Die Gene der Altehrwürdigen (Der Spieler Buch 2): LitRPG-Serie - Roman Prokofiev - E-Book

Die Gene der Altehrwürdigen (Der Spieler Buch 2): LitRPG-Serie E-Book

Roman Prokofiev

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Beschreibung

Cat hat das Geheimnis seines Schwertes enthüllt und die Aufgabe erhalten, die Sieben Schlüssel zusammenzutragen. Allerdings hat er es nicht eilig, diese neue Quest abzuschließen. Was kümmert ihn auch die Zukunft der Welt, wo ihn doch so viele, weit aufregendere Dinge locken? Auf ihn wartet ein Platz im Clan der Wächter, wo er sich behaupten muss, ihm schwebt die Teilnahme an einer Umverteilung der Macht im Handel vor, und nicht zuletzt muss er Geld verdienen! Cat beginnt, sein eigenes Handelsimperium aufzubauen. Was damit endet, dass er in einen totalen Wirtschaftskrieg verwickelt wird. Er hat Geld gerochen – und reist zum Basar, dem größten Marktplatz der Welt, dem Knotenpunkt aller Handelswege. Dort will er den Magnaten der SPHERE zeigen, was er auf die Beine stellen kann. Cat ist es ernst damit, bis ganz nach oben zu klimmen, Einfluss zu gewinnen, Geld zu scheffeln, neue, riskante Geschäfte abzuschließen und unterwegs neue Freunde ebenso aufzusammeln wie neue Feinde. Sein Erfolg trägt ihm unerwartet einen neuen Gönner ein. Es ist ein Fremder, der sich als der Gott der Schatten, der Schurken und der Händler herausstellt. Er zeigt großes Interesse an dem kühnen, aufsteigenden Händler. Der Gott der Schatten zeigt Cat einen Weg auf – dem dieser folgt. Das bringt ihn zum legendären Helt Acor, zu den Endlosen Pfaden der Altehrwürdigen, die als feines Netz die gesamte Schöpfung durchdringen. Die Tunnel der Endlosen Pfade sind der gefährlichste Dungeon in der gesamten SPHERE. Nur jemand, der das altehrwürdige Gen in sich trägt, ist in der Lage, den Fußstapfen dieser längst untergegangenen Rasse zu folgen und die atemberaubenden Schätze aufzuspüren, die dort verborgen liegen. Am Ende ihrer Reise erwartet die Abenteurer eine große Überraschung...

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Zwischenspiel. Die Göttin

Kapitel 23

Kapitel 24

Über den Autor

Die Gene der Altehrwürdigen

von Roman Prokofiev

Der Spieler

Buch 2

Magic Dome Books

Die Gene der Altehrwürdigen

Der Spieler Buch 2

Buch 2 Originaltitel: The Gene of the Ancients (Rogue Merchant Book #2)

Copyright ©R. Prokofiev, 2020

Covergestaltung © Vladimir Manyukhin 2020

Deutsche Übersetzung © Irena Böttcher, 2022

Lektor: Youndercover Autorenservice

Erschienen 2022 bei Magic Dome Books

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

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Prolog

GIERIG SOG GORTH HAGRA AGATOSH die Luft durch die Nase ein. Hier herrschte ein völlig anderer Geruch – nach frischen Blättern, nach Kiefernnadeln und nach feuchtem Waldnebel. Hinter dem Portal jedoch, in den Schlangenbergen, war alles bereits von bitterem Rauchgeruch durchdrungen.

Schon bald würde dieser Gestank seinen Weg auch hierher finden. Vier hünenhafte, blauhäutige Orks hoben ihren Häuptling auf ihren Schilden in die Höhe. Agatosh bellte einen Befehl, und in der Ferne antwortete ihm der raue Klang von Hörnern. Kriegstrommeln donnerten. Die Krieger der 16. Horde marschierten an ihm vorbei. Sie kamen direkt aus dem Regenbogen-Portal. Den Anfang machte schwere orkische Infanterie, rekrutiert auf den Saphirinseln. Ihre Plattenrüstungen klirrten. Ihnen folgten die Schützen und Bogenschützen mit ihren Bogen und Ballisten. Dreihörner zogen riesige Belagerungstürme, brüllend unter der enormen Belastung.

Die 5. Horde, die sogenannten Schwarzen Teufel, hatten sich an der Seite bereits zur Schlacht formiert. Draxe schwebten in der Luft, aufgereiht in winzigen Dreiecken, und Wolfreiter ritten in allen Richtungen davon, um die Gegend zu erkunden.

In der Nähe landete ein Flugvogel, ein schwarzer Drakondor. Die Armbrustschützen in Agatoshs Nähe zielten sofort auf den Reiter, doch dann senkten sie murrend die Waffen. Der Reiter war ein Verbündeter, obwohler ein Spieler war.

Agatosh vollzog das Zeichen der Herrin, um den Neuankömmling zu begrüßen. Er freute sich immer, wenn er einen Spieler töten konnte, doch dieser spezielle Spieler stand in der Gunst der Göttin selbst.

„Wir werden das Portal noch drei weitere Stunden aufrechterhalten“, erklärte der Spieler, ohne den Kopf zu wenden.

Agatosh knurrte zufrieden. Das verschaffte ihm genug Zeit, die gesamte 16. Horde und ihre Hilfstruppen hierher zu bringen.

Der Spieler strich sich die schneeweißen Haare zurück, die ihm ins Gesicht fielen. Eines seiner Augen verdeckte eine schwarze Augenklappe aus Leder. Langsam und gesetzt sagte er: „Gorth Hagra, ich hoffe, deine Soldaten sind in der Lage, das Blatt zu unseren Gunsten zu wenden. Hast du die Informationen über den Feind erhalten? Und hast du eine Karte seiner Außenposten und die Berichte über seine Garnisonen?“

„Ja“, murmelte Agatosh gekränkt und strich über die silbernen Totenschädel auf seinem Brustpanzer. Hielt Ananizartes Liebling ihn etwa für jemanden, der noch grün hinter den Ohren war und sich in die Schlacht stürzte, ohne vorher Erkundigungen über den Feind einzuziehen? Ihn, Agatosh, den Veteranen der Feurigen Schlacht, der Lliorkh unter die Knute der Herrin gezwungen hatte, den Plünderer von Proteus‘ Elfen an der Ostküste? Von denen unterschied sich die Eyre-Nation nur wenig. Ihre Krieger waren armselige Gestalten, ihre Anführer waren schwach, und nur wenige Spieler unterstützten sie. Er würde Eyre zerquetschen wie eine faule Nuss!

Aber nicht sofort. Die Göttin des Krieges wusste, dass nur Narren sich Hals über Kopf aufs Ziel stürzten.

Kapitel 1

AUF DER GRÜNEN HÜGELSPITZE, die eine Krone aus grauen Hünensteinen schmückte, war eine ungleiche Schlacht im Gang. Die Verteidiger, eine Gruppe von Spielern, waren in den Steinkreis zurückgedrängt worden und offensichtlich gegenüber dem Schwarm aus Angreifern, die von allen Seiten den Hügel erklommen, stark in der Unterzahl. So tapfer sie auch sein mochten, der Ausgang schien vorherbestimmt. Immer mehr Feinde stürmten heran und Klingen trafen in einem Hagel aus Funken aufeinander.

Die Kamera, die über der Szene schwebte, senkte sich herab, begierig, die Details des Kampfes einzufangen: Die Feinde, die aufeinander losgingen, die Gesichter verzogen zu Grimassen des Hasses und des brutalen Triumphes, gefiederte Pfeile, die bebend in Schilden landeten, das Aufblitzen von Stahl und die blutigen Spuren im Gras.

Nur noch drei Verteidiger waren am Leben. Sie standen Rücken an Rücken und waren auf allen Seiten umzingelt. Nichts, so schien es, konnte sie vor dem Zorn ihrer Gegner bewahren. Doch plötzlich flammte in der Hand von einem von ihnen ein blaues Feuer auf und umschloss sein Schwert mit einem hellen Licht. Schon bald blitzte die flammende Klinge mitten in den heftigsten Auseinandersetzungen auf. Jeder, der ihr im Weg stand, wurde in ein Häufchen Asche verwandelt. Nur noch verkohlte Teile seiner Rüstung blieben übrig und krachten auf den blutdurchtränkten Boden. Nach nur einer Minute dieses Blutbades war die Hügelspitze von Feinden befreit. Die Überlebenden hatten sich hastig und beschämt zurückgezogen.

Erneut zoomte die Kamera in die Szene hinein und konzentrierte sich auf das Gesicht des jungen Schwertkämpfers. Sein Ausdruck war entschlossen, die Lippen hatte er zusammengepresst. Seine Stirn zierte eine blutige Wunde.

„Ich habe es geschafft – und du kannst das auch!“, rief er und hob salutierend seine feurige Klinge.

Auf dem Bildschirm wurde ein Text eingeblendet:

HotCat spielt erst seit 69 Tagen in der SPHERE OF WORLDS. Bereits an seinem 5. Tag fand er dieses Schwert. Kannst du es ihm nachtun?

Langsam füllte das riesige Logo der SPHERE den gesamten Bildschirm.

SPHERE OF WORLDS IST EINE WELT DER CHANCENGLEICHHEIT!

HotCat: Und? Hast du es gesehen?

AlexOrder: Nicht schlecht. Sehr inspirierend. Es erinnert mich an unseren Kampf am Grab der Geisterbeschwörer.

HotCat: Genau. Dieses skandalöse Video, das Schnee aufgenommen hatte, war auf V-Net ein voller Erfolg. Unzählige Spieler haben es sich angeschaut. Daraufhin haben die Admins beschlossen, es in einen Werbefilm zu verwandeln. Dienst an den Fans, weißt du?

AlexOrder: Geil! Ist das Video im Spiel entstanden?

HotCat: Nicht ganz. Die Admins haben dafür eine spezielle Funktion benutzt. Workshop nennt sich das. Damit haben sie es bearbeitet.

AlexOrder: Ich weiß, das ist ein integrierter Editor. Mit dessen Hilfe können auch benutzerdefinierte Quests erstellt werden.

HotCat: Sie haben mich in diesen Workshop geschickt. Die Filmaufnahmen, die Wiederholungen – es war verdammt stressig, wie ein echter Filmdreh. Sie wollen zehn solcher Videos veröffentlichen, alle mit unterschiedlichen Charakteren und Plots. Mein Video ist sozusagen die Krönung.

AlexOrder: Ich frage dich das nicht gern, Cat, aber... Haben sie dich dafür bezahlt?

HotCat: Mich bezahlt? Nun... Gewissermaßen ja, aber nicht so, wie du denkst.

Die Erinnerung ließ mich schmunzeln. Das vom Management der SPHERE beauftragte Team, das so unerwartet bei mir zu Hause aufgetaucht war, hatte ein völlig anderes Ziel verfolgt als den Fall von Balabanov.

In der Marketing-Abteilung, die für die Bewerbung der SPHERE zuständig war, hatte eine gravierende Umwälzung stattgefunden. Ein paar hohe Tiere im Unternehmensmanagement hatten allen eine tüchtige Abreibung verpasst, den Abteilungsleiter gefeuert, und das gesamte Team nervös gemacht. Das hatte die PR-Leute dazu gebracht, sich zusammenzusetzen und einen Plan für eine neue Marketingkampagne für die SPHERE OF WORLDS zu entwickeln.

Dabei wollte man sich auf die Möglichkeiten konzentrieren, die die SPHERE den Spielern vom ersten Tag an verschaffte. Dadurch wollte man allen weismachen, dass jeder Neuling ein magisches Schwert finden und raketenhaft aufsteigen könnte. War das Unfug? Natürlich. Im realen Spiel war das so gut wie unmöglich. Dennoch behaupteten die Marketingfritzen, es würde funktionieren, und Tausende neuer Spieler würden es ihnen abkaufen und sich anmelden. Ich mit meinem Schwert, das das Gleichgewicht erschüttert hatte, war ihnen ins Auge gefallen und so wurde ich zum ersten Kandidaten für die Rolle des Protagonisten der Kampagne auserkoren.

Warum auch nicht? Der Vertrag, den man mir angeboten hatte, war nicht sehr kompliziert. Das einzige Problem war, dass man es vermeiden wollte, mir echtes Geld zu zahlen. Was ich gut nachvollziehen konnte. Warum sollte das Unternehmen harte Währung verschwenden, wenn es in seiner Macht stand, alle nur denkbaren virtuellen Reichtümer zu verschenken?

„Alles, was auch immer Sie verlangen“, hatte die langbeinige Lana mir so verlockend versprochen. Das „alles“ hatte sich am Ende jedoch als recht eingeschränkt herausgestellt. Und echtes Geld fiel nicht darunter.

Dennoch bedauerte ich es nicht, mich auf die Vereinbarung eingelassen zu haben. Ich hatte mich bewusst zunächst so betont geweigert, dass die Marketingleute gezwungen waren, ihre Trumpfkarte auf den Tisch zu legen. Aus irgendeinem Grund legten sie großen Wert auf meine Kooperation.

Sie hatten mir ein uneingeschränktes Diamant-Konto gegeben. Genau – die geilste Option unter allen Abonnements. 5.000 Terro pro Monat – was dieses Konto normalerweise kostete – war eine hübsche Summe. Lediglich reiche Leute, zahlende Spieler von großer Bedeutung, konnten sich das leisten. Ich erinnerte mich noch gut an den Beitrag eines solchen Spielers im Forum: Du findest es lächerlich, dass ich einen so hohen Betrag für ein Spiel ausgebe. Und ich finde es lächerlich, dass du das für einen hohen Betrag hältst.

Im Bildschirm für die Auswahl der Konto-Art wurden die Boni, die mit einem Diamant-Konto verbunden waren, nicht einmal beschrieben. Es hieß dort lediglich, dass die Admins den Spieler innerhalb von fünf Minuten anrufen würden, sobald er sich für diese Option entschieden hatte. Das war ein echter VIP-Service, ein höchst individueller Kundendienst.

Insgesamt hatte ich das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Zu schade, dass ich bisher noch keine Zeit gehabt hatte, all diese Vorteile zu genießen. Zuerst hatte mich die Marketing-Abteilung zu diesen Filmaufnahmen gezerrt, und anschließend kam mir das reale Leben in die Quere. Ich hatte Alena einen Besuch bei ihren Eltern zum Ende der Maifeiertage versprochen.

* * *

Stand: die Welt von Dorsa, Kondor, die Burg der Wächter

Komturs Gesicht verdüsterte sich mit jedem neuen Screenshot. Das üble Pentagramm eines Großen Portals war in jeder Aufnahme zu sehen. Reihen von dunklen Kriegern traten aus dem Regenbogenschimmer heraus. Sie trugen dunkle Banner mit einer weißen, fünfzackigen Krone. Ein breitschultriger Ork mit langen Hauern und drei silbernen Totenschädeln auf seinem Brustpanzer führte die Armee an, in der alle Arten von Kämpfern vertreten zu sein schienen: Läufer, Wolfreiter, Drax-Reiter, Bergbogenschützen...

„Wer hat die Info geschickt?“, fragte der Anführer der Wächter barsch.

„Bara Norkins von den Eingeschworenen Brüdern. Sie war die Einzige, der es gelungen ist, näher heranzukommen. Alle anderen haben sie von ihren Flugtieren herabgeholt und getötet. In dem Gebiet wimmelt es nur so vor Feinden.“

„Ein Großes Portal also... Ich hätte nicht gedacht, dass Tao bereit ist, so weit zu gehen... Wie viele von denen haben sich versammelt?“

„Das ist schwer zu sagen. Die drei Schädel bedeuten, dass wir es mit einem Gorth Hagra zu tun haben, dem Kommandeur einer Horde. Aber es ist mehr als eine Horde. Insgesamt sind es mindestens 10.000 NPCs“, erklärte Olaf, der Analyst des Clans.

„Und es ist nicht nur eine x-beliebige Horde, es sind die Veteranen des Hauses der Dunkelheit“, knurrte Balian und studierte die Bilder. „Die können unsere Verbündeten aus der Fraktion zum Frühstück verspeisen.“

„Ja, das ist auf jeden Fall eine Armee, der Eyre nicht gewachsen ist“, stimmte Olaf zu. „Und das Schlimmste ist, sie haben es nicht einmal eilig. Wer auch immer sie anführt, er ist klug. Sie halten sich streng an die Regeln, arbeiten gründlich und verzichten auf waghalsige Raids. Soll ich euch auseinandersetzen, was passieren wird?“

„Bitte, ja.“

„Sie werden Außenposten und eine Infrastruktur errichten: magische Schilde, Wachtürme. Anschließend werden sie ihre Nachhut verstärken und sich auf einen langen Krieg vorbereiten. Dann ist die Zeit für Erkundungszüge gekommen, um die Schwachstellen von Eyre zu finden. Eine nach der anderen werden sie sämtliche Befestigungen der Nation zerstören, bis sie Dan-na-Eyre selbst erreicht haben. Und dann...“

Olaf demonstrierte, sehr anschaulich, das Knacken einer Nuss. Balian nickte ernst. Er stimmte mit der Prognose überein.

„Wie viel Zeit haben wir?“, erkundigte Komtur sich.

„Die werden ihre Zeit brauchen. Wir haben mindestens drei oder vier Monate.“

„Ich kapiere das nicht – wozu braucht Tao denn unbedingt Eyre?“, überlegte Damian laut. „Daran, dass wir ihn in seinem Stolz gekränkt haben, kann es ja wohl nicht liegen, oder?“

„Nein, das ist für ihn nichts Persönliches. Ich glaube, ich habe ihn durchschaut“, erwiderte Olaf der Prophet, ohne zu lächeln. „Es steht viel auf dem Spiel, und ich vermute, Ananizarte hat ihm ihr Blut als Gegenleistung versprochen, wenn er diese kontinentale Quest erfolgreich abschließt.“

„Das ist unmöglich!“

„Was sollte es denn sonst sein? Gegenstände? Artefakte? Das PROJEKT HÖLLE farmt Helt Arcor. Sie haben bereits die Lebendige Rüstung verloren, die zu besorgen sie ein Jahr gekostet hat. Dann sind da die Ausgaben für ein Großes Portal, für das Anheuern der Pandas... Meinen Schätzungen zufolge hat Tao für den Krieg gegen Eyre bereits mehr als zwei Millionen verschwendet.“

Balian pfiff durch die Zähne. „Das Blut einer Göttin? Das, was den Archetypen eines Halbgottes verschafft?“

„Exakt. Es ist das Einzige, was diese astronomischen Investitionen erklären könnte.“

„Wie wäre es mit einer kurzen Erklärung für diejenigen, die darüber nicht Bescheid wissen?“, warf Damian ein. „Was ist denn der Halbgott-Archetyp?“

„Okay, schweifen wir ein wenig ab.“ Olaf faltete die Hände auf dem Rücken und marschierte auf und ab. „Göttliches Blut verschafft einem Spieler die Möglichkeit, den legendären Archetypen eines Halbgottes zu erwerben. Das ist die höchste Belohnung, die ein Himmlischer einem Sterblichen gewähren kann. Wenn sie ihr Blut verschenkt, wird die Gottheit selbst schwächer und verliert an himmlischem Rang. Deshalb verschwenden Götter, wie du dir denken kannst, eine solche Gabe nicht leichtfertig.“

„In der Geschichte der SPHERE wurden lediglich drei solcher Fälle verzeichnet. Sou Ming, eine koreanische Spielerin, war die Erste, der es gelungen ist, eine Quest des obersten Rangs abzuschließen.“

„Die Feuerfüchsin!“

„Genau – eben jene. Die Feuerfüchsin war eine Feuerbeschwörerin, eine Magierin der Schule des Feuers von hohem Level. Nachdem sie die göttliche Macht errungen hatte, konnte sie praktisch niemand mehr aufhalten.“

„Die Einäscherung von Rinport...“ Komtur nickte wissend.

„Stimmt. Die Feuerfüchsin war immer... nun ja, psychisch labil, aber danach hat sie völlig den Verstand verloren. Sie und ihre Meute haben ein solches Chaos angerichtet, dass Hunderte von Spieler sich an die Geschäftsleitung gewandt haben. Am Ende wurde sie gesperrt. Allerdings nicht, weil sie ihre göttliche Macht eingesetzt hat, sondern weil sie ihr Konto mit anderen geteilt und gegen die Benutzervereinbarung verstoßen hat.“

„Oh ja, ich erinnere mich – das war ein großer Skandal“, warf Abel ein. „Die Chinesen haben rebelliert.“

„Ja, die Sperre von Sou Ming hat dazu geführt, dass chinesische und koreanische Spieler massenhaft ihre Abonnements gekündigt haben. Aber damals war die SPHERE bereits im Aufschwung begriffen, und diese Auseinandersetzung hat viele neue Spieler angezogen.“

„Ich glaube, ich weiß auch, wer der zweite Spieler war. Trogg?“, bemerkte Komtur.

„Ja. Er war einer der Top-Spieler vom russischen Clan Hird. Er hat das Blut von einer Zwergen-Gottheit bekommen. Er hat auch als Zwerg gespielt. Er wurde während des Krieges gegen die Verfluchten zum Halbgott. Das ist noch gar nicht so lange her. Es gibt sogar ein Video... Nicht einmal ein gesamter Clan konnte ihn umbringen. Trogg verfügte über eine Super-Verteidigung, die ihn praktisch unverwundbar machte. Leider hatte er irgendwann genug von der SPHERE. Er spielt derzeit nicht.“

„Was den dritten Spieler betrifft – die Sache ist fragwürdig. Es gehen Gerüchte um, dass Corvin, der Anführer eines amerikanischen Clans, ebenfalls ein Halbgott ist. Welche Fähigkeiten er besitzt oder welcher Gott ihm sein Blut gegeben haben soll, ist nicht bekannt. Das ist alles streng geheim, und er hat seinen Archetypen auch nur einmal offengelegt, während einer entscheidenden Schlacht des Clans MARINE gegen Pandorum. Sie haben den Kampf dennoch verloren, und beide Seiten schweigen über die Einzelheiten. Kill-Raten kann man allerdings nicht fälschen. Die Statistiken waren phänomenal und deuten darauf hin, dass Corvin ebenfalls diesen Archetypen hat.“

„Und Tao will der vierte Spieler werden“, stellte Balian der Waschbär nachdenklich fest. „Wir konnten ihn schon jetzt kaum besiegen. Wenn Ananizarte ihn auch noch mit ihrem Blut stärkt, wird er uns mühelos auseinandernehmen.“

„Ich verstehe“, bemerkte Komtur. „Wir dürfen ihm Eyre auf keinen Fall überlassen. Hat jemand Vorschläge?“

„Ich werde einmal gründlich nachdenken. Momentan könnten wir sie ein wenig provozieren, indem wir ihnen Cat vor die Nase halten. So könnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Pandas sind schon hinter mir her und verlangen die Seelen, die wir ihnen versprochen haben.“

„Das ist hoch riskant“, knurrte Komtur. Du weißt doch – das Farmen von Seelen war es, das Taerland zerstört hat.“

„Ja, aber damals geschah das in einem völlig anderen Ausmaß. Ganze Fraktionen wurden getötet. Wir wollen nur ein kleines Stück vom Kuchen – 100 Seelen, oder vielleicht 200.“

Olaf grinste, ruhig, aber boshaft.

„Wo ist übrigens Cat? Ich habe ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen. Die Pandas verlieren langsam die Geduld.“

„Er steckt im realen Leben fest – Urlaub mit seiner Frau. Er hat irgendwelche Probleme erwähnt, aber versprochen, bald zurück zu sein.“

* * *

Die Familie meiner Frau – ihre Eltern und ihr 17-jähriger Taugenichts von einem Bruder – lebte in einer Vorstadt, in einem begrünten, abgeschiedenen Bereich. Alena war ein Soldatenkind. Nach dem Ende des Konflikts in der Transbaikal-Region hatten ihre Eltern sich zur Ruhe gesetzt. Soweit ich mich erinnerte, war es nun 15 Jahre her, seit die Anzahl der Soldaten radikal beschnitten worden war, nachdem es keine Gegner mehr gegeben hatte. Die großzügige Abfindung hatte es Alenas Eltern ermöglicht, ein zweistöckiges Haus im amerikanischen Stil zu kaufen, mit Garage und Garten, und die hohe Pension sorgte für ein komfortables Leben.

Wir verstanden uns nicht sehr gut, und ich zog es vor, unsere Kommunikation auf ein Minimum zu beschränken. Alenas Eltern wünschten sich einen anderen Ehemann für sie. Ich entsprach definitiv nicht ihren Erwartungen. Zwar schienen sie sich im Laufe der letzten zwei Jahre mehr oder weniger mit der Wahl ihrer Tochter abgefunden zu haben, aber manchmal zeigten sie noch immer ihre ursprüngliche Ablehnung. Kurz, ich war niemals zu einem Teil der Familie geworden. Nicht, dass ich mich darum bemüht hätte...

Wie üblich begrüßte man uns mit einem vollgedeckten Tisch und drängte uns sofort alle möglichen traditionellen Gerichte auf, begleitet von Alkohol. Das war nicht anders zu erwarten.

Meine Protestversuche erstickten Alenas Eltern im Keim. Sie behaupteten sogar, ich wäre viel zu dürr. Obwohl ich während der letzten drei Monate, die ich in der SPHERE gespielt hatte, fast acht Kilo zugelegt hatte. Außerdem hatte ich auf meine regelmäßigen morgendlichen Besuche mit Alena im Fitnessstudio verzichtet, denn dank der vielen nächtlichen Kämpfe schlief ich oft bis zum Mittag.

„Das ist eine Verschwendung von gutem Essen!“, beschwerte Victor sich, Alenas Vater und ein ehemaliger Militäroffizier, ein strenger alter Kriegshund. Männer wie er waren normalerweise nicht gerade die Hellsten und gingen als Majore in den Ruhestand. Sie waren vielleicht ehrenwerte, bodenständige Leute und bildeten das Fundament unserer Streitkräfte. Aber sich als Zivilist mit ihnen zu unterhalten, erforderte enorme Anstrengung. Nachdem ich ihn besser kennengelernt hatte, verstand ich, weshalb Alena ihrer Familie den Rücken gekehrt und mich geheiratet hatte, ohne zweimal nachzudenken. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich hätte ebenso gehandelt. Angeblich sollen Frauen sich ja oft Männer suchen, die ihrem Vater ähnlich sind. In ihrem Fall traf das absolut nicht zu. Ich war das genaue Gegenteil von Victor. Was uns beide betraf, war es Abneigung auf den ersten Blick gewesen.

* * *

„Und? Wie sieht es aus bei euch? Du musst mir alles haarklein berichten!“

„Uns geht es gut, Mama.“

„Sprich nicht mit vollem Mund! Wie läuft deine Arbeit, Oleg?“

„Wie immer. Ich habe ein kleines Unternehmen im Internet.“

„Das Internet!“ Victor lachte verächtlich. „Was für ein Haufen Unfug!“

„Nun komm schon, Liebling – mit dem Internet hat doch heutzutage jeder zu tun.“

„Jeder? Wer gibt dir die Autorität, für jeden zu sprechen, Weib?“, blaffte Victor und verlieh seiner Missbilligung deutlich Ausdruck. Anschließend hob er eine Flasche Cognac, um allen einzuschenken. Es war die Flasche, die ich von den Admins der SPHERE bekommen hatte. Ich lehnte ab.

„Wohin werdet ihr denn dieses Jahr in Urlaub fahren? Ihr macht doch normalerweise immer im Mai oder Juni Urlaub, oder?“, erkundigte sich Alenas Mutter Mila.

Ich betrachtete meine sentimentale Schwiegermutter und konnte mir mühelos Alena an ihrem Platz vorstellen. So wird Alena einmal aussehen, wenn sie 60 ist, dachte ich.

Ein Schatten fiel über Alenas Gesicht. Diese Worte hatten sie sichtlich getroffen.

„Wir hatten über eine Kreuzfahrt nachgedacht, mit der Northern Union nach Neu-London, aber es ist etwas dazwischengekommen. Oleg hat Probleme bei der Arbeit...“

Mila hob die Hände und lächelte. „Das ist doch gut – vielleicht könnt ihr stattdessen uns begleiten? Dein Vater hat vier Karten für das Star-Hotel besorgt – für eine gesamte Woche! Aber der Flug ist schon übermorgen, aussuchen konnten wir uns das Datum nicht...“

„Das Star? Oh, ein Zimmer dort wünsche ich mir so sehr!“ Alena klatschte in die Hände und ihre Augen leuchteten. „Oleg, Süßer, das machen wir, nicht wahr?“

Das Star war ein Weltraum-Hotel in einer erdnahen Umlaufbahn. Es war nicht gerade das trendige Nova Cosmo, sondern etwas einfacher, aber dennoch großartig. Künstliche Schwerkraft, Suiten mit einem malerischen Blick auf die Erde, ausgerüstet mit mächtigen Teleskopen und einer enormen Bandbreite an Weltraum-Tourismus-Aktivitäten, vom Schwimmen in einem schwebenden Wasserballon über Spaziergänge im All bis hin zu Sport in der Schwerelosigkeit. Jeder, der einmal dort gewesen war, schwärmte davon.

Ich hätte das Hotel nur zu gern ebenfalls besucht, notfalls sogar in Begleitung meiner Schwiegereltern, aber momentan war dafür keine Zeit. Ich musste dem Magister meine Antwort geben, meine Geschäfte mit dem Marketing-Team abschließen, die Prüfung bestehen, um in den Clan der Wächter aufgenommen zu werden, und vor allem endlich ordentlich Geld verdienen. All das konnte nicht warten. Ich war schlichtweg nicht in der Lage, alles für eine Woche stehen und liegen zu lassen. Es würde meine sämtlichen Pläne gefährden und mich aus der Bahn werfen.

In dieser Nacht versuchte Alena alles, um mich umzustimmen. Sie setzte sogar ihre weiblichen Verführungskünste ein. Doch ich blieb hart. Allerdings einigten wir uns am Ende auf einen Kompromiss – sie würde allein mit ihren Eltern fliegen. Mit diesem Ergebnis schienen alle zufrieden zu sein. Alena konnte eine Woche in ihrem Weltraum-Hotel verbringen, damit anschließend bei ihren Freundinnen angeben, und ich musste mir um sie keine Sorgen machen, weil sie ohne mich Urlaub machte. Und ihre Eltern waren glücklich, auf meine Anwesenheit verzichten zu können.

Am nächsten Abend wurde gegrillt, und dabei wurden fröhlich die Urlaubspläne besprochen. Zum vierten Teilnehmer an der Reise wurde, zu seinem Entsetzen, Ruslan erklärt, Alenas jüngster Bruder. Der Junge hatte sich schon auf eine elternfreie Woche gefreut, aber meine Weigerung zwang ihm das Mitkommen auf. Er sah mich böse an.

Ja, und am nächsten Tag sollte es losgehen.

* * *

Nachdem alles gepackt war, fuhr ich Alena und ihre Familie zum Flughafen von Neu-Tokio. Der Abflug war auf 7 Uhr abends anberaumt. Ich begleitete alle zum Flugzeug, wir verabschiedeten uns, und dann sah ich dem silbernen Metallvogel nach, als er im sich verdunkelnden Himmel verschwand. Jetzt konnte ich endlich nach Hause zurückkehren – zur SPHERE.

Als ich die Stadt erreichte, war es bereits dunkel. Unmittelbar vor der Abbiegung zu unserer Wohnung fuhr mir eine trüb-schwarze Limousine, die sich vom Straßenrand in den Verkehr einfädelte, mitten in den Weg. Ich krachte beinahe gegen ihr Heck und hupte mehrfach, begleitet von lautem Fluchen. Heutzutage sind einfach zu viele Verkehrsrowdys unterwegs, dachte ich erbost.

Die schwarze Limousine – inzwischen hatte ich erkannt, dass es sich um einen Hurrikan handelte – fuhr eine Weile vor mir her und stoppte abrupt im Torbogen, der zum Hof meines Wohnkomplexes führte. Die Warnblinker leuchteten auf. Noch ehe ich reagieren konnte, hatte mich ein weiteres Fahrzeug von hinten eingekesselt. Mein Rückspiegel reflektierte seine Scheinwerfer.

„Die Welt geht wirklich den Bach runter!“, brüllte ich laut und hupte noch ein paar Male. Doch der Fahrer des Hurrikan reagierte nicht. Noch immer blinkten die Warnleuchten. Hatte der etwa eine Panne? Das bezweifelte ich doch sehr.

Ich hatte die Schnauze gestrichen voll von Idioten, die parkten, wo auch immer es ihnen in den Sinn kam. Warum konnten die sich nicht, wie andere Leute, einen ordentlichen Parkplatz suchen? Nach ein paar weiteren Flüchen stieg ich aus meinem Auto, um dem Arschloch in einfachen Worten zu erklären, dass er gefälligst die Straße räumen sollte.

Das Fenster des Hurrikan senkte sich herab. Eine Wolke aus Zigarettenrauch stieg auf. Im Inneren sah ich ein rundes Gesicht mit einer Baseballmütze und Bartstoppeln. Der Kerl hatte sich seit mindestens einer Woche nicht mehr rasiert. Neben ihm saß ein weiterer Mann, blond und schlaksig. Er betrachtete mich kurz, dann wanderte sein Blick zu seinem Handgelenkskommunikator.

Ohne Umschweife forderte ich die beiden auf, mir den Weg freizumachen.

Der bärtige Typ grinste und warf seinem Kumpel einen Blick zu. Der nickte und betrachtete das grüne Signallicht seines Kommunikators.

„Das ist er. Es ist definitiv seine Stimme“, erklärte er.

Ich hatte auf einmal ein übles Gefühl in der Magengrube. Hinter mir knallten Türen. Ich drehte mich um. Zwei weitere Kerle waren aus dem hinteren Wagen gestiegen und kamen auf mich zu. Als ich mich wieder in Richtung des Hurrikans umdrehte, traf mich etwas hart am Kopf. Nahezu geblendet vor Schmerz, flog ich gegen eine Wand. Mit dem Kopf zuerst.

Danach erlebte ich alles nur noch verschwommen. Zum Glück verpasste man mir keine weiteren Schläge. Die Männer aus dem zweiten Auto packten mich, hielten meine Arme fest und zerrten mich grob nach oben. Ich sah die rundliche, unrasierte Visage vor mir. Der Typ rieb sich mit der rechten Hand die linke Faust, aus der ein schimmernder Schlagring ragte. Aha – deshalb hatte der Hieb mich also beinahe k.o. geschlagen!

„Hallo Cat.“ Seine Lippen bewegten sich. „Erkennst du mich denn nicht? Goggy hat mich geschickt. Er hat dir einen Besuch versprochen, nicht wahr? Das weißt du doch bestimmt noch! Wie auch immer, du schuldest uns eine hübsche Summe. Mit Zinsen. Kapiert?“

Endlich wurde mir klar, mit wem ich es zu tun hatte. Diese freundlichen Herren stammten aus den guten alten Tagen von COSMOS ONLINE. Nachdem die Admins alle Händler gesperrt hatten, die mit echtem Geld handelten, darunter auch mich, hatten sie noch auf andere Weise zugeschlagen. Sie hatten das Zweifache des illegal in reales Geld umgetauschten Betrags von den Konten der gesperrten Spieler abgebucht. Was in vielen Fällen zu einem Minus-Saldo geführt hatte. Goggy vertrat die Allianz, ehemals einer meiner besten Kunden. Es waren beträchtliche Summen, die geflossen waren.

Nachdem ich mich von dem Fausthieb erholt hatte, versuchte ich zu fliehen, doch es gelang mir nicht. Die Kerle hatten mich fest im Griff. Von meiner zerschmetterten Lippe tropfte Blut auf meine Brust und versaute mein neues Hemd. Diese Mistkerle!

„Ihr solltet euch lieber an Nick von COSMOGOLD wenden.“ Ich spuckte dem Fritzen vor die Füße. Meine Spucke war rot und zähflüssig.

„Du verstehst es offensichtlich nicht. Dein Nick interessiert uns nicht. Wir haben mit dir zusammengearbeitet! Er ist ein Nichts. Mit dem Kerl musst du dich schon selbst herumschlagen. Kapiert, du Abzocker?“

„Ich schulde euch nichts. Vergesst es – oder verklagt mich meinetwegen.“

„Was? Wir sollen dich verklagen? Jungchen, haben wir etwa zu fest zugeschlagen? Bist du jetzt völlig durchgeknallt? Glaubst du etwa, wir sind hier, um uns zu unterhalten?“

Goggys Handlanger wurde immer erregter. Sein Gesicht war vor Zorn rot angelaufen und er öffnete und schloss wiederholt seine Faust. Dann meldete sich sein blonder Freund zu Wort. „Sieh mal, Cat, die Sache ist ganz einfach. Wir wissen, wer du bist, was du bist, wo du wohnst und wo du deine Karre parkst. Es laufen jede Menge Volltrottel herum. Es wäre doch zu schade, wenn dir einer von denen in einer dunklen Ecke mit einem Stemmeisen die Beine bricht. Oder wenn dein hübsches Auto hier im Hof abbrennt.“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf meinen weißen Toyota zwischen den beiden Fahrzeugen der Gauner. „Oder wenn deiner Alena auf dem Rückweg etwas zustoßen würde... Denk doch mal nach – so etwas kannst du wirklich nicht gebrauchen!“

Er schob mir ein vierfach gefaltetes Stück Papier in die Hemdtasche.

„Das ist der Betrag. Und die Nummer des Kontos, auf das du ihn überweisen musst. Du hast zwei Tage Zeit.“

* * *

Ich war froh, dass Alena nicht da war. Nachdem ich geduscht hatte, untersuchte ich mein Gesicht im Spiegel und tastete meine Zähne mit der Zunge ab. Sie schienen glücklicherweise in Ordnung zu sein, und ich war mit einer aufgeplatzten Lippe davongekommen. Angesichts der enormen Wucht des Hiebs war das ein verdammt gutes Ergebnis. Ich zitterte noch immer ein wenig. Aber ich versuchte, mich zu beruhigen und die Situation zu durchdenken.

Natürlich würde ich diesem Abschaum keinen einzigen Terro zahlen. Ich hatte nicht erwartet, dass irgendeiner von denen, die es in COSMOS direkt oder indirekt erwischt hatte, mich jemals aufspüren würde. Wie hatten die mich bloß gefunden? Ich hatte mein wahres Profil verborgen. Nur sehr wenige Leute wussten, dass ich in Kazan lebte. Es musste ihnen jemand geholfen haben. Der Tipp konnte lediglich von COSMOGOLD gekommen sein. Offensichtlich war es der gute alte Nicky, der mich an Goggy verkauft hatte. Schließlich kannte er meine Adresse. Das war ein Grund mehr, mich an diesem Mistkerl zu rächen. Was auch immer ich mit ihm anstellen würde – ich würde auf jeden Fall dafür sorgen, dass er mich so schnell nicht vergaß. Vage Überlegungen kristallisierten sich zu einer Art Plan. Ich musste lediglich ein wenig Geld und Anstrengung investieren...

Also gut! Aus dem Verhalten seiner Handlanger schloss ich, dass Goggy bereit war, seine Drohungen wahrzumachen. Als ich noch in COSMOS gespielt hatte, war mir Einiges über ihn bekannt gewesen. Er war ein unangenehmer Typ, starrsinnig und hitzköpfig, der die Allianz auf Biegen oder Brechen an die Spitze gebracht hatte. Ich musste mein Problem lösen, und zwar rasch.

Meine erste Überlegung war, mich an die Polizei zu wenden. Aber welche Beweise konnte ich ihnen vorlegen? Leere Drohungen und eine blutverkrustete Lippe? Wie sollte nachweisen, dass die Verletzung von diesen Kerlen stammte und nicht davon, dass ich gegen eine Tür gelaufen war? Es gab keine Zeugen und keine Aufzeichnung. Diese Hurensöhne kannten sich aus – sie hatten mich spät am Abend überfallen, als ich allein war, und sich den passenden Zeitpunkt für eine ungestörte Unterhaltung ausgesucht.

Eine Glocke schrillte und unterbrach meine Gedanken. Der Kommunikator signalisierte einen „unbekannten Anrufer“. Jemand meldete sich bei mir über „Courier“, einen super-beliebten Online Messenger-Dienst, der seine Vorgänger und die gesamte Handy-Telefonie ersetzt hatte. Wer konnte das sein? Ich hatte bereits einen beschissenen Tag hinter mir. In der Erwartung weiterer Probleme hob ich den Kommunikator ans Ohr.

„Hallo?“

„Hallo Cat.“ Die sanfte, ruhige Stimme kam mir bekannt vor, aber mir wollte nicht einfallen, wem sie gehörte.

„Du hast dich schon vier Tage lang nicht mehr in der SPHERE angemeldet. Deshalb habe ich beschlossen nachzufragen, was los ist. Hast du dir mein Angebot überlegt?“

Ich hatte keine Ahnung, wer mich da anrief. Ich war mit meinen Gedanken noch immer bei Goggy. Die SPHERE? Und welches Angebot?“

„Ähm... Tut mir leid, aber wer bitte sind Sie?“, fragte ich nach einer Pause.

„Hast du mich denn nicht erkannt?“ Ein trockenes Lachen. „Ich bin der Magister.“

„Soll das ein übler Scherz sein?“

Fieberhaft dachte ich nach. Wie konnte der Magister, ein NPC in einem Computerspiel, mich in der realen Welt per Kommunikator anrufen? Das war nicht möglich, und wenn er sich zehnmal für eine digitale Kopie eines Programmierers hielt. Aber wer sonst wusste über diese geheime Unterhaltung Bescheid?

„Ich sehe, du bist überrascht. Das ist verständlich. Aber ich bin es tatsächlich. Wir haben über die Sieben Brüder gesprochen, erinnerst du dich?“

„Ja. Aber wie kann das sein?“

„Du meinst meinen Anruf? Was ist daran so verwunderlich? Du kannst deine Freunde doch ebenfalls über Courier kontaktieren, wenn sie in der SPHERE spielen, und umgekehrt.“

„Aber Sie sind ein NPC“, erwiderte ich verwirrt.

„Oleg, mein Junge – selbst wenn mein Avatar einen NPC anzeigt, bedeutet das noch lange nicht, dass ich jede Verbindung zur Außenwelt verloren habe. Ich habe dort noch viele Freunde. Sie helfen mir. Und ich hoffe, dass auch wir beide Freunde werden. Ich passe auf dich auf.“

„Ähm... Was meinen Sie damit?“

„Ich weiß zum Beispiel Bescheid über den überraschenden Besuch des Marketing-Teams der SPHERE bei dir zu Hause. Was wollten sie denn von dir? Dein Schwert für einen Werbefilm verwenden? Ich hoffe, du warst klug genug, unsere gemeinsamen Geheimnisse für dich zu behalten.“

„Das klingt so, als wären Sie selbst dabei gewesen“, bestätigte ich. „Und was Ihr Angebot betrifft – ich brauche mehr Zeit, um es mir gründlich durch den Kopf gehen zu lassen. Noch habe ich mich nicht entschieden.“

„Wann wirst du zur SPHERE zurückkehren? Wir müssen unsere Unterhaltung zu Ende führen.“

„Das weiß ich noch nicht. Momentan habe ich große Probleme in der realen Welt. Die muss ich zuerst beseitigen.“

„Beruhige dich, Cat – ich spüre, wie nervös du bist. Probleme in der realen Welt? Lass mich dir helfen, sie zu lösen. Es ist ungeheuer wichtig, was in der SPHERE geschieht – ich brauche dich dort!“

Ich schwieg. Die Lage war offensichtlich ernster, als ich gedacht hatte. Der Magister hatte sich per Kommunikator bei mir gemeldet, und er wusste von dem Werbefilm. Ich stand unter Beobachtung – in der SPHERE ebenso wie im realen Leben. Sehr abrupt war ich, gegen meinen Willen, in den Strudel eines Machtkampfs geworfen worden. Das beste Anzeichen dafür war die merkwürdige Aufmerksamkeit, die man mir schenkte. Einerseits schien dies teuflisch riskant zu sein, aber andererseits eröffnete es mir eine Welt voller Möglichkeiten, oder?

Ich berichtete dem Magister in knappen Worten von meinem Missgeschick mit Goggy in COSMOS. Er sagte nichts, gab keine Kommentare ab und stellte keine Fragen. Nur am Ende bemerkte er: „ Wir werden dir helfen. Morgen wird dich ein Mann aufsuchen. Gib ihm alle Informationen über diese Kerle. Danach werden sie dich nicht mehr belästigen, also hör auf, dir Sorgen zu machen. Es ist alles in Ordnung.“ Er beendete das Gespräch.

Ich war nicht in Stimmung, mich in der SPHERE anzumelden. Ich musste erst wieder zur Ruhe kommen und über alles nachdenken. Goggys Angriff und das Gespräch mit dem Magister hatten mich vollständig aus der Bahn geworfen. Konnte er mir tatsächlich helfen? Es kam mir unmöglich vor. Ich ging in die Küche, tippte auf die Touch-Leiste, und das magische Heimsystem fuhr hoch und mixte mir einen Whiskey mit Eis. Zuerst einmal brauchte ich Schlaf.

* * *

Der Mann, der am nächsten Morgen um halb acht eintraf, kam mir nicht wie ein Kämpfer vor. Er sah aus wie ein älterer Professor, mit einem intelligenten Gesicht, einem grauen Schnurrbart und einer Brille mit runden Gläsern, wie sie gerade wieder modern geworden war. Auffällig waren lediglich seine Augen, hart und forschend. Er stellte sich als Herr Leo vor, nahm das Papier mit dem Betrag und der Kontonummer von Goggy an sich und stellte mir ein paar Fragen zu den Automarken, den Kennzeichen und dem Erscheinungsbild der Männer. Aus seinen Worten schloss ich auf eine enge Verbindung zu Strafverfolgungsbehörden, entweder jetzt oder in der Vergangenheit.

Als ich ihm alle Informationen gegeben hatte, ging er wieder. Ich lugte aus dem Fenster und sah ihn in einen schwarzen Turbo mit abgedunkelten Fenstern einsteigen.

* * *

Die Situation war kompliziert. Oder, genauer gesagt, sie war beschissen. Ich hatte mich in etwas gestürzt, das meinen Horizont überstieg. Es war ein großes Spiel, das von großen Jungs gespielt wurde, und die Wetteinsätze waren viel höher, als ich mir das auch nur vorstellen konnte. Falls der Absturz des Flugzeugs mit Balabanov und seinem Team tatsächlich absichtlich herbeigeführt worden war, konnten die gleichen Leute ohne Weiteres auch mich verschwinden lassen, und niemand würde es bemerken. Dennoch, das erschloss mir ungeahnte neue Chancen. Ich konnte in der Spitzenliga mitspielen, wenn auch nur als Bauer. Mir war sehr wohl bewusst, dass der Magister mir bei Goggy lediglich half, um sich meine Unterstützung zu sichern. Er wollte, dass ich mich verpflichtet fühlte, sein Angebot anzunehmen. Aber warum sollte ich das nicht ausnutzen?

Ich seufzte und ging im Kopf meine Möglichkeiten durch. Was konnte es mir einbringen, wenn ich den Admins der SPHERE von Balabanov und den Sieben Brüdern berichtete? Im besten Fall eine Empfehlung und vielleicht ein paar Boni. Außerdem würde es mich auf die Beobachtungsliste des Unternehmens katapultieren. Schließlich besaß ich einen der Schlüssel. Und das machte mich zu einem unliebsamen Zeugen, der zu viel über den Tod des ersten Entwickler-Teams wusste. Nein, dieser Weg war zu riskant. Ich entschied mich dagegen.

Wenn ich mich bereiterklärte, dem digitalisierten Balabanov zu helfen, bestand nur eine Gefahr: Dass man das entdeckte und ich zu einem Problem für die Eigentümer der SPHERE wurde. Im Grunde war es das Gleiche. Allerdings hatte ich erheblich mehr zu gewinnen. Das begann mit der Hilfe des Magisters im realen Leben und endete mit einer nicht zu verachtenden Chance, den Jackpot zu gewinnen – falls Balabanovs Pläne Erfolg hatten. Es war eine Summe mit so vielen Nullen, dass ich unwillkürlich erschauerte. Das Spiel war gefährlich, aber es war das Risiko wenigstens wert. Ich spürte beinahe körperlich, wie die Gene meines Vaters in meinem Körper erwachten. Er hatte sein gesamtes Leben mit solch waghalsigen Unternehmungen verbracht und versucht, sich den großen Gewinn zu sichern. Dafür hatte ich ihn immer verurteilt. Doch jetzt folgte ich seinen Fußstapfen. Der Apfel fiel wahrhaftig nicht weit vom Stamm.

Etwas Besseres hatte ich nicht vor, also tat ich das, wofür ich es abgelehnt hatte, Alena und ihre Eltern zu begleiten – ich stieg in die Kapsel.

Drei Tage lang hatten die Werbefritzen der SPHERE mich im Workshop getriezt. Der Workshop war eine Funktion innerhalb der SPHERE, die vom eigentlichen Spiel getrennt war. Es war eine Software, mit deren Hilfe Entwickler und Spieler mit einem Silber-Konto oder darüber Quests und Standorte entwickeln konnten. Wir hatten auf einer speziellen Bühne Hunderte von Szenen durchgespielt und verschiedene Kameraperspektiven ausprobiert. Am Ende war das Video entstanden, das ich Alex gezeigt hatte. Übrigens war dieser Workshop eine geile Sache, mit der sich ein gesamter Unterabschnitt im Forum befasste. Ich hatte herausgefunden, dass einige Spieler mehr Zeit hier als im Spiel verbrachten und alle möglichen Dinge zusammenbauten. Die Möglichkeiten waren atemberaubend. Man konnte eine simple Quest ebenso erstellen wie eine gigantische Stadt. Solange man die nötige Geduld besaß.

Die SPHERE OF WORLDS begrüßte mich mit einem Glückwunsch-Schreiben, das sich über den gesamten Bildschirm entfaltete.

Dein Konto wurde zu einem Diamant-Konto geupgradet! Wir gratulieren! Wir freuen uns, dich unter den Diamant-Spielern willkommen zu heißen... bla, bla, bla.

Ich überflog die Wand aus Text und verschob die Entgegennahme der Vorteile auf später. Zuerst einmal musste ich recherchieren, damit ich das meiste herausholen konnte. In der Zwischenzeit wartete die SPHERE auf mich!

Wie erwartet, tauchte ich an demselben Ort wieder auf, an dem ich vor vier Tagen mit dem Magister gesprochen hatte. Das Feuer im Kamin war kalt und der Raum dunkel. Die hohe Tür war von außen verschlossen. Aber das war kein Problem – falls der Magister mich tatsächlich beobachtete, würde er bald hier eintreffen.

Ich zündete die Kerzen an und setzte mich an den leeren Tisch. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich Symbole für eingegangene Nachrichten flimmern, die darauf warteten, geöffnet zu werden. Und schon ging es los – ich war nur wenige Tage abwesend gewesen, und musste ich mich bereits mit zahllosen E-Mails herumschlagen...

Ein paar der Nachrichten waren Werbe-Spam. Man bot mir Gold für das Spiel oder reales Geld an. Anscheinend war ich auf einer Mailingliste gelandet, nachdem ich meinen Nickname irgendwo offengelegt hatte. Vielleicht, als ich ein paar Chargen in der Auktion verkauft hatte. Mit ein paar Klicks setzte ich die Spammer auf die schwarze Liste.

Die anderen Nachrichten waren interessanter.

Balian der Waschbär informierte mich darüber, wann die Prüfung der Wächter stattfand. Himmel – das war in zwei Tagen!

Komtur und Olaf der Prophet hatten nahezu identische E-Mails geschickt. Sie machten sich Sorgen, weil ich verschwunden war, und baten mich, sie so schnell wie möglich zu kontaktieren. Komtur deutete weiter an, er würde mich im realen Leben finden. Wir dürfen dich auf keinen Fall verlieren, Cat.

Zwei weitere Nachrichten betrafen meine Handelsgeschäfte. Meine Auktions-Bots hatten in der Auktion von Eyre alle Fraktions-Wertmarken aufgekauft, und verschiedene Spieler baten mich, ihnen ein paar davon zu verkaufen, damit sie sich Belohnungen von den NPCs der Eyre-Nation sichern konnten. Fraktionskriegs-Belohnungen – Waffen- und Rüstungssets – konnte man lediglich im Austausch gegen solche Wertmarken erwerben. Je wertvoller die Belohnung, desto mehr Wertmarken musste man dafür hinblättern. Einstweilen reagierte ich auf diese Anfragen nicht. Ich wollte erst einmal abwarten.

Als ich sah, wer die letzte Nachricht geschickt hatte, setzte mein Herz einen Schlag lang aus. Sie war von Tao höchstpersönlich! Er kam knapp und präzise zur Sache.

Du hast meine Sachen. Wie viel?

Es stimmte, nach unserer letzten Schlacht am Tor zur Festung des Ordens hatte Tao ein paar nette Gegenstände gedroppt, mit denen ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht näher befasst hatte, da ich mit anderen Dingen beschäftigt war. Jetzt konnte ich sie endlich untersuchen.

Ring der neun Leben

Qualität: episch

Material: Adamantin, Ellurit.

Haltbarkeit: 11/27. Gewicht: n. z.

9 Edelstein-Slots. Eingelegte Edelsteine: 2/9

Eingelegt: kleiner Heil-Edelstein

Eingelegt: kleiner Heil-Edelstein

Achtung: Sobald du einen tödlichen Treffer erleidest, wird einer der eingelegten Edelsteine zerstört, was den Träger des Rings vollständig heilt.

Der Umhang war sogar von legendärer Qualität. Bestimmt hatte Tao sich mächtig geärgert, den zu verlieren.

König Sildos Umhang

Qualität: legendär

Material: Drachenhaut

Haltbarkeit: 0/47. Gewicht: n. z.

+50 physische Verteidigung (Rücken, Schultern)

+200 Geschicklichkeitspunkte für die Luftmagie

+50 % für die Luftmagie-Verteidigung

Freies Schweben: Ermöglicht es dem Träger zu fliegen. Dauer: 5 Minuten/6 Stunden

Unsichtbare Flügel: Der Träger erwirbt die Flugfähigkeit.

Drachenpanzer: Ein Treffer mit einer normalen Waffe verringert die Haltbarkeit des Umhangs nicht.

Achtung: Das Fliegen erfordert unverbrauchte freie Schwebezeit!

Anforderungen: 600 Geschicklichkeitspunkte im magischen Handwerk, 300 Geschicklichkeitspunkte in Luftmagie.

Der Ring war bereits nahezu verbraucht. Konnte man den vielleicht wiederaufladen? Seine Fähigkeiten waren beeindruckend. Es war eine Art automatischer Heiler, wenn man alle Trefferpunkte verlor. Jetzt verstand ich auch, weshalb es so schwierig gewesen war, Tao umzubringen. Um mehr herauszufinden, setzte ich „Abschätzen“ ein, eine neue Fähigkeit meines Händler-Archetypen. Nach ein paar qualvollen Sekunden nannte das System mir den Preis des Gegenstands: zwischen 25.000 und 50.000 Gold. Jackpot! Dieser epische Ring kostete mehr als meine gesamte Ausrüstung zusammengenommen!

Der Umhang war schwer beschädigt. Nachdem er vom Flammenschwert des Magisters getroffen worden war, lag seine Haltbarkeit bei 0. Dennoch war er ein legendärer Gegenstand. Und legendäre Gegenstände waren... Ich fand nicht einmal die richtigen Worte, um ihre Seltenheit zu beschreiben.

Sie besaßen sechs Eigenschaften, und das machte sie mit zu den geilsten Dingen, die man in der SPHERE finden konnte. Spieler träumten von ihnen und jagten ihnen hinterher. Ein legendäres Objekt in die Finger zu bekommen, war eine Geschichte in sich.

Leider konnte nicht einmal ein Freier Händler den Wert eines solchen Gegenstands korrekt abschätzen. Ich musste dafür eine spezielle App verwenden, die die Preise im Basar beobachtete, dem größten Marktplatz der SPHERE. Nachdem die App mir eine Zahl genannt hatte, saß ich lange in Gedanken versunken da. In meinem Kopf entstand ein Plan. Erwartungsvoll rieb ich mir die Hände.

Warte nur, Tao!, dachte ich.

Aber Rache genoss man am besten kalt. Ich zwang mich zur Ruhe. Ich musste das erst einmal gründlich überdenken.

Hinter mir erklangen Schritte, ein Schloss klickte. Der Magister betrat den Raum, hochgewachsen und schlank. Heute erinnerte er mich noch mehr an einen römischen Patrizier, mit seiner Hakennase und den grauen Schläfen.

„Er kommt einfach ins Zimmer und setzt sich.“ Der Magister lachte. „Und sagt kein Wort. Hast du überprüft, ob ich dich beobachte?“

„Etwas in dieser Art“, erwiderte ich. „Sie beobachten mich also tatsächlich.“

„Natürlich! Was hattest du denn erwartet? Du bist jetzt eine wichtige Persönlichkeit, daran gewöhnst du dich besser.“

„Darüber möchte ich mit Ihnen sprechen. Sie haben mich aufgefordert, eine Entscheidung zu treffen. Ich muss wissen, was Sie von mir wollen. Was soll ich tun? Und inwiefern bin ich wichtig?“

Der Magister setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber. „Alles. Du musst alles tun.“ Er lachte erneut. „Die Sache ist die – ich stecke hier an diesem Ort fest. Es ist alles so angelegt, dass ich der Meister dieser Festung bin. Ich kontrolliere sämtliche Funktionen, und nicht einmal die Admins können mir dazwischenfunken. Was den Grund dafür betrifft – das ist eine lange Geschichte. Du musst es mir einfach glauben.“

„Sie können die Festung also nicht verlassen?“

„Nur in Ausnahmefällen. Sobald ich den Orden verlasse, kann man meinen Schlüssel orten, und die Jagd darauf beginnt. Man würde unnötige Fragen stellen. Deshalb brauche ich einen Helfer, einen Assistenten, der den Rest der Brüder aufspürt und die Sieben Schlüssel findet.“

Ich nickte. Das ergab Sinn.

„Wissen Sie, wo ich am besten danach suche?“

„Wenn es nur so einfach wäre... Nein, Cat. Das Protokoll der Sieben Brüder ist unvollständig. Wir hatten nicht genügend Zeit, die Kommunikation festzulegen. Ursprünglich hatten wir geplant, dass jeder der Sieben weiss, wo sein Schlüssel sich verbirgt, sodass er ihn nach der Aktivierung des Protokolls an sich nehmen konnte.“

„Aber?“

„Aber es ist alles schiefgegangen. Wir konnten die Vorbereitungen nicht abschließen, und jetzt habe ich keine Ahnung, wo die anderen fünf Brüder stecken und wo ihre Schlüssel sind.“

„ Ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie für solche Fälle nicht vorgesorgt haben.“

„Du hast recht, wir hatten einen Notfallplan. Neben den Schlüsseln haben wir auch den Kompass geschaffen, ein Artefakt, das zu den Schlüsseln führt. Das diente als Sicherheit, falls sie verloren gehen oder in die falschen Hände geraten sollten. Aber auch mit dem Kompass gibt es ein Problem.“ Der Magister verstummte kurz, bevor er weitersprach. „Es ist eine heikle Sache. Kurz zusammengefasst hatte ich einen Partner, der meine rechte Hand war. Sein Name war Dmitry Svechkin. Kurz vor dem Flugzeugabsturz hatten wir uns wegen der Sieben Brüder gestritten. Es war eine heftige Auseinandersetzung. Ich erspare dir die Einzelheiten, aber es wurde persönlich. Und er hat den Kompass, oder vielmehr, seine digitale Kopie hat ihn. Dieses Problem wirst du lösen müssen.“

„Ähm... Was meinen Sie damit?“

„Finde Svechkin! Ich weiß, wo sein digitaler Avatar steckt. Er hat den Kompass und einen der Schlüssel. Du musst zu ihm gehen und ihn dazu überreden, dir beides zu geben. Ich will nicht lügen – das wird nicht einfach sein.“

„Aha“, machte ich. „Gehen wir einmal davon aus, wir sind uns einig – ich suche Ihren Freund auf, beschaffe Ihnen den Kompass, arbeite für Sie und finde die restlichen Schlüssel. Was habe ich davon?“

Der Magister lächelte trocken. Diese Frage hatte er offensichtlich nicht erwartet.

„Schmutzige Profitgier... Oleg, wenn wir in der Lage sind, den Verfahrensgenerator zu steuern – und damit die SPHERE selbst –, gehören alle finanziellen Probleme der Vergangenheit an. Für immer. Und wie ich schon sagte – wenn du mir hilfst, bekommst du deinen Anteil.“

„Das sind nichts als Worte. Ich bestehe auf einer Bestätigung, hier und jetzt“, beharrte ich.

„Ich denke, dass ich meine Absichten ‚hier und jetzt‘ bereits deutlich gemacht habe, durch meine Hilfe bei, wie hieß er doch gleich, ‚Goggy‘“, betonte der Magister. „Übrigens, die Sache ist bereinigt. Man wird dich nicht mehr behelligen.“

„Danke für Ihre Unterstützung im realen Leben“, erwiderte ich nach einer Pause. „Ich hätte nicht erwartet, dass Sie dazu imstande sind. Das beweist mir den Ernst der Angelegenheit.“

„Herr Leo wird einen Bericht schreiben. Ich gebe dir seine Kontaktdaten. Er wird in der Außenwelt für deine Sicherheit zuständig sein. Du kannst ihn jederzeit anrufen, wenn etwas passiert.“

„In Ordnung, das werde ich – aber das war es nicht, wovon ich gesprochen habe“, kam ich zum Thema zurück. „Sie haben mir für meine Hilfe den Mond versprochen, aber das ist reichlich abstrakt. Auch der Betrag steht nicht fest. Ich wüsste gern mehr, und zwar sofort.“

„Nun, Oleg...“ Der Magister zögerte. „Ich verstehe nicht, was du willst. Es ist schließlich nicht so, als ob wir über eine solche Sache eine Vereinbarung abschließen könnten. Die wäre ohnehin ungültig. Im Grunde ist es sehr einfach – entweder wir gewinnen oder...“

„Nein, so funktioniert das nicht“, unterbrach ich ihn. „So arbeite ich nicht. Ich schlage ein simples und klares Szenario vor: Sie geben mir eine Aufgabe, und ich erledige sie. Die Belohnung wird im Voraus festgelegt, und die Bezahlung erfolgt stückweise. Und natürlich bekomme ich am Ende dennoch meinen Anteil. Ein Siebtel, nicht wahr?“

„Du bist ein schlauer Fuchs!“ Der Magister lachte. „Kein Wunder, nach allem, was man mir berichtet hat... In Ordnung, ich bin einverstanden. Aber denk daran, reales Geld kann ich dir nicht zahlen. Transaktionen mit der realen Welt sind zu leicht nachzuverfolgen. Das könnte die Menschen in Schwierigkeiten bringen, die mir helfen. Deshalb müssen wir uns auf Spielwährung beschränken, okay? Wie man die in harte Währung verwandelt, muss ich dir sicher nicht erklären.“

„Nein, das müssen Sie nicht. Aber auch Spielwährung kann man nachverfolgen. Was ich von Ihnen brauche, sind lediglich ein paar Insider-Informationen. Die ich anschließend so verwende, wie ich das für richtig halte.“

„Hmmm... Das ist sehr klug von dir, Cat.“ Der Magister trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. „Aber selbst das ist schwieriger, als es den Anschein hat. Die SPHERE ist eine lebendige Welt, in der alles nach dem Zufallsprinzip generiert wird. Aber vielleicht habe ich dennoch etwas für dich... Also gut. Bring mir den Kompass, und ich gebe dir Informationen, die eine Million Gold wert sind. Sind wir uns einig?“

„Nicht ganz – respektable Geschäftsleute zahlen zumindest einen Teil im Voraus.“ Ich grinste.

„Wie frech – ein Vorschuss!“ Balabanov schnippte mit den Fingern und lachte erneut, doch seine Augen blieben hart. „Nun gut – als Anzahlung auf deine zukünftige, enorme Belohnung gebe ich dir etwas Exklusives vom Orden. Schließlich bin ich der Magister, nicht wahr? Du kannst dir aussuchen, was es sein soll – ein Gegenstand, Reputationspunkte oder ein Rezept.“

Reputationspunkte würden mir wahrscheinlich den Zugang zu Quests des Ordens mit seltenen Gegenständen als Belohnung verschaffen – aber das brauchte ich nicht, vor allem nicht angesichts meiner engen Verbindung zu einem gewissen Magister. Ein Gegenstand, vor allem ein einzigartiger, war eine nette Sache, aber es war eine einmalige Angelegenheit. Ich konnte ihn selbst verwenden oder verkaufen. Das war Unsinn. Aber ein Rezept, vor allem wenn es ein vollständig neues war, bedeutete eine großartige Chance, Geld zu verdienen. Ja, ich hatte mich entschieden.

„Ist das Rezept ebenfalls exklusiv?“, vergewisserte ich mich.

„Ja. Du wirst der Erste sein, der es erhält. Bisher hat noch kein Spieler diese Quest-Kette des Ordens freigeschaltet. Ich muss sie erst öffnen.“

„Dann also das Rezept“, erklärte ich.

„Du bekommst es im Labor. Wende dich an den Alchemisten. Ich gestatte dir vorübergehend den Zugang zum inneren Kreis. Und da wir schon von Belohnungen sprechen...“, ergänzte er. „Was haben die Marketingleute der SPHERE dir versprochen? Ich hoffe, du hast ein gutes Geschäft gemacht.“ Kurz darauf korrigierte er sich selbst: „Aber das ist unwahrscheinlich.“

Doch nachdem ich ihm von meinem Diamant-Konto berichtet hatte, nickte er zustimmend und erklärte, dass ich das später ohnehin brauchen würde. Diese Konto-Art bot enorme Vorteile und erleichterte das Spielen. Zum Beispiel ließen die Admins den Diamant-Spielern Einiges durchgehen, was sie anderen nicht erlaubten. Sie behandelten sie völlig anders.

„Und jetzt pass gut auf. Den Regeln zufolge kann jeder Spieler mit einem solchen Abonnement sich ein Geschenk aussuchen, und ich verrate dir, was du auswählen musst...“

* * *

Ich beschloss, ein wenig in der Festung des Ordens herumzuspazieren, nachdem ich mich vom Magister verabschiedet hatte. In der riesigen Anlage, erbaut aus roten Steinen, herrschte reges Leben. In den Tiefen lagerten wahrscheinlich die geilsten Gegenstände. Ich hätte viele Tage gebraucht, um alles zu erkunden. In den Ställen zermalmten die Percheronpferde der Ritter Eicheln, Soldaten übten in steinernen, mit Stroh bedeckten Trainingshöfen den Schwertkampf, und raue Wappengenossen in voller Ausrüstung bewachten alle Gebäude, Durchgänge und verschlossenen Türen. Es war eine vollständige NPC-Fraktion. Sie war vielleicht klein, verfügte aber dennoch über ihr eigenes Wappen, ihre eigene Geschichte und Hierarchie, ihre eigenen Quest-Ketten und Belohnungen. Der Orden wirkte wie einer aus Krieger-Mönchen, wie die Kreuzritter oder die Templer – es waren bärtige Kerle in voller Plattenrüstung.

Spieler sah ich keine, und ich wusste auch warum. Der Orden war eine geschlossene Fraktion. Es schwer, Reputation bei ihm zu erringen. In den Foren schrieben die Leute, dass der Orden lediglich einfache Quests vergab, bei denen man Ressourcen sammeln oder Vorräte liefern musste, gegen armselige Belohnungen. Eine Reputation oberhalb von „Freundlich“ war so gut wie unmöglich zu erreichen – es gab keine Möglichkeit, so viele Punkte zu erwerben. Der Standort der Festung des Magisters verlockte auch keine Spieler zum Farmen. Sie lag am Rand des Wilden Feldes, und das war eine Zone mit wilden Kämpfen Spieler gegen Spieler.

Nach dem Alchemie-Labor musste ich nicht lange suchen, auch wenn es sich im Keller befand. Ein Ritter des Ordens öffnete mir die Tür. Wie alle anderen, trug auch er eine Rüstung und einen Wappenrock sowie ein Schwert. Dass er ein Alchemist war, sah man lediglich an seinen ergrauten Haaren und daran, dass er ein wenig klüger war als die anderen.

„Man hat mich vorgewarnt“, begrüßte er mich.

Ich öffnete die Liste mit den virtuellen Belohnungen. Sie enthielt zwei Ketten von Tränken und Elixieren, insgesamt zehn verschiedene Arten. Das reichte von einfachen Zusammensetzungen mit sechs Zutaten bis hin zu Größeren Tränken, von denen lediglich ein Dutzend Variationen bekannt waren. Der Orden schien sich auf Schutz-Alchemie spezialisiert zu haben – die meisten der Elixiere erhöhten die Widerstandskraft. Von solchen Dingen hatte ich keine Ahnung. Ich musste mich von einem Experten beraten lassen.

Zu diesem Zweck schickte ich einen Screenshot von jedem Rezept zu meinem Cloud-Speicher. Das war die Insider-Information, um die ich gebeten hatte – Tränke, die bislang noch kein Spieler entdeckt hatte. Natürlich konnte ich ohne das entsprechende Rezept kein Elixier brauen, aber nun wusste ich wenigstens, welche Zutaten ich brauchte. Das war bereits von hohem Nutzen, sofern ich dieses Wissen geschickt einsetzte.

Leider erwies sich der Magister als schlau – er hatte mir lediglich die Wahl gelassen zwischen zwei einfachen Rezepten. Der Rest war rot markiert und erforderte eine unglaublich hohe Reputation. Den durfte ich nur ansehen, aber nicht anfassen.

Entschlossen wählte ich die Tinktur des Feuers. Der Alchemist übergab mir mit Gesten, so geheimnisvoll wie die eines Magiers, ein hölzernes Kästchen mit einer Schriftrolle. Der Gegenstand war in meinem Inventar blau umrahmt, was seine seltene Qualität anzeigte. Zu schade – ich hatte mir etwas Besseres erhofft. Beschweren konnte ich mich zwar nicht, denn das Rezept war exklusiv. Dennoch...

„Stimmt es, dass ich der erste Spieler bin, der ein Rezept aus diesem Labor bekommt?“, konnte ich mich nicht zurückhalten zu fragen.

„Du bist sogar der erste Spieler, der jemals den Fuß in das innere Heiligtum der Zitadelle gesetzt hat“, antwortete der Alchemist grimmig. „Nun beginnt es...“

Kapitel 2

Neu-Tokio

Das Gebäude der SPHERE OF WORLDS Corporation

Raucherraum

„HEY, NICK, WIE SIEHT’S AUS? Ich habe gehört, in deiner Abteilung ist eine entscheidende Phase angebrochen?“

„Allerdings! Der Japaner ist völlig durchgedreht. Wir müssen die Protokolle eines bestimmten Standorts manuell überprüfen, kannst du dir das vorstellen? Momentan übernachte ich am besten im Büro. Es ist total verrückt!“

„Und, habt ihr etwas gefunden?“

„Das ist es ja – nein. Dabei haben wir überall gesucht. Es ist merkwürdig ... Es hat ein Kampf stattgefunden, es gibt Zeugen und sogar einen Eintrag in der Killbewertung, aber keine Protokolle – als ob nichts passiert wäre.“

„Wie ist denn das möglich?“

„Wir haben keine Ahnung. Noch dazu ist es ein seltsamer Ort, an dem sich eine kleine NPC-Fraktion aufhält, mit jeder Menge geschlossener Quests. Es ist ein Rätsel. Es wirkt beinahe so, als würde der Ort nur auf ein bestimmtes Signal warten.“

„Einen Auslöser? Oder ist alles eingefroren, wie das Gebiet mit den Walküren?“

„Du meinst die unsichtbaren Walküren? Nein, das wurde durch eine Art Super-Quest verursacht. Hier liegt die Sache anders. Die Fraktion ist offen, man kann darauf zugreifen, aber alles ist... bizarr. So, als gäbe es einen doppelten Boden. Die Zitadelle ist vor Rang 8 geschützt und verfügt sogar über ihr eigenes Portal, ist das nicht unglaublich? Auf den Karten ist das allerdings nicht verzeichnet.“

„Wow! Wo liegt denn diese Zitadelle?“

„In Dorsa. Es ist die Festung des Ordens der Lilie auf dem Schwert.“

„Ich glaube, davon habe ich gehört. Und was stimmt mit den Protokollen nicht?“

„Sie stimmen nicht überein. Oder vielmehr, es gibt keine Protokolle. Es ist, als ob... nun ja, als ob die alte Datei mit einer neuen Version überschrieben worden wäre.“

„Ein Standort ist keine Datei – er kann nicht überschrieben werden. Änderungen können nicht wieder rückgängig gemacht werden, es gibt nur die Möglichkeit des Zurücksetzens...“

„Das weiß ich doch selbst, verdammt! Aber es gibt keine Protokolle. Außerdem ist da noch eine merkwürdige Verbindung... Erinnerst du dich an die Geschichte mit diesem magischen blauen Schwert? Du weißt schon – die mit dem Spieler, der zuerst gesperrt wurde. Anschließend wurde die Sperre aber wieder aufgehoben.“

„Oh ja, darüber haben wir auf einem Meeting gesprochen. Aber wir haben ihn unter Kontrolle, oder etwa nicht?“

„Das hoffe ich. Wie auch immer, die NPCs dieses Ordens haben erst nach seiner Ankunft begonnen, sich zu rühren. Der Fraktionsführer verhält sich auf eine Weise, die sich absolut nicht erklären lässt. Quests werden freigeschaltet, Belohnungen sind verfügbar und die Reputation kann über ‚Freundlich‘ hinausgehen. Was den Hintergrund betrifft – da sind die Sieben Brüder, oder die Sieben Schwerter, rettet die Welt, bla, bla, bla...“

„Anscheinend wurde eine versteckte Kette von Super-Quests ausgelöst. Ist die kontinental?“

„Es ist noch schlimmer. Die Aufgabe ist im Protokoll der Quest als versteckt markiert. Und wegen der Super-Verteidigung der Zitadelle können wir die Unterhaltungen nicht nachverfolgen.“

„Habt ihr versucht, einen ‚Schatten‘ einzuschleusen? Einen unsichtbaren Spion?“

„Ein Schutz vor Rang 8 geht weit darüber hinaus! Nicht einmal Götter könnten die Zitadelle betreten. Es ist ein höllischer Ort. Ich muss sagen, das sieht wirklich nicht danach aus, als ob der Verfahrensgenerator dahintersteckt. Es kommt mir eher so vor, als ob dieser Standort manuell erstellt worden wäre.“

„Du liebe Güte – was für ein Durcheinander! Was willst du denn jetzt machen?“

„Wir sind nur kleine Fische – sollen die Bosse sich darüber den Kopf zerbrechen. Dafür werden die schließlich bezahlt.“

* * *

Möchtest du ein Diamant-Konto aktivieren?

Ja.

Achtung: Du wirst in deinem eigenen Interesse an einen speziellen Standort gebracht, wo dein persönlicher Manager dir alle Vorteile erläutern wird, die ein Diamant-Abonnement mit sich bringt!

Überrascht schaute ich mich um. Um mich herum erstreckte sich ein endlos weiter Raum. Aus allen Richtungen strömte gedämpftes Licht und meine Füße standen auf einer federnden Oberfläche.

Bitte wähle deinen persönlichen Manager!

Vor mir erschien eine virtuelle Benutzeroberfläche mit vielen Reihen von Fotos. Eine Minute lang starrte ich nachdenklich auf die quadratischen Porträts von nüchternen jungen Männern und hübschen jungen Frauen und entschied mich endlich für eines der Gesichter, das einer verschmitzt lächelnden Brünetten, die asiatisch wirkte.

Bitte warte. 29... 28... 27...

Nach exakt 30 Sekunden – wie pünktlich! – stand die junge Frau auf einmal neben mir. Sie war zierlich gebaut, einen Kopf kleiner als ich und hatte eine anmutige Figur, einen schwarzen Pony, durchdringende blaue Augen und eine pinkfarbene Rosenknospe als Mund. Alles in allem war sie ein typisches, russisch-japanisches Halbblut. Die Kinder aus Mischehen waren oft atemberaubend schön.

„Hallo! Mein Name ist Akiru Sokolovskaja. Ich bin dein persönlicher Manager. Danke, dass du dich für mich entschieden hast! Wie soll ich dich ansprechen?“

„Oleg.“