Der Unsterbliche - Ali Dini - E-Book

Der Unsterbliche E-Book

Ali Dini

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Beschreibung

Der Iraner Ali Dini trägt einen Spitznamen wie eine Legende: Ali, Der Unsterbliche. Er überlebt die Revolutionskämpfe im 1. Golfkrieg wie durch ein Wunder. Als radikaler Islamist tötet er im Namen Allahs. Dann sagt er sich vom Islam los, flüchtet nach Bulgarien und tötet weiter: als Auftragskiller für die Mafia. Schließlich wird er gefasst und verurteilt und begegnet im Gefängnis Jesus, der ihn, den skrupellosen Killer, bezwingt und ihm ein neues Herz schenkt. Heute tauft Ali Dini als Pastor viele Kriminelle. Packend erzählt, mit politisch brisanten Insider-Informationen über den Dschihad und die Arbeit der osteuropäischen Mafia.

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ALI DINI mit Alexander Urumov

DER UNSTERBLICHE

Morden für Mohammed, leben für Christus

Aus dem Bulgarischen von Gabi Tiemann

SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7406-0 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-5771-1 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

© der deutschen Ausgabe 2018

SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de; E-Mail: [email protected]

Die bulgarische Originalausgabe erschien mit dem Titel: Ali der Unsterbliche

Copyright © 2016 Alexander Urumov

Die Bibelverse sind, wenn nicht anders angegeben, folgender Ausgabe entnommen:

Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Übersetzung: Gabi Tiemann

Umschlaggestaltung: Andreas Sonnenhüter // www.sonnhueter.com

Titel- und Autorenbild: © SCM Verlagsgruppe GmbH

Bildteil: © Dragomir Atanasov und Dilian Markov

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

INHALT

Über den Autor

Gott kann! Vorwort von Daniel Hofer, Leiter AVC Schweiz

Verwandlung Vorwort von Valeri Stefanov

Prolog

Kapitel 1 Soldat des Islam

Kapitel 2 Töte und stirb für Allah!

Kapitel 3 Lauf, Ali, lauf!

Kapitel 4 Zeifur, Sampal und Hartahort

Kapitel 5 Instrument in der Hand des Teufels

Kapitel 6 Die kriegen mich nicht lebendig

Kapitel 7 Schluss mit dem Versteckspiel

Kapitel 8 Der Tod des Unsterblichen

Kapitel 9 Ihr werdet die Wahrheit erkennen

»Aktion für verfolgte Christen und Notleidende«

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

ÜBER DEN AUTOR

Alexander Urumov wurde 1969 in Bulgarien geboren. Er arbeitete als Sprecher des Verteidigungsministeriums und einer großen bulgarischen Bank. Der Autor vieler Kurzgeschichten und Theaterstücke legt mit »Ali, der Unsterbliche« seine erste Biografie vor.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

GOTT KANN!

Vorwort von Daniel Hofer, Leiter AVC Schweiz

Ein ehemals berüchtigter Krimineller, der das Gefängnis in Sofia, Bulgarien, unfreiwillig von innen kennengelernt hat. Dessen Leben durch eine Begegnung mit Gott radikal umgekrempelt worden ist. Der jetzt, mit Hilfsgütern und Bibeln ausgerüstet, Hoffnung in Gefängnisse und Flüchtlingscamps von Bulgarien bringt. Alis Geschichte ist eine lebendige Illustration dafür, dass Gott auch mit gescheiterten Existenzen neu anfangen und Geschichte schreiben kann.

Als AVC engagieren wir uns stark für Menschen, die von Verfolgung, Krieg und Terror betroffen sind. So sind wir mit Ali Dini in Kontakt gekommen. Seine Lebensgeschichte hat uns tief beeindruckt. Was uns mit Ali Dini verbindet, ist seine Hingabe an Gott und sein Riesenherz für Flüchtlinge, Gestrandete und Gefangene.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, dass dieses Buch zu einem großen Gewinn wird und Ihre Sicht über Gott und seine Möglichkeiten, die er mit uns Menschen hat, erweitert.

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VERWANDLUNG

Vorwort von Valeri Stefanov

Eine spannende Geschichte über die Verwandlung eines Menschen, das ist die Lebensgeschichte von Ali, dem Unsterblichen, die Alexander Urumov erzählt.

Die Geschichte des Iraners Ali Dini entwickelt sich vor dem Hintergund der dramatischen Kataklysmen und Transformationen, die die Welt in den letzten dreißig, vierzig Jahren geprägt haben. Der Krieg zwischen Iran und Irak, der Zusammenbruch des Ostblocks, die schweren Wege der Demokratie, die verückten Wege des Verbrechens …, all das hat seinen Platz und seine besondere Interpretation in der langen und leidenschaftlichen Beichte von Ali, dem »Unsterblichen«.

Ali spricht im Namen seiner Erfahrung und aus den tiefsten Tiefen erlebter Abgründe. Seine Beichte bezieht sich auch auf die langsam aufkeimenden Hoffnungen seines Lebens.

Der Mensch wird geboren, man wird Mensch. Alle möglichen Umstände beeinflussen, bedrücken und quälen den Menschen, formen ihn mit ihrer Kraft. Manchmal deformieren sie ihn schwer.

Über viele Jahre lebt Ali ein unglaublich deformiertes Leben. Vergessen wir nicht, die Welt war in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts ein brodelnder Ideenkessel. Der Held wächst in diesem Kessel auf, erlebt in ihm seine jugendlichen Hoffnungen und tiefen Enttäuschungen. Er sieht, wie das Gesicht einer Revolution zu einer unheimlichen Grimasse wird. Er sammelt viel Erfahrung mit Gewalt und Grausamkeit. Um zu überleben vervollkommnet er seinen Körper und stählt sein Herz.

Ein Mensch mit so viel Willen und Stärke kann zu einem edlen Revolutionär, aber auch zu einem gefährlichen Verbrecher werden. Aus vielen Gründen und wegen fataler Umstände schlägt auch Ali keinen »edlen Weg« ein, sondern den Weg verbrecherischer Heimsuchungen und bitterer Früchte. Er wird Diener der Finsternis, der Gewalt, des Todes …

Außer unter dem Druck der Umstände handeln Menschen wie Ali aus der Macht der Gewohnheit. Die Gewohnheit zieht dich an und reißt dich mit, verdeckt deine Möglichkeiten, zu einer menschlichen Entwicklung zu finden und ein alternatives Verhalten im Leben zu beginnen. Schwer kommt man aus der Rolle heraus, die das Theater des Lebens einem zugeteilt hat – das ist eine der Lektionen dieser dramatischen Erzählung.

Aber das Buch bietet auch eine andere Erkenntnis. Jeder Mensch trägt einen göttlichen Funken in sich, göttlichen Atem, ein Tröpfchen Glauben und reine Hoffnung, selbst die grausamsten Verbrecher. Gleichzeitig tragen selbst die größten Heiligen in ihrer Seele den Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen aus. Kein Mensch kann die Menschlichkeit in sich ganz verraten, so sehr er auch der Sünde und Gesetzlosigkeit verfallen ist.

So stellt uns Alexander Urumovs Buch jenseits der Erzählung über die Wechselfälle eines blinden Schicksals das menschliche Leben als Glaubenspfad dar. Um auf den edlen Weg zurückzukommen, muss man nicht nur – ähnlich einem Märchenhelden – durch die Prüfungen des Lebens gehen, sondern auch durch die Wandlungen der eigenen Seele. Man muss dem Mentor begegnen, dem man glaubt. Die Wahrheit finden, der man sich verschreiben will. Ein Buch entdecken, das man hingegeben, schicksalshaft liest. Die große psychische Ressource in sich selbst entdecken, um die Dämonen der Versuchung zurückzuweisen. Auch Gottes Sohn hat ganz menschlich mit den Versuchungen in der Wüste kämpfen müssen – und sie besiegt.

Genau diese Dinge geschehen in Alis Leben. Er lässt den Koran zurück und entdeckt die Bibel. Er steigt tief in die Gute Nachricht von der Rettung, dem Kern der christlichen Botschaft, ein. Er beginnt, sich und die Welt auf neue Weise zu verstehen. Er wird reif genug, sein ganzes bisheriges Leben umzudeuten und es auf neue Grundfesten zu stellen.

All das mag wie ein didaktisch aufbereitetes Märchen erscheinen, manch einen auch provozieren. Durch raue Skepsis und nüchternen Rationalismus sind wir eher geneigt zu behaupten, dass das Leben kein Märchen ist. Aber manchmal ist es genau das – ein Märchen über eine magische Wandlung. Über schmerzhaft deformierte Seelen, über zertretene Leben, die sich langsam aufrichten und einen Weg zu Würde und Hoffnung finden. Ähnliche Märchen erzählen uns, dass das Leben nicht nur eine grausige Grube ist, in der wir hoffnungslos versunken sind und aus der wir nie mehr herauskommen werden.

Nachdem er viele grausame Lektionen durchlaufen hat, lernt Ali seine schwerste Lektion. Das ist die Lektion des Glaubens, des demütigen Herzens und der vergebenden Seele. Diese Lektion ist christlich, sie ist universal menschlich.

Kein menschliches Leben ist verloren, so gebrochen es auch ist. Das wiederholt uns Ali aus dem Iran immer wieder von Neuem, nach all seinen Experimenten mit den Wechselfällen des gestrigen und heutigen Bulgariens. Er hat in sich die späten Gaben der Menschlichkeit und des Edelmuts entdeckt. Das ganze Leben ist er den Wegen der Flucht gefolgt und hat nur um des bloßen Überlebens willen gelebt. Aber irgendwann folgt er dem Weg des Glaubens und wählt das Gute zum Partner, nicht das Böse.

Weisheit ist ein Wert, den man schwer erreicht und teuer bezahlt. Ali bezahlt ihn teuer, überteuert. Aus Ali, dem Unsterblichen, wird Ali, der Gläubige. Der Mensch, der sich selbst gefunden hat, flieht nicht mehr vor dem Leben, sondern geht mit ihm wie mit einem Gefährten.

Es gibt Verbrechen. Es gibt Strafe. Es gibt auch Erleuchtung. Gut ist, wenn wir diese dritte Komponente des menschlichen Dramas nicht vergessen. Und daran glauben! Glauben, dass der Himmel kein Privileg für Heilige ist. Auch kein Zuhause für vorbildliche Erwählte und Glückliche. Der Himmel ist eine Verheißung und Wohnung für jeden, der sich nicht mehr mit dem Verrat abfindet.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

PROLOG

Zentralgefängnis von Sofia, Sitzungssaal.

Die Richterin schlägt einen dicken Ordner auf und fängt an zu lesen: »Verurteilt wegen Mordes … verurteilt wegen Entführung … verurteilt wegen Teilnahme an einer organisierten Verbrecherbande … verurteilt wegen Menschenhandels … verurteilt wegen bewaffneten Diebstahls … verurteilt … Feuerschusswaffe … verurteilt … Drogen … verurteilt, verurteilt, verurteilt.«

Die Richterin hebt den Blick in den Saal und verkündet abschließend: »Eine vorzeitige Entlassung wurde beantragt.«

Die Ironie ist fast mit Händen zu greifen. Das ist doch absurd, wer würde das zulassen?! Doch die Überraschung folgt prompt.

»Dem Antrag auf vorzeitige Haftentlassung wird stattgegeben.«

Im Saal ist lautes Getuschel zu hören.

»Ali, du bist frei«, fügt die Richterin hinzu.

Frei?! Wieso denn frei?! Dieser Mann hat 14 der letzten zwanzig Jahre im Gefängnis verbracht, vier Jahre in strikter Isolationshaft. Ein international gesuchter, gnadenloser Verbrecher, ein Waffenspezialist, eine Gewaltmaschine, ein Mörder! Die Leute hier wissen nicht einmal, wie viele Verbrechen dieser gefährliche Wiederholungstäter noch begangen hat, die in keiner Akte auftauchen.

Aber ich weiß es und kann euch alles erzählen.

Warum ich es weiß?

Weil ich Ali bin, Ali, der Unsterbliche!

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

KAPITEL 1

Soldat des Islam

Marx gegen Allah

Ich nahm mein Leben selbst in die Hand, als ich 15 Jahre alt war. Es wog genauso viel wie eine Kalaschnikow.

Wenn du eine Kalaschnikow hast, hören die Lehrer auf, dich zu kritisieren. Eigentlich hören sie mit jeder Art von Kommentaren auf. Du merkst schnell, Waffe und Schule sind sich gegenseitig im Weg, und du hörst auf, zur Schule zu gehen. Es hat keinen Sinn, die Zeit zu vergeuden.

Der eigentliche Reiz lag für mich bereits im Zerlegen und Zusammensetzen der Waffe, besonders herausfordernd war es mit verbundenen Augen. Am aufregendsten war der Wettkampf im Zielschießen, da konnte mich keiner schlagen. So war ich schon vorbereitet, als die Hisbollah-Miliz Freiwillige suchte. Es wäre nicht notwendig gewesen, so gut zu sein, um Freiwilliger werden zu können – mir fiel es einfach leicht. Doch jeder, der stark genug war, ein Gewehr zu tragen, bekam auch eins.

Unser Viertel hieß Afsarija, das Offiziersviertel. Überall waren große Einheiten der Luft- und Landstreitkräfte stationiert, es gab viele Kasernen und Unmengen von Waffen. Bis vor Kurzem kletterten wir, die Jungen aus dem Viertel, noch auf den Bäumen herum und schauten mit angehaltenem Atem den Marsch der Soldaten an, die Kommandos der Offiziere, die schönen Uniformen, die blank polierten Waffen. Wir träumten davon, eines Tages auch Soldat zu werden. Dieser Tag kam sehr viel schneller, als wir gedacht hatten. Wir wurden die, die auf dem Truppenübungsplatz spazieren gingen. Wir gingen zusammen mit den »Großen« in die Lager, schleppten die Gewehre gemeinsam mit ihnen hinaus und waren so stolz dabei.

Es ist sehr schön, auf einmal groß zu werden. Wir, die wir in diesem Randgebiet von Teheran aufwuchsen, fühlten uns jedenfalls viel größer als unsere Gleichaltrigen in anderen Teilen der Stadt. An der Umgehungsstraße gelegen, von der aus man schnell in die Berge verschwinden konnte, war unser Stadtteil ein richtiges Banditenviertel. Hier war es leicht, Drogen zu finden – Haschisch, Opium, Heroin, einfach alles, was man wollte. Aber in dieses Geschäft sollte ich erst etwas später einsteigen.

Jetzt war die wichtigste Droge die Islamische Revolution! Und die Kalaschnikow das Interessanteste für mich. Ich schoss auch mit der Uzi, einer israelischen Maschinenpistole, die mir ebenfalls sehr gefiel. Auch die iranische G3 nach englischem Patent war nicht schlecht. Aber die Kalaschnikow fand ich am besten. Das war die Waffe, die mich groß machte. Noch gestern sprang ich mit meinen Altersgenossen an der Straße herum, und wir zählten die vorbeifahrenden Autos, heute hielten wir schon jedes Auto an, das uns zweifelhaft erschien. Wir richteten unsere Maschinenpistolen auf die Insassen und überprüften die Dokumente, öffneten den Kofferraum. Wir mussten das tun, weil in den ersten Monaten der Revolution alle möglichen Banditen aufgetaucht waren – Einbrecher und Alkoholschmuggler und was nicht sonst noch für welche.

»Eine Revolution hat viele Feinde«, wie mein Bruder Daud sagte. Er war fest überzeugt, dass die Revolution trotz allem siegen würde, und las voller Überzeugung in den Werken von Marx, Engels, Lenin und Stalin. In gewisser Weise sollte er Recht behalten. Recht, weil die Revolution siegte; in gewisser Weise, weil die Revolution der Sieger sich schon bald als islamisch herausstellte und nicht als proletarisch, wie er erwartet hatte. Aber das ließ ihn nicht verzweifeln, er las einfach begierig weiter und glaubte, die proletarische Revolution wäre nur eine Frage der Zeit und letztendlich unausweichlich.

Dauds Meinung nach war die neue islamische Macht ein Feind der proletarischen Revolution. Ich überlegte, warum es schon wieder eine neue Revolution geben müsste, nachdem wir doch eine ganz neue erlebt hatten. Die Dinge waren wirklich verzwickt.

Am Anfang nahmen alle an der Revolution gegen den Schah teil und waren zufrieden, als er im Januar 1979 das Land verließ. Aber es zeigte sich, dass die Leute sich die Dinge nach der Monarchie ganz unterschiedlich vorstellten. Es gab Republikaner, die eine weltliche Republik wollten, andere wollten eine sozialistische, Dritte eine islamische und wieder andere wollten auch eine islamische, aber auf andere Weise. So wurden die bisherigen Bündnispartner allmählich zu unversöhnlichen Feinden.

Als die gefährlichsten Feinde der neuen Macht mit Ajatollah Chomeini an der Spitze zeichneten sich die Dschihadisten ab, sie waren am besten bewaffnet. Das verstand ich: Denn kann ein Feind gefährlich sein, wenn er nicht gut bewaffnet ist? Was ich nicht verstand, war, dass sowohl Chomeini als auch die Dschihadisten behaupteten, für den wahren Glauben im Namen Allahs zu kämpfen. Aber da ich schon groß war, beschloss ich, dass es eben merkwürdige Dinge gab, die ich nicht unbedingt verstehen musste. Für mich war es wichtig zu wissen, dass die neue Ordnung im Iran nicht mehr die von Schah Mohammad Reza Pahlawi und seinen Leuten war, sondern die Ordnung von Ajatollah Chomeini und seinem Gefolge.

»Weder mit dem Osten noch mit dem Westen! Islamische Republik!«, rief Chomeini aus, und das gefiel den Leuten. Ab hier würden wir, die Iraner, rechtgläubige Muslime, allein zurechtkommen. Wir brauchten weder die Amerikaner noch die Russen, wir selbst waren die Herren unseres Schicksals. Wir mussten nur die Gesetze des Islams als geltende Gesetzgebung im Land annehmen und Allah als die oberste Autorität im Iran – vertreten durch die Ajatollahs, versteht sich. Der Iran gehörte unter Allah und die Waffen und nicht unter Marx, Lenin und die Waffen, das musste man wissen. Und ich verstand es. Aber mein Bruder wollte nichts davon wissen.

Die kommunistischen Ideen waren schon zur Zeit des Schahs sehr modern, viele junge Iraner fühlten sich von ihnen angezogen und waren wie mein Bruder Daud Feuer und Flamme für den Klassenkampf. Sie hatten sogar einen Sportklub gegründet mit dem Namen ›Kaveh der Schmied‹, nach Kaveh Ahangar, einer proletarischen Symbolfigur, einem Helden aus der iranischen Mythologie. Sie hatten eigene Uniformen und eine eigene Flagge, auf der ein mürrischer Mann mit riesigen Händen und einem Hammer in der Hand abgebildet war. Offiziell war das ein Klub für Freistilkampf, aber in Wirklichkeit nur ein Deckmantel für die Vorlesungen über den Klassenkampf. Ähnliche Klubs gab es auch an anderen Orten im Land, und ihre Ziele waren für die Geheimdienste des Schahs kaum ein Geheimnis.

Die Kommunisten und die Dschihadisten gehörten zu den größten Feinden des Monarchen. Allein der Besitz kommunistischer Literatur war gefährlich. Doch bei uns im Keller gab es reichlich davon. Dort war der geheime Leseschlupfwinkel meines Bruders, der ständig Bücher seiner Idole Marx, Engels und Lenin nach Hause schleppte. Versteckt im engen Keller, las er stundenlang, unterstrich ausgewählte Passagen und träumte, wie schön das Leben sein würde, wenn der Kommunismus käme.

Statt des Kommunismus kam jedoch ein Freund der Familie, der unseren Vater warnte, dass die Geheimpolizei des Schahs wohl von diesem Klub Wind bekommen hätte und Arreste bevorstünden. Das war wirklich eine schlimme Nachricht. Die politischen Gegner des Regimes wurden von der allmächtigen Geheimpolizei SAVAK verfolgt, die mit ihrer extremen Grausamkeit Angst und Schrecken verbreitete. Man erzählte sich schockierende Einzelheiten von den Gräueltaten gegenüber den Verhafteten, wie sie sie quälten und folterten. Es gab keine Gnade für die Kommunisten zur Zeit des Schahs – eine Tradition, die sich auch unter den Ajatollahs fortsetzte. Deshalb rief unser Vater nach dieser Information sofort meinen Bruder zu sich und schickte ihn zu Freunden an einen anderen, sichereren Ort, bei denen er einige Zeit blieb.

Gleichzeitig machten wir der geheimen Bibliothek in unserem Keller ein Ende. Wir packten alle Bücher in Kartons, und im Schutz der Dunkelheit trugen wir sie noch in derselben Nacht zum nahe gelegenen Fluss und kippten sie dort ins Wasser.

Als die Gefahr vorbei war, kam Daud zurück. Nach seinen Büchern fragte er nie. Natürlich tat es ihm sehr leid um sie, aber er schwieg, da ihm klar war, dass er die ganze Familie in Gefahr brachte. Zum Glück fing gerade das neue Semester an, und er fuhr in sein Wohnheim an der Universität Teheran, wo er von seinen Ideen erzählen konnte, ohne seine Angehörigen zu gefährden.

Immer deutlicher zeigte sich, dass aber nicht die kommunistischen Ideen, sondern die der Scharia die Meisten inspirierten. Eine Islamische Revolution unter Ruhollah Chomeini – davon sprach die Menge.

Sofort nach seiner Rückkehr, die auf die Flucht des Schahs folgte, übernahm Chomeini die Macht im Iran und begann, die Anhänger der übrigen Parteien und Ideologien mundtot zu machen. Schnell führte er eine Säuberung in der obersten Heeresleitung durch. Die Generäle, die ihrem Schwur auf den Schah treu blieben, wurden zum Tode verurteilt und erschossen. An ihrer Stelle wurden Militärs berufen, die dem Ajatollah persönlich ergeben waren.

Der iranische Geheimdienst wurde gegründet, sein voller Name war sāzmān-e ettelāʽāt wa amnijat-e kešwar, Armee der Schützer der Islamischen Revolution. Die Revolutionsgarde, Pasdaran genannt, breitete bald ihr Organisationsnetz im ganzen Land aus, um über die Einhaltung der islamischen Ordnung zu wachen. Alle bekamen eine Frist, ihre Waffen in den Kasernen zurückzugeben. Tatsächlich aber wurden die Waffen in den Moscheen gesammelt und blieben auch dort. Denn die Moscheen übernahmen die Macht, hier wurden die Kommandos zum bewaffneten Widerstand organisiert, die schon die Straßen beherrschten. Sie nannten es auch »Selbstverteidigung«, und viele sprangen darauf an.

Wie hätte ich in einer solchen Situation die Schule interessant finden können! Kann Lernen vor dem Hintergrund der Revolution etwas Anziehendes haben? Schon ohne Revolution fand ich es langweilig, warum sollte es mich jetzt mehr ansprechen?!

Die vergeblichen Hoffnungen einer Mutter

Meine Mutter spürte all das und hatte keine Absicht, einfach so aufzugeben und mich ohne Schulbildung laufen zu lassen. Meine liebe Mutter, sie spürte immer alles, und trotzdem entwickelten sich die Dinge anders, als sie es sich gewünscht hatte. Immerhin überzeugte sie meinen Vater, mich zu Daud zu schicken, ich sollte bei ihm im Studentenwohnheim wohnen und in die nahe gelegene Schule gehen. Mein Bruder würde sich um mich kümmern, und ich ging gern mit ihm. Mir gefiel der Lauf der Dinge sehr.

Ich weiß nicht, ob meine Eltern es wirklich glaubten, aber sie hofften sicher, dass mich das akademische Milieu positiv beeinflussen und den Wunsch, zu lernen, in mir wecken würde. Naive Hoffnungen! Gerade damals, als die Teheraner Universität vor Energie und Leidenschaften nur so brodelte, war sie zu einem Feld politischer Konfrontationen, geheimer Treffen und offener Demonstrationen geworden. Die Studenten waren wie berauscht von der unerwarteten Redefreiheit – sie wussten noch nicht, dass das nur kurze Zeit so bleiben würde. Jeden Tag passierte etwas, jeden Tag protestierten, stritten sie, regten sich auf, schlugen sich. Oft waren Schüsse auf den Straßen um die Universität herum zu hören. Einige Studenten hatten beim Überfall der amerikanischen Botschaft mitgemacht, sogar Leute aus der Botschaft verhaftet, und das machte sie in den Augen der Anderen zu Helden. Einer dieser Helden war Mahmud Ahmadinedschad, der ein Vierteljahrhundert später Präsident des Iran werden sollte.

Andere hofften, dass genau jetzt ihre Zeit gekommen sei. Zu ihnen gehörte auch Daud, der mich im Namen der proletarischen Revolution gebeten hatte, in der neuen Schule eine falsche Korrespondenzadresse anzugeben. Alle Briefe, die wegen meiner häufigen Abwesenheit anfielen, gingen an eine andere Adresse, wodurch wir unsere Eltern vor Sorgen bewahrten. Und ich konnte meinem Bruder mit reinem Gewissen bei seiner Parteiarbeit helfen. Wir verteilten Aufrufe, nachts klebten wir Plakate an. Es galt, keine Zeit mehr zu verlieren, die leuchtende Zukunft konnte nicht mehr warten.

An den freien Tagen, donnerstags und freitags, nahm mich Daud mit zu Bergtouren. Wir kletterten mit organisierten kommunistischen Studentengruppen, machten Lagerfeuer, hörten politische Vorträge und sangen Lieder über die Revolution und über die Freiheit. Auch meine beiden besten Freunde waren immer mit dabei, Schirawan und Hassan. Wir waren unzertrennlich, es gab keinen Blödsinn, den wir uns nicht zusammen hätten einfallen lassen und den wir nicht zusammen verzapft hätten. Es war erstaunlich, wie wir drei immer zur selben Zeit die gleichen Dummheiten im Kopf hatten. Wir waren wie eine Naturkatastrophe für die Umgebung.

Je gefährlicher etwas war, desto anziehender war es auch. Das gefiel uns an den illegalen kommunistischen Aktionen – verboten unter dem Schah und jetzt unter den Ajatollahs. Sonst aber hatten wir unterschiedliche Motive. Ich selbst drückte mich einfach bei meinem Brunder herum und suchte Beschäftigung. Ohne ihn wäre ich wohl kaum dabei gewesen. Ehrlich gesagt waren mir all diese Geschichten, Losungen und auswendig gelernten Worte fremd, sie erschienen mir zu künstlich. Das war alles eigentlich nichts für mich.

Hassan wiederum war begeistert, ein Teil von etwas Großem zu sein, das morgen den Iran und sogar die ganze Welt regieren würde. Er konnte es kaum abwarten, dass die kommunistische Partei endlich die Macht übernehmen würde, zuerst in unserem Land und danach in der ganzen Region des Mittleren und Nahen Ostens. Schirawan dagegen war, im Unterschied zu mir und Hassan, ein ehrlicher Anhänger von Marx, Engels und Lenin. Ein fanatischer Träumer, ganz eingenommen vom Geist der kommunistischen Ideen. Die Zukunft sollte sich jedoch nicht nach seinen Träumen gestalten …

In unserem freundschaftlichen Dreiergespann flogen die Funken. Schirawan griff immer heftiger und offener die neue Regierung von Chomeini an. Hassan behauptete, gerade umgekehrt, immer überzeugter, genau das sei die Revolution, durch welche das Volk die Macht in ihren Händen halten würde. »Kommunistisch oder islamistisch, die Leute stürzen die Tyrannei und sind selbst Regierende«, beharrte Hassan auf seiner Postition. Ich war genervt von diesen Streitgesprächen und wollte bloß nicht unsere Gemeinschaft davon verderben lassen. Konnten wir uns denn wegen irgendeiner Politik streiten, wir waren doch Freunde?!

Aber unsere Freundschaft ging bald zu Ende. Und Hassan teilte uns mit, er sei zur Pasdaran gegangen, wo sie ihm außer einer Maschinenpistole auch eine Uniform und ein Motorrad versprochen hätten. Aber er durfte sich nicht mehr mit Kommunisten treffen, die Feinde des Islams würden bald bekommen, was sie verdient hätten. Schirawan wurde rasend und stürzte sich auf ihn, ich brachte sie kaum auseinander.

»Warum tut ihr das?«, fragte ich. »Warum muss das geschehen?«

Aber Hassan ging weg, und ich blieb mit Schirawan zurück. Ehrlich gesagt, wenn ich hätte wählen müssen, wäre ich auf Schirawans Seite geblieben. Ich mochte ihn mehr, weil er der Verrückteste von uns dreien war. Wahrscheinlich blieb er deshalb auch bei seiner Position, sprach laut über Lenin und gegen Chomeini. Natürlich war er weiter in den ersten Reihen der kommunistischen Versammlungen und Demonstrationen. Er schreckte vor nichts zurück, er war bereit, für die Idee zu sterben. Wahrscheinlich weil ein 16-jähriger Junge nicht genau weiß, was es bedeutet, »für die Idee zu sterben«.

Schirawan war und blieb ein Träumer. Anders als der pragmatische Hassan, der einmal mit einer Honda 125 neben mir hielt – diese Motorräder wurden dienstlich an die Revolutionsgardisten vergeben – und sich mit der neuen Uniform brüstete.

»Triff dich nicht mehr mit Kommunisten! Und sag das auch Schirawan. Es ist gefährlich, noch einmal warne ich euch nicht.«

»Und warum warnst du mich jetzt?«, fragte ich ärgerlich. Ich war wütend, dass er unser Dreiergespann kaputt gemacht hatte.

»Weil ich euer Freund bin, was auch immer ihr über mich denkt. Denn wenn ich euch morgen auf der Straße sehe und andere Gardisten bei mir sind, muss ich ihnen sagen, dass ihr Kommunisten seid. Sie werden euch verhaften.«

Bald darauf ging es los mit den Arresten und Repressalien gegen die Feinde der Islamischen Revolution. Die Ersten unter ihnen waren, nicht überraschend, die Kommunisten. Mein Bruder merkte das und nahm Abstand von allen Aktionen. Und ich natürlich mit ihm. Sofort hörte ich auf, für den kommunistischen Widerstand zu arbeiten. Schirawan war jedoch unerbittlich, trotz aller Warnungen. Ich dachte mir, wenn ein einziger Kommunist im Iran übrig bleibt, ist er das. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er sich von der Ideologie lossagen und wir uns eines Tages nicht mehr sehen würden. Aber es kam so, dass ich es mir vorstellen musste.

Eines Tages verschwand Schirawan einfach und ich sah ihn nicht mehr. Ich war erschüttert, als ich hörte, er sei verhaftet und nach unmenschlicher Folter gehenkt worden. Ich weinte sehr um ihn. Ich hatte ihn lieb gehabt wie meinen Bruder. Nicht wegen irgendwelcher Ideologien, sondern trotz dieser. Ich trauerte um meinen Freund, nicht um den Kommunismus.

Am meisten am Kommunismus störte mich sein Atheismus. Zwischen Kommunismus und Islam hätte ich mich für den Islam entschieden, denn ich suchte tief in meinem Herzen nach einer obersten Autorität, Darwin war mir einfach nicht genug. Der Islam zog mich an, weil dort von Gott die Rede war.

Außerdem gab es bei der Islamischen Revolution auch ganz gute Sachen. Dazu gehörte, dass die neuen Machthaber durch eine glückliche Fügung der Umstände alle Universitäten schlossen, da ihre politischen Opponenten viele Anhänger unter den Studenten hatten. Ich hatte nichts dagegen, im Unterschied zu meinem Bruder. Ich ging gern in das heimatliche Stadtviertel zurück. Dort schloss ich mich den Freiwilligentrupps der neu gebildeten islamischen Miliz Basij an.

Basij bedeutet Mobiliserung, und wir folgtem dem Kommando der Revolutionsgarde Pasdaran, die wiederum direkt Ajatollah Chomeini unterstellt war. Die Soldaten hatten hier nichts zu sagen, es bestand überhaupt keine Beziehung zwischen der lokalen Miliz und der Armee. Unter Anleitung der Ausbilder der Pasdaran, die es in jeder Moschee in den Stadtteilen gab, machte ich mich daran, meinen allerneuesten Freund kennzulernen: die Kalaschnikow.

Was konnten meine Eltern dagegen sagen, alle Jungen taten es schließlich. Und wann sollten sie uns erziehen, wenn sie von morgens bis abends arbeiteten? Mein Vater Ibrahim ging im Dunkeln aus dem Haus und kam im Dunkeln wieder. Er musste sechs Kinder ernähren, drei Söhne und drei Töchter, eine normale iranische Familie. Für ihn gab es keine Pause.

Mein Vater ist mir wie ein heiliger Mann im Gedächtnis geblieben, er hat zusammen mit meiner Mutter sein Leben für uns gegeben. Nachdenklich, müde, besorgt – so kam er abends nach Hause, und wir empfingen ihn mit Respekt, wir standen ehrfurchtsvoll auf. Er war sehr zurückhaltend uns gegenüber, obwohl ich eine Erinnerung an eine väterliche Umarmung und das Gefühl von Wärme, Geborgenheit und Sicherheit bewahre. Aber er brachte seine Beziehung und Liebe zur Familie vor allem durch Arbeit zum Ausdruck. Alltäglich viele Stunden Arbeit. Das war seine Art, uns zu sagen: »Ich stehe zu euch. Ich tue alles, was in meinen Möglichkeiten steht. Ich habe euch lieb.« Denn wie auch immer die Jugend eines Iraners gewesen sein mag, wenn die Familie kommt, muss er sich ihr ganz widmen.

Übrigens muss, zu meiner großen Überraschung, die Jugend meines Vaters recht stürmisch gewesen sein. Das bekam ich zufällig mit, als ich schon ein großer Junge war. Wir machten einen Besuch in seiner Heimatstadt Zanjan, einer verhältnismäßig großen Stadt, im Nordwesten nahe der türkischen Grenze gelegen, bekannt seit alters für die dort meisterhaft angefertigten Dolche und Messer. Zanjans Bevölkerung ist aserbaidschanisch, was ihr ein anderes Kolorit und andere Traditionen verleiht, und begeistert schnell jeden Gast. Was bedeutet das erst für einen neugierigen Jungen, der die Heimatstadt seines Vaters besucht! Zumal Vati, lakonisch und zurückhaltend, wie er war, nie über seine Kindheit oder seine Jugendzeit sprach. Als hätte er auch ein anderes Leben geführt, das Leben eines fernen und unbekannten Mannes, mit dem er als mein Vater niemals etwas zu tun hatte.

Deshalb war ich erstaunt, als seine Freunde aus jenen Jahren anfingen, von all den Streichen zu erzählen, die sie zusammen ausgeheckt hatten und bei denen mein Vater immer der Anführer der ganzen Bande gewesen war.

»Erinnerst du dich, Ibrahim, was du damals gemacht hast? Wie denn nicht?! Und erinnerst du dich, wie Ibrahim …«

Ich hörte zu und konnte es nicht glauben! Mein Vater hatte all diesen Blödsinn gemacht? Als wir zurück zu Hause in Teheran waren und ich einen gelegenen Moment abpasste, um ihn auszufragen, wie ich so bei mir dachte, schaute er mich nachdenklich und etwas spöttisch an. Dann lächelte er und murmelte: »Hör nicht auf diese Spaßvögel, sie erfinden immer was!«, und drehte den Kopf auf die andere Seite.

Obwohl er das Gespräch beendet hatte, war es für mich nicht einfach eine Bestätigung für alle Behauptungen seiner Altersgenossen. Meine Fantasie fügte immer mehr Geschichten hinzu, und statt einen Schatten auf meinen Vater zu werfen, hoben die Geschichten von seinen Jugendstreichen ihn auf einen noch höheren Sockel.

Meine Mutter Mahbube war anders, eine demütige und stille Frau, eifrig dem islamischen Glauben hingegeben. Sie richtete zweimal im Monat religiöse Treffen aus, bei denen sich Frauen aus dem Stadtviertel bei uns zu Hause versammelten und redeten. Sie lasen den Koran, diskutierten über die eine oder andere Sure, erklärten sich verschiedene Verse. Natürlich tauschten sie sich auch über andere Dinge aus, von Rezepten bis zur Fürsorge für ihre Kinder. Am wichtigsten waren Erziehungsfragen. Meine Mutter war diejenige, die in meiner Kindheit am meisten mit mir schimpfte und unzufrieden war. Aber sie hatte nicht viel Zeit für die Erziehung, der Geist in jener Zeit war ganz anders.

Gegen Saddam und die Aggressoren

Das Land war ständig in Gefahr, und die »Feinde der Revolution« schossen wie Pilze aus dem Boden. Es gab innere, es gab auch äußere. Der größte äußere Feind des Landes war unser Nachbar Irak mit Saddam Hussein an der Spitze. Und ausgerechnet der griff eines Tages den Iran an.

Der Angriff kam wie aus heiterem Himmel. Er war aus unserer Sicht durch nichts provoziert worden. Auf einmal wurde das Land in die Luft gejagt.

Bis gestern noch geteilt und zerrissen von inneren Widersprüchen, von den Konflikten politischer Doktrinen und religiöser Dogmen, musste die Nation des Iran plötzlich gemeinsam gegen den äußeren Feind stehen. Es war außer Frage, wer der oberste Führer war, hinter dem sich alle Iraner vereinten: es war Ajatollah Chomeini. Es gab für uns auch keinen Zweifel mehr daran, wer die wahren Feinde des Iran und der Islamischen Revolution waren. Das waren all die, die Ajatollah Chomeini zu Feinden machte, vor allem die irakischen Sunniten, die gegen uns, die Schiiten, zogen und uns nur deshalb ein Messer in den Rücken zu rammen versuchten, weil sie dachten, dass der Iran im Moment schwach war. Es war ja bei Weitem nicht ihre erste Aggression gegen uns, ganz und gar nicht ihre erste hinterhältige Tat.

Wie leicht war es, uns vom Sinn des kommenden Krieges zu überzeugen: Wer als muslimischer Schiit aufwuchs, lernte sehr gut, zu welchen Niederträchtigkeiten die Sunniten fähig waren, und in der Geschichte fand man viele Beispiele dafür, wenn man wollte.

Diese Menschen waren vor allem Lügner, war uns klar. Weil sie behaupteten, dass sie die Rechtgläubigen waren, aber die Wahrheit war, dass wir die Rechtgläubigen waren, wir, die Schiiten. Die Sunniten, waren sich die Schiiten sicher, haben nichts anderes getan, als den rechten Glauben an Allah zu verdrehen und das Erbe des Propheten zu verfälschen – was wir ihnen nie vergessen und nie vergeben würden. Weil sie auch den wahren Nachfolger von Mohammed umgebracht hatten, seinen Schwiegersohn, den ersten Imam Ali.

Mehr noch, sie behaupteten frech, Imam Ali wäre zu Unrecht der vierte Kalif gewesen. Hier hörten sie aber noch nicht auf, sondern logen weiter, Ali hätte damals den dritten Kalifen Omar umgebracht, um vierter Kalif zu werden. Dabei kannte jeder rechtschaffene Muslim die Wahrheit, dass eben gerade Ali der wahre Nachfolger Mohammeds war. Denn der Prophet selbst ernannte Ali, den Mann seiner Tochter Fatima, zu seinem Nachfolger.

Ali war auch der erste Mensch, der den islamischen Glauben annahm. Dieser Omar hingegen war einfach der Nachfolger eines Usurpators namens Abu Bakr, der Ali das gesetzliche Recht nahm, Nachfolger seines Schwiegervaters zu werden. All das war so klar für uns, die Schiiten, dass es keinen Zweifel geben konnte, dass wir die wahren Rechtgläubigen waren.

Wir würden uns nie damit abfinden, dass die Usurpatoren nicht nur Ali umgebracht hatten, sondern auch seinen Sohn Hussein, der ihre Forderung ablehnte, ihren Anführer Jasid I. als Kalifen anzuerkennen. Der Gipfel der Beleidigung: Sie töteten ihn und 72 seiner Gesinnungsgenossen in der Nähe der Stadt Kerbala am Aschura, dem zehnten Tag des Monats Muharram, eines vom Propheten Mohammed heilig erklärten Monats.

All das geschah zwar vor etwa 1400 Jahren, aber für uns hatte die Zeit keine Bedeutung. Seit diesen Ereignissen beklagten wir Hussein Ibn Ali, Alis Sohn und Mohammeds Enkel. Und bis zum heutigen Tag ist für uns Schiiten Jasid I. ein hinterhältiger Emporkömmling und ein Feind der Rechtgläubigen, und das gilt auch für alle, die ihn immer noch verehren. Mit dieser Fehde nahm auch die Märtyrerverehrung ihren Anfang, die im Iran besonders stark und ein wichtiger Teil unserer Kultur ist. Das größte Denkmal dieser Tradition ist der Friedhof Behescht-e Zahra (übersetzt »Paradies von Zahra«, A. Urumov), wo die bedeutendsten Politiker und geistlichen Führer begraben liegen und wo man darum während des Krieges auch anfing, die Körper der Märtyrer von der Front zu beerdigen.

Das also waren unsere Feinde, auch im Jahr 1980: die irakischen Sunniten und ihr verachteter Anführer Saddam Hussein, Fortsetzer des Werkes von Usurpatoren und Lügnern. Und nichts wäre logischer gewesen, als dass Ajatollah Chomeini diesen Verteidigungskrieg darum zu einem Heiligen Krieg erklärte. Krieg im Namen des Iran! Krieg im Namen Allahs und des rechten Glaubens! Krieg für die Ehre der Heimat! Für Allah und für den Iran!

Glaube und Patriotismus waren ein untrennbares Ganzes. Für diese Sache lohnte es sich, als Freiwilliger in die Armee zu gehen, für diese Sache lohnte es sich, sein Leben zu geben und Märtyrer zu werden.

Zwischen Kaserne und Liebe

Ich ging als Freiwilliger in die Armee, noch bevor ich das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte. Ich hatte keine Geduld mehr, mich endlich für die Front vorzubereiten und gegen die Aggressoren zu kämpfen. Ich entschied mich für eine Einheit in unserem Stadtteil. Es war gerade alles vereinbart, und ich bereitete mich darauf vor, innerhalb weniger Wochen in die Kaserne zu gehen, als ein Mädchen auftauchte.

Afsanè hatte dunkelblondes Haar, grüne Augen und das bezauberndste Lächeln der Welt. So ein schönes Mädchen! Und ich musste in die Kaserne gehen, das Vaterland wartete auf mich. Meine Beine bewegten sich in die eine Richtung, mein Herz zog in eine andere … Was für eine Qual! Schon bevor ich eingezogen wurde, fing ich an, darüber nachzudenken, wie ich rauskommen und mich mit Asfanè treffen könnte. Wie wir uns in die Augen schauen und reden würden.

Lange Zeit berührten Asfanè und ich uns nicht, das ist so üblich im Iran. Wir liebten uns nur mit den Augen. Und ihre Augen suchte ich Tag und Nacht, es gab nichts, was mich auf dem Gelände der Einheit hätte festhalten können. Ich habe nie etwas an Märchen gefunden, meine starke Seite ist das Handeln.

Das Schöne an der Dienststelle war die große Fläche, einige Korps waren dort und genug Soldaten, damit meine Abwesenheit nicht auffiel. Bald hatte ich mich mit einem Feldwebel verschworen, dem ich ab und zu Haschisch und Opium in die Dienststelle bringen musste, so waren wir beide zufrieden. Nur zum Schießen ging ich regelmäßig, das brauchte ein Soldat des Islam ja, damit er den Feind töten konnte, er brauchte nicht vor ihm zu marschieren. Außerdem machte mir das Schießen Spaß, und ich war wirklich gut darin.

Als ausgezeichneter Schütze bekam ich zur Belohnung einige Tage Urlaub. Ich hatte diesen Urlaub zwar gar nicht so nötig, denn das Verlassen der Kaserne war ja sowieso schon organisiert, und ich konnte Asfanè sehen, wann ich wollte … Der zweite, wertvollere Teil der Belohnung war jedoch das Privileg, dass ich mir selbst aussuchen durfte, wo ich nach der ersten dreimonatigen Vorbereitung weitermachen wollte. Natürlich wollte ich genau in dieser Einheit bleiben, in meinem Stadtviertel, nicht weit von zu Hause und vor allem: mit diesen Freiheiten. Mich mit Asfanè treffen zu können, diese Freiheit war das Wichtigste für mich.

Alles lief gut, die Sache war geritzt, es kam die Zeit der Zuteilung. Da geschah etwas, das ich nicht eingeplant hatte. Der Kommandeur der Einheit hatte irgendwo etwas von meinem freien Regime gehört und mir jegliches Verlassen der Einheit verboten. Das beunruhigte mich nicht besonders, weil es noch einige Tage bis zur Aufteilung waren. Ich würde mein Privileg nutzen und diese Dienststelle aussuchen, um bis zum Ende des Wehrdienstes hierzubleiben. Und dann, das war klar, würde ich als Freiwilliger an die Front gehen!

Endlich begann das lang erwartete Auswahlritual. Die ausgezeichneten Schützen waren auf einer Seite aufgereiht, und jeder sagte laut die von ihm gewählte Dienststelle, sie wurde aufgeschrieben, wonach er zur Seite trat. Als ich an die Reihe kam, sagte der Offizier scharf, noch bevor ich den Mund geöffnet hatte: »Du wartest bis zum Schluss. Was von allen Anderen übrig bleibt, ist für dich.«

Ich blieb mit offenem Mund stehen. Zusammen mit zwei anderen Jungen, offenbar waren sie auch solche wie ich, stand ich da und schaute mir an, wie die guten Stellen nacheinander vor unseren Augen verschwanden. Am Schluss blieben nur zwei, natürlich die beiden schlechtesten, der Flugstützpunkt in der Nähe zur Grenze mit Pakistan und die streng überwachte Eliteeinheit in Teheran. Dort gab es mehr Generäle und Offiziere als Soldaten, es herrschte wahrlich eine raue Disziplin. Vorschriften und Ordnung, das Schrecklichste für jemanden mit einem Naturell wie dem meinen. Jeden zweiten Tag standen die Soldaten Wache, sie wurden verrückt vor lauter Wachdiensten. Keine Bewegung, eiserne Ordnung. Die Einheit war zwar im Zentrum unserer Stadt stationiert, aber deswegen hätte ich mich nur noch schlechter gefühlt: den ganzen Tag die Leute draußen herumlaufen zu sehen, während man selbst drinnen festgenagelt war. Nein, dort wollte ich nicht hin, ich hätte alles dafür gegeben, dass es an mir vorüberginge.

Der Flugstützpunkt an der Grenze zu Pakistan schien mir gar keine so schlechte Alternative. Es war besser, zeitweise an so einem entfernten Ort zu sein und auf Versetzung zu hoffen, als in dieses Statutsgefängnis zu kommen und es bis zum Ende meiner Wehrdiennstzeit nicht mehr verlassen zu können. Wenn ich gefragt worden wäre, hätte ich also gewusst wohin. Aber niemand fragte mich. Der Kommandeur zeigte auf mich und verkündete vor allen: »Er geht zum Generalstab, damit er Disziplin lernt.«

So wurde dieser Mann einer der vielen in meinem Leben, die mir Disziplin beizubringen versuchten. Aber das interessierte mich nicht. Ich war enttäuscht und verzweifelt. Es war nicht fair, mir etwas zu nehmen, was ich mir mit meiner Arbeit erstritten hatte … Tief in meinem Innern wusste ich, dass der Offizier seine Gründe hatte, aber gleichzeitig war ich niedergeschlagen. Mit nur zwei Sätzen hatte dieser unangenehme Mann all meine Träume und Pläne durchkreuzt. Ich packte mein Gepäck und konnte nicht einmal mehr hinausgehen zu Afsanè, um mich von ihr zu verabschieden. Ich lag abends im Bett und konnte nicht einschlafen. Vor meinen Augen zog meine Kindheit vorbei: die Ballspiele, Afsanè, meine Freunde, Afsanè, die Motorraddiebstähle, Afsanè, Afsanè … Es war eine sehr lange Nacht.

Früh am nächsten Morgen fuhr ich schon an diesen schrecklichen Ort, der für die nächsten 21 Monate mein Gefängnis werden sollte. So nah und gleichzeitig so fern von meinem geliebten Stadtviertel und von meinem geliebten Mädchen. Ich hatte ihr gesagt, dass ich ganz sicher bleiben würde, und wenn nicht in unserem Stadtteil, dann sicher in Teheran. So kam es ja auch, aber wie viel Ironie lag darin.

Ich stellte mir ihr strahlendes Lächeln vor, ihre zärtlichen, dunkelgrünen Augen, die ebenfalls lächelten, wenn sie mich sahen. Afsanè, das schönste Mädchen der Welt. Ich war beleidigt und wütend. Aber trotzdem wusste ich, irgendwie würde ich zurechtkommen. Ich hatte keine Vorstellung, wie das gehen sollte, wusste aber, dass ich es schaffen würde.

Da spürte ich zum ersten Mal so ein starkes Selbstvertrauen. Irgendwie würde ich es einfädeln. Ich fühlte es, wusste es und wiederholte es mir immer wieder, bis ich vor meiner neuen Einheit stand und die schweren Tore dieses Albtraums sich vor mir öffneten: »Ich schaffe es, irgendwie schaffe ich es.«

Als ich die Kaserne betrat, sah ich mich bestätigt, dass ich es wirklich so bald wie möglich schaffen musste. Dieser Ort verdiente seinen schlechten Ruf. Es war vollkommen unmöglich, einfach mal draußen herumzulaufen. Nicht mal drinnen ging es. Jeden Tag hatte man Wache. Jeden Tag! Erst Reinigung der Waffen, Vorbereitung des Wachdienstes, Überprüfung der Waffen, Antritt zur Wache. Dann 24 Stunden Wache. Dann 24 Stunden Pause. Dann wieder: erste Schicht, zweite Schicht, dritte Schicht … Am scheußlichsten war die dritte Schicht, da verging die Zeit überhaupt nicht. Wer bei so einem Regime Wache gestanden hat, weiß, wie man sich in diesen 24 Stunden erholen kann.

Zu allem Überfluss mussten wir auch noch Theorie lernen. Ich war ja extra aus der Schule weggelaufen, wohin war ich nur geraten?! Es war sehr schwer, kaum auszuhalten für mich. Tag und Nacht verschwimmen, man verliert die Orientierung, kann sich nicht ausschlafen, von anderen Dingen ganz zu schweigen.

Während ich in den langen Nachtstunden auf dem Posten stand, dachte ich nach. Ich dachte auch in den Pausen, wenn ich im Halbschlaf dalag und alle Möglichkeiten durchging … Es wäre tausendmal besser gewesen, im Krieg zu sein, dort gaben sie einem alle 45 Tage 15 Tage Urlaub. Man konnte nach Hause fahren, zu den Angehörigen, seine Geliebte sehen, Freiheit spüren. Aber hier war es schlimmer als im Gefängnis, zumindest dachte ich das damals.

Zu viel denken schadet

Es war das erste Mal, dass ich gezwungenermaßen so viel nachdachte … Und rückblickend komme ich für mich zu dem Schluss, dass zu viel zu denken prinzipiell Zeitvergeudung war. Je länger ich nachdachte, desto größere Dummheiten fielen mir immer ein. Von Anfang an war doch klar, dass ich in diesen langen Wachzeiten über nichts anderes als Flucht denken und ausdenken konnte. Und irgendwann war es auch so weit: Ich lief weg.

Zur Überraschung meiner Familie kam ich wieder nach Hause, ich sagte ihnen offen, was ich mir ausgedacht hatte und dass ich auf keinen Fall zurückgehen wollte. So vor vollendete Tatsachen gestellt, konnten sie zunächst nicht viel tun. Sie schwiegen, aber ich kannte meine Mutter, sie würde nicht aufgeben, es war nur eine Frage der Zeit, und sie würde zum Gegenangriff übergehen. Sie würde meinen Onkel als Verbündeten gewinnen, darauf konnte ich wetten. Diesen großen und knochigen, mürrischen Mann mit seinen buschigen Augenbrauen und großen Händen, die ich nicht nur einmal auf mir gespürt hatte, liebte ich wie einen Vater, fürchtete ihn aber auch mehr als meinen Vater. Aber was ist, ist. Was kommen sollte, würde kommen.

Inzwischen fing ich an, als Hilfsarbeiter auf den Baustellen in Teheran zu arbeiten. Dort drückte ich mich immer in der Nähe eines Elektroschweißers herum und begann, ihm zu helfen. Er war ein guter Mensch, und von ihm wusste ich, dass ein Handwerk nicht unterrichtet werden kann, sondern man es sich »stehlen« muss. Mit anderen Worten, ich sollte aufmerksam zuschauen und mir schnell die Feinheiten merken. Es fiel mir überhaupt nicht schwer, und so fing ich an, mit dem Elektroschweißgerät zu arbeiten – und wurde auch ein Meister.

Ich arbeitete den ganzen Tag, hatte aber immer Afsanè im Kopf. Wir trafen uns, unterhielten uns und sahen uns an. Bei den neuen Machthabern war das verboten und wurde verfolgt, doch wir gingen sogar noch weiter, einmal berührten wir uns wie zufällig an den Händen – die Liebe macht dich mutig bis zum Wahnsinn. Ihre Freundinnen, die sie immer bei diesen Treffen begleiteten, waren sehr erschrocken. Deshalb gingen wir dieses Risiko lange Zeit nicht wieder ein.

Es war eine kindlich reine und schöne Liebe. Trotzdem war Afsanè ein mutiges Mädchen. Einmal trat sie in einer kurdischen Tracht vor mich. Kurdische Trachten, einschließlich der Alltagskleidung, sind an sich schon sehr schön. Manche haben seitlich von den Schultern abstehende »Flügelchen«, wie von Märchenwesen. Was konnte ich da noch sagen, als ich meine Geliebte in solch einem fantasievollen Gewand sah? Es verschlug mir die Sprache, und ich war wie gebannt. Sie merkte das und hatte ihren Spaß daran. Es war eigenartig für sie, andererseits glaube ich, es schmeichelte ihr, dass ich fast den Verstand verlor. Sie war wirklich umwerfend schön. Die Tracht stand ihr so gut wir ihr Name, der auf Farsi tatsächlich »Märchen« bedeutet. Welchen schöneren Namen hätte man so einem märchenhaft schönen Mädchen geben können!

Ich wollte dieses bezaubernde Mädchen natürlich heiraten. Ich wollte sie sehr. Aber zuerst hatten die Eltern das Wort. Und wie ich vermutet hatte, waren ihre Worte schwer erträglich: Erst sollte ich zurückgehen und die Kaserne hinter mich bringen. Wie könnte ich denn sonst heiraten, was für ein Mann war ich denn ohne abgeleisteten Wehrdienst?