Der Schattenseher (Der Spieler Buch 3): LitRPG-Serie - Roman Prokofiev - E-Book

Der Schattenseher (Der Spieler Buch 3): LitRPG-Serie E-Book

Roman Prokofiev

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Beschreibung

Darf ich vorstellen: Cat. Er ist überzeugt, dass alles und jeder seinen Preis hat. Und den Preis bezahlt man in Gold – oder in scharfem Stahl. Für den richtigen Preis steht sogar die gesamte SPHERE OF WORLDS zum Verkauf. Ein Händler durch und durch, bezahlt Cat in Seelen. Er befreit die Göttin der Dunkelheit in der astralen Festung von Pandorum aus seinem Seelenverschlinger-Schwert, was ihn zum Erzfeind der mächtigsten Allianz in der SPHERE macht. Ein exorbitantes Kopfgeld wird auf ihn ausgesetzt, und Kopfgeldjäger lassen ihn keine Sekunde aus den Augen, doch er gerät niemals ins Schwanken. Sein Schutzpatron, der Gott der Schatten, schickt Cat in die Dämmerwelt des Lochs. Dort soll er den dritten der Sieben Schlüssel finden. Anschließend muss der Händler das gefährliche Gewässer eines unterirdischen Meeres überqueren, um die Insel des Wahnsinns zu erreichen. Erneut erweist er sich der göttlichen Gunst als würdig.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Zwischenspiel. Projekt Hölle

Kapitel 2

Zwischenspiel. Pandorum

Kapitel 3

Kapitel 4

Zwischenspiel. Das Haus der Dunkelheit

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Zwischenspiel. Das Dreignis

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Zwischenspiel. Die Wächter

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Zwischenspiel. Die Wächter

Kapitel 18

Zwischenspiel. Der Basar

Kapitel 19

Zwischenspiel. Projekt Hölle

Kapitel 20

Kapitel 21

Über den Autor

Der Schattenseher

von Roman Prokofiev

Der Spieler

Buch 3

Magic Dome Books

Der Schattenseher

Der Spieler Buch 3

Buch 3 Originaltitel: Shadow Seer (Rogue Merchant Book #3)

Copyright ©R. Prokofiev, 2021

Covergestaltung © Vladimir Manyukhin 2021

Deutsche Übersetzung © Irena Böttcher, 2023

Lektor: Youndercover Autorenservice

Erschienen 2023 bei Magic Dome Books

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

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Die Personen und Handlung dieses Buches sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit realen Personen oder Vorkommnissen wäre zufällig.

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Kapitel 1

Alle absorbierten Seelen freilassen?

ICH ATMETE TIEF EIN und versuchte, mein Herzklopfen zu beruhigen. Reiner Zufall hatte dazu geführt, dass ich ein Feuer entzünden würde, das schwer wieder zu löschen sein würde. Nun, sollten die Feiglinge die Folgen fürchten!

Ja.

Ein Wirbelwind aus Schatten brach aus meiner Klinge hervor, wie eine Spur halbdurchsichtiger Tinte, und jagte durch den Raum, absorbiert von der Magie des Artefakt-Käfigs. Hinter dessen Gitterstäben teilten sich die Schatten und verschmolzen zu voneinander getrennten Formen, die sich rasch zu Fleisch verwandelten. Schließlich war ein ganzer Tag vergangen und die NPCs konnten im Kreis sofort respawnen. Fasziniert starrten die Pandas auf den Käfig, als sich dort eine Gruppe von Sukkubi austobte. Erschrocken wichen sie vor der einsamen weiblichen Gestalt zurück, über deren Kopf der erschreckende Titel schwebte: Ananizarte, die Göttin der Dunkelheit.

Die Göttin war sichtlich schlechter Laune. Um sie herum waberte eine leuchtende Aura und ihre Augen schossen zornige, rote Flammen.

„Ich habe nichts gegen dich persönlich“, erklärte ich Ananizarte. „Es ist nur so — die Pandas hatten mich beauftragt, eine Göttin zu töten.“

Ihren Blick starr auf mich gerichtet, breitete sie langsam die Arme aus, und der Käfig explodierte zu unzähligen winzigen Metallscherben, die durch die Luft flogen.

Die Zeit war gekommen. Die Gefahr war groß, in diesem Augenblick zu sterben, inmitten ihres göttlichen Wutanfalls, aber mein Tod war in meinem Plan nicht vorgesehen. Ich aktivierte den Schattenlauf und verschwand, unterwegs zur Schattenebene. Vor meinen Augen verwandelte sich die Halle, als ob ich sie durch einen Filter betrachten würde. Unter meinen Füßen knirschten Knochen und die geringeren Schatten wichen furchtsam vor mir zurück. Wie viele Wesen hatten die Pandas bloß an diesem Ort bereits getötet?

Ich hatte keine Zeit, mich näher mit ihnen zu befassen. Drei Schritte, nur drei Schritte war Jerkhan von mir entfernt gewesen! Ich nutzte es aus, dass der Oger noch immer fassungslos Ananizarte anstarrte. Gleichzeitig wehrte er mit seinem Schild die Scherben ab, die auf ihn zu flogen. Ich näherte mich ihm von hinten.

Dann verließ ich die Schattenebene wieder. Zwei Hiebe, blitzschnell. Der erste zertrennte die Kette, an der Jerkhan Weldy hinter sich her geschleift hatte. Mit meiner freien Hand stieß ich die junge Frau beiseite, aus der Gefahrenzone im Zentrum des Raums heraus. Der zweite zielte auf die Muskeln seines massigen Halses bei der freien Stelle zwischen Jerkhans Helm und einer schwarzen, mit Stacheln versehenen Schulterplatte..

Nimm das, du Abschaum!

Leider schaffte es der Oger, rechtzeitig zu reagieren. Er wich zurück, sodass Aelmaris ihn lediglich streifte. Seine Vergeltung folgte umgehend. Ein Schlag seiner schwarzen Axt durchbrach meinen Versuch zu parieren und schleuderte mich gegen die Wand. Ironischerweise war das meine Rettung. Eine Ranke des tobenden, dunkelroten Wirbelwindes erreichte den Ort, an dem wir miteinander gekämpft hatten, griff sich den brüllenden Oger und umgab ihn mit Flammen. Heiße Luft traf mein Gesicht und versengte mir die Augenbrauen und Wimpern, was mir einen anhaltenden Schaden eintrug.

Ich konnte kaum etwas sehen. Dennoch fand ich Weldy und aktivierte rasch den Großen Schild des Schattens, meine zweite Überraschung. Einst hatte eine Schriftrolle mit diesem Bannspruch Alex und mich inmitten eines Angriffs einer Raid-Gruppe vom PROJEKT HÖLLE gerettet. Zehn Minuten oder zehn Millionen Trefferpunkte absorbierten Schadens schienen mir ausreichend, selbst einer Göttin zu widerstehen. Wenigstens hoffte ich das...

In der Mitte der Halle, wo vorher der Käfig gestanden hatte, geschah etwas Unvorstellbares. Eine wirbelnde Säule aus Feuer und Dunkelheit ragte in die Höhe. Immer mehr Ranken drangen daraus hervor. Die Pandas flogen zusammen mit Schutt und Scherben um die Säule herum, wie in einem Tornado gefangen. Trotz ihrer dämonischen Rüstungen verringerten sich ihre Gesundheitsbalken mit Lichtgeschwindigkeit. Die Sukkubi, von denen 50 im Schwert gefangen gewesen waren, versuchten zu fliehen und kreischten, von Schrecken erfüllt. Ein Strom geflügelter Dämoninnen stürzte auf den einzigen Ausgang zu und riss dabei die Panda-Krieger um, die zu Hilfe geeilt waren.

Der Boden schwankte und ein Alarm schrillte durch die Burg. Das würde mehr und mehr Pandas herbeirufen. Wir mussten verschwinden, und zwar dalli! Ich legte die Handflächen um Weldys Gesicht. Sie sah mich mit einem leeren, apathischen Ausdruck an. Ihre Stirn zierte eine frische Narbe. Ihr Hals zeigte blaue Flecke und blutige Wunden unter dem mit Stacheln versehenen Kragen. Ich zog daran, so fest ich konnte, um das verzauberte Band zu zerbrechen, doch vergebens.

Also gut... Ich bemühte mich, Ruhe zu bewahren, zog den Kragen so weit wie möglich von ihrem Hals und berührte ihn mit der Spitze von Aelmaris. Knall! Das Metallband zerbrach in zwei Teile. Seine Haltbarkeit sackte hinab auf 0, es war zerstört. Weldy schüttelte den Kopf, fuhr sich mit den Fingern über das Gesicht, als ob sie eine Maske entfernen wollte, und blickte auf.

„HotCat! Du bist gekommen!“ Weinend schlang sie die Arme um mich. Ihre Tränen, ihre zitternden Lippen — nichts davon spielte eine Rolle, solange ihre Augen nur wieder Leben ausstrahlten. Ich blickte tief in sie hinein. Dann warf ich mich auf einmal zu Boden und zog sie mit. Nur die Reflexe, die das Training in der Freiheitsschule mir eingetragen hatten, Glück und die Reflektion des drohenden Todeshiebs in Weldys Augen retteten mich.

Der Krummsäbel, der geschwungen worden war, um uns beide zu enthaupten, teilte stattdessen die Luft, deren kalter Stoß unsere Gesichter traf. Auf eine mir nicht nachvollziehbare Weise war es Roahildorn gelungen, sich zu uns unter den Schild zu gesellen, und sie hatte sich entschlossen, mich anzugreifen. Wie hatte sie das bloß unbemerkt von mir schaffen können?

„Nicht so schnell, Miezekätzchen!“ Die Söldnerin vom Clan Stahlgeländer grinste. „Noch hat dir niemand gestattet zu gehen.“

Ich sprang auf die Füße und zielte mit der Klinge auf sie. Zuerst wollte ich sie mit einem feurigen Blitz erschlagen, doch rasch änderte ich meine Meinung. Das war zu gefährlich. Roas Rüstung schimmerte durch Magie. Vielleicht war es die gleiche Magie, mit der sie es im Gasthaus geschafft hatte, meinen Blitz auf mich zurückzuwerfen.

Wir trafen aufeinander. Sie begann ein Rennen gegen die Zeit. Immer wieder musste sie den Hieben von Aelmaris ausweichen, und zwar auf einem eng begrenzten Gebiet, umgeben von einer Kuppel. Dennoch konnte ich nicht einen Treffer landen, während sie mir eine schmerzhafte Wunde an der Schulter verpasste. Ein Viertel meiner Gesundheit dahin, ein Trauma, eine Blutung... Das war das Ergebnis eines weiteren fehlgeschlagenen Hiebs.

„Nicht schlecht, Miezekätzchen“, spottete Roa und schwang erneut ihre Waffen. „Aber das reicht jetzt.“

Sie ging von der Verteidigung zum Angriff über. Mit einer Reihe von Finten versuchte sie, mich zu täuschen und dazu zu bringen, einen Fehler zu machen, der unweigerlich zu meinem Tod führen musste. Roahildorn war eindeutig eine erstklassige Schwertkämpferin. Doch auch sie konnte nicht jede Eventualität einplanen. Plötzlich krachte eine Kette gegen ihre Klinge, stoppte sie im Schwung und schlang sich um den Griff. Weldy! Sie war aus dem Nichts neben mir aufgetaucht, um mir zu helfen. Gut gemacht, Mädchen! Fluchend riss Roa ihr die Kette aus den Händen, doch ihren Vorteil hatte sie längst verloren. Ich sprang auf sie zu, stieß ihr das Schwert durch den bebenden Körper, und Roahildorn verschwand in einem Lichtblitz. Zurück blieb nur ein Häufchen grauer Asche.

„Das hast du prima gemacht!“ Ich griff mir Weldy, die schwer atmete, und zog sie mit mir. „Wir müssen von hier verschwinden!“

Um uns herum war die Hölle los. Ich hatte keine Ahnung, was Ananizarte alles in Bewegung gesetzt hatte, aber es war ein schrecklicher Anblick. Feuer und Dunkelheit wetteiferten miteinander. Die Flammensäulen hatten sich so weit ausgedehnt, dass sie die Decke erreichten. Sie strömten Wellen eines scharlachroten Infernos aus, die alles einäscherten, was ihnen im Weg stand. Über ihnen wanden sich Ranken der Dunkelheit.

Durch die Flammen, zwischen den Gargoyles hindurch, die zu Steinsplittern explodierten... Schneller! Im Gang kämpften die Sukkubi gegen die heraneilenden Pandas. Der halbrunde Schild bewegte sich mit uns und warf alle Gegner nieder, als wären es Zinnsoldaten.

Die Treppe hoch, dann nach links. Dort hatte eine Gruppe von Pandorum-Kriegern einen Wall aus Schilden errichtet. Magie und Stahl regneten auf uns herab, was uns auf einen Schlag zehn Prozent unserer Verteidigung raubte. Zum Glück gelang es in diesem Augenblick den überlebenden Sukkubi, den Gang zu verlassen, in dem die Pandas versucht hatten, sie festzuhalten. Sie stürzten sich auf die Krieger vor uns. Verwirrung brach aus, was ich ausnutzte, um durch die Reihen der Feinde zu schlüpfen. Die Kuppel funktionierte wie ein Tank und schleuderte alles in meinem Weg beiseite.

Der nächste Raum war leer. Vorsichtig lugte ich hinaus und schaffte es gerade noch rechtzeitig, mich zu verstecken. Im Korridor wimmelte es nur so vor Pandas. Mehr und mehr Spieler hatten sich angemeldet, und jede Sekunde wuchs die Kampfgruppe. Die Burg Gräueltat hatte sich in einen geschäftigen Ameisenhügel verwandelt, in dem die frisch eingetroffenen Kämpfer von Pandorum über die Treppen und durch die Gänge rannten, um sich dem lodernden roten Feuer zu stellen, das in den Tiefen der Burg tobte. Ich wusste nicht, was Ananizarte anstellte, aber der Boden unter meinen Füßen bebte noch immer. Die Vibrationen erfassten die gesamte Anlage.

Selbst wenn der Schild hielt, musste ich mit einer ganzen Schar von Verfolgern rechnen, die sich uns auf die Fersen hefteten und uns töteten, sobald wir unsere Verteidigung verloren hatten. Ich musste sie ablenken, und dafür hatte ich Überraschung Nummer drei vorbereitet.

Ich berührte das Diadem des Prinzgefährten und wählte in der Benutzeroberfläche die Fähigkeit des Obersten Herbeirufens aus.

„Bleib ruhig — es wird gleich ein wenig unheimlich“, flüsterte ich in Weldys Ohr. Die junge Frau zitterte.

Die roten Linien eines Pentagramms zuckten über den Boden des Raums und eine zweieinhalb Meter große Dämonin trat aus den Flammen, zum Kampf bereit. Sie sah furchterregend aus und hatte ihre riesigen, violetten Flügel mit den Klauen in den Falten ausgebreitet. Ihre schwarzen Haare wehten wie in einem Sturm, und sie trug einen gezackten, halbmondförmigen Schild und die mit Widerhaken versehene Peitsche der Königin der Sukkubi. In ihrem aufwendig verzierten Visier flammten rot ihre Augen.

„Du hast uns gerufen, und die Sukkubi-Brut ist gekommen!“, knurrte Mara mit einer kehligen Stimme, die kein bisschen weiblich klang.

* * *

Am Tag zuvor

Mein Zimmer in Karns Gasthaus war ein guter Ort, um nachzudenken, ohne dass mich jemand störte. Erneut kramte ich in meinen Besitztümern und suchte lediglich die besten Geschenke aus. Ohne Geschenke konnte man den Pandas schließlich keinen Besuch abstatten!

Also gut — ein violettes Fertigkeits-Buch von epischer Qualität, das mich fast 100.000 Gold gekostet hatte, ein Set von schützenden Elixieren, darunter ein sorgfältig aufbewahrtes Geschenk eines Magiers, der Drachenschuppen-Trank...

Viel Zeit zum Planen hatte ich nicht. Außerdem wusste ich, dass mein Plan bei seiner Umsetzung in der Burg von Pandorum jederzeit aus den Fugen geraten konnte. Deshalb musste ich mich so gut wie möglich vorbereiten und alle Möglichkeiten ausnutzen, die mir zur Verfügung standen.

Da war zum einen der legendäre Archetyp des Stellvertreters einer Gottheit, den Tormis mir gegeben hatte. Der war ausgesprochen selten. Im Internet hatte ich darüber bisher nichts gefunden, mit Ausnahme von undurchsichtigen Spekulationen darüber, dass die Eigenschaften dieses Archetypen speziell an den Träger angepasst wurden. Außerdem gab es ein paar furchterregende Videos, die zeigten, wie Spieler mit solchen legendären Archetypen mit allem fertig wurden, was man ihnen entgegenschleuderte. Mit anderen Worten, nützliche Informationen gab es keine. Ich würde alles selbst herausfinden müssen.

Ich öffnete die Benutzeroberfläche. Am Rand des Profils meines Charakters leuchteten die 18 freien Eigenschaftspunkte, die sich im Laufe des letzten Monats angesammelt hatten. Sie lockten mich, sie auszugeben. Investieren konnte ich sie in meine Haupteigenschaften, Verfassung, Stärke, Geschicklichkeit, und in andere Eigenschaften, wodurch ich meinen Avatar gravierend verbesserte. Die Alternative war, die Punkte in die Entwicklung der Fähigkeiten meines Archetypen zu stecken, diese zu steigern und neue freizuschalten. Es war ein echtes Dilemma.

Ich hatte diese Eigenschaftspunkte aufgespart und davon geträumt, sie zu verwenden, um den epischen Archetypen des Meisterhändlers freizuschalten. Ich wusste, welche Voraussetzungen ich dafür erfüllen musste. Ich musste mein Charisma und meinen Intellekt ausbauen. Das hatte mir Olaf verraten, der Analyst der Wächter, meines Clans. Anscheinend musste ich diesen Plan jedoch einstweilen zurückstellen. Die legendären Fähigkeiten des Stellvertreter-Archetypen waren weit verlockender.

Ich investierte zehn Punkte in Schattensicht und Schattenaugen, womit ich sie zur Obergrenze brachte. Der Beschreibung zufolge ermöglichte mir das, die Schattenwelt ebenso deutlich zu sehen wie die materielle. Außerdem konnte ich geheime Lager und verborgene Gänge finden und Sicht und Gehör jedes Schattens innerhalb eines Bereichs von 300 Metern nutzen. Für einen Spion war das ein Geschenk des Himmels! Ein angenehmer Glockenklang informierte mich darüber, dass ich nun den zweiten Rang meines Stellvertreter-Archetypen erreicht hatte: Schattenhörer.

Dann schauen wir doch mal, was wir da haben... Doch als ich die neuen Fertigkeiten betrachtete, seufzte ich enttäuscht.

Schattenreise (0/5):Du kannst die Schattenebene betreten und dich darin für bis zu 30 Sekunden pro Stunde bewegen.

Schattengespräche (0/5):Du kannst das Murmeln der Schatten hören und dabei einzelne Worte unterscheiden. Außerdem kannst du einfache Schriften in der Schattensprache lesen.

Die erste Fähigkeit war eine schwächere Kopie derjenigen, die mein Umhang mir verlieh. Anscheinend konnte das ebenfalls zum Schattenlauf weiterentwickelt werden. Die zweite Fertigkeit war interessant, aber in meinen momentanen Umständen vollkommen nutzlos. Es war definitiv nicht das, was ich brauchte. Ich hatte gehofft, mächtige Angriffs- oder Verteidigungsfähigkeiten freischalten zu können. Tja, die Entscheidung war getroffen und konnte nicht wieder rückgängig gemacht werden. Ich wies jeder neuen Fähigkeit einen Punkt zu und hatte nun noch sechs übrig. Die würde ich mir für später aufsparen.

Es wurde Zeit für die nächste Maßnahme. Ich zog das tiefrote Prisma des Verwandlungs-Edelsteins hervor. Der legendäre magische Stein leuchtete tief im Inneren und wärmte mir die Finger. Es war ein raffiniertes Ding, wahrhaft außergewöhnlich. In der Auktion stand kein einziger solcher Edelstein zum Verkauf, und die Kaufangebote begannen bei 80.000 Gold. Der Stein besaß nur eine nützliche Fähigkeit — er konnte den Benutzer in jede Kreatur vergleichbarer Größe verwandeln. Diese Verwandlung war keineswegs nur eine optische Illusion — der Edelstein veränderte die wahre Gestalt. Die Transformation konnte nicht entdeckt werden. Nicht einmal der Zorn von Aelmaris konnte den Unterschied feststellen. Auf diese Weise hatte Daine unsere Raid-Gruppe in Helt Akor hinters Licht geführt, indem sie ein unschuldiges junges Mädchen spielte. Es gab nur eine Einschränkung — man durfte keine direkte Kopie anderer Spieler anlegen. Das und noch etwas anderes sorgten dafür, dass der Stein mir momentan nicht helfen konnte.

Allerdings war er ein Druckmittel gegen die Sukkubi-Brut. Ich legte den Verwandlungs-Edelstein wieder in die Truhe, verschloss sie und stellte weiteres Grübeln ein. Es wurde Zeit, die Situation mit der Dämonen-Herrin ein für alle Male zu regeln, sonst würde die lästige Lady mich niemals in Frieden lassen. Schließlich konnte sie mich alle drei Tage in den Abgrund zitieren. Ich musste ihr eine Lektion erteilen und ihr Angst machen, damit sie dieser Versuchung nicht nachgab. Gleichzeitig konnte ich so ein Geschenk für Pandorum vorbereiten.

Ich berührte das Diadem des Prinzgefährten und rief Mara in meine Welt.

Sie reagierte sofort.

Ich spürte ihren eisernen Griff um meinen Hals. Ihre violetten Fingernägel zerkratzten mir die Haut und sie hob mich hoch in die Luft.

„Du hast mich zur rechten Zeit gerufen, Schätzchen — ich hatte gerade an dich gedacht“, zischte sie und schenkte mir einen glühenden Blick. „Wo ist der Verwandlungs-Edelstein? Sag es mir, Elender!“

Die Pupillen ihrer Augen verwandelten sich in Pentagramme, die ein blaues Licht ausstrahlten, das uns miteinander verband.

Du hast die Dämonensicht mithilfe der Eigenschaft „Enthaltsam“ abgewehrt.

Ich war nicht in Stimmung für solche Tricks, und eine geflügelte Zicke, die ihre Unterhaltungen mit einem Würgegriff begann, verschlechterte meine Laune noch.

Du willst spielen? Also gut!

Ich schlüpfte in die Schattenebene, landete hinter der Königin der Sukkubi-Brut, warf sie mit einem scharfen Stoß aufs Bett und nagelte sie dort fest. Aelmaris leuchtete blau.

„Siehst du die Klinge? Bleib liegen und rühre dich nicht!“ Ich hielt der erschrockenen Dämonin das feurige Schwert direkt vors Gesicht. „Eine Bewegung und die Sukkubi brauchen eine neue Königin!“

„Nimm es fort, einer der Sieben!“, kreischte Mara, die wie erstarrt liegen blieb. „Nimm es fort! Das ist ein Seelenverschlinger! Es verbrennt mich! Wer steckt darin? WER?“

„Das wirst du schnell herausfinden, wenn du dich nicht benimmst“, versprach ich ihr, zog mich ein wenig zurück und löste meinen Griff.

„Nun, wir liegen ja bereits aufeinander“, bemerkte sie mit einem ebenso lüsternen wie boshaften Grinsen, bei dem sie ihre scharfen Reißzähne zeigte. Dann verwandelte Mara sich vor meinen Augen. Ihre Klauen, ihre Hörner und ihr Schwanz verschwanden, und kurz darauf lag eine schlanke junge Frau mit langen schwarzen Haaren auf dem Bett.

„Gefalle ich dir jetzt besser?“, fragte sie. „Du wirst mich nicht mehr mit deinem Schwert bedrohen, oder? Ich ziehe eine andere Art von Klinge vor...“

Wie durch Zufall rutschte ihr das blaue, mit Gold verzierte Kleid von den Schultern und entblößte mehr von ihr, als es eigentlich sollte. Mara sah mich mit unschuldigen, graublauen Augen an und säuselte: „Ich glaube, mein Korsett hat sich gelöst... Ich kann es nicht erreichen. Vielleicht kannst du mir helfen?“

Du hast die Verführung mithilfe der Eigenschaft „Enthaltsam“ abgewehrt.

„Hör auf mit dem Theater!“, blaffte ich und hielt ihr erneut das Schwert unter die Nase.

„Du bist immun gegen meinen Zauber und besitzt einen Seelenverschlinger“, stellte Mara fest. Ihr Blick wanderte zwischen Aelmaris und mir hin und her. „Warum hast du mich gerufen?“

„Du willst doch den Verwandlungs-Edelstein, oder? Ich kann ihn dir zurückgeben, aber das kostet dich etwas...“

* * *

„Bist du bereit, einen Eid zu schwören?“

„Das bin ich, einer der Sieben“, erwiderte Mara und schwang ungeduldig ihre Geißel. „Wo sind die Feinde?“

Ohne ein Wort deutete ich auf die Clan-Halle. Unmittelbar dahinter lag die Anlegestelle mit dem Skiff.

Hinter ihrer Herrin traten Reihen von Dämonen aus dem Feuer, riesige, grauhäutige Gefährten, Dämonenkriegerinnen mit filigranen Rüstungen und spärlich bekleidete Sukkubi-Magierinnen, die sich sofort in die Luft erhoben. Mit dem Angriff einer gesamten Fraktion gegen ihre Burg hatten die Pandas wahrscheinlich nicht gerechnet. In jedem Fall hatten sie jetzt alle Hände voll zu tun. In welchem Zustand die Sukkubi-Brut diesen Ort hinterlassen würde... Nun, das war nicht mein Problem.

Die Sukkubi verschmolzen zu einem einzigen Strom geflügelter Kreaturen und stürmten in den größten Saal der Burg Gräueltat. Ihr dämonisches Kichern, das Flattern ihrer Flügel, das Heulen, das Waffenklirren und das Krachen explodierender Bannsprüche verbanden sich zur lärmenden Kakofonie einer Schlacht. Ich drückte Weldys Hand — sie hatte sich hinter mir versteckt — und zählte bis 30. Der Schild würde uns noch vier weitere Minuten schützen. Es wurde Zeit.

Wir liefen am Abschlachten in der Halle vorbei. Mit lautem Kreischen griffen die Sukkubi sich die Krieger von Pandorum und ließen sie aus großer Höhe fallen, und die Spieler wiederum gaben alles in diesem Kampf gegen die Dämonen. Hinter dem Saal wartete ein langer, gewölbter Gang, den die Leichen erschlagener Protodrachen beinahe versperrten. In der Luft schwebten dämonische Silhouetten. Ihre Flügel berührten die Decke. Endlich hatten wir den Kai erreicht. Wir rannten die Anlegeplätze entlang. Auf dem Dock türmten sich die Toten. Über den Decks der Astralschiffe kämpften Drachenreiter und Sukkubi gegeneinander. Niemand schenkte uns Beachtung, Pandorum war mit anderen Dingen beschäftigt.

Das leere Skiff, das ich mir von den Wächtern geborgt hatte, wartete an einem Anlegeplatz auf uns, gehalten von zwei Tauen. Ich packte Weldy und sprang aufs Deck. Der Große Schild der Schatten, der nur noch zwei weitere Minuten anhalten würde, bedeckte etwa ein Drittel des Schiffs. Ich stellte mich neben Maschine und Reaktor und flüsterte per Courier: „Melde dich an, Keith.“

„Verstanden!“, antwortete Borland fröhlich.

Eine Sekunde später tauchte er auf, und nach einer weiteren Sekunde waren auch seine Knappen, Ellaria und Keinknappe, wieder an Bord. Die drei starrten auf die Hölle um uns herum. Es donnerte und krachte, die Wirkungen von Bannsprüchen blitzten auf, und Spieler und Dämonen kämpften gegeneinander. Unmittelbar neben uns stürzte ein Protodrachen, besetzt mit Sukkubi, auf das Deck eines Nachbarschiffs. Der Mast und die Segel wurden hinweggefegt. Zornig spie der Drache Feuer und setzte das Schiff in Brand. Die Wände der Burg erbebten nicht mehr nur — sie zitterten so heftig, als ob die gesamte Anlage vor dem Zusammenbruch stünde.

„Was ist hier los, verdammt noch mal?“, brüllte Keith. „Was zum...?“

„Wir müssen von hier verschwinden — jetzt!“, rief ich und durchtrennte die Taue, die unser Schiff verankerten.

Ein flüchtiger Blick reichte aus, um Keith den Umfang des Tumults erkennen zu lassen, der die gesamte Burg erfasst hatte.

„Ellaria, die Segel — rasch!“, befahl er und trat ans Steuerrad. „Keinknappe, starte die Maschine!“

Mit einer scharfen Drehung des Rades drehte er das Skiff um. Der Motor heulte auf und das Gaffelsegel flatterte, füllte sich mit Wind. Die drei waren ein gut eingespieltes Team. Sie arbeiteten sorgfältig und ungeheuer präzise. Ein starker Windstoß strömte aus der Mündung der Maschine, in der das Luft-Elementwesen gefangen war. Das Skiff schoss nach vorn wie ein Vollblüter. Zahlreiche Masten der Astralflotte von Pandorum huschten auf beiden Seiten an uns vorbei. Einige der Schiffe verließen mit gehissten Segeln den Landeplatz, während die Schlacht noch im Gang war.

„Verbrenn das rote Ellurit!“, schrie der Kraken gegen den heulenden Wind an. „Holen wir alles aus dieser Zuckerpuppe heraus!“

Wie ein geölter Blitz schossen wir aus dem geöffneten Drachenmaul, das den Pandas als Tor diente. Der pinkfarbene Nebel der Astralebene erschien mir nach dem Chaos in der üblen Burg wie das reinste Paradies. Unser Schiff gewann immer mehr an Geschwindigkeit und wir flogen durch den leeren Raum. Allerdings durften wir nicht hoffen, dass Pandorum auf unsere Flucht mit Untätigkeit reagieren würde.

Krach! Ein mächtiger Schlag warf das Skiff herum und uns alle zu Boden, außer Borland, dem es gelungen war, sich am Steuerrad festzuhalten.

„Harpune!“, brüllte er und deutete auf das Heck. „Man versucht, uns zurückzuschleppen!“

Ein vierseitiges Gerät aus Stahl mit rasiermesserscharfen, gekrümmten Klingen war in unserer Yacht versunken, hatte das Bollwerk durchschlagen und krachte durch das Deck. Es war mit einer Metallkette verbunden, die Elektrizität versprühte. Das Schiff bockte wie ein Pferd, dem man die Beine zusammengebunden hatte, und mit jeder Drehung wand sich mehr von der Kette um sein Äußeres. Bald würde uns jede Fortbewegung unmöglich sein.

Die Kette kam von einem Wachturm rechts vom Tor der Burg. Kaum hatte ich den Blick darauf fixiert, feuerte man aus den Schießscharten und bearbeitete uns mit Stahl und Magie. Lediglich das Große Schild des Schattens und die Treffsicherheit der Pandorum-Kanoniere retteten uns. Sie zielten auf die Maschine, um das Schiff endgültig manövrierunfähig zu machen. Doch neben Maschine und Reaktor stand ich. Ich bewachte die verwundbarsten und wertvollsten Systeme des Schiffs. Vom Schild waren noch ein Drittel seiner Gesundheit und 90 Sekunden seiner Laufzeit verblieben.

Wir werden es nicht schaffen! Oder doch?

Langsam segelte eine Korvette aus dem Drachenmaul, umgeben von einem Schwarm von Spielern auf Flugtieren. Dahinter sah ich Dutzende von Segeln. Winzige Silhouetten von Flugtieren lösten sich aus den riesigen Molochen der Astralschiffe, die über der Festung schwebten. Die meisten davon tauchten in Richtung Burg ab, aber einige von ihnen näherten sich unserem Skiff, das sich noch immer hilflos an der Stelle drehte.

„Das war es — wir sind erledigt“, stellte Keith fest. „Wir müssen abhauen, HotCat! Wir müssen Seelensteine, Teleportations-Schriftrollen, was auch immer verwenden — solange wir noch können!“

„Niemand verschwindet irgendwohin!“ Der Stahl in meiner Stimme überraschte mich. „Das Spiel hat gerade erst begonnen!“

Aelmaris funkelte mit wahrem Feuer, gerichtet auf den Turm, der uns festhielt. Ich öffnete die Benutzeroberfläche des Schwertes, klickte zweimal auf den Schalter „Aktuelle Fertigkeit verbessern“ und anschließend auf das Symbol des „Feurigen Blitzes“.

Die Möglichkeit, eine neue Eigenschaft zu wählen oder eine bereits vorhandene zu verbessern, war nach dem Kampf gegen Ananizarte aufgetaucht. Ich hatte gründlich überlegt, mir alle Optionen durch den Kopf gehen lassen und mich dafür entschieden, die Fähigkeit des Blitzes zu steigern. Es war meine einzige Fernwaffe, mit der ich einen Feind zuverlässig zerstören konnte. Allerdings erwies sich der Schaden, den ich damit anrichten konnte, als zu gering für große Ziele. Ich brauchte eine stärkere Waffe.

Bist du sicher, dass du den feurigen Blitz zur Flammenden Feuerkugel upgraden möchtest?

Achtung! Diese Handlung kann nicht wieder rückgängig gemacht werden!

Ja/Nein

Die Flammende Feuerkugel ist eine Explosion aus wahrem Feuer, die in der Lage ist, selbst große Ziele mit starker Verteidigung zu zerstören. Sie fügt 10.000 bis 30.000 Punkte wahren Feuerschaden zu.

6 Ladungen alle 24 Stunden.

Die Beschreibung passte. Es wurde Zeit, die Wirkung auszuprobieren. Ein lodernder Klumpen von wahrem Feuer löste sich von der Klinge und flog auf den runden Turm zu, dessen Zinnen aufleuchteten, als die Verteidiger eine neue Salve vorbereiteten. Die Feuerkugel, die orange und blau funkelte, traf zielsicher eine Lücke zwischen den Mauerzacken.

Bumm! Der Turm explodierte von innen heraus und verwandelte sich in eine wirbelnde Wolke aus Feuer und Rauch. Die bis zum Äußersten angespannte Kette zerriss mit einem metallischen Klirren und unser Schiff war wieder frei.

Die zweite Kugel wahren Feuers setzte die Korvette in Brand, die uns verfolgte, und zwar vom Kiel bis zu den Bannern an den Masten. Na, das nannte ich eine mächtige Wirkung! Viele Stimmen auf einmal schrien, und Dutzende von brennenden Flugtieren verließen das Schiff, flogen um ihr Leben. Das System schickte mir eine Meldung von getöteten Spielern nach der anderen.

Ich feuerte weiter auf die sturen Pandas. Die dritte Kugel, gerichtet auf eine große Gruppe von Drachenreitern, ging daneben. Dennoch hatte sie einen gewissen Effekt, denn die Pandorum-Krieger wichen hastig zurück, verteilten sich und drehten ihre Flugtiere um. Aha — sie hatten also bemerkt, dass die Kacke am Dampfen war!

„Halt dich fest!“, rief mir Keith zu, der verzweifelt am Steuerrad drehte. „Es wird gleich holprig!“

Unser namenloses Skiff nahm wieder an Fahrt auf. Abrupt drehte der Kraken nach rechts und sofort wieder zurück. Die Drehung war stark genug, dass wir über das Deck gerollt wären, hätte ich mich nicht am Mast festgehalten und Weldy an mich gepresst. Über uns lag der Rauch von Feuerbällen in der Luft. Die Pandas waren nicht bereit aufzugeben. Nach einem kurzen Augenblick der Verwirrung feuerten sie wieder mit voller Kraft auf uns. Lediglich Keiths Manöver hatte uns das Leben gerettet.

Mehr und mehr Schiffe strömten aus dem Tor von Gräueltat. Das war kein gutes Zeichen. Auch die Moloche bewegten sich nun, umgeben von Schutzkuppeln. Sie hatten die Ankerleinen gekappt, die sie mit der Scherbe verbanden. Waren die Sukkubi und Ananizarte bereits besiegt?

Eine Explosion hinter mir ließ meine Ohren klingeln. Weldy keuchte auf und Keinknappe fluchte leise. Ich drehte mich um. Nein, die Göttin hatte nicht versagt. Sie ging bis zum Äußersten, um sich zu befreien.

Zuerst glaubte ich, die Burg der Pandas wäre zerstört worden, als Trümmer in alle Richtungen flogen, doch als der Staub sich gelegt hatte sah ich, dass die schwarze Festung überlebt hatte, wenn auch nicht unbeschädigt. Ein Netz aus Rissen zog sich über die Wände. Der größte davon teilte die Burg nahezu in zwei Hälften. Eine riesige Säule scharlachroten Feuers stieg daraus hervor und verbreitete ein übles Licht. Im Inneren wirbelten lodernde Flammen. Wie ein vulkanischer Geysir schoss die Säule nach oben und verschwand im pinkfarbenen Nebel der Astralebene. Hastig versuchten die Moloche, der feurigen Fontäne auszuweichen und sie zu umkreisen.

Ich beneidete die Spieler nicht, die in der Burg gefangen waren. In der Gegenwart der zornigen Göttin der Dunkelheit löste sich sogar die Farbe von den Wänden. Aber die Pandas waren die stärkste Allianz in der gesamten SPHERE. Ich hatte es geschaffen, sie zu überraschen, doch lange konnte das nicht anhalten. Bestimmt verfügten sie über die Macht und die Mittel, jeden Feind zu besiegen, selbst einen Gott. Die Hektik, die in ihrem Kommando-Kanal herrschen musste, konnte ich mir gut vorstellen. Es war jedoch davon auszugehen, dass sie sich in wenigen Minuten weit genug erholt hatten, um an Rache zu denken, und diese Rache würde fürchterlich werden.

„Cat, wir können sie nicht abschütteln!“, riss Keiths Stimme mich aus meinen Überlegungen. „Es sind zu viele von ihnen!“

Das Feuer von den feindlichen Schiffen kam immer näher und zog Rauchspuren hinter sich her. Keith steuerte um sein Leben, aber die Kapitäne der Schiffe von Pandorum waren nicht weniger erfahren. Ihre Skiffs und Korvetten breiteten sich aus und versuchten, uns einzukesseln, und hinter ihnen folgten weitere Schiffe, die die Segel hissten. Sobald es ihnen gelang, nahe genug an uns heranzukommen, konnte schon ein einziger Treffer unser Schiff zerstören.

Anscheinend war die Zeit für Überraschung Nummer 4 gekommen. Ich zog ein schweres Horn aus Bronze mit einer aufwendigen Gravierung hervor.

„Ein Signalhorn?“ Die Augen des Kraken weiteten sich. „Willst du etwa ein Astralportal öffnen? Aber für wen denn?“

„Ich habe keine Ahnung, ehrlich!“ Grinsend setzte ich das Horn an meine Lippen.

Zwischenspiel. Projekt Hölle

Nestor:Tao, was bitte machen wir wirklich hier?

Tao: Wir warten auf ein Signal.

Friedensstifter: Wir warten schon seit drei Stunden!

Tao: Hör mit deinem Gejammer auf! Es sind mehr als 100 Spieler in der Raid-Gruppe, und die Hälfte von denen sind Heulsusen! Ich zwinge niemanden, hier zu bleiben. Wenn ihr abhauen wollt, schickt mir eine private Nachricht, und ab sofort seid ihr draußen. Aus der Raid-Gruppe, und aus dem Clan. Kapiert?

„SEHR AUFMUNTERND”, knurrte Schlange und drehte sich zu seiner Gruppe um. Stecher nickte zustimmend.

„Was die Frachtschiffe der Wächter wohl hier zu suchen haben?“, überlegte er laut und starrte auf die fliegenden Schiffe mit ihren runden Bäuchen, die über der Raid-Gruppe schwebten.

„Vergiss die Schiffe!“ Tiall schnaubte. „Hast du gesehen, was die geladen haben? Das sind genügend Glocken, um uns alle in Stücke zu reißen, wenn etwas schiefgeht!“

„Glocken? Was zum Teufel sind denn Glocken?“, fragte Mercaptan verständnislos.

„Das sind Bomben, die bei einer Belagerung eingesetzt werden“, erklärte Tiall voller Begeisterung. „Eine Glocke ist eine hohle Kugel, so groß wie du, die aus Metall und Glas besteht und in verschiedene Teile untergliedert ist. Jeder Abschnitt enthält eine bestimmte alchemistische Substanz. Wenn der Ball zerbricht, vermischt sich alles miteinander und verursacht einen großen Knall.“

„Aber warum nennt man das Zeug ‚Glocken‘?“

„Weil die Kugeln fast wie Glocken klingen. Ich habe sie einmal in Aktion erlebt, als wir in Taerland die Stadt Nova gestürmt haben. Die nehmen alles auseinander!“

„Wir stürmen also tatsächlich die Burg?“, vergewisserte sich Stecher.

„Das bezweifle ich. Wir haben keine Belagerungswaffen“, erwiderte Schlange. „Wahrscheinlich werden wir nur jemanden in einen Hinterhalt locken, und die Frachtschiffe sorgen für Feuerschutz.“

„Nein, das kann nicht sein. Die Frachter haben keinerlei Verteidigungskuppeln oder Panzerung. Die werden beim ersten Treffer explodieren.“

Mirgus: Achtung! Wir hören ein Signal! Austrittspunkt: Astralebene!

Nestor:Tao?

Tao: Ruhe! Nein, halt — das Signal ist nicht für uns bestimmt. Wir warten.

Kapitel 2

NATÜRLICH LEGTE ICH DIE WAHRHEIT RECHT GROSSZÜGIG AUS, aber nur ein wenig. Ich hatte tatsächlich nicht gewusst, welche der fünf Allianzen, die mit den Pandas im Streit lagen, auf die E-Mail reagieren würden, die ich an deren Anführer geschickt hatte. Vielleicht war es nur eine, aber vielleicht waren es auch alle fünf, wenn sie die Geschehnisse in der Burg Gräueltat mitverfolgten. Ich war mir sicher, dass sie den Fortgang der Auseinandersetzung beobachteten.

Ich gab Weldy eine Teleportations-Schriftrolle.

„Nimm die und geh zurück nach Dan-na-Eyre. Hier könnte es gleich gefährlich werden.“

„Ach, und bisher ist es dir noch nicht gefährlich genug?“, brüllte Borland und warf das Schiff zur Seite, um einem weiteren Angriff auszuweichen. Das kleine, mobile Gefährt konnte den Schüssen aus den Schiffen, die uns verfolgten, bislang mühelos ausweichen, aber sobald sie sich erst einmal auf uns eingeschossen hatten, würde das Kreuzfeuer uns erledigen.

„Nein! Ohne dich gehe ich nicht!“ Weldy schob meine Hand mit der Schriftrolle beiseite. Einen besseren Augenblick, ihren Starrsinn zu beweisen, hatte sie nicht finden können?

„Ich fange Signale auf!“, rief Ellaria triumphierend. „Sie kommen näher! Es sind jede Menge Signale!“

Um uns herum leuchteten die regenbogenfarbigen Wirbel von Astralportalen auf. Es waren Dutzende, wenn nicht sogar Hunderte. Sie erblühten wie exotische Blumen, und Tausende von fliegenden Schiffen, große wie kleine, tauchten daraus auf. Die Segel waren schwarz und gelb gestreift und die schwarzen Banner zeigten einen goldenen Adler. Die Flotte der MARINE-Allianz war gekommen, um Gräueltat anzugreifen.

Sie stürzten sich sofort auf die Pandas, die uns verfolgten, und ließen aus Kanonen, Ballisten und Strahlengeschützen Feuer auf sie hinabregnen. Sie überschütteten den Feind mit Magie und Stahl. Und wir... Nun, wir fühlten uns endlich sicher, obwohl wir in der Mitte einer tobenden Schlacht steckten. Wer sollte sich wohl um ein kleines Boot kümmern, wenn er eine gesamte gegnerische Flotte vor der Nase hatte?

Mit einer eleganten Pirouette steuerte Borland das Schiff aus der gefährlichen Lücke zwischen den beiden Armadas heraus. Am Ende schwebten wir über allem und betrachteten die Show, als wäre es ein Film.

Immer mehr Schiffe der MARINES segelten durch die Portale, umgeben von Gruppen aus Kämpfern auf Flugtieren. Ich wagte es nicht, exakte Schätzungen über die Zahlen abzugeben, aber da waren mindestens mehrere Dutzend Schiffe und nicht weniger als 1.000 Spieler. Sie trafen mit der Flotte von Pandorum zusammen und Strahlen von den verschiedensten Farben kreuzten einander wie die Degen von riesigen Fechtern. So wie ich das sah, waren die „Adler“ im Vorteil. Die Schiffe der Pandas mussten beim Verlassen der Anlegestelle zunächst umdrehen, und die Amerikaner bewegten sich in einer einheitlichen Kampfformation auf sie zu. Die Gruppen der Adler feuerten auf die der Feinde. Sie veränderten ihre Formation immer wieder in verwirrenden Manövern. Mehrere Pandorum-Schiffe hatten bereits Feuer gefangen und die Vorhut der fliegenden Krieger auf beiden Seiten war in einen erbitterten Kampf verstrickt.

„Wohin jetzt, Cat?“

Ohne ein Wort deutete ich auf die fünf Moloche, die die riesige Feuersäule umkreisten, die noch immer aus der Burg aufstieg. Inzwischen war es allerdings weniger eine Fontäne als vielmehr eine Wolke aus Feuer und Dunkelheit, die sich vor unseren Augen in einen feurigen schwarzen Drachen verwandelte. Es war der Drache, den ich, als Koloss, bereits gesehen hatte. Ananizarte hatte es also geschafft, diese Verwandlungsform zurückzugewinnen?

„Dorthin?“, fragte der Kraken entsetzt. „Bist du sicher? Ich würde die entgegengesetzte Richtung vorziehen.“

„Kannst du das Schiff über die Moloche bringen? In einer sicheren Entfernung?“

„Über welchen der fünf Moloche?“

„Bevorzugt über den mit der kleinsten Mannschaft“, antwortete ich.

„Also der zweite von rechts“, entschied Ellaria. „Der dunkelgrüne. Von dort empfange ich nur 40 Signale.“

In der Form eines Drachens war Ananizarte nahezu so groß wie die Vorzeigeschiffe von Pandorum. Sie atmete einen Feuerstrom aus und schlug die Krallen in eine der Schutzkuppeln der Moloche, rüttelte daran. Ich sah, wie Spieler vom Deck stürzten und sich in der Luft überschlugen. Ob die ultrastarken Schilde dieser Schiffe wohl einen Gott aufhalten konnten?

Die Pandas hatten keine Lust, sich zu ergeben. Die vier verbleibenden Moloche bearbeiteten die Göttin mit Strahlen aus ihren Piken. Etwas, was an ein Spinnennetz erinnerte, flog auf sie zu. Es verlangsamte ihre Bewegungen und fesselte sie an die Kuppel. Sofort stießen Dutzende von gigantischen spektralen Schwertern zu. Das schien schmerzhaft zu sein. Der Schrei der verwundeten Göttin war so durchdringend, dass wir unsere Ohren mit den Händen schützen mussten.

Weldy griff nach meiner Hand und deutete nach unten. Das Spektakel, das dort tobte, war nicht weniger beeindruckend.

Pandorum hatte offensichtlich erkannt, dass die Zeit für Scherze vorbei war, und das volle Ausmaß der Macht der Allianz entfaltet. Wachtürme spuckten Feuer und schickten der MARINE-Allianz Reihen von glühenden Kugeln entgegen. Der Himmel in der Astralebene färbte sich schwarz, als unzählige Drachenreiter von der Burg aufstiegen und sich auf den Angriff vorbereiteten. Vor der Festung wimmelte es vor Segeln. Gedeckt von der Flotte, strömten Kampfschiffe durch das Tor, große steilwandige Galeonen, Karacken, Fregatten...

Die MARINES manövrierten erneut und bildeten nun zwei Reihen. Einige der Spieler auf den Schiffen enterten die der Pandas und fochten Nahkämpfe aus. Mehr als ein Dutzend Schiffe brannten, wie gigantische Fackeln. Eine Vielzahl merkwürdiger grüner Lichter erleuchtete die Wände von Gräueltat und ich sah schimmernde spektrale Gestalten, dreimal so groß wie ein Mensch. Sie spannten riesige Bogen.

„Spektrale Bogenschützen!“, stieß Keith hervor. „Verdammt, das ist ein legendärer Bannspruch!“

Die Spektralen Bogenschützen, wie Keith diese merkwürdigen Wesen genannt hatte, ließen die Sehnen schnellen und schickten der Adler-Flotte eine Wolke aus grünen Pfeilen entgegen. Sie traf mehrere Schiffe gleichzeitig und durchbrach die strenge Formation. Ich sah, wie eine schwarz-goldene Fregatte rapide an Geschwindigkeit verlor, gefangen in einem Schauer aus Rauch und Funken.

Das Überraschungsmoment war verloren und die Pandas stießen vor. Ich musste mich beeilen. Das Schiff gewann an Höhe und bewegte sich in einem weiten Bogen um die Burg herum, in dem Versuch, sich von der Festung und den kämpfenden Flotten fernzuhalten. Ellaria rief eine Warnung — mehrere Drachenreiter waren unterwegs zu uns, um uns aufzuhalten, verlockt von etwas, das sie für leichte Beute hielten. Als ob nicht alles schon schlimm genug wäre! Ich hatte nur noch drei Ladungen Feuerkugeln übrig — und drei Feinde standen davor, sich auf uns zu stürzen. Also gut...

Der ersten Feuerkugel wichen die Reiter mühelos aus. Die Entfernung war zu groß gewesen. Sofort teilten sie sich auf und griffen uns von drei Seiten an. Dabei bewegten sie sich im Zickzack. Mit zusammengebissenen Zähnen wartete ich, bis sie nähergekommen waren, um kein Risiko einzugehen.

Die zweite und dritte Feuerkugel schickte ich los, als sie unser Schiff schon beinahe erreicht hatten. Es war ein schrecklicher Anblick. In einer blendenden Explosion Wahren Feuers verbrannten die Spieler zusammen mit ihren Protodrachen. Zwei von ihnen waren sofort tot. Ich griff zu meinem Bogen und zielte auf den dritten, doch er drehte um und floh.

Die Schlacht um Gräueltat tobte weiter. Aus allen Bollwerken spuckte die schwarze Zitadelle Lava. Die Flotten von MARINE und Pandorum hatten sich zu einem einzigen Knäuel verstrickt und bearbeiteten einander mit Pfeilen, Kanonenfeuer und tödlichen Bannsprüchen. Überall brannte und rauchte es. Spieler kämpften auf den Decks der fliegenden Schiffe gegeneinander. Es war ein beeindruckendes Bild. Ich beschloss, am Morgen den Schlachtenbericht zu studieren. Doch dieser Morgen kam mir unvorstellbar weit weg vor.

Im Kampf gegen Ananizarte hatten die Pandas inzwischen eine riesige, augenlose Schlange zu Hilfe gerufen. Sie hatte graue Schuppen in der Farbe von Stahl und ein gezacktes Rückgrat und stand dem Drachen der Göttin in Größe nicht nach. Ich hatte keine Ahnung, aus welchen Tiefen der Hölle sie dieses Biest hervorgezaubert hatten. Die Schlange wickelte sich um den Feuerdrachen und drohte, ihn zu ersticken. Die Wirkungen verschiedener Bannsprüche der Pandorum-Magier umgab das Paar. Die Moloche, darunter auch der, den die Göttin beschädigt hatte, zogen sich in sichere Entfernung zurück. Einer von ihnen drehte langsam und stieß eine hohe Säule aus rotem Licht aus, die mich an die Todesstrahlen des Kolosses der Altehrwürdigen erinnerte. Und ein Koloss war es tatsächlich — das Hauptschiff der Pandas hatte seine Trumpfkarte ausgespielt, den Koloss, eine Superstrahlenkanone mit einer Abklingzeit von einer Stunde. Das gefiel der Göttin offensichtlich nicht. Die Schallwellen, die der sich windende Drache ausstrahlte, wurden nahezu sichtbar in der Luft und schnitten durch den verzerrten Raum.

„Cat! Wir sind fast da!“

Wir schwebten hoch über der Burg. Die kämpfenden Giganten und die von Schutzkuppeln umgebenen Moloche drifteten immer weiter auseinander. Unmittelbar unter uns flog ein Schiff, das mit nur 40 Spielern bemannt war. Das dunkelgrüne Gefährt gehört einem Clan mit dem Namen Vergessen.

Die Zeit war gekommen — jetzt oder nie. Ich atmete tief ein, drückte Weldys Hand und griff nach zwei Gegenständen. Den einen gab ich Borland. Es war das epische Fertigkeitsbuch, dessen Titel in Gold in den braunen Einband eingraviert worden war.

„Die Steuerung eines astralen Molochs?“, fragte der Kraken überrascht. „Das Buch willst du mir schenken? Aber warum? Das ist ein Vermögen wert, Mensch!“

„Lerne die Fertigkeit und vertraue mir“, erwiderte ich, rannte zum Bugspriet und schaute nach unten. Dabei hielt ich mich mit einer Hand an der Takelage fest. Unter mir erhob sich die Schutzkuppel des feindlichen Molochs. Keith folgte seinem Kurs exakt.

Im Spiel, ebenso wie im realen Leben, gab es zwei Sorten von Leuten — Jäger und Gejagte. Es kam entscheidend darauf an, zu erkennen, wann man drohte, sich in die zweite Art zu verwandeln, und wann man diese Verwandlung rückgängig machen musste. Genau das plante ich zu tun.

HotCat: Bist du bereit?

Tao: Ja. Ich habe das Warten schon seit einer Weile satt.

Zum zweiten Mal an diesem Tag erscholl das Signalhorn. Nur einen Steinwurf von mir entfernt bildete sich der Strudel eines Astralportals und spuckte eine Reihe von Kämpfern auf Flugtieren in voller Ausrüstung aus — 117 Spieler, und alle trugen sie das Zeichen von PROJEKT HÖLLE.

Tao: Ich dachte, das mit Gräueltat wäre ein Witz.

HotCat: Mein Sinn für Humor ist etwas, das du mir nicht nehmen kannst — es gibt ihn nicht. Ich hoffe, die Pandas sind nicht deine Freunde.

Tao: Pandas haben keine Freunde. Aber...

HotCat: Dann folge mir!

Ohne ihm Gelegenheit zum Nachdenken zu geben, stieß ich mich von der nachgiebigen Reling ab und legte einen Kopfsprung in die Luft hin, als ob ich von einer Klippe springen würde.

Mit ausgebreiteter Hand stürzte ich durch den pinkfarbenen Nebel der Astralebene auf den bläulichen Schimmer der Schutzkuppel des Molochs zu. Diese Kuppel wurde allgemein als nahezu unzerstörbar betrachtet. Lediglich die koordinierten Anstrengungen einer gesamten Flotte und mehrerer Raid-Gruppen konnten diese Schale durchbrechen. Aber in der SPHERE war nichts unmöglich. Ich fürchtete nur eines — dass ich mich mit dem Lodernden Krieger zeitlich verkalkulierte.

Näher und näher kam ich der Kuppel. Inzwischen konnte ich bereits die Spieler durch den durchsichtigen Schleier erkennen. Es war so weit. Noch in der Luft entfaltete ich eine Schriftrolle des Langsamen Fallens und aktivierte sofort den Lodernden Krieger.

Flammen liefen über meinen Körper und meine Hände strahlten auf einmal blaues Licht aus. Es war die gleiche Farbe, in der auch Aelmaris schimmerte, das ich in der Hand hielt. Die undurchdringliche Membran der Kuppel blitzte vor meinen Augen auf. Der Aufprall hätte mich normalerweise auf der Stelle getötet. Doch stattdessen sah ich die Systemmeldung:

Du hast dem astralen Moloch „Ragnarök“ (vom Clan „Vergessen“) 19.998.756 Punkte Wahren Feuerschaden zugefügt! Die Schutzkuppel des Molochs ist zerstört!

Wie ich es geplant hatte, führte der Zusammenstoß mit dem Lodernden Krieger zu einer Überlastung der Schutzkuppel, wodurch sie alle Trefferpunkte auf einmal verlor. Ich hoffte nur, der Reaktor war unbeschädigt geblieben. Ich brauchte das Schiff intakt und manövrierfähig.

Langsam glitt ich hinab aufs Deck des Molochs. Unter meinen Füßen färbten die Planken sich schwarz und zerbrachen. Mein Protokoll wurde mit Benachrichtigungen über Beschädigungen des Schiffs überflutet. Wie gut, dass ich mich nicht durch den Rumpf gebrannt hatte! Ich stand in der Mitte eines Kreises versengten Decks und lud die wie erstarrt dastehenden Pandas mit einer Schwertbewegung ein, mich anzugreifen.

Zu behaupten, dass die Spieler verblüfft waren, wäre eine maßlose Untertreibung gewesen. Noch vor weniger als einer Minute hatten sie sich vollständig sicher gefühlt und mich hinter ihrer Schutzkuppel, die in der Lage war, 20.000.000 Trefferpunkten an Schaden zu widerstehen, in aller Seelenruhe beobachtet. Und dann war die Kuppel auf einmal verschwunden und Dutzende von heiser krächzenden, feindlichen Flugtieren waren auf dem Deck gelandet.

Die ersten Krieger stürzten sich mit gezogenen Waffen auf mich. Ich kam ihrem Wunsch nach einem Kampf gern nach. Solange der Lodernde Krieger aktiv war, konnte keiner von denen mir das Wasser reichen, mochte er auch noch so stark sein.

Die Schlacht an Bord der Ragnarök war kurz und unglaublich brutal. Ich schwang herum in meinem Kampftanz und verwandelte alle Pandas zu Asche, die es wagten, sich in die Reichweite des flammenden Schwertes zu begeben. Die Lawine aus Flugtieren vom PROJEKT HÖLLE, die von oben herabstürzte, zermahlte alles, das sich ihr in den Weg stellte. Tao führte die Gruppe an. Ich erkannte ihn an den weißen Flügeln seines Mantels von König Sildo. Und der unglaublichen Geschwindigkeit seines berühmten Schwarzen Schwertes, das inmitten des Getümmels aufblitzte. Die Pandas leisteten verzweifelt Widerstand, aber wir waren ihnen zahlenmäßig dreifach überlegen, und das wirkte sich aus. Nachdem sie das Deck von Feinden gesäubert hatten, strömten die Krieger vom PROJEKT HÖLLE ins Schiffsinnere, um diejenigen zu erledigen, die geflohen waren.

Unser Skiff schob sich näher an den Moloch heran und schwebte nun unmittelbar darüber. Keith Borland, seine Knappen und Weldy betraten das Deck, auf dem sich die Leichen türmten. Geschickt vertäuten Keinknappe und Ellaria das Boot. Keith schüttelte fassungslos den Kopf.

„Hast du den Verstand verloren? Du willst den Pandas einen Moloch stehlen? Glaubst du wirklich, ich kann dieses Ding steuern?“

„Du hast doch selbst gesagt, dass die Steuerung eines astralen Langschiffs nur eine Stufe unter der eines Molochs steht“, erinnerte ich ihn. „Weißt du noch?“

„Verdammt — ja, als ich vollständig besoffen war!“, fluchte Keith. „Dieses Schiff verlangt nach einer 20-Slot-Mannschaft! Also gut — ja, ich kann es steuern. Ich kann sogar die Bannspruch-Brücke aktivieren, aber das war es auch schon!“

„Mehr als das musst du auch gar nicht tun“, beruhigte ich ihn.

* * *

„Keinknappe, geh in den Reaktorraum und versuche, dort alles wiederzubeleben. Ellaria, du gehst zur Bannspruch-Brücke und aktivierst sie auf mein Kommando hin.“

Borland lief zur Kommandobrücke und berührte ehrfurchtsvoll die polierten Griffe des riesigen Steuerrades von der Größe eines Menschen, meisterhaft geschnitzt aus schwarzem Rosenholz. Er sah die durchsichtigen Fenster der Benutzeroberfläche des Schiffs vor sich. Der Moloch erkannte ihn als neuen Kapitän an. Einen Augenblick lang weiteten sich Keiths Augen, als er die Komponenten des Schiffs betrachtete. Alle Module, ohne Ausnahme, waren epischer oder sogar legendärer Qualität: Ein Schlangenring-Reaktor, vertikale Maschinen mit eingelegten Feuerherz-Edelsteinen, eine mächtige Panzerung aus Adamantin-Platten, die die wichtigsten Bereiche schützten, Elementkristalle, die die Widerstandsfähigkeit der Schutzkuppel erhöhten (es waren die besten, die man in der gesamten SPHERE bekommen konnte), ein verzauberter Astralschirm, und das Auge des Kolosses, eine gigantische Strahlenkanone, die auf dem Entwurf dieser Maschine von den Altehrwürdigen aufbaute.

Die Fertigkeit der Steuerung von Astralschiffen hat sich um 10 erhöht! Derzeitiger Wert: 743/1.000

Die Fertigkeit der Steuerung von Molochen hat sich um 5 erhöht! Derzeitiger Wert: 5/1.000

Borland startete einen Test und überprüfte den Status der Schiffssysteme. Die meisten Symbole blinkten gelb oder rot, was bedeutete, dass es entweder an Fertigkeitspunkten oder an der Mannschaft für die Slots fehlte. Nahezu die gesamte Ausrüstung war inaktiv — der magische Schild, die Takelage, die Waffen-Module, die Slots für Piken und Hurrikane...

Keinknappe: Der Hauptreaktor ist zu 58 % aufgeladen. Die Kristalle sind unbeschädigt. Das Schiff ist betriebsbereit.

Ellaria: Die Bannspruch-Brücke ist in Ordnung. Ich habe ein Signal von Astr entdeckt. Soll ich darauf reagieren?

Keith wusste, dass das Schiff gewissermaßen tot und ohne wenigstens ein Dutzend erfahrener Helfer nicht zu betreiben war. Die Maschinen schwiegen, die Spiere funktionierte nicht und es gab keinen Segelmeister. Weder die Schutzkuppel noch die Waffen ließen sich verwenden. Es gab nur zwei Dinge, die ihm offenstanden — er konnte den Reaktor starten und für den Sprung in ein Astralportal die Bannspruch-Brücke aktivieren. Anschließend konnte er vielleicht noch eine Weile herumkriechen, weil er durch den Sprung an Antrieb gewonnen hatte.

Aber ein so unbewegliches und ungeschütztes Schiff würden die Pandas mit Leichtigkeit finden, entern und sich zurückholen. Was hatte HotCat sich bloß dabei gedacht?

* * *

Während Keith mit den Kontrollen spielte und versuchte, den Moloch zum Leben zu erwecken, warf ich einen letzten Blick auf das Schlachtfeld. Den hätte ich mir besser geschenkt. Pandorum hatte sich überraschend schnell erholt und die Lage hatte sich rasch verändert.

Ananizarte gab am Ende auf, gefoltert von der Riesenschlange und bombardiert mit den Superwaffen der Moloche. Sie hatte offensichtlich durch den Kampf in der Burg und den Ausbruch daraus zu viel Kraft verloren. Der schwarze Feuerdrachen verschwand und verwandelte sich in einen glühenden Funken, der Wellen verzerrten Raums ausstrahlte. Um sie herum flammten metallische Leuchtzeichen auf, als ob jemand eine Klinge mit Lichtgeschwindigkeit herumwirbeln würde. Die Schlange von Pandorum wand sich nun in einem leeren Raum und zerbarst in mehrere Teile, die auf die Burg hinabstürzten. Die bereits beschädigte Zitadelle verschwand in einer Wolke aus Rauch und Asche. Der Punkt — eine weitere Erscheinungsform der Göttin — entschloss sich gegen eine Fortsetzung der Schlacht und schoss nach oben. Dabei hinterließ er eine Spur aus Kometen-Gas und verschwand am Ende im pinkfarbenen Nebel der Astralebene.

Die Spektralen Bogenschützen feuerten von den Burgmauern aus Salve um Salve leuchtender Pfeile und die meisten Schiffe der MARINE-Allianz brannten bereits. Die restlichen schienen sich zurückzuziehen. Vor meinen Augen schoss einer der Moloche, der dem „Sturmbringer“ verdächtig ähnlich sah, einen blendenden blutroten Strahl auf eine Gruppe von feindlichen Schiffen ab. Eine Fregatte wurde eingeäschert. Ein weiterer Moloch senkte sich hinab und näherte sich rasch der amerikanischen Flotte. Die anderen kamen auf uns zu, von Schwärmen von Drachenreitern umgeben.

Keith Borland: Wir sind bereit. Wohin sollen wir springen?

HotCat: Wohin? Zu Astrs Signal. Nach Hause!

„Du bist verrückt“, bemerkte Tao abfällig, als er sich zu mir gesellte. „Soweit hat dein Trick funktioniert, aber was jetzt?“

„Jetzt werden wir unseren Spaß haben“, erwiderte ich grinsend.

„Jerkhan hat gedroht, uns alle umzubringen“, informierte mich der Anführer vom PROJEKT HÖLLE und lächelte. „Ich glaube, er ist ein wenig aufgebracht.“

Jerkhan? Nun, vielleicht wurde es Zeit, sich zu unterhalten. Ich beschloss, den Anführer vom Clan Stahlgeländer zu kontaktieren.

HotCat: Ihr habt gut gekämpft!

Jerkhan: Gut gekämpft? Wir sind euch auf den Fersen, und schon bald werden die alten Götter sich an eurem Blut gütlich tun!

HotCat: Ich habe euch einen Vorschlag zu machen.

Jerkhan: Du? Uns?

HotCat: Sprichst du im Namen der gesamten Allianz? Die Ragnarök gehört dem Clan Vergessen, nicht dem Stahlgeländer. Das stimmt doch, oder?

Jerkhan: In dem Fall musst du mit den Ältesten reden. Die Frage ist nur, ob die auch mit dir reden wollen.

Auf jeden Fall schickte Jerkhan mir eine Einladung zu einem Courier-Kanal, die ich nicht zögerte anzunehmen. Es war ein Chat-Raum für die Anführer von Pandorum. Deren Nicknames waren schon lange vor meiner Ankunft in der SPHERE legendär: Phantom, Kronk, Gor... Sie sprachen alle Englisch, also schaltete ich den automatischen Übersetzer ein und begann zu tippen. „Hi!“

„DU KANNST UNS MAL!“

„FAHR ZUR HÖLLE!“

Du wurdest aus dem Kanal des Rates von Pandorum hinausgeworfen.

Was für eine nette Unterhaltung — Jerkhan war echt süß. Also gut — die Kunden waren noch nicht zum Handel bereit. Es wurde Zeit, die Operation fortzusetzen, der ich den Arbeitstitel „Kristallglocken“ verliehen hatte.

Wir betraten das Portal und der bedrückende pinkfarbene Nebel der Astralebene wurde ersetzt durch die Farben der normalen Welt, grün und blau, Wälder und Seen. Ein Fluss, über uns die Sonne... Wie konnte jemand bloß in dieser trübsinnigen Astralebene leben wollen? Vielleicht waren die Pandas deshalb so aggressiv. Keith nutzte die Reste der Maschinenkraft, um den Moloch zu zweien unserer Barken zu steuern, die über dem Boden schwebten. Dort warteten Astr, Impie und die anderen Gefolgsleute des Kraken und winkten uns zu. Über dem Deck schimmerten die metallischen Kugeln der Kristallglocken.

„Du willst also den Moloch mithilfe der Ladung der beiden Barken in die Luft jagen.“ Tao nickte zufrieden. „Dafür hast du die Glocken gebraucht. Ein guter Plan! Ich hoffe nur, du weißt, was du tust. Ich würde ein solches Risiko niemals eingehen.“

„Warum nicht?“

„Ist dir klar, mit welcher Art von Feuer du spielst? Mit den Pandas ist nicht zu spaßen. Wenn du ihren Moloch zerstörst, werden sie dich und alles vernichten, was dir in der SPHERE wichtig ist.“

Ich beschloss, dass es am besten war, den Mund zu halten. Ja, ich konnte Pandorum einen solchen Schlag versetzen, dass ihre Reputation als stärkste Allianz in der gesamten SPHERE ins Wanken geriet. Wie mein Vater oft zu sagen pflegte — im Vergleich zum öffentlichen Image ist Geld vollkommen unwichtig.

„Ist unser Vertrag erfüllt?“, fragte Tao. „Mit diesem bescheuerten Unterfangen möchte ich nichts zu tun haben. Wie sagst du so gern? Die Kacke wird bald am Dampfen sein. Der Moloch ist keine Nadel im Heuhaufen. Sie suchen bereits danach. Es wird nicht lange dauern, bis die Pandas eintreffen.“

„Na prima — ich will doch, dass sie uns finden!“

* * *

In weniger als einer Stunde erfüllte sich Taos Vorhersage. Zwei Portale öffneten sich, und heraus strömten zwei Moloche. Jeder davon wurde von einer Reihe kleinerer Schiffe und Scharen von Spielern auf Flugtieren begleitet. Sie schwebten über uns und betrachteten unsere seltsame Konstruktion.

Die so tollkühn entführte Ragnarök hing in der Luft, dicht über dem Boden, den sie beinahe berührte. Gehalten wurde sie von den Ankerketten. Auf beiden Seiten wurde sie umrahmt von den Frachtschiffen, wie ein Motorschiff von Ruderbooten. Die Segel waren gerefft, die Decks waren leer. Es war niemand zu erblicken. Die Sucher entdeckten lediglich das Signal eines Spielers, das sofort verschwand. Der Spieler hatte sich entweder abgemeldet oder getarnt.

Die ersten Kundschafter landeten auf dem Deck des Molochs und breiteten sich aus. Sie überprüften die Kommandobrücke, die Maschinen und den Reaktorraum. Dann blieben sie abrupt stehen, starr vor Schreck.

Vor ihnen und neben jedem wichtigen Bestandteil des Molochs — Maschinen, Kanonendecks, Pulverraum, Reaktorbereich — lagen kleine metallische Kugeln: Glocken. Auch die Frachträume waren vollgestopft damit. Die Ragnarök war ein wandelndes Pulverfass. Die Kundschafter wagten es nicht, sich zu bewegen. Sie hatten erkannt, dass sie in eine Falle getappt waren. Ein Schuss, ein Bannspruch, ein Hieb, und die fragilen Schalen der Glocken würden zerbrechen. Dann vermischten sich die verschiedenen alchemistischen Mixturen, was zu einer Kettenreaktion aus Explosionen führen würde, die zuerst den Moloch — mitsamt den Kundschaftern — und dann die Barken in die Luft jagen würde. Möglicherweise war die Pilzwolke sogar stark genug, die beiden anderen Schiffe zu erreichen, die sich langsam hinabsenkten.

Klingeling, klingeling! Ich klopfte in dem Kanal an, aus dem man mich vorhin hinausgeworfen hatte. Erneut fügte man mich hinzu, und ich schickte den Anführern von Pandorum einen Link zu einer kleinen Datei, die ich vor fünf Minuten erstellt hatte.

Zwischenspiel. Pandorum

Klingeling!

Hallo! Darf ich mich vorstellen? Ich bin Cat, und ich versuche mich am Handel mit den verschiedensten Gegenständen.

Habt ihr vielleicht Lust, euch anzusehen, was ich zu verkaufen habe? Heute kann ich einen astralen Moloch anbieten, vollständig ausgerüstet mit legendären Komponenten. Es ist ein einzigartiges Objekt. Es gibt nur einen Haken — in einer Minute werden sich mehrere Selbstmord-Bomber im Spiel anmelden, im Frachtraum auftauchen und das Ding sprengen.

Anfangspreis: 5 Millionen Gold! Alle 10 Sekunden erhöht sich der Preis um eine Million. Daher kann ich euch nur raten, euch zu beeilen. Ach ja, ich kann euch übrigens garantieren, dass niemand von diesem Deal erfahren wird.

Der Countdown hat begonnen!

LÄCHELND DREHTE ICH ein Stundenglas um und ein paar Sandkörner rieselten nach unten, zählten die Sekunden.

59... 58... 57...

Schattenaugen war eine sehr nützliche Fertigkeit. Meine Enttäuschung, als ich sie erhielt, war grundlos gewesen. Wo Licht war, da waren auch Schatten, große wie kleine, die ihren Geschäften nachgingen, still, unkörperlich und unbemerkbar für jeden, der kein Schattenhörer war. Ich wählte einen dieser Schatten aus und beobachtete mithilfe seiner Augen die Geschehnisse auf der Kommandobrücke des Leviathans, eines der Vorzeigeschiffe von Pandorum.

Die vier Anführer der Pandas, Phantom, Jerkhan, der grässliche Kronk und Gor, der an einen geflügelten dämonischen Killer erinnerte, unterhielten sich.

„Verdammt sei dieser Russe! Er gehört bestraft!“

„Wer garantiert uns, dass er den Moloch nur zum Spaß nicht trotzdem in die Luft jagt, nachdem er sein Geld bekommen hat ,?“

„Wer ist dieser Typ überhaupt?“

Aller Augen richteten sich auf Phantom. Er war der ungekrönte oberste Anführer von Pandorum und hatte noch kein Wort gesagt. Seine Augen waren verengt und die Lippen geschürzt. Er stand mit den Armen hinter dem Rücken verschränkt, hochgewachsen und gestrafft. Der Wind zerzauste ihm die Haare. Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich, aber ich hatte das Gefühl, seine Gedanken lesen zu können.

Phantom wies eine seltsame Ähnlichkeit zum Magister auf und war eindeutig höchst intelligent. Das Charisma, das er ausstrahlte, traf mich wie ein Eishauch, der mir bis in die Knochen drang. Er war scharf und gefährlich, wie die Klinge eines Degens.

Die Umstände waren denkbar simpel. Durch den Verlust des Molochs verwirkten die Pandas ein Fünftel ihrer kombinierten militärischen Macht, die bislang unbestritten gewesen war. Ihre makellosen Kill-Raten mussten unter dem Gewicht der Kosten einer Wiederbeschaffung zusammenbrechen und ihr Sieg in der Schlacht um Gräueltat würde sich als ein Pyrrhussieg erweisen, den der allgemeine Klatsch rasch in eine Niederlage verwandelte. Der Verlust eines Molochs war ein Ereignis von globalen Ausmaßen. Die Feinde der Pandas würden sich freudig daran machen, ihn in allen Foren laut hinauszuposaunen. Es konnte nicht lange dauern, bis das Gerücht aufkam, dass Pandorum seine besten Zeiten hinter sich hatte, was ihren Feinden Aufschwung verleihen musste. Die Pandas sind also doch nicht unbesiegbar! Vielleicht sollten wir ihre Macht ebenfalls einmal auf die Probe stellen? Das wiederum konnte sich ohne Weiteres als der erste Schritt in Richtung eines neuen, epischen Krieges erweisen.

Und was das Geld betraf — was waren denn fünf Millionen für die reichste Allianz der SPHERE? Nichts als Kleingeld. Die voll ausgerüstete Ragnarök hatte weit mehr gekostet. Ihre oberste Priorität musste sein, den Moloch zurückzubekommen. Das Geld konnten sie sich immer irgendwie zurückholen.

„Was sollen wir tun, Phantom?“

„Ich habe das Geld längst überwiesen“, erklärte Phantom eisig. „Nun macht schon und holt euch den Moloch, ihr Idioten!“

„Sieben Millionen?“

„Fünf.“

„Und was zum Teufel soll das?“

„Beruhigt euch wieder!“, blaffte Phantom mit einem bösartigen Grinsen. „Wir können es uns wiederbeschaffen. Es gibt immer Mittel und Wege, das wisst ihr doch.“

Jerkhan brach in Lachen aus und Kronk kicherte wissend. Nur Gor war nicht amüsiert — die Ragnarök gehörte Vergessen, seinem Clan. Höchstwahrscheinlich würde er für den „Kaufpreis“ aufkommen müssen.

Das Geld war neun Sekunden nach meinem Ultimatum eingetroffen. Ein angenehmer Glockenklang hatte mir gemeldet, dass fünf Millionen in virtueller Währung in meinem Spieler-Konto eingegangen waren. Das machte mich zu einem der reichsten Spieler in der SPHERE. Phantom war ein erschreckend schneller Denker. Er hatte alles sofort überblickt und eine Entscheidung getroffen. Sein letzter Satz gefiel mir allerdings überhaupt nicht.

Ich beendete meine Verbindung mit dem Schatten ebenso wie die Aufzeichnung und speicherte das Video ab. Dann schickte ich eine Nachricht über den Kanal des Rates von Pandorum.

„Herzlichen Dank für Ihren Kauf. Es war mir ein Vergnügen! Ich hoffe, dies ist nicht unser letztes Geschäft. Ach, übrigens, ihr werdet den armen Händler doch sicher nicht betrügen wollen, ihm nachspionieren, sein Leben zur Hölle machen, ihn im realen Leben finden und so weiter, oder? Nur, um euch zu zeigen, was dann in allen Foren verbreitet wird, habe ich ein kleines Video für euch vorbereitet.“

Ich fügte einen Link zur Aufzeichnung ihrer Unterhaltung hinzu.

„Ich garantiere euch absolutes Stillschweigen über dieses Geschäft, aber falls ihr euch entscheiden solltet, die Sache ausarten zu lassen, wird dieses Video in der Öffentlichkeit auftauchen. Die gesamte SPHERE wird erfahren, wie die Pandas einem völlig unbekannten Spieler als Lösegeld für ihren Moloch fünf Millionen gezahlt haben!“

Du verdammter Hurensohn!