Der Teufels-Archetyp (Der Spieler Buch 5): LitRPG-Serie - Roman Prokofiev - E-Book

Der Teufels-Archetyp (Der Spieler Buch 5): LitRPG-Serie E-Book

Roman Prokofiev

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Beschreibung

Im endlosen Spiel der SPHERE OF WORLDS ist der Händler mit dem Namen Cat weiter auf der Suche nach den Schlüsseln, die die toten Schöpfer dieser virtuellen Realität versteckt haben. Diesmal muss er eine Welt besuchen, in der alles läuft wie ein Uhrwerk, er muss einen brutalen Handelskrieg mit einer chinesischen Allianz überleben, den gesamten Astralschiff-Handel an sich reißen – und vor allem die persönliche Quest seiner Gefährtin Weldy lösen. Cat folgt den Spuren der längst ausgelöschten Altehrwürdigen, findet ihre geheimen Verstecke und lernt, den Urschatten herbeizurufen. Aber was nützen ihm seine Schläue, sein Scharfsinn und sein Mut, wenn sein Gegner über die Macht des berühmten Teufels-Archetypen verfügt?

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Über den Autor

Der Teufels-Archetyp

von Roman Prokofiev

Der Spieler

Buch 5

Magic Dome Books

Der Teufels-Archetyp

Der Spieler Buch 5

Buch 5 Originaltitel: The Devil Archetype (Rogue Merchant Book #5)

Copyright ©R. Prokofiev, 2021

Covergestaltung © Vladimir Manyukhin 2021

Deutsche Übersetzung © Irena Böttcher, 2023

Lektor: Youndercover Autorenservice

Erschienen 2023 bei Magic Dome Books

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

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Kapitel 1

IHRE ABSÄTZE KLAPPERTEN auf dem Marmorboden, als Oennifair, die angehende Meisterin, durch die Gänge von Auditorium lief. Unter den Armen trug sie zwei schwere, längliche Oktaeder. Das waren die Kiira, die als Studienhilfe dienten. Sie hatte es eilig und wich geschickt den zahllosen Studenten und Dienern aus, die die kalten Korridore und sonnenüberfluteten Aussichtsplattformen der Akademie füllten. Oennie fürchtete, sich zu verspäten. Sie war die Lehrassistentin eines Professors, dessen Unterricht in Kürze begann, und wollte ihn auf keinen Fall enttäuschen.

Am Eingang zum Raum hielt sie an und warf einen flüchtigen Blick auf den schimmernden Schild des Marmorengels, der den Türbogen trug. Der polierte Stein warf das verschwommene Bild einer schlanken, jungen Frau in einer schlichten, blauen Tunika zurück. Ihre goldenen Haare waren im Nacken zu einem strengen Knoten zusammengefasst, gehalten durch eine reich geschmückte Haarnadel. Auf ihrer Brust leuchtete das Amulett der Akademie. Nachdem Oennie ihr Aussehen kritisch überprüft hatte, stieß sie die Luft aus und betrat den Hörsaal.

Der Lehrer, der grauhaarige Maestro Adenito, trat schweigend beiseite, damit sie die Mitte des runden Amphitheaters erreichen konnte. Die Sitzbänke, die sich von dort aus kreisförmig nach oben erstreckten, waren dicht besetzt mit Studenten von Auditorium, vorwiegend solchen aus dem ersten und zweiten Studienjahr.

Diese Vorlesung war nicht obligatorisch. Dennoch war sie gut besucht. Die jungen Zuhörer wollten die Gelegenheit nicht verpassen, sich in neuen Fachgebieten wertvolle Fertigkeitspunkte zu sichern. Adenito war berühmt für seine hohe Ausbildungsfertigkeit. Die Aufgabe von Oennifair als seiner Assistentin bestand darin, die Artefakte bereitzustellen, deren der Maestro sich in seinen Vorlesungen bediente.

Vorsichtig legte Oennie die Kiira, eine nach der anderen, in die dafür bestimmten Halterungen, die an Kerzenständer aus Metall erinnerten. Auf eine Geste des Maestros hin schloss sie die dunklen Samtvorhänge — und Dunkelheit breitete sich im Saal aus. Sie aktivierte die erste Kiira. Der Stein begann zu leuchten, gab einen grünen Schimmer von sich. Die Studenten flüsterten aufgeregt.

„Ich danke Ihnen, Oennie“, sagte Adenito. „Erneut begrüße ich alle, die sich entschlossen haben, meine Vorlesung zu besuchen. Das heutige Thema ist Kosmogenie, die Weltentstehungslehre. Wir werden einander besser kennenlernen und den Aufbau der SPHERE OF WORLDS besprechen, so wie wir sie kennen. Dabei wird mir Oennifair assistieren, unsere Expertin in Artefakten.“

Schwacher Applaus brandete auf und Oennie verneigte sich. Noch sechs Monate, und sie würde endlich der Liste der wahren Artefaktoren von Auditorium hinzugefügt werden. Die schwierigsten Herausforderungen standen ihr allerdings noch bevor — die Reise und die Prüfung. Dennoch fühlte es sich gut an, von diesem geschätzten Maestro als Expertin in Artefakten bezeichnet zu werden.

„Also gut — beginnen wir. Oennie?“

Die junge Frau berührte die Kiira mit dem Finger. Dadurch löste sie den Fluss der Bilder aus, die darin eingeschlossen waren. Sie wählte die erste Präsentationsfolie. In der Dunkelheit entstand eine dreidimensionale Darstellung. Sie zeigte eine Kugel, die sich langsam drehte und aus zahlreichen kleineren Kugeln bestand, die in einem dichten, pinkfarbenen Nebel schwebten.

„Das ist unser Universum, die SPHERE OF WORLDS“, begann der Professor. „Wie Sie sehen, besteht sie aus vielen verschiedenen Welten, getrennt durch die endlose Astralebene. Momentan verzeichnen die Akten unserer Akademie insgesamt 349 Realitäten. Diese Zahl erhöht sich ständig, denn die Sucher entdecken und erkunden immer mehr Dimensionen. Die Welten der SPHERE lassen sich grob in drei große Gruppen unterteilen...“

Ohne auf die entsprechende Anweisung zu warten, zoomte Oennie in das Bild der SPHERE hinein und veränderte die Beleuchtung. Nun konzentrierte sich das Licht auf den oberen Teil der Kugel, während der untere in Dunkelheit und der mittlere unter einem wirbelnden Nebel lag.

„Da sind einmal die Unterwelten, auch bekannt als der Abgrund. Als Nächstes haben wir die Oberwelten, zu denen — der Vater sei gepriesen! — auch unser Aard gehört. Die dritte Gruppe sind die Grauen Welten. Dies ist der größte Bereich, und er trennt die beiden hypothetischen Extreme voneinander. Wer kann mir sagen, worin der Unterschied besteht zwischen den Unterwelten — die man auch Dunkle Welten nennt — und den Oberwelten?“

Wie die meisten Vorlesungen, erfolgte auch diese in Form einer öffentlichen Debatte. Die Studenten wurden zur aktiven Teilnahme ermutigt. Unter den Zuhörern brach ein Raunen aus, und mehrere teilten ihre Vermutungen laut mit.

„Rassen! Götter! Weltordnung!“

„Das ist korrekt“, bestätigte Adenito, der aufmerksam zugehört hatte, die Äußerungen. „Es stimmt — die Unterwelten sind vorwiegend bevölkert mit dämonischen Fraktionen und dort herrscht Anarchie, während unsere Oberwelten Recht und Ordnung hochhalten und sich streng an das System halten. Darüber hinaus verfügen viele Rassen des Lichts nicht über Einflussbereiche in den Dunklen Welten, und für die Bewohner des Abgrunds ist hier kein Platz. Zum Glück, wie ich sagen muss.“

„Und was ist mit den Grauen Welten?“, fragte jemand im hinteren Teil des Raums, dessen Gesicht im Schatten lag.

„Das kommt darauf an — dort gibt es sowohl Dunkelheit als auch Licht, und deshalb sind diese Welten grau“, erklärte Adenito. „Die Grauen Welten sind oft die Arena, in der die beiden Kräfte miteinander kollidieren. Es gibt jedoch noch einen anderen Faktor, der sie höchst gefährlich macht: die Spieler. In den Grauen Welten herrscht die größte Konzentration an Spielern, obwohl man sie hier und da auch im Abgrund antreffen kann.“

„Und warum sind dort so viele Spieler?“

„Warum?“, wiederholte der Professor die Frage des unsichtbaren Zuhörers. „Ganz einfach — nur die Würdigsten erreichen die Oberwelten, dafür sorgen die Beschützer des Throns des Lichts. Auch in den Unterwelten wird nicht jeder aufgenommen. Aber das ist ein Thema, über das wir ein anderes Mal sprechen werden. Momentan sollten wir uns darauf nicht konzentrieren. Wir setzen nun die Betrachtung der Zusammensetzung der SPHERE fort. Oennie!“

Ein neues Bild ersetzte das alte. Über der Kiira rotierte langsam eine dunkelgrüne Kugel, umgeben von einer Wolkenschicht.

„Das ist unsere Welt, Aard — der Ort, den die Götter des Lichts gesegnet haben!“, rief Adenito dramatisch. „Weiß jemand, wie man sich zwischen den einzelnen Welten der SPHERE bewegen kann? Wer kann uns dazu mehr sagen?“

„Richtig“, bestätigte er, nachdem er mehreren Rufen gelauscht hatte. „Diesem Zweck dient das Portal-Netzwerk. Alle bekannten Welten, oder wenigstens die meisten von ihnen, sind durch interdimensionale Portale miteinander verbunden. Es gibt dabei jedoch einen Haken — die Welten müssen aneinandergrenzen. In jeder Welt existiert ein spezielles Portal, das in die benachbarte Welt führt. Um diese Portale herum entsteht oft eine Stadt, da es eine Anlaufstelle für Besucher aus anderen Welten ist, für Reisende und Händler. Manchmal ist diese Stadt der Hauptort der stärksten lokalen Fraktion, manchmal allerdings auch nicht.“

Neben der dunkelgrünen Kugel von Aard erschienen zwei silberne, gepunktete Linien und zwei neue Objekte: eine Kugel, die aus verschiedenen Zahnrädern zu bestehen schien, die sich drehten, und eine weitere, blaue Kugel, bedeckt mit gelben Inseln.

„Wie Sie sehen können, existieren in Aard Portale in zwei andere Welten. Das eine Portal führt nach oben, zu Getriebe, einer der Schmiedewelten, und das andere nach unten zu Atria, einer der Grauen Welten. Von Getriebe aus kann man anschließend weiterreisen zu anderen Welten des Throns des Lichts, und von Atria aus führen drei Portale zu anderen Grauen Welten...“

Um den Vortrag des Professors zu illustrieren, kontrollierte Oennie langsam die Projektion, die nun die Verbindungen zwischen den einzelnen Welten durch ein kompliziertes Netzwerk aus gepunkteten Linien darstellte. Das Netz wuchs, wurde immer komplexer und füllte am Ende die gesamte SPHERE. Tausende von Pfaden und Tausende von Portalen verbanden die unterschiedlichen Dimensionen miteinander in einem undurchschaubaren Gewirr.

„Um beispielsweise in den Abgrund zu gelangen, müssen Sie mindestens 40 Male gewissermaßen ‚umsteigen‘. Und vergessen Sie nicht, dass die Teleportation Geld kostet — für eine einfache Wertmarke bezahlen Sie bereits um die 100 Goldmünzen. Deshalb sind interdimensionale Reisen sehr teuer...“

„Gibt es noch andere Möglichkeiten, sich zwischen verschiedenen Welten zu bewegen?“, setzte der Professor die Vorlesung mit einer Frage fort, die er anschließend sofort selbst beantwortete. „Oh ja, die gibt es! Die am besten bekannten Methoden sind Teleportations-Schriftrollen und -Bannsprüche. Sie werden geschaffen von Portalmeistern mit hohem Level und kosten mindesten 1.000 Gold. Eine weitere Möglichkeit ist die Reise durch die Astralebene, von der aus man anschließend seine eigenen Portale in bestimmte Welten erzeugt. Dieser Weg ist sehr viel schneller, aber auch riskanter und teurer. Man braucht dazu ein Luftschiff mit einer Bannspruch-Brücke und ein Signal-Artefakt in der Zielwelt. Darüber hinaus ist die Astralebene bislang wenig erforscht und extrem gefährlich. Deshalb ziehen die meisten Kapitäne von Astralschiffen den Weg über gewöhnliche interdimensionale Portale vor. Diese Reise dauert länger, ist jedoch sicherer. Es gibt noch eine dritte Alternative zu Portalen, aber ich glaube nicht, dass wir darüber lange sprechen sollten. Nur diejenigen mit einem Todeswunsch steigen hinab in die Dungeons von Helt Akor...“

„Was sagten Sie? Die Spieler sind dazu bereit?“, wiederholte Adenito einen laut ausgesprochenen Einwand eines Studenten und lachte heiser.

„Das will nicht viel heißen. Die Spieler unterscheiden sich massiv von uns, und sind höchst merkwürdige Wesen. Aber das ist ein Thema für eine andere Vorlesung. Ja, die Spieler steigen hinab in Helt Akor. Aber Sie dürfen nie vergessen, dass sie alle über die Rassenfähigkeit der uneingeschränkten, sofortigen Wiederauferstehung verfügen.“

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Kehren wir zum Thema dieser Vorlesung zurück. Getriebe, Aard, Edemion und andere bilden die sieben Oberwelten, den sogenannten Thron des Lichts. Oennie, wären Sie bitte so nett, in das Bild hinein zu zoomen? Wie Sie sehen können, ist unsere Welt der Flaschenhals — die einzige Möglichkeit, in den Ring der Oberwelten zu gelangen! Haben Sie soweit alles verstanden? Hat jemand Fragen?“

„Wie viele Welten gibt es in der SPHERE?“, wollte jemand wissen.

„Nun, dies ist eine philosophische Frage. Im Allgemeinen betrachtete man ihre Zahl als unendlich. Wie ich bereits zu Anfang der Stunde erwähnte, wurden mehr als 300 Welten bereits erkundet und sind mit dem Portalnetzwerk verbunden, aber es gibt noch sehr viel mehr. Was haben Sie gesagt? Sprechen Sie bitte lauter. Sie wollen wissen, was in bisher noch unentdeckten Welten mit den interdimensionalen Portalen geschieht? Eine hoch interessante Frage! Nun, bevor ein Portal erstmals benutzt wird, ist es inaktiv. Es wird aktiviert, sobald jemand es entdeckt und versucht, sich seiner zu bedienen. Dabei identifiziert es die benachbarten Welten und verbindet sich automatisch mit dem Portalnetzwerk der SPHERE. Die erste Aktivierung eines Portals bringt dem Betreffenden eine schöne Belohnung ein. Bitte beachten Sie, dass lediglich Außenseiter ein Portal aktivieren können. Die Bewohner der entsprechenden Welt verfügen nicht über diese Fähigkeit. Übrigens gibt es Welten, die bereits von Spielern oder Gruppen von Suchern entdeckt wurden, jedoch nicht mit dem Portalnetzwerk verbunden sind. Dahinter steckt nichts als Gier. Die Entdecker halten den Ort geheim, um dessen seltene Ressourcen abbauen zu können, ohne Konkurrenz befürchten zu müssen.“

Die nächste Frage rief bei Adenito ein Stirnrunzeln hervor.

„Die Heimatwelt der Spieler... Über diese Frage haben sich schon viele den Kopf zerbrochen. Auf der Karte der SPHERE ist sie nicht zu finden. Die Spieler behaupten, dass ihre Welt die einzig objektive Realität wäre und die SPHERE ihre eigene Schöpfung, die nur einem einzigen Ziel dient: dem ihrer Unterhaltung. In ihren Augen ist die SPHERE etwas wie ein Traum, den sie erleben, wenn sie schlafen. Als deren angebliche Schöpfer wissen die Spieler jedoch nur sehr wenig über die SPHERE, und soweit ich das weiß, hat bisher noch keiner von ihnen einen stichhaltigen Beweis für diese Behauptung vorlegen können. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sie sich über ihre eigene Bedeutung irren, ebenso wie die dämonischen Fraktionen der Unterwelten, die sich ihrer Überlegenheit so sicher sind, und die merkwürdigen Kreaturen von Libros, der Ebene der Träume und Reflektionen. Auf jeden Fall ist jedoch die Heimatwelt der Spieler alles andere als gewöhnlich. Wie ich bereits sagte — die SPHERE ist unendlich. Und ich persönlich bin mir sicher, dass dieser Ort sich ebenfalls in ihr befindet, so wie andere Dimensionen, die wir nicht betreten können, wie beispielsweise die Straße der Sterne, Lunarstellar oder die Schwarze Pyramide. Einige meiner Kollegen haben die Theorie aufgestellt, dass die Spieler vom Gleichgewicht erschaffen wurden, um in unsere Realität ein Element von Chaos zu bringen, einen Hauch von Zufälligkeit, was allem mehr Würze verleiht, so wie der Pfeffer in einem leckeren Gericht...“

Ein lautes Klopfen unterbrach Adenitos Vortrag. Die Tür öffnete sich und ein Strahl Licht drang in den Raum. Eine kleine Fee, nicht größer als ein Zeigefinger, flatterte durch die Tür. Sie trug elegante Kleidung in Silber und Grün. Das laute Klopfen schien so gar nicht zu ihrer winzigen Statur zu passen, aber nach vier Jahren des Studiums in Auditorium konnten diese flinken Kreaturen Oennie nicht länger überraschen, die vom Rektorat bevorzugten Boten. Mit einem Rauschen ihrer libellenähnlichen Flügel schwebte die Fee zum Maestro und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Adenitos Gesichtsausdruck veränderte sich jäh von Überraschung zu Trauer. Abrupt wandte er sich an seine Assistentin.

„Oennie, Sie werden dringend im Rektorat verlangt. Ich verstehe zwar diese Eile nicht, aber... Ich werde die Vorlesung allein fortführen. Ich danke Ihnen.“

Das Rektorat? Äußerlich zeigte Oennie keine Reaktion, aber innerlich beherrschte sie Unbehagen. Während ihrer vier Jahre an der Akademie hatte sie das Rektorat nur wenige Male betreten. Sie nickte knapp und verließ den Vorlesungssaal hinter der davonflatternden Fee.

Auditorium, die renommierteste und berühmte Akademie der Oberwelten, war in der Form eines riesigen Engels mit ausgebreiteten Flügeln erbaut worden, der in der erhobenen Hand ein Schwert hielt. Die Pose war kriegerisch und schützend zugleich. Im Inneren befanden sich viele Studiersäle, Vorlesungsräume und Bibliotheken, alle durch Galerien von Passagen und Treppen miteinander verbunden. Unterhalb der Anlage ragten Sandrücken auf, die zu einem endlosen blauen See führten, der am Horizont in einem nebligen Dunst verschwand. Die größte Universität der SPHERE lag auf einer Insel, fern vom geschäftigen Treiben der Städte und der Handelsrouten des von den Göttern gesegneten Aard. Stille und Einsamkeit waren, wie man glaubte, der Ausbildung höchst förderlich.

Oennie betrat einen der drei Aufzüge, die im Inneren des Engels nach oben führten, von den Füßen bis hin zur Spitze der Steinklinge, die sich in Richtung Wolken erstreckte. Der goldene Käfig eines magischen Lifts brachte die junge Frau rasch zur obersten Ebene, in der die Räume des Rektorats lagen. Während des Aufstiegs grübelte sie darüber nach, was ihr wohl diese Aufforderung zum Erscheinen eingetragen hatte. Ihre Studien schritten außergewöhnlich gut fort, ihre Lehrer lobten sie und nannten sie eine der besten Studenten des Jahres, sie war niemals getadelt worden... Hatte etwa diese Schlampe Glaevys sich über sie beschwert, nach der letzten Auseinandersetzung im Labor? Nein, das war eine zu triviale Angelegenheit für eine solche Vorladung. Vielleicht hatte ihre Affäre mit Rian für Aufruhr gesorgt, dem Nachwuchs-Ausbilder im Gladiatorium? Aber das Privatleben der Gelehrten und Studierenden hatte das Rektorat nie bekümmert, ebenso wenig wie deren erotische Beziehungen. Wahrscheinlich hatte es eher etwas mit ihrer Prüfung zu tun, die unmittelbar bevorstand.

Endlich erreichte sie ihr Ziel. Geschnitzte Marmorkuppeln, kühle, geräumige Korridore, leer und ruhig... Vor den aufwendigen Fenstern schwebten Wolken. Die Fee quietschte etwas und führte die junge Frau zielstrebig an einer Reihe von Türen vorbei, bis hin zur letzten, groß und verziert mit dem stilisierten Wappen von Auditorium. Oennies Herz setzte einen Schlag aus, als sie erkannte, dass die Kanzlerin der Akademie selbst sie herbeizitiert hatte, die hochgeborene Lady Alo Maghiara. Erneut vollführte die Fee ihren Trick mit dem lauten Klopfen, und die Tür öffnete sich, bat sie beide herein.

Oennie gab einen tiefen Seufzer von sich, strich sich die Haare zurecht und betrat das Büro der Kanzlerin.

„Möge das Ewige Licht Sie leiten, Oenniefair! Nehmen Sie Platz!“, gurrte die Kanzlerin überraschend freundlich, als sie sich von ihrem halbmondförmigen Schreibtisch erhob. Im Raum waren noch zwei andere Personen, ein Mann und eine Frau. Oder vielmehr, es waren zwei Spieler, wie Oennie rasch wurde. Es war immer einfach, Spieler zu erkennen, selbst wenn man ihre Namen nicht kannte — sie trugen nahezu durchgehend Kampfkleidung und Waffen, selbst in friedlichen Regionen.

„Möge auch Sie das Ewige Licht leiten!“, wiederholte sie die standardmäßige Begrüßung und setzte sich der Kanzlerin gegenüber. Die Spieler nickten ihr zu und betrachteten sie forschend. Was in Oennie Frustration auslöste, kombiniert mit Verlegenheit. Die beiden betrachteten sie, als wäre sie eine Ware, die zum Verkauf stand!

„Frau Fayana Fliege, Herr HotCat“, stellte die Kanzlerin die beiden Spieler vor. „Frau Fliege, Herr HotCat — dies ist Oennifair Aectan, unser aufsteigender Stern, die Talentierteste aller Nachwuchs-Artefaktoren.“

Fayana Fliege! Der Name raubte Oennie den Atem. Von HotCat hatte sie noch nie etwas gehört, aber die dunkelhaarige Frau in einem blauen Umhang über aufwändiger Kleidung war ihr ein Begriff. Sie war eine Legende und einer der wenigen Spieler, die jemals im Auditorium immatrikuliert gewesen waren. Sie hatte ihre Fächer im Fernstudium absolviert und nach weniger als einem Jahr den Abschluss gemacht. Noch heute erzählten die Studenten sich von ihren Abenteuern und ihr Porträt hing in der Ruhmeshalle. Sie hatte ihr Leben der Erforschung der verschiedenen Welten verschrieben, in denen sie neue Dimensionen und die Kreaturen entdeckte und beschrieb, die diese bevölkerten. Eine Kapitänin, eine Sucherin, eine Archäologin und eine Kartografin, war Fayana einer der Anführer der Pioniere, eines Clans, der die Grenzen der SPHERE OF WORLDS erforschte. Ihre Berichte, Tagebücher und Fotos wurden von den Experten in Auditorium eingehend studiert und den Aufzeichnungen der Akademie hinzugefügt.

„Oennifair, ich werde mich kurzfassen“, meldete Fayana sich mit kehliger Stimme zu Wort. „Ich stelle eine große Expedition zusammen. Es sind etliche Positionen zu besetzen, unter anderem in Ihrem Fachgebiet. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie in den Bereichen Artefakt-Kontrolle, Identifizierung, Kenntnis der Kann-Elo-Sprache und der Artefakte der Altehrwürdigen über Fertigkeiten von mehr als Rang 5 verfügen?“

„Das ist richtig“, antwortete Oennie. „Meine Identifizierung liegt bei Rang 6, die Artefakt-Kontrolle bei Rang 7...“

HotCat und Fayana tauschten einen Blick. Dann fragte HotCat auf einmal: „Verfügen Sie über das Altehrwürdige Gen?“

Ein peinliches Schweigen breitete sich aus, kurz darauf unterbrochen von Alo Maghiara, die kalt bemerkte:

„Herr HotCat, Sie sollten wissen, dass der Bereich der Artefakte der Altehrwürdigen niemandem offensteht, der nicht von ihnen abstammt.“

HotCat sah aus wie ein gewöhnlicher Spieler. Er hatte ein unauffälliges, junges Gesicht mit leicht hervorstehenden Wangenknochen und einem harten Ausdruck, mit einem Hauch listiger Schläue. Ein brauner Tarnumhang mit zurückgeschobener Kapuze und seine abgetragene Lederrüstung gaben keinen Hinweis auf seinen Archetypen. Das war die Standardausrüstung aller Reisenden. Die Erwähnung des Altehrwürdigen Gens demonstrierte seine unverblümte Direktheit und sein fehlendes Wissen über diesen Fertigkeitszweig. Es konnten nur diejenigen das Vermächtnis der Altehrwürdigen erforschen und bedienen, die über dieses Gen verfügten. Deshalb erschloss sich die geheime Fertigkeit der Kunst der Artefakte der Altehrwürdigen lediglich solchen Personen, die von ihnen abstammten. Einige der Häuser von Aard, darunter auch das Haus Aectan, brachten gelegentlich Träger des Gens hervor. Was die Familien immer geheim zu halten versuchten, denn die Götter des Lichts, die Schutzpatrone der Oberwelten, sahen diese Träger nicht gern. Oennie allerdings war insgeheim stolz auf ihr Talent, das es ihr ermöglichte, einzigartige Fertigkeiten zu erlernen.

„Es tut mir leid“, sagte HotCat und senkte den Blick. Er wirkte jedoch nicht verlegen, sondern eher befriedigt. Oennie bemerkte, wie Fayana ihm den Ellbogen in die Rippen stieß. Wollte sie ihn damit auffordern, den Mund zu halten und das Reden ihr zu überlassen?

„Oennifair, Frau Fliege ist bereit, mehrere unserer besten Nachwuchskräfte für ihre Expedition einzustellen. Für Sie wäre das die perfekte Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln“, erklärte die Kanzlerin. „Was die Akademie betrifft, so würden wir die Teilnahme an der Expedition als Ihre Reise und Prüfung anrechnen. Das ermöglicht Ihnen, das Medaillon der Akademie zu erhalten und den Master-Abschluss zu machen.“

„Ich muss Sie allerdings warnen — diese Expedition ist unberechenbar und gefährlich“, warf Fayana ein. „Wir können Ihre persönliche Sicherheit nicht garantieren. Es besteht die Möglichkeit, dass es zu Kämpfen kommt, und wir können nicht ausschließen, dass Sie dabei umkommen.“

„Sie werden während der Dauer der Expedition die Gefährtin von Frau Fliege und ihren Freunden werden“, fügte die Kanzlerin hinzu. „Ihr Respawn-Ort wird an diese Spieler gebunden. Wie denken Sie über dieses Angebot, Oennifair?“

Wie sie darüber dachte? Sie war begeistert! Von einer solchen Chance hatte sie nicht einmal zu träumen gewagt! Eine Expedition in ferne, gefährliche Welten, an der Seite einer Legende wie Fayana Fliege, die ihr noch dazu den erfolgreichen Abschluss ihrer Reise und Prüfung eintragen würde — das gesamte Auditorium würde sie beneiden! Wenn sie sich eine solche Gelegenheit entgehen ließ, würde sie es den Rest ihres Lebens bitter bereuen!

* * *

„Gerade mal nur 15.000 Fertigkeitspunkte, Fayana“, bemerkte ich, als wir die Luft-Docks von Auditorium erreichten. „Bist du sicher, dass sie für unsere Zwecke gut genug ist?“

„Sie verfügt über alle Fertigkeiten, die wir brauchen. Diese junge Frau ist ein seltener Schatz. Sie wurde dazu geboren, ein Artefaktor zu werden. Es würde mich auch nicht wundern zu erfahren, dass man sie in Auditorium längst heimlich darin unterrichtet hat“, überlegte Fayana laut. „Ich habe mir ihr Profil betrachtet. Eine bessere Zusammenstellung hätte ich mir nicht ausdenken können.“

„Wie viele weitere Bauern brauchen wir noch?“

„Zehn oder so, vermute ich. Heiler, Archäologen, Kundschafter, Sucher und Magier. Aber auf eines müssen wir uns jetzt einigen, Cat. Du darfst dich nie wieder in die Unterhaltungen einmischen, kapiert? NPCs sind zwar keine Menschen, aber sie sind oft nicht weniger klug als wir. Hast du gesehen, wie viel Reputation ich wegen deiner dummen Bemerkung verloren habe? Und weißt du, wie viel Zeit ich investieren musste, bis ich bei Auditorium die Reputation der Bewunderung erringen konnte? Ohne die hätte man uns niemals hereingelassen!“

Sie hatte recht, dem hatte ich nichts entgegenzusetzen. Ohne ihr tugendhaftes Karma und ihre hohe Reputation wäre uns der Weg in die Oberwelten verschlossen gewesen. Allerdings brauchte Fay mich ebenso sehr, wie ich sie brauchte. Daher sollte ich mich nicht allzu zerknirscht zeigen.

„Hey, nun mach mal halblang!“ Versöhnlich hob ich die Hand. „Deine Reputation hilft uns hier, und meine in der Silberfestung. Ich denke, das ist ein guter Ausgleich.“

„Meinetwegen“, stimmte Fayana zu. „Aber überlass die Verhandlungen in Zukunft mir. Du willst doch deiner Freundin helfen, oder?“

Ich blieb stumm. Ja, wir brauchten jede Menge Bauern, sowohl Zivilisten als auch Krieger, und die Expedition war noch immer unterbesetzt, während die Zeit drängte. In Auditorium konnten wir uns diese Bauern dank der Reputation der Pioniere kostenlos sichern, und sie waren noch dazu weit besser ausgebildet, als wir es von den Bauern der Söldner-Gilde erhoffen durften. Bisher hatte ich trotz aller Bemühungen noch keinen einzigen NPC mit dem Altehrwürdigen Gen finden können.

Am Horizont erschien ein schwarzer Punkt — ein Skiff. Fayana betrachtete es und erkundigte sich wie nebenbei: „Eine Frage noch, HotCat. Wie ist es dir gelungen, die Schurken für diese Mission einzuspannen? Ganz ehrlich — das hat mich gewaltig überrascht.“

Ich grinste. Hätte mir jemand vor einer Woche vorausgesagt, dass ich mit einem Anführer der Pioniere in die Oberwelten reisen würde, um Bauern für eine Expedition zu finden, dabei bewacht von einem Elite-Clan der besten E-Sport-Spieler der SPHERE, ich hätte es ihm niemals geglaubt. Das Leben hatte manchmal echt witzige Tricks auf Lager...

„Das ist eine lange Geschichte“, antwortete ich.

Kapitel 2

Etwas früher, eine Nachrichtensendung des SPHERE Herold über VNet

... Heute richten sich aller Augen auf die Arena! Die Zeit ist gekommen für das Endspiel des jährlichen Spielerkampf-Turniers um den Pokal der Könige, in der obersten Mittelklasse-Kategorie sechs gegen sechs! Wir freuen uns auf eine unvergessliche Schlacht zwischen zwei Teams, die beide über wahrhaft hohe Fertigkeiten verfügen! In der roten Ecke haben wir die Hattori, die Nachfahren des Landes der aufgehenden Sonne und Gewinner des Pokals in zwei Nominierungen! Diese Veteranen-E-Sportler konnten sich mühelos ihren Platz im Finale sichern, um ihren Titel zu verteidigen! Und in der blauen Ecke...

„SIND ALLE BEREIT?” Lou sah sich im Team um. Die Schurken nickten nahezu einhellig und erhoben sich. In weniger als einer halben Stunde mussten sie die Arena betreten, und die Spannung war so intensiv, man hätte sie mit dem Messer schneiden können.

„Hast du dich entschieden, was die Aufstellung und die Ausrüstung betrifft?“, wollte Odris wissen. Er war der Einzige aus dem Team, der sitzen geblieben war. Äußerlich wirkte der Klingenmeister absolut ruhig, als er sorgfältig seine Streitaxt mit einem schwarzen Wetzstein schliff und dabei den Schärfungs-Buff erneuerte.

„Ja. Ich vermute, sie werden sich auf Kontrolle konzentrieren und ihren besten Psionisten, einen Mystiker oder einen Zeitmagier vorschicken. Dem werden wir mit dem folgenden Team begegnen: Nika, Odris, Dante, ich... und Morgan.“

„Pat?“ Odris Augenbrauen stiegen in die Höhe. „Ist es nicht zu früh für den Jungen?“

„Die Hattori haben uns mit Sicherheit gründlich studiert. Sie sind gut vorbereitet, und wir müssen sie überraschen“, erwiderte Lou. „Morgan hat immer auf der Reservebank gesessen. Sie haben keine Ahnung von seinen Fähigkeiten. Mit etwas Glück kann er gleich zu Anfang einen ihrer Magier ausschalten.“

„Du hast nur fünf Namen genannt!“ Dante, ein Zauberer und Runenmeister, grinste breit. „Wer ist der sechste?“

„Was für eine dumme Frage, Dan!“ Lou runzelte die Stirn. „Biest natürlich!“

Hinter ihrem Rücken tauchte aus dem Nichts ein beweglicher, muskulöser Dämon auf. Er trug eine schwarze Schuppenrüstung, die eng anlag wie eine zweite Haut. Die funkelnden, gezackten Klingen an seiner Schulter und die rotglühenden Augen in den Schlitzen seiner Maske ließen Biest bösartig erscheinen.

„Ich hoffe nur, wir bekommen eine offene Arena“, bemerkte Odris. „Ausrüstung, Elixiere, Buffs — entspricht alles dem Standard für ein Fernangriffs-Team?“

„Ja. Wir haben nur eine kleine Anpassung vorgenommen, um Kontroll-Bannsprüchen zu begegnen. Macht euch bereit!“

Die Auswahl der Ausrüstung, das Vorbereiten der richtigen Zusammenstellung an Elixieren und Buffs... Die Turnierregeln verboten den Einsatz von Schriftrollen. Deshalb mussten die Spieler die Werkzeuge, die sie einsetzen wollten, sorgfältig planen. Jeder Trank, jede Rune und jeder Bannspruch mussten so effektiv wie nur irgend möglich funktionieren und den betreffenden Charakter ebenso stärken wie das gesamte Team.

Nachdem sie die letzten Anweisungen entgegengenommen hatten, betraten die Schurken einen Steinkreis, der sie in die Arena bringen sollte. Der Timer begann mit dem Herabzählen der letzten Minute. Das Rad, das nach dem Zufallsprinzip den Ort bestimmte, an dem die Schlacht ausgefochten wurde, drehte sich.

„Feld! Feld, Brücke oder Fjord — an diesen Orten haben wir gute Chancen“, kommentierte Lou, während sie das wirbelnde Rad beobachtete. „Ruinen wären ebenfalls in Ordnung, vielleicht auch die Alte Windmühle oder der Eissee. Dabei stehen die Chancen 50:50. Himmel, ich hoffe nur, es ist nicht die Königliche Burg, die Stadt oder das Dorf. Und am schlimmsten wäre ein geschlossener Ort unter der Erde, wie das Loch oder das Labyrinth...“

3... 2... 1...

Der Fluss! Meine Damen und Herren, das Schlachtfeld ist das Flussfeld, einer der klassischen Standorte, den Spielerkämpfer lieben, die hier gern ihre Fertigkeiten trainieren! Ich bin sicher, uns steht ein aufregender Kampf bevor! Die Teams teleportieren nun zur Arena, und wir warten mit angehaltenem Atem auf den Beginn der Auseinandersetzung...

Ein strahlendes Bild erschien. Es zeigte eine grüne Ebene, durch die diagonal das breite Band eines Flusses verlief. Eine gewölbte Steinbrücke verband die beiden Uferseiten miteinander. Eingezäunte Felder und Bauernhäuser mit Strohdächern bedeckten den rechten Bereich, während im linken die grauen Ruinen eines Wachturms zu sehen waren, umgeben von einem Halbkreis halb eingestürzter Wände.

Lou stieß scharf die Luft aus und schloss ihr Visier. Der Fluss war eine gute Wahl, der perfekte Ort. Auf dieser Karte gab es Unmengen an Raum, und er eignete sich für einen Luftkampf. Das bedeutete, dass die Schurken ihre Hauptvorteile ausnutzen konnten — Geschwindigkeit und Wendigkeit.

Eine Sekunde später erreichten sie die Arena. Die sechs Spieler sahen sich um. Sie standen neben der Turmruine. Erneut war ihnen das Glück hold gewesen — die Ruinen wurden als der bessere Ausgangspunkt betrachtet. Eine der besten Strategien war eine Verteidigung des Turms. Das zwang den Gegner, die eigene Verteidigung aufzubrechen und in die Offensive zu gehen. Lous Team betrachtete einen solchen Ansatz jedoch mit Verachtung und zog es vor, die Initiative zu ergreifen.

Lou: Biest, mach dich bereit! Odris, starte die Suche!

Lou: Morgan, spring in den Schatten — schnell! Begib dich sofort zur Brücke. Alle anderen folgen mir!

Die sechs Hattori lungerten irgendwo auf der anderen Seite des Flusses herum, hinter den grünen Kornfeldern und den Strohdächern. Die Karte des Flusses war nicht besonders groß, und Lou wusste, dass ihnen bis zur unvermeidbaren Auseinandersetzung nur wenige Minuten blieben. Ohne die Flugtiere einzusetzen — gleich zu Anfang das Feuer des Feindes auf sich zu ziehen, war ein typischer Anfängerfehler — führte sie ihre Gruppe zur Brücke. Dort verbargen die Schurken sich hinter einer niedrigen, teilweise eingestürzten Mauer. Biest, der die Rolle der Luftaufklärung übernommen hatte, erhob sich in die Luft, nachdem er seine klassenbasierte Tarnung aktiviert hatte, und Morgan verschwand in der Schattenebene. Der Kerl besaß den super-seltenen Archetypen des Schattengehers, von seiner Kompetenz einmal ganz zu schweigen, und war eine wertvolle Bereicherung des Teams. Leider fehlte es ihm allerdings an Erfahrung, was Kämpfe in schwierigen Turnieren betraf.

Odris: Die Suche ist klar. Ich sehe niemanden.

Lou: Was meinst du damit?

Odris: Es ist niemand hier. Sie müssen Versteck-Bannsprüche oder Artefakte mit Tarnung benutzt haben.

Lou: Biest meldet ebenfalls, dass niemand zu sehen ist.

Das war eine völlig neue Entwicklung. Die Schurken hatten ihre Gegner eingehend analysiert, die Videos ihrer Kämpfe studiert und ihre Stärken ebenso wie ihre Schwachstellen herausgearbeitet, aber diese Taktik hatten sie dabei nicht beobachten können. In vielen Teams gab es ein oder zwei Spieler, die sich unsichtbar machen konnten, aber dass sechs auf einmal diese Fähigkeit besitzen sollten, wäre etwas völlig Neues. Dennoch blieb Lou einigermaßen ruhig. Sie verfügte über die Fähigkeit der Wahren Sicht, ein Talent von legendärem Level. Damit konnte sie jede Tarnung, jedes Versteck und jede Illusion durchdringen. Niemand war in der Lage, sich an sie heranzuschleichen!

Die Schurken krochen, in der Deckung der Steine, näher an die Brücke heran, unter der das blaue Wasser des Flusses schimmerte. Morgan huschte zur anderen Seite. Die Feinde waren noch immer nicht in Sicht, und der Such-Bildschirm, den Odris konstant aktualisierte, blieb leer.

Nun, ein gesamtes Team zu tarnen, das war nicht unbedingt etwas, das noch nie dagewesen wäre, und alle Spieler-Teams, die aus dem Status der Neulinge herausgewachsen waren, verfügten über Methoden, dieser Taktik zu begegnen. Im Grunde überraschte es Lou, dass die Hattori einen solchen Anfängertrick einsetzten. Hielten sie so wenig von den Fähigkeiten ihrer Gruppe? Gingen sie etwa davon aus, dass die Schurken keine Artefakte besaßen, die jede klassenbasierte Tarnungsfähigkeit deaktivieren konnten?

Momentan allerdings blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten. Wer es zu eilig hatte, starb normalerweise als Erster.

Mehrere Minuten vergingen. Die Schurken verharrten in ihrem Versteck, zum Kampf bereit. Ohne dass ihn jemand sehen konnte, zog Biest seine Runden in der Luft über der Arena, und Morgan bewegte sich im Schatten. Aber keiner der beiden entdeckte auch nur eine Spur vom Feind. Die Hattori ließen sich offensichtlich Zeit und erkundeten das Gebiet aus der Deckung ihrer Tarnung heraus.

Dante: Langsam ist das nicht mehr lustig. Haben die etwa vor zu warten, bis die Flaggen erscheinen?

Lou: Überraschen würde mich das nicht.

Die Regeln waren simpel: Eine Runde dauerte 15 Minuten. Wenn diese Zeit abgelaufen war und beide Teams überlebt hatten, spawnte an einem zufällig ausgewählten Ort eine Gruppe von Flaggen. Gewonnen hatte das Team, das sich diese Flaggen sichern konnte. Oft entschied sich der Ausgang eines solchen Kampfes erst in der letzten Minute.

Die Zeit verging langsam. Die Zuschauer hatten Pech — das Finale war alles andere als spektakulär.

Tja, und leider ist noch immer nichts zu sehen. Beide Teams testen die Geduld der Gegner. Die japanischen Veteranen warten darauf, dass ihre Feinde sich in Bewegung setzen, und Lou hat es nicht eilig, ihre Asse aus dem Ärmel zu ziehen. So wie die Sache sich momentan entwickelt, wird diese Runde mithilfe der Flaggen entschieden — die in wenigen Minuten erscheinen werden! Die Frage ist nur, wann exakt...

Auf einmal wuchsen die Flaggen aus dem Boden, in der Mitte der Brücke, nicht weit von den Schurken entfernt. Ohne Zeit zu verschwenden, rasten Lous Kämpfer darauf zu, um eine Verteidigung darum zu errichten und die ersten Flaggen-Punkte zu erringen. Morgan eilte vom anderen Ufer herbei. Kaum war er in Hörweite, rief der junge Schattengeher völlig außer Atem im Courier-Kanal:

„Alarm! Alarm! Hinter euch! Sie sind hinter euch!“

Lou reagierte sofort, schwang herum und hob ihr Kurzschwert. Wieder einmal rettete ihre Geschwindigkeit ihr das Leben, als zwei Shuriken mit einem lauten Klingen von ihrem runden Schild abprallten. Den dritten wehrte sie mit einem raschen Schwerthieb ab. Geschleudert hatten die Wurfsterne die ganz in Schwarz gekleideten Hattori-Krieger, die auf einmal nur ein paar Schritte entfernt aus dem Nichts aufgetaucht waren. Warum hatte Dantes Aura keine Wirkung auf sie gehabt? Und warum hatte sie den Gegner trotz ihrer Wahren Sicht nicht entdecken können?

Morgan: Sie sind im Schatten — alle von ihnen! Nika, schau nach hinten!

Die Warnung kam zu spät. Mit zwei blitzschnellen Hieben schaltete einer der japanischen Krieger ihren Heiler aus. Sofort griff Odris ihn wütend an, und Dante schuf einen Kreis des Lichts, wodurch alle Gegner sichtbar wurden. Und dennoch — es war längst alles zu spät...

Gleich zwei Spieler stürzten sich auf Lou. Sie parierte alle Hiebe und versuchte, zum Angriff überzugehen, doch die Hattori lenkten sie geschickt ab und schlugen aus verschiedenen Richtungen zu. Aus den Augenwinkeln heraus sah die Anführerin der Schurken, wie Biest in den Fluss stürzte, umgeben von einem seltsamen, grünlichen Schimmer. Morgan schickte den Anfang eines Hilferufs in den Chat des Teams, aber die Schlacht war innerhalb von weniger als einer Sekunde verloren, als die japanischen Spieler zum Nahkampf übergingen und ihr Team attackierten. Die wichtigsten Mitglieder töteten sie als Erstes. Es waren nur noch drei von ihnen übrig. Kurz darauf starb auch Dante, nachdem ihm niemand mehr den Rücken freihalten konnte.

Es gelang Lou, einen ihrer Gegner zu treffen. Mit ausgebreiteten Armen stürzte er in den Fluss. Odris, umgeben von Feinden, leistete noch immer Widerstand. Sein Rad des Feuers überraschte die Gegner. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis ihre massive zahlenmäßige Überlegenheit den Kampf entschied. Ruhig und zielsicher besiegelten die Hattori das Schicksal der Schurken.

Dieser Punkt geht an die Hattori! Das war ein blitzschneller Sieg! Ich möchte sogar behaupten, es war ein regelrechtes Abschlachten! Das japanische Team hat erneut seine hervorragende Form bewiesen und sich einer extrem seltenen Strategie bedient — des Angriffs aus der Schattenebene mit der gesamten Gruppe! Die Überraschung war perfekt und hat die Schurken vollkommen unvorbereitet getroffen! Den Herausforderern war das Anfängerglück nicht hold. Nun, nach einer kurzen Pause werden wir sehen, ob das russische Team das Schlachtenglück wenden kann...

„Wow — das war ein massiver Fehlschlag“, stellte Odris mit einem grimmigen Lachen fest.

„Wie viele von denen konnten wir erledigen?“, fragte Lou scharf.

„Nur zwei — und es waren beides Bauern.“

„Was für ein episches Scheitern! Ich schäme mich...“ Mit gerunzelter Stirn arbeitete Lou sich durch die Kill-Liste und studierte das Kampfprotokoll. Die Schuld an der Niederlage trug allein sie, denn auf einen Angriff aus der Schattenebene waren die Schurken nicht vorbereitet gewesen. In keinem Live-Stream und keinem Video hatten die Hattori solche Tricks eingesetzt, und die Profile der bekannten Mitglieder umfassten keinen einzigen Schattenbenutzer. Als sie das Team analysierte, das Kojima losgeschickt hatte, wurde ihr auf einmal klar, dass er ein großes Risiko eingegangen war. Er hatte zwei Neulinge und drei NPCs in die Gruppe aufgenommen. Das war eine Menge unbekannter Größen, die noch nie in einer Arena gekämpft hatten. Allerdings hatte es sich ausgezahlt.

„Wo haben die bloß so viele Schattenbenutzer auftreiben können?“, stellte Nika die wichtigste Frage.

„Wahrscheinlich sind sie jemandem aus dem Schatten-Götterhimmel in den Arsch gekrochen“, knurrte Dante. „Wir könnten sogar mehr herausfinden, wenn wir die Profile der Bauern näher untersuchen.“

„Wetten, dass die sich für die nächste Runde im Turm verbarrikadieren?“, überlegte Odrie, und Lou nickte zustimmend. Sie mussten im Team Veränderungen vornehmen, und Lou entschloss sich, gleich drei Mitglieder auszuwechseln. Das war die Höchstzahl, die ihr erlaubt war. Die nächste Runde konnte ihre letzte werden. Das Kern-Team blieb das Gleiche — sie, Odris und Nika. Aber die anderen drei Spieler waren neu. Da waren Vogelkopf, ein Biestbezwinger und der beste Bogenschütze der Schurken, und Zwillings-Bauern. Die beiden waren ihr geheimer Trumpf. Ergo Range war ein Meister der Luftmagie und Castel Rin einer der mysteriösen Portalmeister. Es hatte keinen Sinn, sie weiter auf der Reservebank sitzen zu lassen. Wenn sie die zweite Runde ebenfalls verloren, bedeutete das ihre endgültige Niederlage.

Die Turnierregeln sahen drei Runden von je 15 Minuten vor, und Sieger des Finales war das Team, das zwei davon gewinnen konnte. Diesem Sieger winkten der Pokal der Könige, eine beträchtliche finanzielle Belohnung, das legendäre Rüstungs-Set der Königlichen Wache — und vor allem das Prestige, das beste Spielerkampf-Team der SPHERE OF WORLDS zu sein.

Lou spürte eine zornige Entschlossenheit in sich aufsteigen. Sie hatten zu viel investiert und waren zu weit gegangen, um jetzt zu verlieren. Die Schurken mussten das Turnier unbedingt gewinnen!

* * *

Die zweite Runde begann überraschend gut. Wie Odris vermutet hatte, verbarrikadierten die Hattori sich im Turm und überließen den Schurken die Initiative. Diesmal sprangen sie nicht in die Schattenebene, und sie hatten ebenfalls drei Team-Mitglieder ausgewechselt. Es war eine vollkommen defensive Aufstellung: ein Minotaurus, ein Paladin, zwei Bogenschützen und zwei Kernmitglieder der Hattori, Kojima und Sakura. In den meisten Fällen bauten die Hattori ihre Strategie um diese beiden herum auf, den besten Psionisten der SPHERE und den sehr wendigen Meister der Kampfpeitschen.

Lou hatte im Grunde zwei Möglichkeiten. Sie konnte entweder den Turm erstürmen und alle Verluste ignorieren, die ihr Team dabei erlitt, oder sie konnte warten, bis die Flaggen erschienen, und sich dann auf die Feinde stürzen. Der Schwachpunkt der Hattori schien das Fehlen eines Heilers zu sein, aber insofern gab Lou sich keinerlei Illusionen hin. Sakura und Kojima konnten beide Schaden gegen Gesundheit eintauschen, und die Heilung der drei Spieler konnte der Paladin übernehmen.

Ein paar Sekunden lang kreisten die Schurken auf ihren Flugtieren über dem Turm und beschossen die Gegner mit Pfeilen. Die Luft-Bannsprüche von Ergo hatten ihre Fähigkeiten verstärkt, und sie versuchten, die Hattori-Krieger aus größtmöglicher Entfernung zu erreichen. Natürlich erwiderte der Gegner das Feuer, aber dieser Schusswechsel war mehr oder weniger sinnlos. Beide Seiten hatten sich durch Buffs geschützt, die die Angriffe ablenkten. Langsam kamen die Schurken näher und schlugen dabei die Bannsprüche zur Massenkontrolle zurück, die vom Turm kamen. Aus heiterem Himmel war ihnen das Glück hold. Vogelkopf schaffte es, einen der feindlichen Bogenschützen mit einem Treffer zu töten, als er dessen Auftauchen in einer beschädigten Schießscharte vorausahnte. Doch schon eine Sekunde später war es mit ihrem Glück wieder vorbei, als die Hattori nacheinander drei Flugtiere abschossen, die dem Turm zu nahe gekommen waren.

Das berühmte Drachengift sorgte dafür, dass die Tiere keine Überlebenschance hatten. Dadurch zeigte Lous Team eine offene Flanke, und diese Gelegenheit ließen die Hattori sich nicht entgehen. Die Hälfte der Schurken verfügte über keine Möglichkeit zum Lufttransport mehr, und war somit unbeweglich. Es war keine Frage — Kojima würde diesen Vorteil durch einen Angriff auszunutzen versuchen...

Was? Die Schurken sind im Turm? Wie konnte denn das passieren? Noch vor einer Sekunde waren sie doch weit davon entfernt! Das ist eine wahre Überraschung! Gerade hat man mich darüber informiert, dass sie Teleportation eingesetzt haben, oder vielmehr Verschiebung! In Lous Team ist ein Portalmeister, und das ist etwas völlig Neues! Auf jeden Fall sind bereits drei Schurken in den Turm eingedrungen, und eine heiße Schlacht ist im Gang! Oh, schaut doch nur, wie leidenschaftlich Lou kämpft!

Die Hattori hatten den Köder des scheinbaren Fehlers der Schurken geschluckt, der ihre Flugtiere tötete und sie auf den Boden holte. Aber sofort hatten Lous Krieger die Spitze eines leuchtenden Pentagramms betreten. Castel schloss seine Hände über ihnen zusammen, und schon war das Trio verschwunden, unter Hinterlassung einer leuchtenden Spur. Im Bruchteil einer Sekunde tauchten die drei am vorgesehenen Ziel wieder auf: In den moosbedeckten Ruinen der Spitze des Turms.

Verdammt! Das plötzliche Auftauchen der Schurken kam für die Hattori völlig unerwartet. Odris aktivierte sein Rad des Feuers und verjagte damit alle aus seiner Nähe. Flammen zischten, Stahl blitzte auf, und Klingen sangen. Es war eine brutale Auseinandersetzung zwischen zwei ebenbürtigen Gegnern. Die Japaner waren erfahrener und besser ausgerüstet, aber die Schurken hatten den Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite. Der Paladin der Hattori starb als Erstes, gefolgt von Sakura, der es vorher jedoch geschafft hatte, Castel Rin ins Jenseits zu befördern. Von den japanischen Kriegern im unteren Bereich überlebte lediglich der Minotaurus, dessen massiger Bronzekörper nahezu die gesamte Erdgeschossebene füllte. Ein unglaublich starker Bauer von epischem Level, hatte er beim ersten Angriff lediglich geringen Schaden erlitten. Der gehörnte und gepanzerte Riese schwang weiter seine Axt, die so groß war wie ein Mensch. Klirrend und Funken schlagend stieß sie gegen den Stein. Ungerührt wichen Lou und Odris den Hieben aus und setzten dem Minotaurus mit präzisen Treffern zu. Sie suchten nach einer Schwachstelle in seiner Verteidigung und nahmen ihm durch einen Reinigungs-Bannspruch seine Buffs, die ihn praktisch unbesiegbar machten.

Über dem Getümmel rauschten Flügel und Pfeile zischten, als die drei anderen Schurken den Turm aus der Luft angriffen und sich auf Kojima und seine Genossen stürzten. Steine brachen aus der Ruine und stürzten durch Löcher in der Decke nach unten. Lou sah, dass die Symbole für Nika und Ergo erloschen, aber auch die Hattori erlitten heftige Verluste. Dem Kampfprotokoll zufolge waren nur noch zwei von ihnen am Leben.

Lou: Odris, geh nach oben! Mit dem Kerl hier werde ich allein fertig!

Odris nickte und schoss mit einem langen Sprung ins höhere Stockwerk. Seiner Buffs beraubt, war der Minotaurus ein leichtes Opfer — ganz im Gegensatz zu Kojima.

Lou hatte in der Auseinandersetzung die Kontrolle, und ihre Geschwindigkeit und Reaktionsschnelle ermöglichten ihr, den Flügelhieben des Riesen auszuweichen und ihn für jeden Angriffsversuch mit schmerzhaften Gegenschlägen zu „belohnen“. Der Minotaurus brüllte. Seine blutunterlaufenen Augen traten hervor. Erneut versuchte er, Lou zu attackieren. Die Blutspur, die er hinter sich herzog, bemerkte er nicht einmal.

Vogelkopf: Ich bin erledigt. Das war ein glatter Overkill!

Dann stürzte Odris hinab und zerbrach dabei den Rest der Decke. Sein Gesundheitsbalken war bereits in der roten Zone, und kurz darauf starb er, erledigt durch einen Schaden mit Langzeitwirkung. Sein Aufprall lenkte den Minotaurus vorübergehend ab, und es gelang der Anführerin der Schurken, sich von der Mauer abzustoßen und ihre Klinge in der Lücke oberhalb seines Brustpanzers zu versenken.

Odris: Ich bin ebenfalls erledigt! Dieser Mistkerl hat mich betäubt!

Kritischer Treffer! Das muskelbepackte Monstrum schwankte und ging in die Knie. So konnte Lou ihm mit einem weiteren Hieb sauber den Kopf abschlagen. Sie sprang zurück und schaute nach oben zu dem Loch, das Odris‘ Sturz gerissen hatte. Gegen den Hintergrund des blauen Himmels sah sie die Silhouette von Kojima, der unbeweglich auf einer beschädigten Mauerzacke stand. Er beobachtete sie ebenfalls und forderte sie durch eine Handbewegung auf, nach oben zu kommen.

Was für ein fantastischer Treffer! Der wird definitiv in die monatlichen Charts für die besten tödlichen Hiebe eingehen! Seht doch — jetzt sind nur noch zwei Spieler übrig, und wie passend, dass es die Anführer der gegnerischen Teams sind! Lou gegen Kojima — uns steht ein wahrhaft mitreißender Kampf bevor!

Lou holte tief Luft. Nur sie beide hatten überlebt. Also dann — das Schicksal im Finale lag in den Händen der zwei Anführer.

Odris: Du musst vorsichtig sein, Lou. Er verfügt nicht nur über die Kontroll-Fertigkeit, sondern auch eine Abwehr-Aura, eine Vampir-Peitsche und ein mächtiges Gift.

Mit einem Doppelsprung flog sie nach oben und landete auf dem beschädigten Boden des ersten Stockwerks. Geschickt kletterte sie hoch zum runden Aussichtsdeck, das von Mauerzacken umgeben war. Dort wartete ihr Gegner auf sie. Als er sie sah, straffte sich Kojima, senkte den Blick und verneigte sich überraschend galant. Dann hob er seine Waffe hoch über den Kopf, eine zusammengerollte Kampfpeitsche. Den Griff hielt er parallel zum Boden. Mit einem in der gesamten SPHERE bekannten Zeichen forderte er sie zum Duell auf.

Ohne zu zögern, wiederholte Lou die Geste und sprang auf die andere Seite der steinernen Barriere. Der Aussichtspunkt war stark beschädigt. Tiefe Risse verliefen über den Boden und die Hälfte der Mauerzacken war zerbrochen. Im Laufe von Hunderten von Stunden Training, die Lou in dieser Karte verbracht hatte, war es ihr gelungen, sich jeden Zentimeter davon einzuprägen. Sie hätte sich mit geschlossenen Augen auf der Kante zum Abgrund bewegen können.

Kojima wartete nicht, bis sie herangekommen war. Er ließ die Peitsche schnellen, die dabei rote Funken von sich gab, und schwang sie in einem zischenden Kreis über seinem Kopf. Die mit Stacheln versehene Spitze raste auf Lou zu. Sie hob den Schild und blockierte den ersten Hieb. Die Wucht des Aufpralls brachte sie ins Schwanken. Kojimas Stärke musste weit über 100 liegen. Das war eine Menge. Mit dem kleinen Finger rieb Lou über den Rubin im Knauf ihres Schwertes und aktivierte ihr Ass im Ärmel, den legendären Edelstein der Mythischen Macht. Er verdoppelte ihre Stärke und Beweglichkeit, zwar nur 30 Sekunden lang, aber das konnte ausreichen, um den Kampf zu gewinnen!

Sie sprang auf die nächste Mauerzacke und griff mit einer Reihe von schnellen Hieben an. Beweglichkeit und Geschwindigkeit waren Lous Stärken. Dank der Buffs diverser Elixiere und des Edelsteins wirkte sie wie ein lebendig gewordener Blitz. Ein gewöhnlicher Spieler hätte ihre Bewegungen niemals nachvollziehen können, und selbst ein gut vorbereiteter Experte hatte keine Chance gegen einen Mensch gewordenen Wirbelwind.

Aber bei einem Hattori lag die Sache anders. Kojima rührte sich nicht und parierte ihre Attacken geschickt mit dem langen Griff seiner Peitsche und einem kleinen Faustschild. Die Hiebe wurden so rasch ausgetauscht, dass die Zuschauer keinerlei Einzelheiten mehr erkennen konnten. Das Klirren des Stahls verwandelte sich in ein Dauergeräusch.

Endlich konnte sie einen Treffer landen. Lous kurze Klinge versank in etwas Weichem und Kojima keuchte, entkam mit einem akrobatischen Salto. Ein mächtiges Zucken seiner Peitsche hielt seine Gegnerin auf, die bereits zum Sprung mit anschließendem Todesstoß angesetzt hatte. Der Strang schlang sich um Lous Bein. Kojima zog an der Peitsche, und Lou fiel rücklings auf den Boden. Das verschaffte ihm die Zeit, sich zu erholen. Als die Anführerin der Schurken sich endlich wieder aufgerappelt hatte, bebend vor Zorn, stand er längst in sicherer Entfernung. Allerdings hatte sich Kojimas Gesundheit um die Hälfte verringert. Er krümmte sich und hielt sich die Seite. Unter seinen Händen spritzte Blut hervor und färbte den grauen Stein rot.

Sie musste die Sache beenden, und zwar schnell! Alle wussten, dass der Anführer der Hattori den Archetypen des Schwarzen Heilers besaß. Sie durfte ihm auf keinen Fall die Zeit lassen, ein Ritual zu vollführen oder ein Elixier zu trinken. Erneut sprang Lou auf ihn zu. Die Wirkung des Edelsteins der Mythischen Macht würde nur noch wenige Sekunden anhalten. Kojima beobachtete ihre Pirouette. Er wusste, dass er keine Chance hatte, dem nächsten Hieb auszuweichen. Also nahm er die Hand von der Wunde und spreizte die Finger.

Dann setzte er dem Tod, der auf ihn zukam, Telekinese entgegen.

Lou kam sich vor, als wäre sie gegen eine Steinwand geprallt. Oder vielmehr, als wäre diese Wand gegen sie geprallt, erbarmungslos und kraftvoll wie ein Schnellzug. Vor ihren Augen drehte sich alles, Himmel, Erde, Mauerzacken und graue Ruinen. Der telekinetische Angriff von Kojima hatte sie von der Spitze des Turms geworfen.

Sie krachte auf die Steine und schrie vor Schmerz. Die Filter der Kapsel dämpften den gepeinigten Laut. Benommen, betäubt, gelähmt... Ihr Gesundheitsbalken war nahezu leer. Sie versuchte, auf die Füße zu kommen, doch auf einmal hatte sie das Gefühl, als würde sie jemand in die Höhe heben und fortschleudern. Dem folgte das vertraute Gefühl des Todes.

Kojima hat dich getötet! Du bist tot!

Ich weiß nicht, was ich sagen soll! Um genau zu sein, verbietet der ungeschriebene Kodex für Duelle innerhalb der SPHERE den Einsatz spezieller Fähigkeiten während eines Kampfes. Und noch dazu hat Kojima selbst die Herausforderung ausgesprochen! Ich bin mir nicht sicher, was für ein Licht das auf ihn wirft, und welche Entscheidung die Spielegemeinschaft insofern fällen wird. Lou hätte es definitiv verdient zu gewinnen. Ich glaube, dieser Fall wird in den Foren lange Diskussionen auslösen. Dennoch, ein Sieg ist ein Sieg. Die Hattori haben den Meistertitel erfolgreich verteidigt und sind nun zweimalige Gewinner des Pokals der Könige!

* * *

„Immer ruhig bleiben, Lou. Das war eine wertvolle Erfahrung. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Wir werden es beim nächsten Mal erneut versuchen...“

„Was hat das mit Rom zu tun? Der Mistkerl hat mich während eines Duells mit Magie angegriffen, verdammt!“

„Wir haben bereits Beschwerde eingelegt, aber die Duellregeln sind vollkommen inoffiziell. Kojima hat gegen keine geschriebene Bestimmung verstoßen, und wie Geld, stinkt auch ein Sieg nicht.“

„Und ob er das tut! In dem Fall stinkt der Sieg sogar zum Himmel“

Während Lou ihrem Zorn freien Lauf ließ, entging ihr zuerst das blinkende Symbol eines Briefumschlags in ihrem Posteingang. Sie filterte schon seit langem Spam aus allen eingehenden Nachrichten heraus, aber sie liebte es, die Botschaften ihrer Fans zu lesen. Der Absender war anonym, und der Inhalt seiner E-Mail höchst merkwürdig. Sie las alles ein zweites Mal und leitete den Link in der Nachricht an Odris weiter.

„Was hältst du davon?“

„Das ist höchst interessant. Ich habe dieses Video bereits gesehen und sogar versucht, mehr über den Kerl zu erfahren, der darin gezeigt wird. Die Geschichte ist wahr — er hat Schnee und vielen anderen Spielern eine Menge Ärger bereitet. Aus seiner Kill-Rate schließe ich, dass die Pandas ebenfalls ihr Fett abbekommen haben. Es ist komisch, dass die Admins sein Schwert nicht entfernt haben. Das ist eindeutig ein Softwarefehler. Aber ich habe keine Ahnung, was das mit uns zu tun haben soll?“

„Das will man uns bei einem Treffen alles erklären. Weißt du, wo wir den Orden der Lilie auf dem Schwert finden?“

Kapitel 3

„ALSO GUT, wir stecken fest“, gab Romanova zu. „Hat jemand eine Idee?“

Der Kompass der Sieben Brüder, der vor Cey-Rus lag, sprach Bände. Seine Nadel bewegte sich in chaotischen Mustern. Das Amulett, das geschaffen worden war, um die Schlüssel zu finden, schien völlig durchgedreht zu sein.

„Eine Idee?“ Svechkin hustete. „Wir haben den Standort von einem der Schlüssel eingegrenzt auf Getriebe, eine der Schmiedewelten. Ich möchte einmal behaupten, das ist Adams. Das war schon immer seine Lieblings-Fraktion. Dieser Ort ist verdammt kompliziert. Ihr kennt alle diesen Rubik-Würfel.“

„Der zweite Schlüssel ist irgendwo in der Astralebene verloren gegangen“, ergänzte Cey-Rus. „Allerdings ist es nicht unmöglich, ihn zu finden. Es ist nur eine Frage der Zeit, und wir brauchen Schiffe und einen Suchtrupp. Das kann ich organisieren.“

„Einverstanden“, erwiderte die Erste Jungfrau und deutete auf den Kompass. „Was ist mit dem dritten Schlüssel?“

„Der Kompass kann ihn nicht sehen“, antwortete Svechkin. „Die Frage nach dem Warum kann ich nicht beantworten. Es war Balabanov, der den Suchalgorithmus geschrieben hat. Ich schlage vor, dass Cat ihn ein wenig aus der Ruhe bringt.“

Ich kicherte. Dass Cat ihn ein wenig aus der Ruhe bringt... Er hatte leicht reden! Meine Beziehung zum Magister war alles andere als von Vertrauen geprägt. Es wurde immer schwieriger, ein doppeltes Spiel zu spielen.

Momentan standen wir in der Silberfestung, die in die pinkfarbene Leere der Astralebene migriert war. Nachdem wir den Pandas die Herrschaft über diesen Bereich aus der Hand gerissen hatten, beabsichtigte Romanova, den interdimensionalen Raum zu ihrem neuen Heim zu machen. Die ersten Schritte dazu hatte sie bereits eingeleitet. Die Silberfestung steckte voller NPCs, die aus der Burg Gräueltat befreit worden waren. Spieler kamen zu Besuch, und man schickte Abgesandte in viele andere Welten aus. Die Botschafter, die ebenso schönen wie tödlichen Walküren, verursachten einigen Aufruhr in der Gemeinschaft der Spieler. Viele folgten ihrer Einladung und machten sich auf den Weg zur fliegenden Zitadelle. Die Jungfrauen hießen sie willkommen, gaben ihnen Quests und belohnten sie mit Reputation. Die sie bei den Händlern der Festung gegen Fraktionsbelohnungen eintauschen konnten, die von neuartigen Elixieren und Schriftrollen bis hin zu Upgrades für Astralschiffe reichten. Nebenbei hatte ich aufgeschnappt, dass es sogar bereits jemandem gelungen war, eine erste epische Quest-Kette zu ergattern. Die Aufgabe bestand darin, eine Scherbe Land mit einer geeigneten Aura zu finden. Romanova plante, sich langfristig hier niederzulassen, und ich hatte keine Zweifel daran, dass es ihr gelingen würde. Diese Lady ließ ihren Worten immer Taten folgen. Sie war eindeutig die Maschine, die das Team von Balabanov angetrieben hatte. Inzwischen war ich davon überzeugt, dass dies der wahre Grund war, der zum Bruch innerhalb des Teams geführt hatte. Zwei Anführer, zwei Alpha-Personen — wie waren die beiden bloß miteinander ausgekommen, bevor die SPHERE ein solcher Erfolg geworden war?

„Was bitte ist denn so lustig, HotCat?“ Die Erste Jungfrau musterte mich durchdringend.

„Nichts. Okay, ich werde versuchen, den Magister über den Kompass auszuhorchen. Aber ich habe eine Frage. Die drei Schlüssel liegen bei dreien eurer sogenannten Kollegen, die noch im Ruhezustand verharren. Ihr habt viel über die Schlüssel geredet, aber nie über die Leute, die sie kontrollieren sollen. Warum?“

Svechkin, Romanova und Cey-Rus tauschten einen Blick. Aus ihrem Gesichtsausdruck schloss ich, dass dies ein alles andere als angenehmes Thema war.

„Maxim muss einen dieser drei Schlüssel übernehmen, das steht außer Frage!“, erklärte die Erste Jungfrau endlich und deutete auf Cey-Rus. „Was Adam betrifft, bin ich mir nicht vollständig sicher, aber es ist eher ein Ja als ein Nein. Und die beiden anderen... Du darfst mir gern glauben, es ist besser, wenn sie in ihrem Ruhezustand verbleiben.“

„Was Yavolski betrifft, wäre ich an deiner Stelle nicht so unerbittlich“, murmelte der Grabhüter und rieb sich den Schnurrbart.

„Darüber haben wir bereits geredet!“, wies Romanova den Einwand zurück.

„Ihr habt also nicht für alle Schlüssel jemanden, der sie übernehmen kann?“ Ich verengte die Augen.

„Wir haben alles, das wir brauchen. Außerdem geht dich das gar nichts an, Cat!“´, entgegnete die Erste Jungfrau frustriert. „Lösen wir die Probleme dann, wenn sie entstehen. Zuerst müssen wir die Schlüssel finden!“

„Ich schlage Folgendes vor: Cat und ich untersuchen Getriebe, Maxim schaut sich in der Astralebene um, und du, Lena, konzentrierst dich auf den Aufbau unserer Hauptniederlassung. Das bedeutet mehr als genug Arbeit für uns. Nichts davon ist einfach.“

„Nun, es gibt lediglich eine Möglichkeit, Bewegung in die Sache zu bringen, und das weißt du!“ Romanova kicherte böse. „Wenn du willst, können wir sofort damit beginnen. Ich habe selbst auch schon daran gedacht.“

„Nein, ich finde, wir sollten unsere Suche fortsetzen“, widersprach der Grabhüter, der zusammengezuckt war. „Mehr Sorgen mache ich mir um den Magister. Er unternimmt nicht das Geringste, und das gefällt mir nicht.“

„Warum sollte er denn handeln? Wie ich schon sagte — es ist ein Xanatos-Spiel. Was auch immer geschieht, es ist zu seinen Gunsten. Wir übernehmen die gesamte Arbeit für ihn.“

„Du übertreibst! Diese Kombination ist viel zu komplex und es gibt zu viele Mitspieler. Es kann sich unmöglich jede Entwicklung günstig für ihn auswirken.“

„Wie auch immer — wir haben doch einen Spion im feindlichen Lager.“ Romanova sah mich an. „Er muss direkt an der Quelle herausfinden, was der Magister plant.“

„Das werde ich. Ich werde ihn fragen. Soll ich ihm sonst noch etwas übermitteln?“, erkundigte ich mich und stand auf. „Ich frage ja nicht gern — aber was ist eigentlich die übliche Bezahlung für Spionage?“

In Wirklichkeit hatte ich es nicht eilig, den Magister aufzusuchen. Ich hatte andere dringende Geschäfte zu erledigen. Nachdem ich das innerste Heiligtum der Zitadelle verlassen hatte, den Kontrollraum, marschierte ich nach unten zu den Stockwerken, die der Öffentlichkeit offenstanden. Romanova hatte sich dazu herabgelassen, meine Reputation bei den Jungfrauen auf Bewunderung anzuheben. Das erschloss mir den Zugang zu allen Annehmlichkeiten der Silberfestung.

Im oberen Bereich der Festung herrschte Stille. Die kalten Statuen der Walküren wachten über leere Räume. Doch weiter unten herrschte emsige Geschäftigkeit. Ich sah viele Spieler und NPCs, die nicht zum Orden gehörten. An den Anlegestellen drängten sich Astralschiffe unter den Flaggen verschiedener Clans und Allianzen. Spieler, derzeit noch nicht in allzu hoher Anzahl, liefen durch die Flure und studierten die Gelegenheiten, die diese neue Fraktion bot. Die Mehrheit von ihnen verfügte zum jetzigen Zeitpunkt noch über keinerlei Reputation und hatte daher lediglich Zugang zu wenigen einzelnen Räumen — der Haupthalle, der Respawn-Kammer, dem Raum mit den Fraktions-Belohnungen und den Docks für die Luftschiffe. Die Jungfrauen brauchten dringend mehr Platz für neue Gebäude und Neulinge. Deshalb waren sie so sehr daran interessiert, eine geeignete Scherbe zu finden.

Ich ging an den Händlern vorbei und bewunderte die hübschen Jungfrauen. Die Mitglieder des Ordens trugen Kleidung in Silber und Blau. Je höher der Rang, desto dunkler wurde das Blau. Viele der Frauen schmückten ihre Gesichter mit aufwändigen Tätowierungen. Dadurch wirkten sie fremdartig und ein wenig furchterregend.

Hmm. Offensichtlich lagen die Dinge nicht so einfach, wie ich gehofft hatte. Trotz meiner Reputation der Bewunderung und meines Zugangs zu allen Belohnungen — einzigartige Entwürfe, Rezepte und Schriftrollen verkauften die Jungfrauen lediglich im Austausch gegen Fraktions-Wertmarken. Die wiederum bekam man nur gegen Ressourcen oder Gold oder wenn man ihre Quests erfüllte. Die Ressourcen, die die Jungfrauen verlangten, waren durchweg selten oder sehr selten und in aller Regel lediglich in der Astralebene zu finden: Tropfen vom Blut der Altehrwürdigen, Astraldiamanten, Waffen der Altehrwürdigen und andere Relikte. Wozu brauchte Romanova bloß all dieses Zeug? Mein Plan, mehrere einzigartige Entwürfe zu erwerben und bahnbrechende Fortschritte zu machen, fiel in sich zusammen. Natürlich hätte ich Arbeit investieren können, um sie mir zu verschaffen...

Nachdem ich mit ein paar Kalkulatoren für Händler herumgespielt hatte, wurde mir klar, dass ich die meisten der Gegenstände, die die Jungfrauen begehrten, im Basar kaufen und hierher transportieren konnte, um sie gegen Wertmarken einzutauschen. Genaugenommen ließen sich alle Ressourcen für Gold kaufen. Wie immer, war es letztlich allein Geld, das zählte. Es gab zwar auch die Möglichkeit, die Ressourcen zu farmen, aber das war nun einmal nicht meine Methode. Die Berechnung der Logistikkosten brachte mich ins Grübeln. Die wertvollsten Wertmarken wurden ausschließlich für den Abschluss der Quests dieses Ordens vergeben. Anscheinend wollte Lena, dass die Spieler, die die Astralebene farmten, all ihre Beute am Ende der Festung und ausschließlich der Festung übergaben. Einem Erfolg dieses Vorhabens stand, soweit ich das beurteilen konnte, nichts entgegen. Und eine direkte Folge eines solchen Erfolgs war höchstwahrscheinlich eine Knappheit der astralen Relikte im Basar und der gesamten SPHERE. Ich ließ mir dieses Problem gründlich durch den Kopf gehen.

Also gut — nein bedeutete nun einmal nein. Ich beschloss, später noch einmal auf diese Angelegenheit zurückzukommen. Natürlich war es dann möglicherweise bereits zu spät. Es gab zahllose Spieler, und es wäre dumm gewesen zu glauben, dass ich unter ihnen der Schlaueste war. Ich musste nach den Schlüsseln suchen, mich mit den virtuellen Entwicklern herumschlagen und das Schicksal der Welt gestalten, aber eine verpasste Gelegenheit, Geld zu verdienen, ärgerte mich. Ich brauchte unbedingt meinen eigenen Stellvertreter!

Eine letzte Frage... Ich übergab Aelister, einer Mystikerin der Jungfrauen in dunkelblauer Kleidung, eine bernsteinfarbene Scherbe des Herzens der Schwerkraft. Noch immer war dieses Bruchstück des legendären Artefakts unidentifiziert, und ich wollte gewährleisten, dass es sicher war, bevor ich es Weldy übergab. Der Ring, den Grün mir gegeben hatte, funktionierte bei Gegenständen dieses Levels leider nicht. Ich brauchte eine mächtige Identifizierungs-Fertigkeit, eine, die bis fast zum Maximum ausgereizt war.

Aelister spielte mit dem durchsichtigen gelben Stein herum, betrachtete seine Tiefen. Dann schürzte sie die Lippen, kniff die Augen zusammen und gab ihn mir zurück.

„Eine Identifizierung ist unmöglich.“