesen, Alligatoren als Haustiere zu halten. Sie hatte in Singapur gelebt, bis sie mit sechzehn nach England zurückgekehrt war, und ihre beste Freundin hatte ihr beim tränenreichen Abschied drei Eier als Souvenir geschenkt. Die Krokodilbabys waren – selbstverständlich – während der langen Reise in ihrer Kabine geschlüpft, also hatte sie sie – selbstverständlich – mit nach Hause genommen. Jahre später sagte sie in wehmütigen Augenblicken manchmal, dass dieses einfallsreiche Geschenk wahrscheinlich das nachhaltigste Andenken war, das sie je bekommen hatte.

Ich war mit Wildtieren und Haustieren gleichermaßen vertraut. Weil ich auf dem Land aufgewachsen war, hatte ich eine realistische Vorstellung vom Leben. Das gewöhnliche Schicksal von Füchsen und Stalltieren war mir vertraut. Doch exotische Tiere kannte ich nur aus Zoos und meiner Phantasie. Wie später auch die Filme von Walt Disney war ich inspiriert von den Geschichten des genialen Rudyard Kipling. Ich konnte mich völlig mit dem Dschungelbuch und Kim identifizieren, und in seiner Beschreibung des Schulalltags konnte ich meine eigenen Erfahrungen auch noch über ein halbes Jahrhundert später wiedererkennen.

Ja, ich war mit edwardianischer Weltanschauung aufgewachsen. Meine Eltern stammten aus verschiedenen Teilen des Empires, meine Großeltern, Onkel, Tanten und Cousins und Cousinen waren rund um den Globus verstreut: Australien, Neuseeland, Kanada, Südafrika, Indien, Ceylon (heute Sri Lanka), Singapur, Rhodesien (Simbabwe), Njassaland (Malawi) und so weiter. Für mich klangen diese Orte beinahe vertraut. Mehrmals im Jahr kamen Briefe – und in etwas größeren Abständen auch deren Verfasser – aus diesen Ländern, um meine kindliche Phantasie mit Geschichten aus dem »dunkelsten Afrika« und Ähnlichem zu befeuern.

Doch ich wollte etwas anderes erforschen, unbekanntes Terrain betreten, eine wahrhaftige Tierra incognita. Zu Südamerika schien niemand, den ich kannte, Erfahrungen oder Verbindungen zu haben. Also hatte ich mir schon, als ich noch zur Schule ging, in den Kopf gesetzt, dass ich nach Südamerika gehen würde, wenn ich groß war. Mit zwölf kaufte ich mir ein spanisches Wörterbuch und begann heimlich, spanische Sätze zu lernen. Sobald sich die Gelegenheit böte, wäre ich bereit.

Es sollte noch zehn Jahre dauern, bis sich die Chance ergab. Sie kam in Form einer Annonce im Times Educational Supplement: »Lehrer für HMC-Internat in Argentinien gesucht …« Die Stelle passte so genau zu meinen Plänen, dass meine Bewerbung eine halbe Stunde später im Briefkasten lag, bereit, über den Atlantik zu flattern und den Leuten an der Schule zu verkünden, dass sie mit der Suche aufhören konnten. Ich war quasi schon auf dem Weg.

Bevor ich tatsächlich aufbrach, erkundigte ich mich natürlich nach der wirtschaftlichen und politischen Lage. Mein Onkel, der für das Außenministerium arbeitete, informierte mich anhand seiner internen Kenntnisse über den äußerst fragilen Zustand der Perón-Regierung in Argentinien. Unser Geheimdienst war der Ansicht, es würde früher oder später einen weiteren blutigen Putsch durch das Militär geben. Terrorismus grassierte, Morde und Entführungen waren an der Tagesordnung. Einzig die Armee wäre in der Lage, die Ordnung wiederherzustellen, dachte man. Unterdessen stattete mich meine Bank in London mit Informationen zur ökonomischen Lage in Argentinien aus: Die Wirtschaft versank völlig im Chaos! Kurz, mir wurde von allen auf onkelhafte Weise nahegelegt, dass es ein absurdes Vorhaben war und es außer Frage stand, unter diesen Umständen nach Argentinien zu gehen. Niemand, der mit gesundem Menschenverstand gesegnet war, würde auch nur im Traum auf solch eine Idee kommen. Das war natürlich genau das, was ich hören wollte – mehr Ermutigung brauchte ich nicht.

Mir wurde ein Posten als Assistenzlehrer mit Fürsorgepflichten angeboten, doch meine Vertragsbedingungen klangen nicht sonderlich vielversprechend. Das College würde mir unter der Bedingung, dass ich ein vollständiges akademisches Jahr bliebe, einen Rückflug bezahlen. Meine Rentenversicherung in Großbritannien würde übernommen werden, und meinen Lohn sollte ich in der Landeswährung erhalten. Was das im Hinblick auf die Kaufkraft vor Ort bedeutete, konnte mir der Direktor angesichts des aktuellen wirtschaftlichen Durcheinanders nicht sagen. Jedenfalls würde ich genauso viel verdienen wie die anderen Lehrer. Während ich mich im College aufhielt, wäre für Kost und Logis gesorgt. Das war alles.

Ich kümmerte mich darum, dass ich genug Geld auf dem Konto hatte, um mir im Notfall einen Rückflug buchen zu können, und meine Bank vereinbarte mit einer Filiale der Banco de Londres y América del Sur in Buenos Aires, dass ich auf mein Erspartes in London zugreifen könnte, sollte es nötig sein. Doch Geld war mir egal. Ich war kurz davor, die Abenteuerlust, die ich als Junge verspürt hatte, endlich auszuleben und mich auf eine schicksalhafte Reise zu begeben.

Dass mich ausgerechnet ein Pinguin als Freund und Reisegefährte erwartete, der eines Tages genügend Stoff für die Gutenachtgeschichten der kommenden Generationen liefern würde, war eine erstaunliche Laune des Schicksals, die noch weit hinter dem westlichen Horizont lag.

Juan Salvador war ein Pinguin, der die Herzen all derer erwärmte, die ihn in jenen dunklen und gefährlichen Zeiten kennenlernen durften – Zeiten des Zusammenbruchs der Perón-Regierung, terroristischer Ausschreitungen und einer gewaltsamen Revolution, während Argentinien am Rande der Anarchie stand. Es war eine Zeit, in der sich die Rechte, Freiheiten und Einstellungen völlig von den heutigen unterschieden. Trotzdem konnten – wie sich herausstellte – ein junger Reisender wie ich und der unnachahmliche und unerschütterliche Pinguin Juan Salvador die besten Gefährten werden, nachdem ich ihn unter dramatischen Umständen aus dem tödlichen Meer vor der Küste Uruguays gerettet hatte.

Ein Pinguin läuft mir zu

Kapitel 1 In dem ein Abenteuer endet und ein anderes beginnt

Der Badeort Punta del Este liegt auf einer Landspitze der Küste von Uruguay, wo der große südliche Bogen der südamerikanischen Atlantikküste auf das Nordufer des riesigen Flussdeltas Río de la Plata trifft. Er befindet sich rund sechzig Meilen östlich der Hauptstadt Montevideo und, durch den gewaltigen Fluss getrennt, gegenüber von Buenos Aires, der Hauptstadt der Republik Argentinien. In den sechziger und siebziger Jahren war Punta del Este das Nizza, Cannes oder Saint-Tropez für die Bewohner dieser beiden großen Metropolen, der Ort, an dem sich die Schickeria in den Sommerferien versammelte, um der Hitze der Stadt zu entfliehen und in den luxuriösen Penthäusern und Apartmentanlagen mit Blick auf die Küste ihr Sehen und Gesehenwerden zu zelebrieren. Soweit ich weiß, tun sie das noch heute.

Den Schlüssel zu einem dieser Apartments hatten mir netterweise Freunde, die Bellamys, geliehen, weil Winter war und sie das Apartment im Augenblick nicht selbst nutzten. Nach einem phantastischen Aufenthalt in Paraguay befand ich mich auf dem Rückweg nach Argentinien. Mit einem Zwischenstopp an den gewaltigen Iguazú-Wasserfällen war ich dann an der Küste entlanggereist und nun in Uruguay angekommen. Da ich einige anstrengende und aufregende Wochen hinter mir hatte, freute ich mich darauf, außerhalb der Saison noch ein paar entspannte Tage im ruhigen Punta del Este zu verbringen.

Am letzten Tag meines Aufenthalts war ich spätnachmittags ins Apartment zurückgekehrt, um zu packen und mich auf den Aufbruch früh am darauffolgenden Tag vorzubereiten. Ich hatte das Tragflügelboot über den Río de la Plata um zwölf Uhr mittags gebucht und musste deshalb den colectivo, den örtlichen Bus, von Punta del Este nach Montevideo um Viertel vor sechs erwischen. Colectivos wurden von ihren Fahrern begeistert mit unzähligen Verzierungen und Glücksbringern dekoriert, was vermutlich die abgefahrenen Reifen wettmachen sollte.

Nachdem ich gepackt und das Apartment geputzt und inspiziert hatte, beschloss ich, noch einen Spaziergang am Meer zu machen, bevor ich ein letztes Mal zum Abendessen in dem Badeort einkehren würde.

Der auf der westlichen Seite der Landspitze gelegene Hafen von Punta del Este war klein und bot nur wenigen Booten von Privatleuten und Freizeitanglern Platz, die an jenem Tag sanft an ihren Liegeplätzen schaukelten, genau wie die schwimmenden Pontons, über die die Bootsbesitzer ihre Dingis erreichen konnten. Zwar war der Hafen im Osten gut gegen den Atlantik abgeschirmt, doch vor dem Westwind, der an diesem Tag wehte, bot er kaum Schutz.

Die Luft war erfüllt vom Geschrei der Möwen, dem Knallen der Segelleinen und dem Geruch nach Fisch, und dieser kleine sichere Hafen wärmte sich ruhig in der strahlenden Wintersonne. Die leuchtenden Farben der Möwen, Boote und Häuser kamen vor dem saphirenen Ozean und dem azurblauen Himmel wunderbar zur Geltung. Doch meine Aufmerksamkeit richtete sich auf die unzähligen Fische im kalten, kristallklaren Wasser. Schwärme von Sprotten schossen synchron durch den Hafen und versuchten, ihren Verfolgern durch Zickzackkurs, oder indem sie sich alle paar Sekunden aufteilten und wieder vereinten, zu entkommen. Ich war wie gebannt von den La-Ola-Wellen des Lichts, die im Wasser pulsierten wie Polarlichter, wenn die Sonne von den schillernden Fischen reflektiert wurde.

Neben den rostigen, antiquierten Zapfsäulen, auf denen der Kraftstoff in Gallonen ausgewiesen wurde, unter einem gewellten Eisendach, zog eine muskulöse Fischerin mit einem großen grünen Netz, das sicher an einer dicken Bambusstange vertäut war, ihren Lebensunterhalt aus dem Hafenbecken. Sie trug eine Lederschürze und Gummistiefel und hatte einen zufriedenen Gesichtsausdruck. Mir fiel auf, dass sie mit bloßen Händen arbeitete. Ihr Haar war mit einem braunen Tuch bedeckt und ihr wettergegerbtes Gesicht von tiefen Falten durchzogen. Neben ihr standen drei Holzfässer, die nahezu bis zum Rand mit Sprotten gefüllt waren, was vermutlich der Grund für ihre Zufriedenheit war. Knöcheltief in zappelnden silbernen Fischen stehend, warf sie ihr Netz ins Wasser und holte beinahe minütlich einen neuen Fang ein, sehr zum Missfallen der Möwen, die sie lautstark beschimpften. Mit zahnlosem Grinsen schüttelte sie jeden neuen Fang in die Fässer und befreite die wenigen Fische, die nicht von selbst aus dem Netz gefallen waren – etwas, stellte ich fest, was ihr nicht gelungen wäre, hätte sie Handschuhe getragen. Die kleinen schwarzrückigen, schwalbenschwänzigen Möwen schwebten einen Augenblick lang etwa drei Meter über dem Meer, tauchten dann ab und kamen sofort wieder an die Oberfläche, schwimmend, mit Sprotten im Schnabel, die wie zähes Quecksilber glänzten. Dann wurde die Beute blitzschnell verschlungen.

Auch einige Pinguine hatten sich im Hafen eingefunden, um sich ihren Anteil zu holen. Es war ein faszinierender Anblick, sie auf der Jagd nach den Fischen pfeilschnell durchs Wasser schießen zu sehen. Sie wirkten wesentlich geschickter als die Möwen in der Luft. Schlängelnd preschten sie mit atemberaubender Geschwindigkeit und Wendigkeit durch die Schwärme und schnappten nach den Fischen, die vor ihnen auseinanderstoben. Gegen solch einen kunstfertigen Gegner erschienen die Sprotten nahezu wehrlos, trotz ihrer scheinbar grenzenlosen Anzahl. Ich wunderte mich nur, dass nicht mehr Pinguine da waren, um sich an einer derart reichen und leichten Beute gütlich zu tun.

Ich hätte noch viel länger zuschauen können, doch als die Pinguine außer Sichtweite schwammen, kehrte ich um und ging in östlicher Richtung um die Landspitze herum bis zum nächsten Wellenbrecher. Kleine, weißgefleckte Wellen rollten vom Ozean heran und brachen sich am Strand. Ich war an jenem schönen Nachmittag erst zehn, höchstens fünfzehn Minuten an der Küste entlangspaziert und hatte über all die großartigen und beeindruckenden Dinge nachgedacht, die ich während meines Urlaubs erlebt und gesehen hatte, als ich die ersten schwarzen, reglosen Gestalten erblickte. Zunächst fielen mir nur ein paar auf, doch als ich weiterging, wurden es immer mehr, bis der ganze Strand von schwarzen Klumpen auf einem schwarzen Teppich übersät zu sein schien. Hunderte ölverschmierte Pinguine lagen tot im Sand, über den gesamten Strand verteilt, weit an der Küste entlang Richtung Norden. Tote Pinguine, über und über bedeckt mit dickem, klebrigem, erstickendem Öl und Teer. Der Anblick war so grauenvoll, so unerträglich und deprimierend, dass ich mich fragte, welche Zukunft eine »Zivilisation«, die eine solche Schändung dulden oder gar verüben konnte, noch haben sollte. Ich verstand jetzt, warum trotz der vielen Fische nicht mehr Pinguine am Hafen waren, um Sprotten zu fangen. Offensichtlich waren nur wenige Glückliche dem Ölteppich entronnen.

In düstere Gedanken versunken, setzte ich meinen Spaziergang oberhalb des Pfades der Verwüstung fort, der den Großteil des Strandes durchzog, und versuchte, die Zahl der toten Vögel zu schätzen. Selbst wenn ich hätte ausrechnen können, wie viele Pinguine am Ufer lagen – teilweise übereinander –, wäre es unmöglich gewesen, die Anzahl ihrer toten Artgenossen abzuschätzen, die noch im Meer trieben. Mit jeder Welle, die sich am Strand brach, wurden mehr Vögel angespült, auf diejenigen, die dort bereits lagen, während weiter draußen jede neue Woge einen weiteren grausigen Schwung von schwarzen Kadavern Richtung Küste schwemmte.

Der Strandabschnitt zwischen Meer und der Mauer, die die Straße begrenzte, war schmal, an der breitesten Stelle vielleicht gerade einmal dreißig Meter, doch die Verschmutzung des Sandes erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Offensichtlich waren Tausende Pinguine auf grausamste Art und Weise umgekommen, während sie auf ihren angestammten Wanderrouten Richtung Norden unterwegs gewesen waren, wie ihre Vorfahren seit Millionen von Jahren.

Ich weiß noch immer nicht, wieso ich an jenem Tag weiter am Strand entlangging. Vielleicht musste ich einfach begreifen, wie abstoßend dieses Ereignis wirklich war – das Ausmaß des Schadens überblicken. Ich hatte keine Berichte von einer Ölpest in dieser Region mitbekommen, doch in jenen Tagen waren die Auflagen für Öltanker weniger streng, und Regeln wurden nur sehr bedingt beachtet, so dass Vorfälle wie dieser keine Seltenheit waren. Nachdem die Öltanker ihre Ladung am Zielhafen gelöscht hatten, legten sie wieder ab und wuschen unterwegs vorm Aufnehmen der nächsten Ladung ihre Tanks aus.

Ereignisse wie dieses verdeutlichten, wie dringend notwendig eine Veränderung war. Ich zweifelte nicht daran, dass das, was ich an jenem Strand erlebte, die logische Konsequenz eines scheußlichen Aufeinanderprallens zweier Kulturen war. Als dem instinktiven Drang der Seevögel, sich auf ihre jährliche Reise zu machen, ein riesiger treibender Ölteppich in die Quere kam, der von gierigen und gedankenlosen Menschen ins Meer abgelassen worden war, gab es nur ein mögliches Ergebnis: die vollständige Auslöschung dieser Pinguine. Das wäre bereits unfassbar schrecklich gewesen, wenn es die Folge eines Unfalls gewesen wäre. Dass es das Ergebnis vorsätzlicher Handlungen im vollen Wissen um die wahrscheinlichen Konsequenzen sein sollte, war weder zu erklären noch hinzunehmen.

Ich war zügig gegangen, weil ich mir die toten Wesen gar nicht so genau anschauen wollte, als ich meinte, aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Nicht von der schäumenden Gischt der Brandung, sondern am stillen Strand. Ich blieb stehen und sah mich um. Ich hatte mich nicht geirrt. Ein tapferer Vogel lebte noch; eine einzige Seele, die, vom Tod umgeben, noch ums Überleben kämpfte. Es war unglaublich! Wie konnte ein einzelner Vogel noch am Leben sein, während alle anderen restlos von Öl und Teer dahingerafft worden waren?

Obwohl er wie die anderen Vögel auf dem Bauch lag und ölverschmiert war, bewegte der Pinguin seine Flügel und hob den Kopf. Er bewegte sich kaum, doch an Kopf und Flügeln waren leichte spastische Zuckungen wahrnehmbar. Der Todeskampf einer besiegten Kreatur, dachte ich.

Einen Augenblick lang sah ich zu. Konnte ich weitergehen und den Vogel im giftigen Öl und dem kräftezehrenden, erstickenden Teer zurücklassen, bis beides langsam sein Leben ausgelöscht haben würde? Ich beschloss, dass ich das nicht tun konnte – ich musste seinem Leiden so schnell wie möglich ein Ende setzen. Also bahnte ich mir mit größtmöglichem Anstand und Respekt vor den toten Vögeln einen Weg zu ihm.

Ich hatte keinen genauen Plan, wie ich den Gnadenstoß vollziehen sollte. Eigentlich hatte ich überhaupt keinen Plan. Doch als dieser eine Pinguin, der sich nur in einer Hinsicht von den Tausenden ölverklebten Pinguinen unterschied – er war am Leben –, sich auf die Beine rappelte, um sich einem weiteren Gegner zu stellen, waren alle Gedanken an eine solche Gewalttat wie weggeblasen. Mit seinen flatternden, klebrigen Flügeln und seinem hervorschnellenden Raubvogelschnabel hielt er die Stellung, um ein weiteres Mal um sein Leben zu kämpfen. Er reichte mir beinahe bis zu den Knien!

Ich hielt inne und betrachtete noch einmal die Gefährten des Pinguins. Lag ich falsch? Lebten sie doch noch? Ruhten sie sich nur aus, erholten sie sich? Mit der Fußspitze rollte ich ein paar leblose Körper auf den Rücken. In keinem Vogel außer diesem einen schien noch ein Lebensfunke zu glühen; die toten Pinguine unterschieden sich nicht voneinander. Ihr Gefieder und ihre Kehlen waren von Teer verklebt, grässlich verformte Zungen ragten aus ihren Schnäbeln, und ihre Augen waren vollständig von dem ätzenden Dreck bedeckt. Allein der Gestank nach Bitumen hätte gereicht, um die Vögel zu überwältigen, und auch ich hätte nicht am Strand entlanggehen können, hätte der Wind nicht aus westlicher Richtung geweht und so die verpestete Luft aufs Meer hinausgetragen.

Inmitten all dieser Abscheulichkeit war nur dieser eine Pinguin mit offenem rotzüngigem Schnabel und klaren pechschwarzen Augen übrig, die vor Zorn funkelten. Plötzlich spürte ich angesichts dieser Besonderheit eine Welle der Hoffnung in mir aufkommen. Könnte er überleben, wenn er gesäubert wurde? Ich musste ihm zumindest die Chance dazu geben, oder? Aber wie sollte ich mich diesem schmutzigen und aggressiven Vogel nähern? Wir standen da, beäugten einander misstrauisch und versuchten, unser jeweiliges Gegenüber einzuschätzen.

Hastig suchte ich mit den Augen den Müll ab, der sich am Strand angesammelt hatte: Holzstücke, Plastikflaschen, Styroporkrümel, zerrissene Fischernetze, all das, was man für gewöhnlich nach der Flut an fast jedem von unserer fortschrittlichen Gesellschaft verunreinigten Strand finden kann. Außerdem hatte ich eine große Tüte mit einem Apfel in der Tasche. Als ich mich wegbewegte, legte sich der Pinguin wieder auf den Bauch und wedelte mit dem Hintern, als wollte er es sich bequem machen. Schnell sammelte ich etwas Treibgut auf, das mir hilfreich für mein Vorhaben erschien. Dann näherte ich mich wie ein Gladiator meiner Beute, die sich angesichts dieser neuerlichen Bedrohung sofort wieder zu voller Größe aufplusterte. Ich lenkte den Pinguin ab, indem ich mit einem Fischernetz wedelte, das ich ihm dann mit der Schnelligkeit und dem Mut eines Achilles über den Kopf warf. Danach stieß ich ihn mit einem Stock um. Ich drückte ihn zu Boden und griff mit der Hand, über die ich die Tüte gestülpt hatte (keine Zeit, um mich mit Äpfeln zu beschäftigen), nach seinen Füßen.

Ich hob das aufgebrachte Tier, das sich drehte und wand, um sich zu befreien, vom Strand auf, hielt es von meinem Körper weg und stellte zum ersten Mal fest, wie schwer Pinguine sein können.

Mit dem flatternden Viereinhalb-Kilo-Vogel begab ich mich also zurück zum Apartment der Bellamys. Wenn mein Arm müde würde und mir der gefährliche Schnabel zu nahe käme, würde der Pinguin mir ins Bein hacken und mich mit Teer beschmieren. Während des knapp zwei Meilen langen Rückwegs befürchtete ich, dem Pinguin weh zu tun oder ihn zu Tode zu erschrecken, und versuchte, ihm kein Leid zuzufügen. Aber gleichzeitig war ich auch um mein eigenes Wohl besorgt.

Auf dem Weg nach Hause überschlugen sich die Gedanken und unausgegorenen Pläne in meinem Kopf. Was würde ich sagen, wenn mich jemand anspräche? War es in Uruguay überhaupt erlaubt, ölverschmierte Pinguine aufzulesen? Damals waren die meisten südamerikanischen Länder Polizeistaaten, und es hätte mich nicht überrascht, wenn es irgendein absurdes Gesetz gegeben hätte, das eine solche Rettungsaktion untersagte.

Zumindest wollte ich es schaffen, den Pinguin zu säubern. Das beschloss ich, als ich schwerfällig die Straße am Strand entlangtrottete. Ich erinnerte mich daran, dass wir als Kinder Butter verwendet hatten, um Teerflecken aus Strandhandtüchern zu entfernen, und ich wusste, dass ich Butter im Kühlschrank hatte, außerdem Olivenöl, Margarine und Spülmittel.

Den Vogel mit ausgestrecktem Arm zu tragen war ermüdend, und ich musste häufig die Hand wechseln. Ich hielt ihn an den Füßen, aber da ich fürchtete, dem verzweifelten Tier weiteren Schaden zuzufügen, klemmte ich einen Finger zwischen seine Beine, um die Härte meines Griffs abzumildern. Ich machte mir nichts vor: Es war nicht bequem für den Vogel. Trotzdem erreichten wir schließlich ohne größere Vorkommnisse auf beiden Seiten unser Ziel. Sosehr er sich auch bemüht hatte, dem Pinguin war es nicht gelungen, mich zu verletzen – und so war auch ich nicht in Versuchung geraten, ihm unterwegs den Garaus zu machen.

Mein nächstes Problem war, an der furchteinflößenden Concierge vorbeizukommen, deren Büro sich unter der Treppe befand. Während meines Aufenthalts war sie jedes Mal wie ein wildgewordener Wachhund herausgeschossen und hatte jeden Gast beim Kommen und Gehen genauestens unter die Lupe genommen, als könne man niemandem trauen. Es war sonnenklar, warum die Hausverwaltung genau diese Person darauf angesetzt hatte, für das gute Benehmen der Gäste zu sorgen, so maßgeschneidert war sie für diese Aufgabe. Doch durch eine merkwürdige Laune des Schicksals war sie das eine Mal, als wirklich Grund zur Sorge bestanden hätte, nicht da. Die Luft war rein.

Magellan-Pinguine

Kapitel 2 In dem etwas über Pinguine erzählt wird

In den letzten vierzig Jahren sind die Populationen von Pinguin-Kolonien stark zurückgegangen, einige zu achtzig Prozent und mehr. Das wird auf Umweltverschmutzung, Fischerei und andere menschliche Eingriffe in die Natur zurückgeführt.

Diesen existenzbedrohenden Umständen zum Trotz gibt es überall an der Südküste Südamerikas Magellan-Pinguine, Sphenicus magellanicus. Sie werden etwa fünfundvierzig bis sechzig Zentimeter groß und wiegen drei bis sechs Kilogramm, obwohl ihr genaues Gewicht sehr davon abhängig ist, wann ihre letzte Mahlzeit stattgefunden hat und wie üppig sie war. Ihre Schnäbel und Gesichter sind schwarz, die Bäuche weiß. Ganz am Rand ihrer weißen Vorderseiten befindet sich ein dekoratives umgedrehtes »U«.

Außerhalb des Wassers sind diese Vögel wenig anmutig. Ihre Körper wirken lang, die Beine kurz. Ihre Schultern sind niedrig am Körper angesetzt, und die Knochen ihrer Flügel sind erstaunlich flach und dünn, was sie wie ein Bumerang aussehen lässt. Die natürliche Haltung eines Pinguins ist mit gebeugten Knien und »S«-förmigen Halsknochen, doch sie können ihre Gestalt auf erstaunliche Weise verändern. Wenn sie hocken, sind sie beinahe rund, was ihnen bei der Wärmespeicherung hilft, aber sie können sich auch aufrichten und wirken dann sehr schlank, groß und elegant.

Wenn sie aufrecht stehen, spreizen sie ihre schwimmhäutigen Zehen, so dass ihre »Fersen« sich oberhalb der Zehen befinden, doch sie können auch »sitzen«, mit Fersen und Gesäß auf dem Boden. Dieser dreieckige Bodenkontakt ist sehr stabil. Menschliche Beinknochen sind ähnlich angeordnet, wenn wir auf einem niedrigen Stuhl sitzen, doch im Gegensatz zu uns haben Pinguine unterhalb des Beckens mehrere Steißbeine, auf denen sie sitzen können. Der Großteil ihrer Beinknochen ist im Rumpf verborgen, der beinahe bis zu ihren Fersen reicht (einer der Hauptgründe, wieso Pinguine keine kalten Beine bekommen!). So wirkt es, als würden zwei extrem stummelige Beine aus ihrem Unterleib ragen. Durch ihren Knochenbau haben sie Sichelfüße, was zu ihrem schlingernden, pendelnden Watschelgang führt, der so lustig aussieht.

Magellan-Pinguine sind monogam und gehen lebenslange Partnerschaften ein. Beim Nisten wechseln sich die Eltern alle zehn bis fünfzehn Tage mit dem Brüten ab, während der jeweils andere frisst. In jungem Alter sind Schuppen und Haut an ihren Füßen und Beinen fleckig, sie werden jedoch mit der Zeit dunkler. Der Pinguin, den ich gefunden hatte, hatte keine hellen Flecken, er war also ein ausgewachsener Vogel.

Im Wasser sind Pinguine wie ausgewechselt. Beim Schwimmen an der Oberfläche wirken sie eher wie platte Enten, da nur Kopf und Schwanz aus dem Wasser ragen, doch unter Wasser sind sie einfach wahnsinnig elegant. Kein Gepard, Albatros oder Kondor könnte eleganter sein. Kein anderes Tier bewegt sich so anmutig unter Wasser.

Natürlich hatte ich an jenem Tag, an dem ich einen Pinguin am Strand von Punta del Este auflas, keinen blassen Schimmer von diesen Vögeln, doch dieser bedauerlichen Ahnungslosigkeit sollte ein abruptes Ende gesetzt werden.

Badetag

Kapitel 3 In dem nicht nur einer von uns unfreiwillig nass wird und eine Möwe die Rettung bringt

Als ich die Wohnung betrat und mich umsah, merkte ich, dass ich bei meiner impulsiven Entscheidung, den Pinguin zu retten, keinen Gedanken daran verschwendet hatte, wie ich es konkret anstellen wollte, ihn zu waschen. Die Wohnung der Bellamys war elegant und geschmackvoll eingerichtet. Sie wirkte, als sei sie einer Anzeige in einem Hochglanzmagazin entsprungen – ein öltriefender Pinguin hatte dort garantiert nichts zu suchen. Die Wahrscheinlichkeit, dem Pinguin etwas Gutes tun zu können, erschien auf einmal sehr gering, während die Chancen, eine riesige Sauerei in der Wohnung zu veranstalten, die Bellamys gegen mich aufzubringen, indem ich ihre Einrichtung verschandelte, und mich selbst bei der Sache zu verletzen, ins Unermessliche stiegen. Der Pinguin war schmutzig und überaus aggressiv. Sein Schnabel schnappte mit dem metallischen Klacken einer Zahnzange zu, und der Vogel wand und drehte sich die ganze Zeit, um nach mir zu hacken.

Einen Augenblick lang war ich kurz davor, den Vogel zurück an den Strand zu bringen, statt mich auf ein tollkühnes Vorhaben einzulassen, das ich vermutlich bereuen würde. Wie sollte ich dieses Wesen, das sich so verbissen wehrte, gegen seinen Willen in Schach halten und säubern, ohne ihm noch mehr Schaden zuzufügen und dabei die Wohnung zu verwüsten? Plötzlich hatte ich eine Idee.

Ich hatte ein Einkaufsnetz dabei – ein treuer Reisegefährte, weil es so nützlich war. Es sah aus wie eine große Version der Netze, in denen Apfelsinen verkauft werden, nur war meines blau und hatte Henkel. Es stammte noch aus Schulzeiten, damals hatten wir unsere Rugbyschuhe und -bälle darin transportiert, weil der Dreck einfach durch die Löcher fallen konnte. Mit seinen dichtgewebten Maschen war es ideal für jedes Abenteuer; es nahm kaum Platz weg, war jedoch stabil genug, um auf einer Reise nahezu jede spontane Anschaffung darin unterzubringen, wie es sich jetzt wieder einmal eindrucksvoll bestätigte. Mit einer Hand schüttelte ich es aus und ließ den Vogel hineingleiten, dann schob ich einen Besenstiel durch die Henkel und legte ihn über die Lehnen zweier Stühle, die ich zu diesem Zweck nebeneinandergestellt hatte. Hastig breitete ich eine Zeitung – eine Ausgabe von El Día – unter dem Pinguin auf dem Boden aus und machte mich, zufrieden darüber, dass ich ihn gebändigt hatte, auf die Suche nach geeigneten Reinigungsmitteln.

Ich holte Butter und Margarine, Olivenöl und Bratöl, Seife, Shampoo und Spülmittel und stellte alles ins Badezimmer. Wie die übrige Wohnung war auch dieser Raum geschmackvoll und mit dem entsprechenden Kleingeld eingerichtet worden. Hübsche Mosaikfliesen – lachsfarben und in Fischform – bedeckten die Wände, der Boden bestand aus glänzendem schwarzen Marmor. Die Becken waren aus elfenbeinfarbenem Porzellan, mit goldenen Armaturen – ich hätte mir keinen ungeeigneteren Ort vorstellen können, um einen teerbesudelten Pinguin zu säubern.

Nachdem ich das Bidet mit warmem Wasser gefüllt hatte, nahm ich das Netz mit dem sicher verstauten Pinguin von seiner provisorischen Stütze und legte es in das Becken. Das zunehmend wütende Tier hatte sich gewunden, so dass die Füße und sein Schnabel nun aus dem Netz ragten, wodurch es ihm gelang, einen meiner Finger in seinem kräftigen Schnabel einzuklemmen. Eins zu null für den Vogel! Ich fluchte bei dem Versuch, meinen Finger zu befreien, doch wie ein Terrier hatte er nicht vor, ihn kampflos aufzugeben. Unglaublich, wie fest er zuschnappen konnte; mit diesem Schnabel hätte er eine Konservendose öffnen können.

»Aua, verdammt! Lass los!«, schrie ich, umfasste seinen Kopf, so sanft Schmerz und Wut es mir erlaubten, und drückte seinen Schnabel auf. Er hatte mir einen tiefen, schmerzhaften Schnitt zugefügt, der heftig blutete und so weh tat, als hätte ich mir den Finger in einer schweren Tür geklemmt. Es erstaunte mich, dass ein Vogel so viel Schaden anrichten konnte, und ich untersuchte verblüfft meinen Finger. Ich ließ den Pinguin in seinem Netz im Bidet und versorgte die Wunde. Als ich den Finger unter kaltes Wasser hielt, konnte ich kaum glauben, wie tief der Schnitt war; die Narbe kann man heute noch sehen. Blut strömte ins Waschbecken, und ich verfluchte mich dafür, dass ich den Vogel nicht dort gelassen hatte, wo ich ihn gefunden hatte.

Wütend funkelte ich den Pinguin an, und der Pinguin starrte unerschrocken und kampfeslustig zurück. Der heimtückische Blick aus seinen schwarzen Augen sprach Bände. Sie leuchteten geradezu vor Hass und Boshaftigkeit.

»Komm nur her, du brutaler Riese! Davon kannst du noch mehr haben!«, sagten sie.

»Verdammt nochmal, du dummer … dummer Vogel!«, gab ich zurück. »Ich versuche dir zu helfen! Geht das nicht in dein Spatzenhirn?«

Bei dem vergeblichen Versuch, die Blutung zu stoppen, wickelte ich Klopapier um meinen Finger, das ich immer wieder wechselte, sobald es durchtränkt war, und hielt die Hand über meinen Kopf. Der Finger pochte. Was für unangenehme Krankheiten Pinguine wohl übertrugen? Nach einer Viertelstunde konnte ich den Blutstrom mit einem Gazeverband und Pflastern eindämmen und war bereit, mich widerwillig zurück in die Schlacht zu stürzen.

Mir war nun klar, dass ich das Tier wesentlich effektiver in Schach halten musste als bisher. Ich hatte den Fehler begangen, meinen Gegner zu unterschätzen, hatte ihn für einen kleinen Vogel gehalten, obwohl er genauso groß und gefährlich war wie ein Steinadler, der seine Brut verteidigt. Diesmal musste ich ihn gründlicher fesseln. Ich packte das Netz an den Henkeln, damit er mich weder mit seinem Schnabel noch mit den Füßen verletzten konnte, hängte den Vogel wieder zwischen die beiden Stühle und wickelte aus dem restlichen Verband eine Schlaufe, die ich um seine Füße schlang und festzog, während er mit dem Schnabel ins Leere hackte. Pinguine haben gewaltige, extrem starke Füße, die mit überaus scharfen Krallen ausgestattet sind, denen eines Adlers nicht unähnlich. Sie können damit menschliche Haut in Fetzen reißen. Interessanterweise wirken die Unterseiten der Pinguinfüße kein bisschen vogelartig, sondern eher wie die eines Affen: fleischig, muskulös und beweglich. Während ich seine Füße zusammenband, stand ich hinter ihm, wo mich sein Schnabel nicht erreichen konnte.

Der Pinguin flatterte und zappelte vergeblich in dem Netz, als ich seinen Kopf mit Zeitungspapier und roher Gewalt festhielt. Mit einem dicken Gummiband, das ich auf meiner Suche nach Reinigungsmitteln gefunden hatte, umwickelte ich mehrmals seinen Schnabel, wobei ich darauf achtete, dass seine Nasenlöcher frei blieben; die letzte Gummischlaufe legte ich um die scharfe Spitze. Seine Füße strampelten in der Luft, während er sich weiterhin wand, doch im Netz hängend erwischte er mich nicht. Er atmete angestrengt, sein Puls war an seinem Hals und Kopf deutlich sichtbar, und er trat und kämpfte weiter, ohne jedoch einen Treffer landen zu können.

Seine erbsengroßen Augen traten vor lauter Wut, Frustration und Hass hervor.

»Wie kannst du es wagen? Na warte, das wirst du büßen!«, konnte man in ihnen lesen. Es war kaum zu glauben, wie nahe er dem Tod vor kurzer Zeit noch gewesen war. Mir blieb nichts anderes übrig, als die emotionslose Distanziertheit eines Tierarztes anzunehmen. Wenn ich ihn nicht gründlich säuberte, würde der Pinguin nicht überleben.

»Also gut, du mieser kleiner Vogel«, sagte ich. »Komm her! Dann muss ich dich eben zu deinem Glück zwingen.« Mein Finger pochte und tat weh, und jedes Mitgefühl, das ich für den Pinguin gehabt hatte, war mit dem Blut im Abfluss versickert. Ich überprüfte noch einmal, ob seine Füße sicher zusammengezurrt waren, und band ihm die Henkel des Netzes um den Körper, um seine Flügel zu fixieren.

Nun, da ich ihn endlich gebändigt hatte, setzte ich ihn wieder ins Bidet und begann mit dem Reinigungsprozess, indem ich eine Handvoll Spülmittel über seinen Rücken goss. Da sein Schnabel mir nicht mehr gefährlich werden konnte, war ich in der Lage, die Seife gründlich in seine kurzen Federn zu reiben. Zwar wurde diese Aufgabe durch den Verband um meinen Finger und das Zappeln des Vogels nicht gerade erleichtert, aber immerhin erwies sich das Einkaufsnetz als tadellose Fessel, die den Vogel sanft zurückhielt, ohne mich beim Säubern zu stören.

Plötzlich hielt der erschöpfte Pinguin still. Der Wandel in seinem Verhalten kam erstaunlich schnell, viel schneller, als ich es jetzt im Nachhinein nachvollziehen kann.



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