Der Sträubla-Mord - Carlo Fehn - E-Book

Der Sträubla-Mord E-Book

Carlo Fehn

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Nachdem eine engagierte Journalistin der Tageszeitung einen Bericht über Unregelmäßigkeiten und einen möglichen Betrug bei der Wahl zur "Sträubla-Kunnl" des Landkreises Kronach veröffentlicht hat, steht plötzlich auch Hauptkommissar Pytlik als eines der Jurymitglieder am Pranger. Zum selben Zeitpunkt wird die Leiche von Inga Daum, einer der Finalteilnehmerinnen des Wettbewerbs, gefunden. Allem Anschein nach hat sie sich in ihrem Haus in Teuschnitz erhängt. Als sich jedoch während der Ermittlungen herausstellt, dass die zurückgezogen lebende Lehrerin mehr als nur ein Geheimnis mit sich herumtrug, überschlagen sich die Ereignisse, wobei auch Pytlik und sein Assistent Hermann bei ihrer Jagd nach einem Unbekannten beinahe selbst zu Opfern werden.

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Carlo Fehn

Der Sträubla-Mord

Nachdem eine engagierte Journalistin der Tageszeitung einen Bericht über Unregelmäßigkeiten und einen möglichen Betrug bei der Wahl zur »Sträubla-Kunnl« des Landkreises Kronach veröffentlicht hat, steht plötzlich auch Hauptkommissar Pytlik als eines der Jurymitglieder am Pranger.

Zum selben Zeitpunkt wird die Leiche von Inga Daum, einer der Finalteilnehmerinnen des Wettbewerbs, gefunden. Allem Anschein nach hat sie sich in ihrem Haus in Teuschnitz erhängt.

Als sich jedoch während der Ermittlungen herausstellt, dass die zurückgezogen lebende Lehrerin mehr als nur ein Geheimnis mit sich herumtrug, überschlagen sich die Ereignisse, wobei auch Pytlik und sein Assistent Hermann bei ihrer Jagd nach einem Unbekannten beinahe selbst zu Opfern werden.

Der Sträubla-Mord - Hauptkommissar Pytliks zwölfter Fall

Carlo Fehn

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Copyright: © 2019 Verlag Carlo Fehn

ISBN 978-3-750253-75-9

 

Samstag, 15. Oktober 2011

 

Pytlik hatte den Tisch mit viel Liebe zum Detail gedeckt. Sogar eine rote Rose in einer langhalsigen dünnen Vase hatte er in der Mitte platziert. Das Plätschern der Dusche konnte er schon einige Minuten nicht mehr hören. Seine Freundin Martina, die er vor zwei Jahren bei einem Kuraufenthalt am Starnberger See kennengelernt hatte, war am Vorabend von einer Geschäftsreise aus den USA zurückgekehrt. Nach ihrer Ankunft in Kronach hatten die Beiden nur wenige Worte miteinander sprechen können, da die selbstständige PR- und Kommunikationsberaterin wegen der Reisestrapazen erschöpft und früh ins Bett gegangen war.

Zwischen ihnen hatte sich im Laufe der Zeit ein unregelmäßiger Rhythmus für gegenseitige Besuche an den Wochenenden im Rheinland bei ihr oder in Kronach beim Hauptkommissar eingestellt, mit dem beide glücklich waren und sich gut arrangierten. Obwohl sie zwischen den gemeinsamen Tagen nicht allzu oft miteinander telefonierten, war Pytlik sicher, seine Partnerin mittlerweile einigermaßen gut zu kennen und ihre Stimmung und ihr Verhalten deuten zu können. Er hatte den Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmte.

»Na, gar keinen Hunger auf ein leckeres fränkisches Frühstück?«, rief er ihr ins Obergeschoss zu und versuchte dabei, mit seiner Stimme heitere Samstagmorgenlaune zu verbreiten. Ihr promptes »Bin gleich bei dir!« nahm er erfreut zur Kenntnis.

Pytlik ließ zwei weichgekochte Eier behutsam in die Porzellanbecher rutschen. Dann überprüfte er mit einem letzten Blick, ob er auch nichts vergessen hatte, bevor er in die Küche lief, um die Kaffeekanne zu holen. In diesem Augenblick kam Martina auch schon ins Esszimmer gelaufen. Sie schaute zunächst auf den gedeckten Tisch, machte dann höflich große Augen und sagte danach mit einem Lächeln, dass sie so etwas in den letzten Monaten sehr vermisst habe. Anschließend ging sie auf den Hauptkommissar zu, um ihn zu umarmen.

»Danke! Das sieht richtig großartig aus! Und über die Rose freue ich mich auch sehr!«

Danach gab sie ihm einen zärtlichen Kuss auf den Mund, klapste ihm mit ihren Händen zweimal sanft auf den Oberkörper und wandte sich wieder von ihm ab.

»Ich habe einen Riesenhunger. Ich glaube, ich könnte zwar noch ein paar Stunden Schlaf brauchen, aber mein Magen hat einfach zu sehr geknurrt.«

Pytlik sah, dass Martina sich kindlich freute, und so sagte der Hauptkommissar erst einmal nichts.

»Ein Drei-Minuten-Ei?«

Pytlik nickte.

»Drei Minuten und keine Sekunde länger!«

Nachdem die ersten beiden Brötchenhälften geschmiert waren und er Kaffee eingeschenkt hatte, machte er es sich einfach und stellte die obligatorische Frage.

»Na, jetzt erzähl mal: Wie war New York? Wie war deine Arbeit?«

Martina hatte gerade ihr Ei geköpft, den flüssigen Dotter mit etwas Salz bestreut und genussvoll einen ersten Löffel genommen.

»Gott, wie habe ich das vermisst!«

Pytlik hakte ein.

»Was hast du denn da drüben gefrühstückt? Gab es da keine gekochten Eier?«

Martina hatte den Mund gerade voll und winkte nur ab. Erst nach einigen Sekunden konnte sie antworten.

»Von geregeltem Alltagsleben war ich in den letzten drei Monaten so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Glaub mir! Du hast ja selbst gemerkt, dass wir kaum miteinander telefonieren konnten. Und wenn, dann immer nur ein paar Minuten. Abends haben wir meistens erst sehr spät Schluss gemacht, dann noch irgendwo etwas gegessen, einen Absacker vielleicht – danach ins Bett! Ich glaube, ich habe in der gesamten Zeit nur ein- oder zweimal im Hotel gefrühstückt. Ansonsten immer einen Kaffee mit ins Büro und irgendjemand hat dann Sandwiches oder was Süßes hingestellt. Und dieser Rhythmus tagaus, tagein! Und deswegen ist dieses Frühstück für mich gerade wirklich wie ein kleiner Lottogewinn. Danke, Franz!«

Pytlik nickte souverän und ließ sich nicht anmerken, wie froh er war, Martina gegenüber sitzen zu haben. Dennoch hätte er sie am liebsten gleich ganz direkt gefragt: Hattest du etwas mit einem Anderen in New York? Und natürlich hätte sie darauf geantwortet, wie er denn darauf komme und dass sie natürlich nichts mit einem anderen Mann gehabt hätte. Er konnte es einfach nicht beschreiben, aber er spürte, dass das Vierteljahr, in dem sie in den USA gewesen war, etwas verändern würde oder bereits verändert hatte. Er fasste sich ein Herz.

»Hast du mich denn auch vermisst?«

Sie antwortete, ohne ihn dabei anzuschauen.

»Klar doch! Und das weißt du auch! Du kannst dir auch gar nicht vorstellen, wie schnell die Zeit für mich vergangen ist, weil ich gefühlt eigentlich nur gearbeitet habe und wir auch ziemlich viel erreicht haben für die bevorstehende Fusion dieser beiden Firmen. Aber es gab immer wieder Momente, da konnte ich nachts nicht einschlafen und hätte mir gewünscht, dass du bei mir gewesen wärst.«

Danach streckte sie ihren Arm aus und streichelte Pytliks Handrücken. Sie schenkte ihm ein Lächeln. Er erwiderte es.

Der Hauptkommissar beließ es dann zunächst dabei. Auch er hatte Hunger und das Frühstück am Wochenende war für ihn dennoch immer etwas ganz Besonderes. Auch die Lektüre der Tageszeitung gehörte für ihn dazu, aber nachdem seine Partnerin ihm dann noch von ihrer spannenden Aufgabe erzählte und er auch interessiert zuhörte, verschob er das auf später.

»Naja…«, machte Martina Anstalten, den Bericht über ihre Zeit in den Staaten langsam beenden zu wollen. Als sie die Kuppe ihres Zeigefingers an ihrem Mund leicht befeuchtete und danach begann Krümel auf ihrem Teller zu sammeln, merkte Pytlik, wie es ihm flau im Magen wurde. Die Kaffeetasse, aus der er gerade getrunken hatte, stellte er sehr bedächtig wieder ab. Ihre Blicke trafen sich, und er wusste, dass sie ihm jetzt noch etwas Anderes sagen würde.

»Naja was?«, bohrte er nach. Sie rieb mit ihren Handflächen schnell über ihre Oberschenkel, presste die Lippen zusammen und schaute hinüber in die Küche. Dann stützte sie die Ellenbogen auf dem Tisch ab, führte die Fingerspitzen zu einer Art Dreieck zusammen und lehnte ihren Kopf daran an.

»Naja, sie waren mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Vielleicht sogar mehr als das! Sie möchten mich für die nächsten Steps unter allen Umständen wieder buchen.«

Pytlik hörte einfach nur zu ohne das, was ihm relativ klar zu sein schien und abrupt durch den Kopf ging, zunächst an ihn heranzulassen. Martina machte eine Pause und wartete wohl darauf, dass er eine Frage stellen würde. Pytlik schob seinen Stuhl zurück, nahm den leeren Teller und einige Sachen, die in den Kühlschrank gehörten und ging in die Küche. In der Wohnung war es mucksmäuschenstill; nur das Geräusch der Teller, die der Hauptkommissar abstellte und das leise Quietschen der Kühlschranktür waren zu hören. Martina saß immer noch auf ihrem Stuhl.

»Was heißt nächste Steps? Wann sind diese nächsten Steps? Und wie lange dauern die?«

Pytlik hatte sich an die Arbeitsplatte gelehnt, die Arme verschränkt und Martina zugewandt. Sie stand langsam auf und lief wider Erwarten ruhigen Schrittes in Richtung Terrassentür. Dann drehte sie sich um.

»Es kann jetzt alles sehr schnell gehen! Die werden in den nächsten Tagen alles noch einmal unter die Lupe nehmen und auswerten. Aber nachdem bereits in vielen Punkten Einigkeit über die weitere Strategie besteht, möchte man so schnell wie möglich vorankommen. Das heißt,…«

Pytlik unterbrach sie plötzlich, seine Stimme klang energisch und verärgert.

»Wann? Ich frage: wann und wie lange?«

Martina machte sich nun auf den Weg in die Küche. Auch sie nahm vom Tisch einige Dinge mit.

»Ich werde morgen nach Hause fahren, um bis Mitte der Woche einiges zu erledigen und mich mit meiner Familie zu treffen. Ich gehe davon aus, dass ich bereits am nächsten Wochenende schon wieder rüberfliegen werde.«

Es machte den Anschein, dass Martina ihm erst gar nicht die Möglichkeit geben wollte, die beleidigte Leberwurst oder den vernachlässigten Partner zu spielen.

»Du kannst dich doch noch erinnern, was wir damals am Starnberger See so vor uns hin philosophiert haben. Dass wir es einfach versuchen würden, aber immer in dem Bewusstsein, dass eine Beziehung auf diese Entfernung ganz besonderen Belastungen ausgesetzt sein kann. Noch dazu mit unseren Jobs! Jetzt ist es halt nun einmal so, dass wir eine Sondersituation haben und wir das entweder hinbekommen oder nicht.«

Pytlik war bedient und spürte, dass er ohnehin keine Möglichkeit hatte, die Dinge irgendwie zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

»Gut! Nächstes Wochenende also! Bleibt nur noch die Frage: wie lange? Wie lange wirst du dieses Mal weg sein?«

»Das weiß ich noch…«

»Doch!«, fuhr Pytlik plötzlich aus der Haut. Er hatte die Beherrschung verloren und zeigte deutlich, dass er wegen dieser Nachricht durcheinander war.

»Doch! Du weißt es ganz bestimmt schon! Du möchtest es nur nicht jetzt und hier sagen, weil du Angst hast, mir den eigentlich schönen Samstag und das schöne Frühstück mit dir zu versauen! Aber keine Angst, ist schon versaut! Also: Wie lange wirst du weg sein?«

Martina hatte die Spülmaschine geöffnet und Teller und Geschirr hineingetan. Sie drehte sich um und stand nahe vor Pytlik, der die Arme verschränkt hatte und an ihr vorbeischaute.

»Vielleicht für sehr lange!«

 

***

 

Nach dem gemeinsamen Frühstück war zwischen Pytlik und Martina das große Schweigen ausgebrochen. Der Hauptkommissar hatte das Gefühl, dass der Verlauf des Vormittags ziemlich genau ihren Planungen entsprochen hatte. Während er vorgab, im Garten einige Dinge erledigen zu müssen, führte sie zunächst Telefonate, bevor sie sich dann verabschiedete mit dem Hinweis, in der Stadt ein paar Sachen einkaufen zu müssen.

Eine Weile war sie schon weg, und der Hauptkommissar saß auf der Couch in seinem Wohnzimmer und grübelte. Hatte er womöglich überreagiert? Stand es ihm überhaupt zu, einer Frau, die er zwar liebte, deren Berufsleben er aber nicht beeinflussen wollte und konnte, für eine Entscheidung zu ihren Gunsten zu kritisieren? Musste er sich nicht vielleicht eingestehen, dass er jetzt mit den Geistern, die er gerufen hatte, auch leben musste? Er beschloss, zunächst einmal kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Er wusste, dass es ihn einiges an Anstrengung kosten würde, sich Martina gegenüber bis zu ihrer Abfahrt am nächsten Tag normal zu verhalten, aber er wollte sich dieser Herausforderung stellen.

Sie hatte seinen Haustürschlüssel mitgenommen und kam am frühen Nachmittag mit einigen Tüten in der Hand zurück. Sie begrüßte ihn mit einem freundlichen »Hallo!«, stellte danach die Einkaufstaschen erst einmal ab und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Der Hauptkommissar war zwar einerseits etwas irritiert, dass sie anscheinend die aktuelle Situation und das Gespräch vom Vormittag komplett ausblendete, andererseits war er aber auch froh darüber. Dann begann er, seinen Plan in die Tat umzusetzen.

»Na, alles bekommen, was du gesucht hast?«

Martina nickte und legte ihre Jacke über einen Esszimmerstuhl. Dann packte sie nach und nach alles aus, um es Pytlik zu zeigen.

»Wollen wir heute Abend nicht essen gehen? Ich habe gesehen, da hat ein neuer Italiener aufgemacht.«

»Wo?«, fragte Pytlik nach und war dabei in Gedanken versunken. Er hatte sich die Tageszeitung genommen und las sehr interessiert einen Bericht.

»Na, da in der Fußgängerzone, gegenüber von dem Telefonladen. Weißt du, wo ich meine?«, beschrieb Martina. Pytlik reagierte nicht.

»Da wo der Hahn auf der Katze auf dem Hund auf dem Esel sitzt. Weißt du wo?«, prüfte sie ihn und lächelte voller Erwartung. Pytlik schaute kurz auf.

»Ja, ja, ich weiß, wo das ist!«

Sie stützte ihre Fäuste in den Hüften ab und stellte sich vor ihn.

»Ich kann es einfach nicht fassen! Hörst du mir überhaupt zu? Ich erzähle dir die Geschichte von den Bremer Stadtmusikanten und du sagst einfach nur: ›Ja, ich weiß wo das ist!‹ Dann schlug sie mit der Rückseite ihrer Hand leicht gegen die Zeitung, so dass Pytlik zu ihr hochschauen musste.

»Entschuldige bitte, aber ich lese hier gerade etwas sehr Interessantes. Also, wie nochmal? Italiener, heute Abend? Ja, sehr gerne! Aber für diese schlechten Nachrichten heute Morgen lädst du mich bitte ein!«

Martina blaffte, drehte sich um und lief in Richtung Küche.

»Also gut, ich lasse mich auf den Deal ein. Was ist denn eigentlich so wichtig in deiner Zeitung?«

Pytlik hatte die Stirn in Falten gelegt und schien über den Inhalt eines Berichts tatsächlich erstaunt zu sein. Er legte das Papier vorsichtig auf den Wohnzimmertisch und ließ sich dann wieder zurück an das Rückenpolster fallen.

»Ich habe Kuchen und Gebäck mitgebracht. Soll ich uns einen Kaffee machen?«, kümmerte sich Martina. Pytlik stimmte zu und begann dann zu erzählen.

»Ach, du weißt doch, dass ich im Frühjahr bei so einem Wettbewerb als Jurymitglied eingeladen war, wo es darum ging, die beste Sträublabäckerin im Landkreis Kronach zu küren.«

Pytlik hatte sich erhoben und lief ebenfalls in die Küche, wo Martina an die Arbeit gegangen war. Sie fragte interessiert nach.

»Du und Jurymitglied? Ja, da war etwas, an das ich mich dunkel erinnere. Musstest du da nicht immer jeweils schon in aller Herrgottsfrüh vor Ort sein, um von Anfang an alles zu sehen und es dann auch entsprechend zu beurteilen?«

Pytlik hob die Augenbrauen so, als würde ihm die reine Erinnerung daran schon wieder Kopfschmerzen bereiten.

»Hör mir bloß auf damit! Mir wird schon ganz anders, wenn ich jetzt noch daran denke! Diesen Geruch, der überall in den Häusern gleich war, werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Und diese Hitze noch dazu. Ich bin ja jedes Mal, wenn wir fertig waren, rausgegangen und war fix und alle!«

Martina hatte gerade die Papierverpackung aufgemacht, und Pytlik musste gleich laut loslachen.

»Na, da hast du doch sogar welche mitgebracht!«

Martina verstand nicht, was er meinte.

»Was denn?«

»Na da!«, deutete Pytlik auf die beiden Gebäckteile, die neben einem Stück Erdbeerkuchen und einem Stück Käsesahnetorte gestapelt waren.

»Anscheinend hast du ja selbst in der Bäckerei zwei Sträubla bestellt!«

Martina war verwundert und musste nun auch lachen.

»Ach echt? Ich wusste ja nicht, wie die Dinger heißen und habe halt dann einfach so mit dem Finger draufgezeigt. Aber ich glaube, die Verkäuferin hat nicht gesagt, dass das Sträubla wären. Wie hat sie die nochmal genannt?«

Pytlik holte zwei Tassen und Teller aus dem oberen Schrank und gab die Antwort souverän. Er wusste, dass es stimmen musste.

»Ausgezogene Krapfen!«

»Stimmt! Ausgezogene Krapfen hat sie gesagt!«, war Martina sicher.

»Die habe ich noch nicht gegessen, oder? Ich bin ja mittlerweile auch Fan von deinen Puddingbrezeln, aber die hatten sie gerade nicht, deswegen habe ich mir gedacht…«

Pytlik nickte.

»Alles bestens! Du hast gut eingekauft und die Sträubla – oder wie man auch noch sagt: ausgezogenen Krapfen – sind hier in der Region und im Landkreis das viel bekanntere und traditionellere Gebäck als meine Puddingbrezeln. Die Sträubla werden auch in erster Linie für die Kommunion, Konfirmation und bei Hochzeiten an die Familien, Freunde und geladenen Gäste verteilt. Aber die bekommst du auch sonst ganzjährig in jeder Bäckerei. Da kommt jetzt noch Puderzucker oben drüber und du wirst sehen, die sind wirklich sehr lecker.«

»Das heißt dann aber auch, du hast da jetzt keinen Schock erlitten und wirst so ein leckeres Sträubla – richtig? – jetzt auch mit mir essen?«, war Martina etwas in Sorge. Pytlik lachte erneut.

»Keine Angst! Tatsächlich konnte ich einige Wochen nach der Abschlussveranstaltung diese Dinger nicht mehr sehen und riechen, geschweige denn essen! Und meine Puddingbrezeln sind mir halt immer noch heilig, aber mittlerweile kann es ab und zu auch wieder mal ein Sträubla sein.«

»Na, dann bin ich ja beruhigt!«, sagte Martina und wollte anschließend aber doch noch wissen, was in dem Bericht stand. Pytliks Miene wurde nun ernster, und während er den Tisch deckte, erzählte er.

»Ich habe dir damals von der ganzen Geschichte nur am Rande erzählt, und da das ohnehin in die Zeit gefallen war, als du mit deinen Eltern und deinem Bruder die Skandinavienrundreise gemacht hast, hast du das, glaube ich, gar nicht so registriert. Ist auch besser so!«

»Ich erinnere mich nur schwach!«, gestand Martina.

»Ist auch egal! Irgendjemand hatte aus irgendeinem Grund die tolle Idee, ähnlich den bekannten Wahlen einer Bierkönigin, einer Weinkönigin, einer Apfelkönigin und was es sonst noch alles an Königinnen gibt, im Landkreis Kronach die Wahl einer Sträublakönigin durchzuführen. Und um dem Ganzen eben nicht die Krone einer Königin aufzusetzen, sondern passend zum althergebrachten, traditionellen Sträubla aus dem Landkreis Kronach einen entsprechend passenden Titel zu finden, wurde aus der Königin kurzerhand eine ›Kunnl‹ gemacht. Jetzt wirst du dich natürlich wieder fragen, was eine ›Kunnl‹ ist.«

Martina nickte erwartungsvoll.

»Ich muss ganz ehrlich gestehen«, holte Pytlik etwas aus, »mir war das bis zu meiner Nominierung als Jurymitglied auch nicht bekannt. Grundsätzlich ist ›Kunnl‹ in den hiesigen Breitengraden nichts Anderes als der Rufname für eine Frau, die auf Kunigunde getauft wurde.«

»Aha! Das hast du aber exzellent erklärt, Herr Hauptkommissar.«

Pytlik nahm das Kompliment mit einer entsprechenden Geste dankend an. Dann fuhr er fort.

»›Kunnl‹ ist darüber hinaus aber auch so eine Art Sammelbegriff für allerlei unterschiedliche Menschen mit speziellen Eigenschaften – so würde ich das mal bezeichnen! Also das typische Waschweib in irgendeinem Dorf ist halt dann die ›Tratsch-Kunnl‹, diejenige, die alles immer gleich brühwarm weitererzählt, ohne zu wissen, ob es auch wirklich stimmt. Die Schulkollegin, die keiner mag, weil sie immer nur gute Noten schreibt und auf keiner Party zu sehen ist, ist eben einfach ›voll die Kunnl‹. ›Kunnl‹ kann aber auch positiv besetzt sein, und so hat man sich eben entschlossen, der Person, die letztendlich als die beste und qualifizierteste private Sträublabäckerin im Landkreis gekürt werden sollte, den Titel der ›Sträubla-Kunnl‹ zu verleihen.«

»Gut, ich glaube, das habe ich soweit verstanden«, bestätigte Martina.

»Und wie viele standen da zur Auswahl?«, wollte sie danach wissen.

»Aus jeder Stadt beziehungsweis jeder Gemeinde im Landkreis wurde zunächst vorab eine Bewerberin ausgewählt«, begann Pytlik zu erklären.

»Das lief alles eher formlos ab, denn die einschlägigen Kandidatinnen, die dafür infrage kamen, waren in den Stadt- oder Gemeindeverwaltungen ja bekannt.«

Martina wunderte sich.

»Gab es denn überhaupt keine männlichen Bewerber?«

Pytlik schürzte die Lippen und dachte nach.

»Zumindest war bei den letztendlich 18 Auserkorenen kein Mann dabei! Die wurden, nachdem in den Verwaltungen jeweils eine kleine oder größere Kandidatenliste vorlag, kurzerhand im Rahmen einer Sitzung bestimmt und zogen in den nächsten Vorentscheid ein. Hier musste ich noch nicht mit eingreifen. Die 18 Bewerberinnen mussten sich einem Team, bestehend aus den Geschäftsführern der einheimischen Bäckereien, zunächst vorstellen, danach erzählen, warum und wie lange sie privat schon Sträubla backen, und anschließend mussten sie sich einigen spezifischen Fragen der Fachleute stellen. Die füllten dann einen Bewertungsbogen aus, anhand dessen am Schluss drei Frauen als Finalistinnen feststanden. Und mit denen ging es jetzt ans Eingemachte – auch für mich!«

Jetzt war Martina wieder im Bilde.

»Verstehe! Also jetzt kommst du ins Spiel?«

Pytlik nickte. Seine Miene ließ erahnen, dass die Erinnerung daran ihn nicht mit Freude erfüllte.

»Genau! Die Aufgabe bestand nun darin, dass jede Einzelne der drei Finalistinnen an einem Samstagmorgen zuhause bei sich Sträubla backen musste vor dem Hintergrund der gestellten Situation, jemand hätte bei ihr für eine Kommunion 50 Sträubla bestellt. Die Jury bestand aus fünf Personen: im Wechsel waren immer zwei Chefs der Bäckereien dabei und dann als feste Jurymitglieder drei Personen des öffentlichen Lebens, denen man eine gewisse Affinität zu dem Thema nachsagte.«

Martina unterbrach ihn.

»Du also, weil bekannt ist, dass du der Puddingbrezel-Mann bist. Richtig?«

Pytlik nickte gequält.

»Ich habe damals ja erst von meiner Sekretärin Gundi Reif erfahren, dass ich bei uns intern schon ›Puddingbrezel-Kunnl‹ genannt werde.«

Martina lachte, dann erzählte Pytlik weiter.

»Der Chef des Backhauses hat mich da ins Spiel gebracht und, naja, einen Polizeihauptkommissar in einer Jury sitzen zu haben, ist ja auch für die Öffentlichkeitsarbeit eines solchen Events nicht gerade verkehrt. Ich erinnere mich noch an jede einzelne Überschrift in den Berichten der Tageszeitungen, als der Wettbewerb lief. Die haben sich mit kreativen Einfällen wirklich überboten, das kann ich dir sagen!«

Martina konnte es sich vorstellen und wollte dann noch wissen, wer noch mit zum Team gehörte.

»Letztendlich«, fuhr Pytlik fort, und man konnte dem Hauptkommissar jetzt deutlich ansehen, dass er mit seinen Gedanken immer noch beim Inhalt des Berichts war, den er gelesen hatte, »waren bei der Abschlussveranstaltung im Kreiskulturraum in der Jury vier Bäckereichefs, der Landrat, die Vorsitzende des Vereins für Tradition und Kultur im Landkreis Kronach und ich.«

Martina war etwas überrascht.

»Das heißt, der Landrat war auch bei den drei Terminen vor Ort jeweils schon dabei?«

Pytlik nickte und winkte gleichzeitig mit einer Hand ab.

»War politisch gerade eine schwierige Zeit für ihn, der brauchte ein bisschen positive Presse. Dass er sich dadurch als Sträublaliebhaber und -spezialist geoutet hat, hat sich bestimmt nicht negativ auf seine Beliebtheitswerte ausgewirkt. Aber langer Rede kurzer Sinn: Was hier steht unter der Überschrift ›Schummelei bei der Wahl zur Sträubla-Kunnl!‹, ist ja unfassbar! Letztendlich steht hier ja sogar, dass alle Jurymitglieder im Verdacht stehen, ihre Bewertung zu Gunsten einer bestimmten Kandidatin – logischerweise der Gewinnerin – abgegeben zu haben.«

Martina legte die Stirn in Falten

»Ist nicht dein Ernst, oder?«

Pytlik nickte vehement und schnell.

»Ja, doch! Lies doch selbst! Aufgrund eines anonymen Hinweises an die Redaktion und einer entsprechenden Nachfrage beim Veranstalter, der für eine sofortige Stellungnahme nicht bereit war, wolle man der Sache jetzt genauer auf den Grund gehen. Darüber hinaus hätte sich wohl auch die Siegerin bereits in der Öffentlichkeit gemeldet und sich darüber beschwert, wie mit ihr in den Wochen und Monaten nach ihrer Kür umgegangen worden war. Sie hätte sich das alles ganz anders vorgestellt.«

Martina hatte mittlerweile die Zeitung in der Hand und las gespannt, was Pytlik ihr bereits als Zusammenfassung geliefert hatte.

»So eine Scheiße, du! Da lässt man sich wieder mal für irgend so einen Mist breitschlagen, weil man denkt, neben der Arbeit auch noch einen gewissen Beitrag für die Gesellschaft leisten zu müssen – und dann sowas! Also, wenn das stimmt, dass da irgendetwas gemauschelt wurde und jemand dafür als Verantwortlicher benannt werden kann, dann Gnade dem aber Gott! Den werde ich mit allen Mitteln und Wegen klein machen!«

Pytlik kochte innerlich, während er gleichzeitig versuchte, das Thema für den Rest des Tages nicht noch weiter zu strapazieren. Schließlich wollte er mit Martina noch ein paar schöne Stunden verbringen. Nach einigen Minuten legte sie die Zeitung beiseite, und in ihrem Gesicht war ein Ausdruck von Verwunderung zu sehen.

»Da steht ja auch, dass der Veranstalter mit seiner Eventagentur anscheinend ein bisschen in Schieflage geraten ist. Die Vorsitzende dieses Vereins, die mit in der Jury saß und der Landrat scheinen sich auch nicht unbedingt zu mögen und auch die Bäckereien bekommt man sonst wohl auch nicht unbedingt freiwillig gemeinsam an einen Tisch. Ich meine, da wird jetzt in der örtlichen Tageszeitung fast eine Seite dafür hergenommen, um so ein halbgares Gerücht publik zu machen? Die wissen doch bereits mehr, als sie hier schreiben! Meinst du nicht auch?«

»Na klar!«, polterte Pytlik jetzt los.

»Die machen da jetzt eine Kriminalserie draus und bringen in den nächsten Tagen und Wochen häppchenweise immer wieder neue Details. Und so lange bin ich mit in der Verlosung drin. Ich kann mir schon vorstellen, wie jetzt im Backhaus und in der Metzgerei wieder hinter vorgehaltener Hand getuschelt und geflüstert wird, wenn ich früh meine Puddingbrezel und meine Leberkässemmel abhole: ›Das ist doch der Hauptkommissar, der bei der Schummelei auch mit dabei gewesen sein soll!‹, ›Ob das stimmt, dass der Pytlik auch beschissen hat?‹, ›Ausgerechnet einer, der selbst für Recht und Ordnung sorgen soll, macht bei solchen Betrügereien mit‹ und so weiter und so weiter! Und im Büro werden sie sich die Mäuler zerreißen! Am besten, ich packe meine Sachen und fliege mit dir in die USA – und zwar ohne Rückflugticket!«

Martina lachte und Pytlik redete sich im gleichen Moment ein, dass sie das ja ohnehin nicht wollen würde.

»Jetzt mach dir doch mal nicht so viel Gedanken! Das wird sich alles schon irgendwie aufklären und hinterher werden sie alle sagen: ›Dass der Hauptkommissar nicht geschummelt hat, das wusste ich ja von Anfang an!‹«

Martina umarmte Pytlik und drückte ihn einmal fest an sich.

»Wird schon!«

 

***

 

 

Sonntag, 16. Oktober 2011

 

Nachdem Martina mit Pytlik zusammen noch beim Mittagessen gewesen war, hatte sie sich auf die Heimreise gemacht. Dieser Oktobersonntag war ein typischer, um sich daheim im Wohnzimmer auf die Couch zu legen und zu hoffen, dass im Fernsehen irgendeine interessante Sportübertragung lief, bei der man das schmuddelige Herbstwetter und die belastenden Gedanken an seine Partnerin für ein paar Stunden außer Acht lassen konnte, dachte sich Pytlik. Und so sehr den Hauptkommissar das Grübeln über die gemeinsame Zukunft mit Martina auch beschäftigte, so sehr musste er im Augenblick auch an diese Veröffentlichung möglicher Ungereimtheiten bei der Wahl der Sträubla-Kunnl denken. Zuhause in der Rhodter Straße hatte er sich einen Tee gemacht, und nun saß er wieder vor der aufgeschlagenen Zeitung vom Samstag. Nach wenigen Minuten blieb ihm wieder nicht mehr übrig, als den Kopf zu schütteln und leise vor sich hin zu fluchen.

»So eine verdammte Scheiße!«

Als er schon daran dachte, ob es jetzt bereits Sinn machen würde, dagegen vorzugehen, klingelte sein Mobiltelefon, das er draußen im Flur auf der Kommode abgelegt hatte. Er ging hinaus und hoffte, dass es Martina war, die während ihrer Fahrt vielleicht etwas Unterhaltung brauchte. Auf dem Display sah Pytlik eine Nummer, die ihm wohlbekannt war und die ihn vermuten ließ, dass etwaige Pläne, die er für die Gestaltung des Nachmittags noch schmieden wollte, jetzt gleich über den Haufen geworfen werden konnten.

 

***

 

Pytliks Kollege, Cajo Hermann, hatte den Hauptkommissar vor dessen Doppelhaushälfte abgeholt. Für beide war es ein bekanntes Ritual: Immer, wenn etwas geschehen war, das die Anwesenheit der Kronacher Polizisten erforderte, fuhr der Assistent zu seinem Chef, um ihn zu einem Einsatzort mitzunehmen. Pytlik hatte sich auf den Beifahrersitz fallen lassen und äußerte zunächst seinen Unmut über das Schmuddelwetter.

»So ein Mist! Könnte an einem Sonntagnachmittag wohl kaum schöner sein! Servus!«

Hermann erwiderte die störrische Begrüßung anständig und fuhr danach unverzüglich los.

»Also, was genau wissen wir?«

Hermann zuckte kurz mit den Schultern und verzog das Gesicht. Er schien selbst noch keine näheren Informationen zu haben, bis auf die, die letztendlich die Anwesenheit der beiden Ermittler notwendig machte.

»Ich habe vom Schneider nur einen Anruf bekommen, dass er sich zusammen mit einem Kollegen auf den Weg nach Teuschnitz macht. Ein Notruf: Eine Frau hat sich anscheinend in ihrem Haus aufgehängt.«

»Aha! Gut, das hattest du mir ja bereits erzählt. Weiter?«

Hermann wiederholte seine Geste, obwohl er einiges mehr zu berichten hatte.

»Ein Nachbar hat sie vom Garten aus durch ein Fenster entdeckt.«

»Aha! Weil er zufällig in ihrem Garten nach ihr gesucht hat, oder wie?«

Pytliks Zwischenfrage wirkte eher gelangweilt, als dass er hier womöglich schon vermutet hätte, die Angelegenheit könnte komplizierter werden.

»Keine Ahnung! Der war wohl völlig zerstreut, hat nicht mal seinen Namen rausgebracht, und der Schneider war heilfroh, überhaupt erfahren zu haben, wohin wir müssen.«

Pytlik schaute aus dem Fenster, als sie im Dienstwagen bereits den Kreisverkehr in Friesen hinter sich gelassen hatten.

»Dann lassen wir uns mal überraschen!«

 

***

 

Pytlik hatte während der Fahrt nach Teuschnitz größtenteils geschwiegen. Nur eine Nachfrage Hermanns, wie es Martina ging und ob alles in Ordnung war, quittierte er mit einem kurzen, brummigen Kommentar. Sein Assistent wusste danach Bescheid, dieses Thema besser nicht zu vertiefen.

Nach gut 20 Minuten Fahrzeit bog Hermann in Richtung nördlicher Ortsausfahrt rechts in eine kleine Seitenstraße ab. In der schmalen Gasse war bereits rege Betriebsamkeit zu sehen. Ein Notarzt- und ein Rettungswagen sowie das Einsatzfahrzeug der Kollegen von der Schutzpolizei standen dort.

Am Eingangstor zum kleinen Vorgarten wartete Egon Schneider auf seine Kollegen Pytlik und Hermann. Pytliks Assistent hatte das Auto geparkt und bemerkt, dass sein Chef wegen irgendetwas sehr skeptisch zu sein schien. Er fragte nach, als er den Zündschlüssel herausnahm und sich abschnallte.

»Alles klar, Franz?«

Pytlik wischte sich mit der flachen Hand über seinen fast kahlen Schädel und atmete schwerfällig aus. Sein Gesicht war wie versteinert.

»Also, wenn das das Haus ist, in dem unsere Tote hängt, dann vermute ich, dass hier irgendetwas im Busch ist, von dem ich jetzt noch nicht sagen kann, wie groß es werden wird.«

Hermann konnte ihm nicht folgen und fragte nach.

»Verstehe ich nicht! Was meinst du?«

Schneider kam bereits auf ihr Auto zugelaufen, aber Pytlik bekundete ihm mit einer entsprechenden Handbewegung, dass sie noch einen Moment brauchten. Dann erzählte er Hermann von dem Zeitungsbericht.

»Puh! Dein Name ist natürlich mit im Spiel, aber steckt da wirklich viel dahinter? Ich meine, war doch nur so eine blöde Wahl im Endeffekt!«

Pytlik schaute bestätigend so, als wollte er sagen: Absolut! Geht mir eigentlich am Arsch vorbei, denn ich weiß ja ohnehin, dass ich meine Hände in Unschuld waschen kann.

»Naja, vielleicht denkst du auch gleich anders darüber, wenn ich dir jetzt noch sage, dass ich an einem Samstagmorgen für die Beurteilung einer Kandidatin in genau diesem Haus hier war.«

Hermann zog die Augenbrauen schnell hoch und pfiff spontan, fast vorsichtig, vor sich hin.

»Genau! Dann kannst du pfeifen, wie du willst! Ich wette meinen Hintern darauf, dass der Zeitpunkt dieses Berichts und …«

»Moment, Moment, Moment!«, unterbrach ihn Hermann und hob dabei die Hand, damit Pytlik ihn zu Wort kommen ließ.