Der sanfte Hauch der Finsternis - Jeaniene Frost - E-Book + Hörbuch

Der sanfte Hauch der Finsternis Hörbuch

Jeaniene Frost

4,9

Beschreibung

Eine coole Vampirjägerin, jede Menge Action und eine schier unmögliche Liebe!

Zwar gelang es Cat und Bones, die hinterhältige Magie der rachsüchtigen Vampirin zu besiegen, doch es war knapp. Zu knapp! Cat benötigt Zeit, um sich zu erholen. Da schlägt Bones einen mehr als verdienten Urlaub vor – in Paris, der Stadt der Liebe. Doch dort wird Cat bereits erwartet, denn der mächtige Vampir Gregor ist der Ansicht, dass Cat ihm gehört. Und er hat zwingende Argumente …

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Zeit:7 Std. 34 min

Sprecher:Elke Schützhold

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1. Auflage Deutsche Erstausgabe Oktober 2010

Copyright © der Originalausgabe 2009 by Jeaniene Frost

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Umschlaggestaltung: © HildenDesign, München, unter Verwendung von Motiven von Niv Koren/shutterstock;Yaro/Shutterstock Redaktion: Rainer Michael Rahn HK · Herstellung: sam Satz: omnisatz GmbH, Berlin

eISBN 978-3-641-07168-4V002

 

 

 

www.blanvalet.de

www.randomhouse.de

Buch

Seit sechs Jahren jagen die Halbvampirin Cat Crawfield und ihr untoter Geliebter Bones die Bösen. Sie haben einen mächtigen Meistervampir bekämpft und dabei ihre Hingabe zueinander mit einem Blutsband besiegelt. Jetzt wird es endlich Zeit für einen Urlaub. Aber ihre Hoffnung auf eine perfekte Zeit in Paris, der Stadt der Liebe, wird zerschmettert, als Cat schreiend aus einem Alptraum erwacht. Sie hatte eine Vision des Vampirs Gregor, der noch weit mächtiger ist als Bones – und den etwas mit Cats Vergangenheit verbindet, von dem sie selbst nichts wusste.

Gregor ist davon überzeugt, dass Cat sein Eigentum ist, und er wird nicht ruhen, bis sie sich ihm hingibt. Ein schrecklicher Kampf entbrennt zwischen dem Vampir, den sie liebt, und dem, der sie in ihren Alpträumen heimsucht. Doch nur Cat selbst kann Gregors Macht über sie brechen. Sie muss alle Kraft zusammenziehen, über die sie verfügt, und wenn es sie das Leben kostet. Denn sie steht dem schlimmsten Blutsauger gegenüber, dem sie je begegnet ist!

Bei Blanvalet von Jeaniene Frost lieferbar:

1. Blutrote Küsse 2. Kuss der Nacht 3. Gefährtin der Dämmerung 4. Der sanfte Hauch der Finsternis

Inhaltsverzeichnis

BuchWidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Danksagung

Für meine Schwester Jeanne, die den Mut hatte wegzugehen und die Stärke, nicht zurückzukommen.

1

Wenn es mich schnappt, bin ich tot.

Ich rannte, so schnell ich konnte, an Bäumen vorbei, über verschlungene Wurzeln und Felsen im Wald. Fauchend verfolgte mich das Monster; es klang, als hätte es schon ein Stück aufgeholt. Ich konnte ihm nicht entkommen. Es wurde schneller, während meine Kräfte nachließen.

Vor mir lichtete sich der Wald und gab den Blick frei auf einen blonden Vampir, der in der Ferne auf einem Hügel stand. Ich erkannte ihn sofort. Hoffnung flammte in mir auf. Wenn ich es bis zu ihm schaffte, würde alles gut werden. Er liebte mich. Er würde mich vor dem Ungeheuer beschützen. Aber ich war noch so weit von ihm entfernt.

Nebel kroch den Hügel hinauf, hüllte den Vampir ein, sodass er fast geisterhaft wirkte. Ich schrie seinen Namen, während die Schritte des Monsters immer näher kamen. Panisch machte ich einen Satz nach vorn, entkam nur knapp den knochigen Fingern, die nach mir greifen und mich ins Grab ziehen wollten. Mit letzter Kraft rannte ich auf den Vampir zu. Er feuerte mich an, drohte mit knurrender Stimme dem Monster, das mir noch immer auf den Fersen war.

»Lass mich los«, kreischte ich, als ich mit unerbittlichem Griff von hinten gepackt wurde. »Nein!«

»Kätzchen!«

Nicht der Vampir vor mir hatte das gerufen; es war das Monster gewesen, das mich zu Boden ziehen wollte. Ich riss den Kopf herum, um den Vampir auf dem Hügel erspähen zu können, aber seine Gestalt löste sich in nichts auf, und er wurde vom Nebel verschluckt. Bevor er ganz verschwunden war, hörte ich seine Stimme.

»Er ist nicht dein Mann, Catherine.«

Jemand schüttelte mich heftig, der Traum verflüchtigte sich endgültig, und als ich erwachte, sah ich Bones, den Vampir, den ich liebte, über mich gebeugt.

»Was ist? Bist du verletzt?«

Eine seltsame Frage, hätte man meinen können, denn schließlich hatte ich nur schlecht geträumt. Für jemanden allerdings, der über entsprechende Macht und Magie verfügte, war es durchaus möglich, Alpträume in Waffen zu verwandeln. Vor einiger Zeit hätte mich das beinahe das Leben gekostet. Jetzt aber war alles anders. Ich hatte nur geträumt, wie lebhaft mein Traum mir auch vorgekommen sein mochte.

»Mir würde es schon besser gehen, wenn du aufhören würdest, mich zu schütteln.«

Bones ließ die Hände sinken und seufzte erleichtert auf. »Du bist einfach nicht aufgewacht und hast dich wie wild im Bett hin- und hergeworfen. Hat üble Erinnerungen geweckt.«

»Alles in Ordnung mit mir. Es war bloß ein … seltsamer Traum.«

Etwas an dem Vampir aus meinem Traum ließ mir keine Ruhe. Ich hatte das Gefühl, ich müsste ihn kennen. Was allerdings unlogisch war, weil es ihn schließlich nur in meiner Fantasie gab.

»Komisch, dass ich nichts von deinem Traum mitbekommen habe«, fuhr Bones fort. »Normalerweise höre ich deine Träume wie Hintergrundmusik.«

Bones war ein Meistervampir und einer der mächtigsten Blutsauger, die ich kannte. Unter anderem konnte er die Gedanken Sterblicher lesen. Ich war zwar Halbvampirin, aber in mir war noch so viel Mensch, dass Bones trotzdem hören konnte, was in meinem Kopf vor sich ging, es sei denn, ich schirmte mich bewusst dagegen ab. Was ich jetzt erfahren hatte, war mir allerdings neu.

»Du kannst meine Träume hören? Gott, dann hast du ja nie deine Ruhe. Ich an deiner Stelle würde mir die Kugel geben. «

Was in seinem Fall allerdings nicht viel gebracht hätte. Um einen Vampir zu töten, musste man ihm entweder das Herz mit Silber durchbohren oder den Kopf abschlagen. Ein Kopfschuss würde vielleicht mich in die ewigen Jagdgründe befördern, ihm allerdings höchstens fiese Kopfschmerzen bescheren.

Er ließ sich in die Kissen zurücksinken. »Keine Bange, Süße. Ich sagte, ich höre sie wie Hintergrundmusik, sie haben also eine recht beruhigende Wirkung auf mich. Und was die Ruhe anbelangt, ruhiger als hier draußen auf dem Ozean hatte ich es bisher nur, als ich halb verschrumpelt war.«

Auch ich legte mich wieder hin. Ich schauderte, als ich daran dachte, wie Bones beinahe umgekommen wäre. Sein Haar war damals ganz weiß geworden, so knapp war er dem Tod entronnen; jetzt hatte es wieder seine übliche sattbraune Farbe.

»Schippern wir deshalb auf dem Atlantik umher? Damit du deine Ruhe hast?«

»Ich wollte ein bisschen mit dir allein sein, Kätzchen. Unser Privatleben ist in letzter Zeit viel zu kurz gekommen.«

Eine Untertreibung. Ich hatte zwar meinen Job als Leiterin der Geheimabteilung des Ministeriums für Heimatschutz aufgegeben, die sich der Ausrottung krimineller Untoter verschrieben hatte, aber mein Leben war trotzdem alles andere als langweilig gewesen. Erst hatten wir uns von den Verlusten erholen müssen, die uns durch den Krieg mit einem anderen Meistervampir im letzten Jahr entstanden waren. Mehrere Freunde von Bones – und Randy, der Mann meiner besten Freundin Denise – waren damals umgekommen. Dann hatten wir monatelang die restlichen Übeltäter verfolgen und ausschalten müssen, damit sie uns nicht noch einmal gefährlich werden konnten. Eine Ersatzkraft für mich musste auch ausgebildet werden, damit mein Onkel Don jemanden hatte, der sich als Lockvogel zur Verfügung stellen konnte, wenn seine Leute den kriminellen Untoten zu Leibe rückten. Die meisten Vampire und Ghule brachten bei der Nahrungsaufnahme zwar niemanden um, aber es gab immer welche, die es aus Spaß taten. Oder aus Dummheit. Um die kümmerte sich mein Onkel. Er stellte auch sicher, dass der Durchschnittsbürger nichts von der Existenz Untoter mitbekam.

Als Bones mir also gesagt hatte, wir würden eine Schiffsreise machen, war ich der Meinung gewesen, wir würden wieder irgendjemanden ausschalten müssen. Einfach nur zum Spaß waren wir eigentlich noch nie verreist.

»Soll das ein Wochenendausflug werden?« Der Unglaube war meiner Stimme deutlich anzuhören.

Er fuhr mir mit dem Finger über die Unterlippe. »Wir machen Ferien, Kätzchen.«

Ich war immer noch ganz verdattert. »Was ist mit meinem Kater?« Ich hatte ihm zwar genug Futter für ein paar Tage dagelassen, aber nicht für eine längere Urlaubsreise.

»Keine Sorge. Darum habe ich mich gekümmert. Jemand kümmert sich um ihn. Wir können überall hinfahren und uns dabei Zeit lassen. Also sag, wo soll’s hingehen?«

»Paris.«

Meine Antwort überraschte mich selbst. Ich hatte noch nie das brennende Verlangen verspürt, Paris zu sehen, aber aus irgendeinem Grund war das jetzt der Fall. Vielleicht lag es daran, dass man Paris als Stadt der Liebe bezeichnete, obwohl ich Bones für gewöhnlich nur ansehen musste, um in romantische Stimmung zu kommen.

Er musste meine Gedanken gelesen haben, denn er lächelte, wodurch er meiner Meinung nach noch atemberaubender aussah. Im Kontrast zu der dunkelblauen Bettwäsche leuchtete seine Haut so seidig und alabasterweiß, dass sie geradezu übermenschlich perfekt aussah. Die zerwühlten Laken waren ihm über die Hüften gerutscht, sodass ich einen ungehinderten Blick auf seinen schlanken, straffen Bauch und die harte, muskulöse Brust hatte. Seine dunkelbraunen Augen begannen sich smaragdgrün zu verfärben, und unter seinen geschwungenen Lippen wurden die Fänge sichtbar, was mir bewusst machte, dass nicht nur mir plötzlich ganz heiß geworden war.

»Paris also«, flüsterte er und warf die Laken von sich.

 

»… wir sind bald da. Ja, ihr geht’s bestens, Mencheres. Mensch, du rufst ja schon fast täglich an … Okay, wir treffen uns am Kai.«

Kopfschüttelnd legte Bones auf. »Entweder verschweigt mein Ahnherr etwas, oder er hat ein geradezu krankhaftes Interesse an allem entwickelt, was du tust.«

Ich hatte es mir in der Hängematte an Deck bequem gemacht. »Nächstes Mal lässt du mich mit ihm reden. Dann sage ich ihm, dass es mir noch nie besser ging.«

Die vergangenen drei Wochen waren wundervoll gewesen. Ich hatte den Urlaub schon nötig gehabt, aber Bones noch mehr. Als Herr über eine große Sippe und Mitregent einer noch größeren war Bones ständig prüfenden Blicken ausgesetzt, musste Duelle bestreiten oder seine Leute beschützen. Die Verantwortung hatte ihren Tribut gefordert. Erst in den letzten Tagen hatte er sich so weit entspannen können, dass er länger als die üblichen paar Stunden geschlafen hatte.

Nur eins überschattete die sonst so angenehme Reise, aber das behielt ich für mich. Warum sollte ich uns die Ferien verderben, indem ich Bones sagte, dass ich wieder diese dummen, unbedeutenden Träume gehabt hatte?

Diesmal bekam er nichts davon mit. Vermutlich trat ich im Schlaf nicht mehr um mich. Beim Aufwachen konnte ich mich nicht mehr an viel erinnern. Nur, dass sie wieder von diesem gesichtslosen blonden Vampir gehandelt hatten, der schon in meinem ersten Alptraum aufgetaucht war. Dieser Vampir, der mich bei meinem echten Namen genannt hatte, Catherine, und der am Ende immer dieselben kryptischen Worte sprach: Er ist nicht dein Mann.

Nach dem Gesetz der Menschen war Bones das tatsächlich nicht. Allerdings hatten wir unsere Verbindung mit einem blutigen Handschlag besiegelt und waren somit aus vampirischer Sicht rechtmäßig verheiratet, und so etwas wie Scheidung war unter Vampiren unbekannt. Den Spruch »bis dass der Tod euch scheidet« fassten sie durchaus wörtlich auf. Vielleicht drückte sich in den Träumen mein unterbewusster Wunsch nach einer traditionellen Hochzeit aus. Als wir die das letzte Mal ins Auge gefasst hatten, war uns ein Krieg mit einer Vampirin dazwischengekommen, die todbringende Magie gegen uns einsetzen wollte.

Mencheres erwartete uns am Kai. Bones nannte ihn zwar Urahn, weil er seinen Erzeuger erschaffen hatte, doch er wirkte nicht älter als Bones selbst. Bei ihrer Verwandlung zum Vampir waren die beiden vermutlich fast gleich alt gewesen. Auch Mencheres war gut aussehend, aber auf exotische Weise, mit seinem würdevollen Auftreten, den ägyptischen Gesichtszügen und dem langen schwarzen Haar, das im leichten Wind wehte.

Das eigentlich Aufsehenerregende aber waren die acht Meistervampire, die ihn begleiteten. Noch an Bord hatte ich ihre geballte Energie spüren können, die in der Atmosphäre knisterte wie statische Elektrizität. Es war nichts Außergewöhnliches, dass Mencheres mit Gefolge reiste, aber die hier kamen mir eher vor wie Leibwächter, nicht wie untote Groupies.

Bones trat vor Mencheres und drückte ihm kurz die Hand.

»Hallo Urahn. Die hast du doch nicht nur mitgebracht, um Eindruck zu schinden«, sagte er mit einem Nicken in Richtung der wartenden Vampire. »Ich nehme also an, es gibt Ärger.«

Mencheres nickte. »Wir sollten gehen. Das Schiff ist auffällig genug.«

Gevatterin war in leuchtend roten Lettern auf den Bug gepinselt. Es sollte an meinen Spitznamen erinnern, die Gevatterin Tod, weil ich schon so viele Vampire auf dem Gewissen hatte.

An mich richtete Mencheres nur ein kurzes, höfliches Hallo, während wir vom Pier trotteten und in einen schwarzen Van stiegen, der schon für uns bereitstand. Sechs der Wachleute kletterten in einen zweiten, der uns in kurzem Abstand folgte, als wir davonbrausten.

»Erzähl mir von deinen Träumen, Cat«, bat mich Mencheres, kaum, dass wir unterwegs waren.

Ich sah ihn mit großen Augen an. »Woher weißt du davon?«

Auch Bones wirkte verblüfft. »Ich habe ihm nichts erzählt, Kätzchen.«

Mencheres ignorierte uns beide. »Wovon handelten sie? Erzähl es mir ganz genau.«

»Die Träume sind seltsam«, begann ich und sah, wie Bones beim Gebrauch des Plurals die Augenbrauen hochzog. »Alle handeln von demselben Vampir. Im Traum kenne ich ihn. Ich kann sogar hören, wie ich ihn beim Namen nenne, aber wenn ich aufwache, kann ich mich nicht mehr daran erinnern.«

Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt, Mencheres wirkte besorgt. So genau kannte ich ihn natürlich nicht. Mencheres war über viertausend Jahre alt und verbarg seine Gefühle meisterhaft, aber es sah aus, als würde er ganz leicht die Lippen zusammenpressen. Vielleicht lag es auch nur am Lichteinfall.

»Wie oft hattest du diesen Traum schon?«, wollte Bones wissen. Er war alles andere als glücklich. Dass seine Lippen schmal wurden, war keine Einbildung.

»Viermal, und mach mir keine Vorhaltungen. Wenn ich dir davon erzählt hätte, hättest du sofort die nächste Festung angelaufen und wärst mir Tag und Nacht nicht mehr von der Pelle gerückt. Die Reise war so schön, da habe ich nichts gesagt. War schließlich nichts Dramatisches.«

Er schnaubte. »Nichts Dramatisches, sagt sie. Na dann wollen wir mal herausfinden, wie dramatisch es wirklich ist. Mit ein bisschen Glück bringt dich deine Unbesonnenheit diesmal nicht um.«

Er wandte sich an Mencheres. »Du wusstest, dass da was im Busch war. Warum zum Teufel hast du es mir nicht gleich gesagt?«

Mencheres beugte sich vor. »Cats Leben ist nicht in Gefahr. Aber es gibt da ein … Problem. Ich hatte gehofft, es würde nie zu dieser Unterhaltung kommen.«

»Könntest du vielleicht ausnahmsweise mal ohne viel Tamtam mit der Sprache herausrücken?« Mencheres war dafür bekannt, sich nicht kurz fassen zu können.

»Hast du je von einem Vampir namens Gregor gehört?«

Urplötzlich schoss mir ein stechender Schmerz in den Kopf und war dann so schnell wieder weg, dass ich einen Blick in die Runde warf, um zu sehen, ob die anderen das Gleiche gespürt hatten. Mencheres’ Blick war so durchdringend, als wollte er bis in mein Gehirn vordringen. An meiner Seite stieß Bones einen Fluch aus.

»Ich kenne einige Gregors, aber nur einen, den man den beschissenen Traumräuber nennt.« Seine Faust sauste herunter und schlug krachend die Armlehne ab. »So sieht für dich also ein angemessenes Maß an Sicherheit für meine Frau aus?«

»Ich bin nicht deine Frau.«

Bones warf mir einen ungläubigen Blick zu, während ich mir die Hand vor den Mund schlug. Wieso zum Teufel war mir das jetzt herausgerutscht?

»Was sagst du da?«, fragte Bones ungläubig.

Verdutzt fing ich zu stammeln an. »I …ich meinte bloß … ich kann mich nur daran erinnern, wie der Vampir in meinem Traum zu mir sagt: ›Er ist nicht dein Mann.‹ Und ich weiß, dass er dich damit meint, Bones. Das wollte ich sagen.«

Bones sah mich an, als hätte ich ihm gerade ein Messer in die Brust gestoßen, und Mencheres hatte wieder diesen kühlen, verschlossenen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Völlig undurchschaubar.

»Es ist immer das Gleiche. Jedes Mal, wenn es zwischen uns richtig gut läuft, kommst du und machst alles kaputt!«, fuhr ich Mencheres an.

»Du wolltest doch unbedingt nach Paris«, gab Mencheres zurück.

»Ja und? Hast du was gegen Franzosen?« Ich verspürte plötzlich einen irrationalen Zorn auf Mencheres. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien. Warum kannst du uns nicht einfach in Ruhe lassen?

Dann riss ich mich zusammen. Was war los mit mir? Bekam ich meine Tage oder was? War ich deshalb so schräg drauf?

Mencheres rieb sich die Stirn. Sein feingeschnittenes Gesicht war im Profil zu sehen, als er sich abwandte.

»Paris ist eine wundervolle Stadt. Ich wünsche dir viel Spaß. Besuche all die Sehenswürdigkeiten. Aber geh nie ohne Begleitung aus, und wenn du wieder von Gregor träumst, Cat, lass nicht zu, dass er dich anfasst. Wenn er wieder in deinen Träumen auftaucht, lauf weg.«

»Also so einfach kommst du mir nicht davon«, sagte ich. »Wer ist dieser Gregor, warum träume ich von ihm, und warum nennt man ihn den Traumräuber?«

»Und vor allem: Warum erscheint er gerade jetzt – und warum ihr?« Bones’ Stimme war kalt wie Eis. »Über zehn Jahre lang hat man weder etwas von Gregor gesehen noch gehört. Ich dachte schon, er wäre tot.«

»Er ist nicht tot«, bemerkte Mencheres mit leichter Bitterkeit in der Stimme. »Genau wie ich kann Gregor manchmal die Zukunft voraussehen. Eine seiner Visionen hat ihn dazu verleitet, sie ändern zu wollen. Als ich davon erfuhr, sperrte ich ihn zur Strafe ein.«

»Und was will er von meiner Frau?«

Die letzten beiden Worte betonte Bones absichtlich und sah mich dabei mit hochgezogenen Brauen an, als erwartete er meinen Widerspruch. Der nicht kam.

»In einer seiner Visionen ist ihm Cat erschienen, und von da an wollte er sie für sich gewinnen«, erzählte Mencheres in nüchternem Tonfall. »Dann erfuhr er, dass sie durch den Bluteid an dich gebunden sein würde. Als Cat ungefähr sechzehn Jahre alt war, wollte Gregor sie aufspüren und zu sich nehmen. Der Plan war ganz einfach: Wenn Cat dich nie kennenlernen würde, könnte sie sich nicht an dich binden.«

»Hinterhältiges Arschloch«, fluchte Bones, während ich mit offenem Mund dastand. »Dem werde ich zu seinem schlauen Schachzug gratulieren … während ich ihm das Herz mit Silber durchbohre.«

»Unterschätze Gregor nicht«, warnte Mencheres. »Vor einem Monat ist er mir entwischt, und ich habe keine Ahnung, wie. Cat scheint Gregor wichtiger zu sein als die Rache an mir. Seit seiner Flucht ist sie die Einzige, zu der er über Träume Kontakt aufgenommen hat.«

Warum sind diese verrückten Vampire bloß so scharf auf mich? Die Tatsache, dass ich einer der wenigen bekannten Vampirmischlinge war, hatte mir bisher fast nur Scherereien eingebracht. Gregor war nicht der Erste, der mich als eine Art exotisches Spielzeug haben wollte, aber ich gab ihm ein paar Punkte für den originellsten Plan.

»Und du hast Gregor über zehn Jahre lang eingesperrt, nur um ihn davon abzuhalten, in meine Zukunft mit Bones einzugreifen?«, fragte ich mit offener Skepsis in der Stimme. »Warum? Als Bones’ Erschaffer, Ian, das versucht hat, hast du dich doch auch nicht eingemischt?«

Mencheres’ stahlgraue Augen wanderten von mir zu Bones. »Es stand mehr auf dem Spiel«, sagte er schließlich. »Hättest du Bones nie kennengelernt, wäre er vielleicht weiter unter Ians Herrschaft geblieben, also nicht Oberhaupt seiner eigenen Sippe und mein Mitregent geworden, als ich ihn gebraucht habe. Das Risiko konnte ich nicht eingehen.«

Unsere immerwährende Liebe hatte er dabei also nicht im Sinn gehabt. War ja klar. Vampire handelten selten aus rein uneigennützigen Motiven.

»Was passiert, wenn Gregor mich im Traum berührt?«, erkundigte ich mich. »Was ist dann?«

2

Ich wollte das natürlich nicht glauben. Die Blicke der beiden Männer gaben mir zu verstehen, für wie dumm sie es hielten, eine in ihren Augen einfache Tatsache anzuzweifeln. Eigentlich wirkten Gregors Kräfte nur auf Menschen, da Vampire und Ghule durch übernatürliche geistige Kontrollmechanismen vor ihnen gefeit waren. Bei mir als Mischling konnte sein Trick aber womöglich funktionieren.

Wenn erst mein Onkel davon erfuhr, dass ein Vampir mit derartigen Fähigkeiten existierte … Der würde sich vielleicht ins Hemd machen.

»Gregor wird versuchen, dich im Traum zu manipulieren«, warnte mich Mencheres, bevor er ging. »Ich rate dir, alles, was er sagt, zu ignorieren und so schnell wie möglich aufzuwachen.«

»Worauf du deinen Arsch verwetten kannst«, murmelte ich. »Was hat es eigentlich mit Paris auf sich? Vorhin hat es sich angehört, als hätte es damit eine besondere Bewandtnis.«

»Gregor ist Franzose«, antwortete Mencheres. »Du hast beschlossen, ausgerechnet in dem Land Urlaub zu machen, in dem er seit fast neun Jahrhunderten lebt. Ein Zufall ist das wohl kaum.«

Ich war stinkwütend. »Was soll das heißen?«

»Das Offensichtliche«, antwortete Bones, der mich am Arm gepackt hatte und regelrecht mit sich zerrte, während wir auf ein malerisches, von Weinreben bewachsenes Landhaus zugingen. »Gregor hat dir befohlen hierherzukommen.«

Die Begrüßungsansprache des netten französischen Vampirpärchens, das uns empfing, verstand ich nicht. Bones antwortete in ihrer Sprache, er hörte sich genauso perfekt an wie sie.

»Du hast mir gar nicht erzählt, dass du Französisch sprichst«, sagte ich leise.

»Du hast mir ja auch nicht erzählt, dass du ständig diese Träume hast«, gab er auf Englisch zurück.

Er war immer noch sauer. Ich seufzte. Wenigstens hatten wir ein paar friedliche Wochen miteinander verbracht.

Wir machten uns auf Englisch miteinander bekannt. Unsere Gastgeber stellten sich als Ehepaar Sonya und Noel vor.

»Ihr seid verheiratet?«, fragte ich verwundert nach und wurde sofort rot. »Das sollte nicht so schockiert klingen, ich meinte nur …«

»Außer euch ist sie noch keinem Vampirehepaar begegnet, mes amis«, kam Bones mir zu Hilfe. »Cat war wohl schon der Ansicht, sie hätte ein Monopol auf den Status.«

Beide lachten, und der peinliche Augenblick verflog. Sonya zuckte mit keiner Wimper, als die sechs Vampire um ihr Grundstück herum Stellung bezogen.

Wir wurden zu unserem Zimmer mit Blick auf den das Haus umgebenden Garten geführt. Sonya war Gartenbauexpertin. In ihrem Reich sah es aus wie im Paradies.

»Fleiß und Geduld, ma chérie«, sagte sie auf meine Komplimente hin. »Das kann eigentlich nie schaden.«

Sie warf Bones einen vielsagenden Blick zu, um anzudeuten, dass ihr seine barsche Reaktion von vorhin nicht entgangen war.

»Ich werde versuchen, deinen Rat zu beherzigen, meine Liebe«, antwortete Bones lakonisch.

»Ihr wollt euch bestimmt frisch machen und eure Sachen auspacken. Cat, für dich stehen Obst, Käse und eisgekühlter Wein bereit. Bones, soll ich für dich gleich jemanden heraufschicken oder erst später?«

»Später. Erst muss ich mit meiner Frau sprechen.«

Wieder dieser herausfordernde Unterton, als er mich seine Frau nannte. Sonya und Noel gingen. Ihre Schritte waren noch nicht verklungen, da machte Bones mir schon die Hölle heiß.

»Verdammt noch mal, Kätzchen, ich dachte, das hätten wir hinter uns, aber du hast schon wieder ganz allein entschieden, was du mir zumuten kannst und was nicht.«

Sein anklagender Tonfall ließ mein schlechtes Gewissen schwinden. »Ich dachte, es wäre nichts, deshalb habe ich es dir nicht erzählt.«

»Nichts? Nette Umschreibung dafür, dass ein berühmtberüchtigter Vampir versucht hat, dich im Traum zu entführen. «

»Ich wusste nicht, was da im Gang war!«

»Du hast gewusst, dass etwas Seltsames im Gange war, aber du hast es mir verschwiegen. Ich dachte, dir wäre schon vor sechs Jahren klar geworden, dass es ein Fehler ist, mir etwas zu verschweigen.«

Ein Schlag unter die Gürtellinie. Ein paar Monate nachdem wir uns kennengelernt hatten, war ich wegen Mordes am Gouverneur von Ohio festgenommen worden. Dabei war aufgeflogen, dass ich ein Vampirmischling bin. Ich ahnte nicht, dass Don, der FBI-Agent, der mich verhörte, der Bruder meines verschwundenen Vaters war, eines Vampirs, der meine Mutter nur hatte schwängern können, weil er sehr kurz nach seiner Verwandlung mit ihr Sex hatte. Ich ahnte auch nicht, dass Don seit meiner Geburt gewusst hatte, dass ich eine Halbvampirin bin. Ich hielt ihn lediglich für einen hochrangigen FBI-Agenten, der von der Existenz Untoter wusste … und Bones umbringen würde, wenn ich sein Angebot, seiner geheimen Elitetruppe beizutreten, ausschlug.

Heimlich verließ ich also Bones und ging zu Don. Meiner Meinung nach war das die einzige Möglichkeit, sein Leben zu retten. Bones verkraftete die Trennung nicht. Es kostete ihn zwar über vier Jahre, aber er spürte mich schließlich auf und machte mir klar, dass ich zu Unrecht geglaubt hatte, unsere Liebe hätte keine Chance. Ich hatte immer noch ein wahnsinnig schlechtes Gewissen deswegen, und jetzt bohrte er mit einem glühenden Eisen in der alten Wunde herum.

»Wie lange willst du mir das noch vorhalten? Wenn ich mir dich so anhöre, möchte ich meinen, noch jahrelang.«

Der Zorn wich ein wenig aus seinem Gesicht. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und warf mir einen frustrierten, aber schon nicht mehr ganz so vernichtenden Blick zu.

»Machst du dir überhaupt eine Vorstellung davon, wie es für mich gewesen wäre, beim Aufwachen festzustellen, dass du nicht mehr da bist? Ich wäre wahnsinnig geworden, Kätzchen. «

Ich atmete tief durch. Wenn Bones einfach so im Schlaf verschwinden würde, entführt von irgendeinem wildfremden Vampir, der wer weiß was mit ihm anstellte, würde ich vermutlich auch ausrasten. Reiß dich am Riemen, Cat. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, euch gegenseitig Kränkungen vorzuwerfen, die ihr gar nicht so gemeint habt.

»Versuchen wir, das zu den Akten zu legen, okay? Ich hätte dir von meinen Träumen erzählen sollen. Beim nächsten Mal sage ich es dir, sobald ich aufwache. Pfadfinderehrenwort.«

Er kam zu mir und packte mich bei den Schultern. »Ich würde es nicht ertragen, dich auf diese Weise zu verlieren, Kätzchen.«

Ich legte meine Hände auf seine. »Du wirst mich nicht verlieren, versprochen.«

 

Die Opéra Garnier war ein in jeder Hinsicht extravagantes Gebäude, das den altertümlichen Charme verströmte, den nur wirklich alte Bauwerke haben. Begleitet wurden wir von Sonya und Noel sowie unserer Schutztruppe. Bones wollte kein Risiko eingehen für den Fall, dass Gregor auftauchte, um uns den Spaß zu verderben.

Ich ging zum ersten Mal in die Oper. Sonst putzte ich mich nur so heraus, wenn ich jemanden umbringen musste, aber falls es in dem Stück nicht brutaler zuging als in der Broschüre angekündigt, würde es dazu heute Abend nicht kommen.

Auf dem Weg zu dem vergoldeten Eingang heimste Bones so viele bewundernde Blicke ein, dass ich ihn fester an die Hand nahm. Zugegeben, er sah umwerfend aus in seinem schwarzen Smoking und dem locker um den Hals geschlungenen weißen Seidenschal, aber mussten diese Weiber so glotzen? Doch ich musste mich schon selbst oft genug kneifen, um wirklich zu glauben, dass ich einen solchen Hauptgewinn abbekommen hatte. Bei den vielen begehrlichen Blicken, die ihm zugeworfen wurden, wünschte ich mir allerdings manchmal, er wäre nicht so eine verdammte Sahneschnitte.

»Die starren nicht mich an, Schatz«, raunte Bones mir zu. »Dich sehen die Leute an. Genau wie ich.«

Ich lächelte über den lüsternen Blick, den er mir zuwarf. »Liegt bloß an meinem Kleid«, witzelte ich. »Es lässt meine Hüften und meinen Busen voller erscheinen.«

Unter den geschickt über der Brustpartie drapierten Stoffbahnen meines schulterfreien, zinnoberroten Abendkleids aus Taft, verbarg sich ein leichtes Mieder, das für den nötigen Halt sorgte. Die Stofffülle war an der Taille gerafft und endete als Schleppe an dem langen, engen Rockteil. Etwas so Edles hatte ich noch nie getragen.

Bones lachte leise in sich hinein. »Ich denke immerzu darüber nach, wie ich es dir in dem Teil besorgen kann. Am liebsten von hinten, im Augenblick zumindest, aber das kann sich bis zum Ende der Aufführung noch ändern.«

»Warum sind wir überhaupt hier, wenn es dir gar nicht um die Oper geht, sondern nur darum, dir Schweinereien auszudenken? «

»Darin liegt doch gerade der Reiz«, antwortete er mit verschmitztem Lächeln. »Ich mag es, mir vorzustellen, was ich alles mit dir machen werde, wenn wir allein sind.«

Dann wurde er ernster, und das Glitzern verschwand aus seinen Augen. »Eigentlich hatte ich gedacht, wir sehen uns die Aufführung an, essen spät zu Abend und vertreten uns dann bei einem Stadtbummel die Beine. Unsere Leibwächter werden uns zwar begleiten, aber sie müssen uns ja nicht ganz so dicht auf die Pelle rücken. Einverstanden?«

Ich sah ihn mit offenem Mund an. Einfach so herumspazieren, ohne Schutzkleidung und eine bis an die Zähne bewaffnete Wacheinheit im Nacken? Einfach Sightseeing machen wie ganz normale Leute?

»Oui, sì, in jeder Sprache, in der das Wort Ja existiert. Bitte sag jetzt nicht, du hast mich angeschmiert.«

»Niemals. Die Vorstellung fängt gleich an; suchen wir unsere Plätze.«

»Okay.«

»Bist heute wohl mit allem einverstanden, was?« Da war er wieder, dieser verschmitzte Tonfall in seiner Stimme. »Das werde ich später ausnutzen.«

 

Als sich zur Pause der Vorhang senkte, waren mir drei Dinge klar: Ich liebte die Oper, ich wollte einen Drink, und ich musste pinkeln.

»Ich komme mit«, verkündete Bones, nachdem ich ihn über mein dringendes Bedürfnis in Kenntnis gesetzt hatte.

Ich verdrehte die Augen. »Das gehört sich nicht.«

»Ich muss mir die Lippen nachziehen, Cat, darf ich mitkommen? «, fragte Sonya. »Bones, du kannst Sekt holen, für mich bitte auch einen. Die Bar ist genau gegenüber der Toilette, du findest uns also leicht wieder.«

Was das heißen sollte, war offensichtlich. Bones wäre in der Nähe, falls es irgendwelchen Ärger gab, sei es durch den unerwünschten Verehrer aus meinen Träumen oder irgendwelche mordlustigen untoten Opernfans.

Er nickte. »Ich begleite euch. Das hat nichts mit übertriebener Fürsorge zu tun. Es ist nur höflich.«

»Klar.« Meine Lippen zuckten. »Mach, was du willst.«

Vor der Damentoilette hatte sich eine lange Schlange gebildet. Bones ließ ein amüsiertes Schnauben hören, als er sah, wie ich einen sehnsüchtigen Blick in Richtung der einsamen Tür der Herrentoilette warf.

»Das gehört sich nicht«, äffte er mich nach.

»Die ganzen Weiber, die hier anstehen, wollen doch nicht alle aufs Klo. Es müsste einen extra Schminkraum geben, damit wir anderen pinkeln können«, murrte ich und wandte mich dann entschuldigend an Sonya. »Äh, dich habe ich nicht gemeint. Kümmere dich einfach nicht um das, was ich sage.«

Sie lachte. »Ich weiß, was du gemeint hast, chérie. Ich habe das selbst schon so oft gedacht, schließlich brauche ich schon lange keine Toilette mehr.«

»Bring mir was zu trinken, Bones, beeil dich, damit ich nicht noch mehr dummes Zeug rede.«

Er gab mir einen Handkuss. »Bis gleich.«

Als er wegging, war ich nicht die Einzige, die seine Hinteransicht genoss.

»Mmm hmmm.«

Der Seufzer kam von einer Brünetten weiter vorn in der Schlange. Ich sah sie mit hochgezogenen Brauen an und tippte vielsagend auf meinen Verlobungsring.

»Vergeben, Schätzchen.«

Sie war ein Mensch, sonst wäre ich handgreiflich geworden, als sie sich, nach ihrem zweiten sehnsüchtigen Blick in Richtung Bones, achselzuckend an mich wandte.

»Nichts hält ewig.«

»Nur der Tod«, stieß ich hervor.

Sonya sagte etwas auf Französisch, das die Frau dazu brachte, schmollend den Mund zu verziehen, bevor sie sich mit einer letzten spitzen Bemerkung abwandte.

»Wenn du es nicht erträgst, dass andere deinen Kerl anhimmeln, musst du ihn halt zu Hause lassen.«

Die Hs waren bei ihrem starken französischen Akzent kaum hörbar. Du kannst sie nicht umbringen, bloß weil sie eine Schlampe ist, ermahnte ich mich selbst. Auch wenn du ihre Leiche ganz leicht entsorgen könntest …

»Er fickt sogar noch besser, als er aussieht«, sagte ich schließlich nur. Mehrere Köpfe drehten sich in meine Richtung. Mich kümmerte es nicht; ich war sauer. »Und sein schönes Gesicht wird fest zwischen meinen Schenkeln stecken, sobald wir nach ’aaause kommen, verlass dich drauf.«

An der Bar hörte ich Bones lachen. Sonya kicherte ebenfalls. Die Frau warf mir einen giftigen Blick zu und trat aus der Schlange.

»Bon, eine weniger vor uns. Wir sind fertig, bevor Bones unsere Drinks hat«, bemerkte Sonya, als sie ausgekichert hatte.

»Die wären wir los.« Ich warf einen Blick auf die anstehenden Frauen, von denen die meisten über die kleine Szene lächelten oder meinen Blick mieden. »Sind ja nur noch ein Dutzend vor uns.«

Als wir zehn Minuten später die Toilette betraten, musste ich so dringend, dass ich fast auf einem Bein hüpfte. Ich hatte wirklich schwer an mich halten müssen, um brav abzuwarten, bis ich an der Reihe war, statt Sonya zu bitten, die anderen Frauen mittels Hypnose aus dem Weg zu räumen, denn das wäre wirklich unfair gewesen.

Als ich aus der Kabine kam, verstaute Sonya gerade ihren Lippenstift in ihrer kleinen Clutch. Ich trat zu ihr an den Spiegel, um mir die Hände zu waschen.

»Die Welt ist klein«, sagte jemand zu meiner Rechten.

Ich drehte mich um und sah in die Augen einer hübschen Blonden. »Wie bitte?«

»Erinnern Sie sich an mich?« Ich schüttelte den Kopf. »Ist schon eine Weile her. Bis Sie diese Frau angeschnauzt haben, war ich mir nicht mal sicher, ob Sie es sind, aber Ihr Teint ist sehr auffällig. Außerdem waren Sie bei unserer ersten Begegnung auch so hibbelig.«

Ihrem Akzent nach war sie Amerikanerin. Und ich hatte sie noch nie im Leben gesehen.

»Tut mir leid, Sie müssen mich verwechseln.« Eigentlich hatte ich ein gutes Personengedächtnis. Ich war schließlich Halbvampirin und durch meinen früheren Job zusätzlich geschult.

»Es war im Ritz an der Place Vendôme, wissen Sie nicht mehr?« Ich schüttelte wieder den Kopf. Sie seufzte. »Macht nichts. Tut mir leid, dass es mit diesem anderen Typen nicht geklappt hat, aber Sie haben sich ja anscheinend einen besseren an Land gezogen, Glückwunsch.«

»Häh?«

Inzwischen hatte ich wirklich den Eindruck, dass die Gute nicht ganz bei Trost war. Sonya stellte sich dichter zu mir. Die junge Frau tupfte sich Puder auf die Nase und verstaute das Döschen dann wieder in ihrer Handtasche.

»Sie kamen mir ohnehin viel zu jung zum Heiraten vor, ich kann’s Ihnen also nicht verdenken …«

»Wie bitte?« Jetzt war ich komplett verwirrt.

Sie seufzte. »Nichts für ungut. War nett, Sie wiederzusehen. «

Sie ging. Sonya wollte sie schon festhalten, aber ich raunte ihr zu: »Lass. Sie hat mich bloß verwechselt.«

Stechender Schmerz fuhr mir in den Schädel, als würden sich kleine Nadeln in mein Gehirn bohren. Ich rieb mir die Schläfen.

»Alles in Ordnung, chérie?«, erkundigte sich Sonya.

»Bestens. Sie hat mich nur verwechselt«, sagte ich noch einmal. »Ich bin schließlich zum ersten Mal in Paris.«

 

Wir gingen die Rue de Clichy entlang, unsere Bodyguards folgten uns in ein paar Schritten Entfernung. Ich hatte mich gegen ein richtiges Abendessen entschieden und stattdessen in einem der vielen hübschen Straßencafés ein Croissant und einen Cappuccino bestellt.

Sonya und Noel waren nicht mitgekommen, damit wir das bisschen Privatsphäre genießen konnten, das wir hatten. Es hatte tatsächlich etwas Intimes an sich, trotz unserer Leibwache und der zahlreichen Passanten. Wir waren einfach nur irgendein Pärchen, eines unter vielen, die die mitternächtlichen Straßen von Paris bevölkerten.

Unterwegs erklärte mir Bones, an welchen Bauwerken wir vorbeikamen … und wozu sie früher gedient hatten. Er brachte mich mit Geschichten über sich, seinen Freund Spade und seinen Erschaffer Ian zum Lachen. Ich konnte mir gut vorstellen, was die drei alles angestellt hatten.

Am Ende einer der langen Straßen, wo die Häuser besonders eng zusammenstanden, blieben wir stehen. Bones rief etwas auf Französisch und führte mich dann weiter in eine schmale Gasse hinein.

»Was hast du gesagt?«

Er lächelte. »Das willst du nicht wissen.«

Er bedeckte meinen Mund mit einem innigen Kuss und presste mich an sich. Ich keuchte, als ich spürte, wie seine Hände mein Kleid hochschoben.

»Bist du verrückt? Hier sind ein halbes Dutzend Vampire in der Nähe …«

»Aber nicht in Sichtweite«, unterbrach er mich mit einem leisen Lachen. »Wie befohlen.«

»Sie können uns hören, Bones«, beharrte ich, inzwischen der Hausmauer zugewandt, weil er mich blitzschnell umgedreht hatte.

Er lachte immer noch. »Dann sag halt nur etwas Schmeichelhaftes. «

Bones hatte einen Arm um meine Taille geschlungen, sodass ich an ihn gepresst war. Als ich mich ihm zu entwinden versuchte, rutschte mir das Kleid nur noch höher. Dann ließ mich das plötzliche Eindringen seiner Reißzähne in meinen Hals erstarren. Er stieß ein leises, lustvolles Knurren aus.

»Ah, Kätzchen, dir gefällt das beinahe so gut wie mir. Versinke in mir, Süße, so wie ich in dir.«

Es war ein Gefühl, als würde das Blut, das von meinem Körper in seinen strömte, durch süße Glut ersetzt. Bones hatte recht gehabt, ich fand es wunderbar, wenn er mich biss. Meine Haut war erhitzt, mein Herzschlag beschleunigte sich, – und dann drängte ich mich an ihn und stöhnte über die Verzögerung, als er sich erst noch die Hose aufmachen musste.

»Bones«, presste ich hervor. »Ja …«

Ich knallte so heftig mit dem Kopf gegen die Hauswand, dass ich spürte, wie mein Wangenknochen brach. Und dann hörte ich die Schüsse.

In Salven dröhnten sie über unsere Köpfe hinweg, von allen Seiten … Von überall kamen sie, nur nicht aus Richtung der Mauer, an die ich gepresst war. Bones drückte mich gegen die Backsteine. Sein Körper bedeckte meinen, zuckend krümmte er sich über mir, während er mit den Fäusten auf die Mauer vor uns einhämmerte. Er wollte offensichtlich ein Loch hineinschlagen.

Da erst wurde mir bewusst, warum er so zuckte. Die Kugeln trafen ihn.

Unseren Bodyguards erging es offenbar noch schlimmer, so hörte es sich zumindest an. Da Bones nicht jedes Mal reflexartig zusammenfuhr, wenn geschossen wurde, hatten sie wohl einen Halbkreis um uns gebildet. Als eine der Salven in einem abgehackten Aufschrei endete, wollte ich mich panisch von Bones losmachen. Es war viel schlimmer, als ich gedacht hatte. Wer immer es auf uns abgesehen hatte, benutzte Silberkugeln.

»Wir müssen hier weg, Gott, die bringen dich um!«, schrie ich und versuchte mich aufzurichten. Da Bones mich aber mit aller Kraft niederhielt, fuchtelte ich so hilflos herum wie eine auf den Rücken gedrehte Schildkröte.

»Wenn wir abhauen, machen sie dich alle«, krächzte er, wegen des Schusslärms fast unhörbar. »Von unseren Leuten hat bestimmt jemand Verstärkung angefordert. Wir warten, Mencheres wird kommen.«

»Bis dahin bist du tot«, gab ich zurück. Es war schwierig, einen Vampir mit Schusswaffen zu töten, selbst mit Silberprojektilen, weil es zu lange dauerte, bis das Herz zerfetzt war. Das wusste ich von Bones. Kein Vampir wirft sich einem freiwillig vor die Flinte …

Seine Worte. Es war jetzt über sechs Jahre her, dass er mir das erklärt hatte. Aber Bones posierte ja praktisch für unsere Angreifer. Die Verstärkung würde zu spät kommen. Das war ihm sicher ebenso klar wie mir. Dieses eine Mal log er mich an.

Unter seinen Fausthieben gab die Mauer allmählich nach. Drinnen hörte ich Leute kreischen. Irgendwann würde es Bones schaffen, ein Loch in die Wand zu schlagen, und wir wären vor dem erbarmungslosen Kugelhagel geschützt. Aber mit nur einer Hand, während sein Körper von Geschossen durchsiebt wurde? Bones’ Bewegungen wurden schon langsamer; fast wie ein Betrunkener schlug er auf die Mauer ein. Gott, er würde so sterben, über mir kauernd, hier in dieser Gasse.

Etwas Wildes stieg in mir auf. Mein Verstand gab nicht mal einen richtigen Befehl an meinen Körper. Ich wusste nur, dass Bones vor diesen Geschossen in Sicherheit gebracht werden musste, bis er sich erholen konnte.

Mit diesem Ziel im Kopf schaffte ich es, mich umzudrehen und sprang dann senkrecht nach oben, die Arme fest um ihn geschlossen, um ihn mit mir hochzureißen. Wir schafften es auf das Dach des fünfstöckigen Hauses, vor dem wir uns zusammengekauert hatten. Dort rollte ich mich mit ihm im Arm ab, aber seltsamerweise zischten uns keine Geschosse mehr um die Ohren.

Ich machte mir keine Gedanken darüber, warum die Schützen von uns abgelassen hatten. Nicht jetzt, da Bones in meinen Armen zusammensackte. Die Angst gab mir Kraft, trieb mich dazu, mit ihm auf das Dach des Nachbargebäudes zu springen. Dann auf das nächste und das übernächste – ich nahm mir nicht einmal die Zeit, erstaunt über das zu sein, was ich gerade getan hatte. Als der Schusslärm ganz verklungen war, hielt ich inne. Nach dem, was ich jetzt vorhatte, würde ich umfallen wie eine Mücke, aber Bones brauchte Blut. Und zwar viel.

Die Angreifer kamen nicht hinter uns her. Noch hielten unsere Leibwächter sie vielleicht in Schach, aber das würden sie sicher nicht mehr lange durchhalten. Ich packte Bones’ hängenden Kopf, schlitzte mir an seinen Fängen die Pulsader am Handgelenk auf und ließ mein Blut in seinen Mund strömen.

Eine scheinbar endlose, schreckliche Sekunde lang geschah gar nichts. Er schluckte nicht und öffnete nicht die Augen. Er tat überhaupt nichts, das rote Rinnsal floss ihm einfach aus dem Mund. Hektisch drehte ich mit der anderen Hand seinen Kopf, damit das Blut in seine Kehle rinnen konnte. Tränen raubten mir die Sicht. So viele Silberkugeln hatten sich in seinen Körper gebohrt, überall, sogar in seine Wangen. O Gott, bitte lass ihn nicht sterben …

3

»… wacht gerade auf …«

»… bald aufbrechen, er kommt morgen …«

Flüchtig drangen die Gesprächsfetzen an mein Ohr. Mir war warm. Na ja, bis auf meinen Arm. Etwas Weiches und Kühles fuhr mir über die Stirn.

»Bist du wach, Kätzchen?«

Abrupt öffnete ich die Augen, die Lethargie fiel von mir ab. Ich versuchte mich aufzusetzen, aber jemand hielt mich mit festem Griff zurück.

»Nicht bewegen, Süße, warte ein paar Minuten, damit das Blut zirkulieren kann.«

Blut? Ich blinzelte ein paarmal und sah Bones vor mir. Er war noch immer voll roter Spritzer, aber sein Blick war fest. Das beruhigte mich so weit, dass ich mich wieder zurücksinken ließ, in seinen Schoß, wie sich herausstellte. Zwei leere Blutkonserven, eine Infusionskanüle und ein Katheter lagen neben ihm.

»Wo sind wir?«

»In einem Van auf dem Weg nach London«, antwortete er. »Weißt du noch, dass wir angegriffen wurden?«

»Ich weiß noch, wie so viel Silber aus dir rauskam, dass man jemandem die Collegeausbildung damit hätte finanzieren können«, antwortete ich, sah mich um und stellte fest, dass Mencheres und vier andere Vampire bei uns waren. »Du hättest draufgehen können. Mach das nicht noch einmal.«

Ein heiseres Lachen entfuhr ihm. »Sagt die Frau, die mir fast ihr ganzes Blut eingeflößt hat. Starkes Stück.«

»Du hattest so viel Silber in dir, dass deine Selbstheilungskräfte nicht ausgereicht haben. Was hätte ich denn machen sollen? Einfach zusehen, wie du stirbst?«

»Die Typen hätten dir den Kopf wegblasen können«, gab er gelassen zurück.

»Wer waren die eigentlich?« Ich betastete meine Wange. Keine Schmerzen. Bones hatte mir nicht nur menschliches Blut verabreicht. Mein Körper heilte vielleicht schneller als der einer gewöhnlichen Sterblichen, aber ein Knochenbruch ließ sich nur mit Vampirblut so schnell kurieren.

»Tut mir leid, Süße«, murmelte Bones. »Meine Unbesonnenheit hätte dich fast das Leben gekostet.«

»Wie viele Tote?«

»Drei von sechs.« In seiner Stimme lag mehr als nur Selbstvorwurf. Was, konnte ich nicht genau sagen.

»Die Angreifer waren Ghule und richtig schwer bewaffnet, wie du ja weißt. Kaum warst du mit mir abgehauen, kamen noch etwa acht Vampire dazu.«

»Wenigstens ist die Verstärkung noch eingetroffen.« Lächelnd wandte ich mich an Mencheres. »Danke.«

Bones verzog den Mund. »Es waren nicht Mencheres’ Leute. Unsere Retter hätten vermutlich als Nächstes mich ins Visier genommen, wenn Mencheres am Ende nicht doch noch mit Verstärkung aufgetaucht wäre.«

Vielleicht war das frische Blut noch nicht bis in mein Gehirn vorgedrungen, denn ich kapierte gar nichts. »Wenn es nicht eure Leute waren, wer dann?«

»Wir wurden von zwei Gruppen verfolgt«, fasste Bones zusammen. »Von den Ghulen und von Gregors Leuten, vermute ich zumindest. Wahrscheinlich hatte er keine Lust mehr, sich nur im Traum an dich heranzumachen, und hat sich handfesteren Methoden zugewandt.«

Mir war nicht entgangen, dass Mencheres die ganze Zeit über kein Wort gesagt hatte. »Wie siehst du das?«

Er warf mir einen Blick zu. »Wenn wir bei Spade sind, können wir uns besser unterhalten.«

»Sofort.« Bones sagte nur dieses eine Wort, aber mehr war auch nicht nötig.

»Crispin …«

»Jetzt nennst du mich auch noch bei meinem Menschennamen, als wäre ich noch ein Kind«, fiel Bones ihm ins Wort. »Laut unserer Allianz bin ich dir ebenbürtig, also sagst du mir jetzt alles, was du über Gregor weißt.«

Bones ließ deutlich durchblicken, dass Mencheres einen Krieg zwischen ihren beiden Sippen riskieren würde, wenn er sich weigerte. Dass Bones so eindeutig Stellung beziehen würde, hätte ich nicht erwartet; Mencheres offenbar auch nicht, das besagte zumindest sein bestürzter Gesichtsausdruck.

Schließlich erschien ein schmallippiges Lächeln auf seinem Gesicht. »Na schön. Ihr wisst ja bereits, dass ich Gregor habe einsperren lassen, weil er in Cats Zukunft eingreifen wollte, sodass sie dich nicht kennenlernt. Was ihr nicht wisst, ist, dass Gregor Cat bereits vor seiner Gefangennahme zu sich geholt hatte.«

Ich sprang auf. »Ich bin Gregor noch nie begegnet!«

»Soweit du dich erinnern kannst«, antwortete Mencheres. »Du bekommst Kopfschmerzen, wenn du von Gregor hörst, nicht wahr? Das liegt an deinen unterdrückten Erinnerungen. Du hattest bereits mehrere Wochen bei Gregor verbracht, als wir euch in Paris aufgespürt haben. In dieser Zeit war es ihm gelungen, dir den Kopf zu verdrehen und mit Lügen vollzustopfen. Mir war klar, dass ich dein Gedächtnis manipulieren musste, um alles wieder ins Lot zu bringen, weshalb du dich an die Zeit mit ihm nicht erinnern kannst.«

»Das darf doch nicht … Er kann doch nicht …« Schon fingen die hämmernden Kopfschmerzen wieder an. Er ist nicht dein Mann … Tut mir leid, dass es mit diesem anderen Typen nicht geklappt hat … Es war im Ritz an der Place Vendôme …

»Aber vampirische Gedankenkontrolle funktioniert bei mir nicht«, stammelte ich schließlich. »Ich bin ein Halbblut; bei mir hat das noch nie funktioniert!«

»Deshalb musste ja ich es tun«, sagte Mencheres ruhig. »Ich musste all meine Kraft aufbieten, einen Zauber auch, um die Erinnerung aus deinem Kopf zu löschen. Ein weniger mächtiger Vampir hätte das nicht geschafft.«

Auch Bones wirkte verblüfft. »Partir de la femme de mon maìtre«, murmelte er. »Einer von Gregors Vampiren hat mir das zugerufen, bevor er geflohen ist. Deshalb also ist Gregor so scharf auf sie.«

Mencheres blieb stumm. Bones warf erst ihm einen Blick zu und dann mir. »Ist mir egal«, sagte er schließlich. »Gregor kann sich seine Ansprüche geradewegs in den Arsch schieben. «

Ich war noch immer nicht überzeugt. »Aber ich habe Vampire gehasst, bevor ich Bones begegnet bin. Ich wäre niemals wochenlang mit einem durchgebrannt.«

»Deine Mutter hat dich dazu gebracht, sie zu hassen«, sagte Mencheres. »Sie hat Gregor sich zuerst vorgenommen. Er hat sie dazu gebracht, dir weiszumachen, er wäre ein Freund von ihr, der dich beschützen wollte.«

»Wie weit haben sich Gregors Behauptungen bereits herumgesprochen? «, knurrte Bones.

»Du hast mich noch nicht gefragt, ob es überhaupt geschehen ist.«

Ich verstand nur Bahnhof. »Was?«

»Unwichtig. Er bekommt sie nur über meine verschrumpelte, verrottete Leiche.«

»Was!«, diesmal stieß ich Bones an, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

»Es geht um das, was Gregor behauptet«, sagte Bones eisig. »Jetzt, da er frei ist, erzählt er jedem, dass er dich irgendwann während dieser zwei Wochen geheiratet hat.«

Entgegen der landläufigen Meinung gab es in meinem Leben durchaus Situationen, in denen ich sprachlos war. Als meine Mutter mir an meinem sechzehnten Geburtstag offenbart hatte, dass all meine Abnormitäten daher kamen, dass mein Vater ein Vampir war, zum Beispiel. Auch als ich Bones nach vier Jahren Trennung zum ersten Mal wiedergesehen hatte. Das hier übertraf jedoch alles. Einige schier endlose Augenblicke lang war ich nicht einmal dazu in der Lage, mir eine angemessen entrüstete Antwort einfallen zu lassen.

Nicht nur ich war perplex. Selbst in meinem Zustand fielen mir die überraschten Mienen der anderen Vampire im Van auf, die nach einem bösen Blick von Bones jedoch schnell wieder ausdruckslos wurden. Mencheres’ Blick blieb hart, und schließlich sprach ich den ersten logischen Gedanken aus, der mir in den Kopf kam.

»Nein.« Danach fühlte ich mich schon besser, also sagte ich es noch einmal, diesmal lauter. »Nein. Das stimmt nicht.«

»Selbst wenn, würde sein Tod alles beenden«, versicherte mir Bones.

Mit einer Handbewegung wandte ich mich an Mencheres. »Du warst doch dabei, oder? Sag ihm, dass es nicht stimmt!« Mencheres zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht gesehen, wie der Bluteid vollzogen wurde. Gregor hat behauptet, es wäre kurz vor meinem Eintreffen geschehen. Einige seiner Leute sagten, sie wären Zeugen gewesen, aber das könnte eine Lüge sein, Gregor ist schließlich nicht gerade eine ehrliche Haut.«

»Aber was habe ich gesagt?«

Mit einem Mal hatte ich Angst. Hatte ich mich etwa irgendwie an einen fremden Vampir gebunden? Das konnte doch wohl nicht sein, oder?

Mencheres sah mich durchdringend an. »Du warst völlig außer dir. Gregor hatte dich emotional beeinflusst, und er sollte fortgebracht werden, einer unbekannten Bestrafung entgegen. Wahr oder unwahr, du hättest alles ausgesagt, um das zu verhindern.«

Anders ausgedrückt …

»Bones hat deutlich gemacht, wie er zu dieser Angelegenheit steht.« Mencheres warf einen Blick in die Runde. »Als sein Mitregent unterstütze ich ihn. Hat jemand etwas dagegen vorzubringen?«

Alle verneinten.

»Dann wäre das geklärt. Gregor erhebt unhaltbare Ansprüche, und wir ignorieren sie. Cat selbst kann nicht bestätigen, eine Verbindung mit ihm eingegangen zu sein, und außer ihm ist sie die Einzige, die es wissen kann. Bones?«

Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht, aber es war so kalt, wie ich mich im Inneren fühlte. »Wollen doch mal sehen, wie lange einer überlebt, der behauptet, meine Frau wäre nicht meine Frau.«

»Es ist deine Entscheidung.« Mencheres schien die potenzielle Dezimierung seiner Herde nicht zu beunruhigen. »Vor Tagesanbruch sind wir bei Spade. Ich für meinen Teil bin müde.«

Da waren wir schon zwei. Ich bezweifelte allerdings, dass ich Schlaf finden würde. Es kam mir wie eine Vergewaltigung vor, dass man über einen Monat meines Lebens aus meinem Gedächtnis getilgt hatte. Ich starrte Mencheres an. Kein Wunder, dass ich immer ein Problem mit dir hatte. Auf einer unterbewussten Ebene habe ich mich offenbar daran erinnert, dass er mich manipuliert hatte, auch wenn mir die exakte Erinnerung daran fehlte.

Oder doch nicht?

»Warum kannst du nicht einfach meine Gedanken lesen und selbst nachsehen, was passiert ist? Du hast meine Erinnerungen gelöscht, dann kannst du sie doch auch zurückholen, oder?«

»Sie sind so tief verschüttet, dass nicht einmal ich mehr an sie herankommen kann. Sie sollten ganz sicher vergessen bleiben.«

Klasse. Wenn selbst Mega-Meister Mencheres meine Erinnerungen nicht mehr zutage fördern konnte, waren sie wohl endgültig verloren.

»Mir ist egal, was Gregor oder sonst jemand glaubt«, wandte Bones sich in sanfterem Tonfall an mich. »Für mich zählt nur, was du denkst, Kätzchen.«

Was dachte ich eigentlich? Dass ich sogar noch tiefer in der Scheiße steckte, als ich anfangs geglaubt hatte? Dass mir ein Monat meines Lebens geklaut worden war, den ich bei einem Fremden verbracht hatte, mit dem ich eventuell auch noch eine Ehe eingegangen war? Verdammt, wo sollte ich da anfangen?

4

Baron Charles DeMortimer, der sich selbst Spade1 nannte, um stets an seine Zeit als Strafgefangener in den Kolonien erinnert zu werden, während der er mit dem Namen des ihm zugewiesenen Werkzeugs gerufen worden war, hatte ein wundervolles Anwesen. Der perfekt gepflegte Rasen des ausladenden Geländes war von hohen Hecken umgeben. Das Haus im Stil des achtzehnten Jahrhunderts wirkte, als wäre es zu Zeiten gebaut worden, als Spade noch ein Mensch gewesen war. Die Korridore im Innern waren lang und prächtig. Erlesene Holzschnitzereien verzierten die Wände. Die Decken waren mit Malereien geschmückt. Überall Kristallleuchter. Handgewirkte Gobelins und antikes Mobiliar. Im Kamin hätte man eine Versammlung abhalten können.

»Wo ist die Königin?«, murmelte ich überflüssigerweise, nachdem der Portier uns hereingebeten hatte.

»Gefällt’s dir nicht, Süße?«, erkundigte sich Bones mit wissendem Blick.

Kein bisschen. Ich war im ländlichen Ohio aufgewachsen, und selbst mein damaliger Sonntagsstaat hätte im Vergleich zu dem Bezugsstoff des Sofas, an dem wir gerade vorbeikamen, wie ein Putzlumpen gewirkt.

»Alles ist so perfekt. Kommt mir vor, als würde ich ein Sakrileg begehen, wenn ich mich auf so ein Sofa setze.«

»Dann sollte ich mir wohl überlegen, ob ich dir nicht doch ein anderes Schlafzimmer gebe. Vielleicht finden wir im Stall etwas Bequemeres«, hörte ich eine neckende Stimme.

Es war Spade, sein dunkles, störrisches Haar war so zerzaust, als hätte er eben noch im Bett gelegen.

Fettnäpfchenalarm. »Dein Haus ist wunderschön«, sagte ich. »Hör nicht auf mich. Bevor ich mir Benimm aneigne, lernen Schweine fliegen.«

Spade begrüßte Bones und Mencheres mit einer Umarmung, mir gab er seltsamerweise einen Handkuss. Für gewöhnlich war er weniger steif.

»Schweine können nicht fliegen.« Seine Mundwinkel zuckten. »Ganz im Gegensatz zu dir, wie mir zu Ohren gekommen ist.«

Sein Tonfall machte mich verlegen. »Ich bin nicht geflogen. Nur sehr hoch gesprungen. Ich weiß nicht mal, wie ich das gemacht habe.«

Bones warf mir einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte. Spade wollte etwas sagen, aber Mencheres hob die Hand.

»Nicht jetzt.«

Spade klopfte Bones auf die Schulter. »Ganz recht. Es dämmert gleich. Ich bringe euch auf euer Zimmer. Du bist blass, Crispin, ich schicke dir jemanden hoch.«