Der versunkene Erdteil - Erik Schreiber - E-Book

Der versunkene Erdteil E-Book

Erik Schreiber

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Beschreibung

Das Buch handelt vom Mythos Atlantis und der erfundenen Gesellschaft, die der Grieche Plato das erste mal in einer Schrift erwähnte. Seither ist man versucht, dem Mythos durch Archäologie zu untermauern. Das Buch selbst ist eine Abenteuerliche Geschichte, die sich um den Mythos rankt und dem Protagonisten fordert.

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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Herausgeber

Erik Schreiber

Das grüne Abenteuerbuch 9

Atlantis

Walter Horst

Der versunkene Erdteil

Das grüne Abenteuerbuch 9

e-book 295

Atlantis

Walter Horst - Der versunkene Erdteil

Neuveröffentlichung

© Herausgeber Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

Titelbild: Simon Faulhaber

Redaktion und Lektorat: Peter Heller

Vertrieb: neobooks

Herausgeber

Erik Schreiber

Das grüne Abenteuerbuch 9

Atlantis

Walter Horst

Der versunkene Erdteil

1. Kapitel

„Im sechsten Jahre Kan am elften Muluk im Monat Zac fanden schreckliche Erdbeben statt, die ohne Unterbrechungen bis dreizehnten Chuen andauerten. Die Gegend der Schlammhügel, das Land Mu wurde das Opfer. Zweimal wurde es emporgehoben und plötzlich war es über Nacht verschwunden. Das Meer wurde fortwährend durch vulkanische Gewalten aufgewühlt, dadurch hatte sich das Land mehrmals an verschiedenen Stellen gehoben und gesenkt. Schließlich gab die Oberfläche nach und zehn Länder wurden voneinander gerissen und zerstreut. Unfähig den gewaltigen Zuckungen der Erde Stand zu halten, versanken sie mit ihren Bewohnern. Dies geschah 8060 Jahre vor der Niederschrift dieses Buches.“

Durch das offene Fenster trug der Nachtwind den Duft der Linden in das Dachstübchen. Vom benachbarten Schloßturm schlug es zwölf. Walter las zum dritten Male mit heißen Wangen die merkwürdige Stelle der uralten Mayahandschrift, welche er dem vor ihm liegenden Buche des Angloamerikaners Le Plongeon entnommen und aus dem Englischen übersetzt hatte. Die vielumstrittene Schlußfolgerung dieses Forschers – bestätigte sie nicht Walters eigenen Glauben an Atlantis, jenen versunkenen Erdteil, von dem schon Platon, der weise Grieche berichtet hatte?

Atlantis! Ja, das war die riesige Landbrücke, die in unvordenklichen Zeiten den Westen Europas und Nordafrikas mit dem mittelamerikanischen Festlande verbunden hatte! Sie war versunken und nur einige vulkanische Inseln ragten als spärliche Reste eines Kontinents aus dem Atlantischen Ozean. In Meerestiefen ruhten die Geheimnisse von Atlantis.

Walter blickte auf: Die Kerze, die sein Dachstübchen matt erhellte, war fast niedergebrannt. Sein Kopf glühte und schmerzte. Und vor ihm lag das unerledigte Schulpensum, die Mathematikaufgabe.

Er empfand die Mathematik als einen lästigen Zwang für seinen früh schon anders gerichteten Geist. Aber er war vernünftig genug, ihre Unentbehrlichkeit einzusehen und er fühlte, dass er es nicht nur sich, sondern ebenso sehr seinem Onkel und Vormund schuldig war, durch Fleiß zu ersetzen, was ihm an besonderer Begabung für dieses Fach fehlte.

Junge! hatte der Kapitän Arndt bei keinem letzten Besuch im Herbst gesagt – ich verspreche dir eine schöne Erholungsreise, wenn du dein Abitur gut bestehst – ich erwarte es übrigens von dir – das bist du deinem seligen Vater schuldig!

Des Knaben wandernde Gedanken blieben bei dem verstorbenen Vater. Er war seine liebste Kindheitserinnerung. Die Mutter hatte er nie gekannt – sie starb, als sie ihm das Leben gab. Und dann hatte ihn auch der Vater für immer verlassen, als Walter fünf Jahre alt war und der Sohn gedachte lebhaft des Tages, an welchem Hauptmann Arndt lachend und siegesgewiss ins Feld gezogen war, um niemals wiederzukehren. Ein paar zuversichtliche Briefe aus Belgien waren die letzte Kunde von ihm. Er blieb verschollen.

Das Haus des Rektors in der thüringischen Kleinstadt wurde Walters Heim. Sein Leben war fortan durch den Besuch des Realgymnasiums und die häuslichen Schulaufgaben geregelt unter der strengen Führung des Rektors.

„Wen Gott lieb hat, den züchtigt er“, pflegte der fromme Rektor Gerhart zu sagen. Und Walter fühlte wohl, dass er es gut mit ihm meinte.

Tiefer und herzlicher gestaltete sich seine Beziehung zu dem alten Geschichtslehrer Dr. Stoppel, der ihn durch eine Fülle lebendigen Wissens an sich zog. Dr. Stoppel hatte eine besondere Art, die Vergangenheit der Völker lebendig zu machen. Mit unermüdlicher Hingabe baute der Alte in Holz und Pappe wundervolle kleine Werke: Die hängenden Gärten der Königin Semiramis mit ihren Terrassen und Lauben erstanden unter seinen geschickten Händen.

Die Pyramiden mit ägyptischen Königsgräbern waren so eingerichtet, dass man sie öffnen und in die Gänge schauen konnte und in die Kammern, wo fingerlange Mumien lagen, mit königlichen Abzeichen und Opfergaben versehen. Balken mit Widderköpfen, in Ketten hängend, veranschaulichten antike Belagerungskunst und neben der römischen Saalburg ragte das normannische Schloss. Germanische Pfahlbauten wechselten mit altmexikanischen Wassertempeln. Dies alles war nicht nüchtern in den stumpfen Farben des Materials geblieben, sondern mit Sorgfalt in den buntesten Tönen ausgemalt.

Solche freiwillige Gaben, mit welchen Dr. Stoppel seinen Geschichtsunterricht zu beleben wusste, fanden bei keinem seiner Zuhörer so viel dankbares Verständnis wie bei Walter, der bald Dr. Stoppels bester Schüler wurde. Als besondere Gunst empfand es Walter, dass der alte Herr seiner Obhut diese Schätze anvertraute, ihm erlaubte, sie in die Schulklasse und wieder in seine Wohnung zu schaffen. Bei dieser Gelegenheit versah er ihn öfter mit Büchern, und als der alte Mann kurz vor seiner Pensionierung ganz plötzlich starb, erhielt der Lieblingsschüler als kostbares Vermächtnis eine kleine erlesene Sammlung kulturhistorischer Werke, die nun Walters Bücherbrett füllten. Bei diesen Erinnerungen war der nächtliche junge Grübler unmerklich in jenen halbwachen Zustand geraten, in dem man mit offenen Augen zu träumen pflegt: Stand da nicht der gute alte Dr. Stoppel leibhaftig vor ihm? Nickte und lächelte geheimnisvoll und sagte halblaut, wie er es zuweilen tat, wenn ihn eine treffende Antwort Walters erfreut hatte:

„Junge! In dir steckt etwas!“

Da gab es einen Ruck: Des Träumers Kopf war auf das Buch gesunken. Der Müdigkeit nachgebend, die ihn überwältigte, blieb Walter in der unbequemen Stellung.

Die Treppe hinauf knarrten Schritte. An der Türe wurde gerüttelt: „Was soll denn das heißen? Warum schließest du dich ein?“ Es war die ärgerliche Stimme des Rektors. Walter fuhr auf, schob schnell das verräterische Buch und seine Aufzeichnungen unter das Bettkissen und öffnete.

„Und das Licht ganz abgebrannt?“, brummte der Rektor. „Warum schläfst du nicht? Es ist Mitternacht!“

„Die Mathematikaufgabe –“, stammelte Walter.

„Noch nicht fertig? Zeig einmal her! Die Lösung ist doch einfach, die musst du allein finden. Es hat keinen Sinn, wenn ich die Aufgabe für dich mache. Besonders nicht in diesen Tagen, in denen du vor dem Examen stehst. Du hast dich wahrscheinlich mit anderen Dingen beschäftigt, hm? Das wäre sehr Unrecht, übrigens wollen wir die Bücher da oben, die nicht zu deinen Aufgaben gehören, fortschaffen.“

Der Rektor raffte mit einem ärgerlichen Griff eine Reihe Bände vom obersten Brett, wobei einige hinunterfielen.

„Hilf einmal! So!“

Walter nahm schweigend den Rest der Bücher und folgte dem Rektor die Treppe hinab.

„Diese überflüssigen Bücher schaffen wir morgen auf den Boden –“, erklärte der Rektor – „wo sie bleiben, bis wir das Examen gemacht haben. Das geht vor, mein Lieber! Und jetzt: Marsch ins Bett! – Hm, hör einmal Walter! Es will mir nicht in den Sinn, dass ein begabter Mensch von siebzehn Jahren das bisschen Mathematik nicht zwingt, das kann ja ein Dutzendmensch schaffen – Nun? Du erwiderst kein Wort?“

„Ich will mir Mühe geben“, Herr Rektor“ erwiderte kleinlaut Walter mit einem halben Seufzer.

„Na, hoffentlich!“, sagte der Rektor „Übrigens –“ fügte er in einem milderen Tone hinzu – „nimms nicht gar zu schwer, mein Junge. Es wäre mir ja lieb, auch deines Onkels wegen, du bekämst eine drei in Mathematik. Aber weil du, das weiß ich, in Sprachen und Geschichte sehr gut bestehen wirst, gleicht sich das am Ende aus. Gute Nacht!“

2. Kapitel.

Ein Brief und ein Telegramm.

Lieber Onkel Ernst!

In Eile nur die Nachricht, dass ich eben das Abiturienten-Examen bestanden habe. Eine Abschrift des Zeugnisses füge ich bei nebst einem Brief des Herrn Rektor.

Ich fasse mich kurz, weil diese Mitteilung gleich zur Post soll, damit sie Dich in Stettin noch vor Deiner Abfahrt erreicht. Lass mich bei dieser Gelegenheit Dir von Herzen danken für alle Deine Liebe und Güte.

Dein getreuer Walter.

Sehr geehrter Herr Kapitän!

Zugleich möchte ich Ihnen meine Freude darüber ausdrücken, dass unser Junge so gut – in Sprachen und Geschichte sogar sehr gut – bestanden hat. Auch sonst ist alles für das Universitätsstudium vorgeordnet, wie wir es seiner Zeit besprochen hatten. Sie haben aber seinen Aufenthalt in der Zwischenzeit noch nicht bestimmt und, so gerne wir den Jungen bei uns behielten, wäre doch nach meiner Meinung die in Aussicht gestellte Erholungsreise das Richtige für ihn.

Mit den besten Empfehlungen auch von meiner Frau

Ihr ergebener Gerhart, Rektor.

Dem Kapitän Arndt, der im Wohnzimmer seines kleinen Jungggesellenheimes auf dem Ledersofa saß, ging beim wiederholten Lesen dieses Briefes ganz gegen seine Gewohnheit die Pfeife aus – so sehr freute er sich über die Nachricht.

„Nein, so ein Bengel!“, rief er, mehr konnte er vor Erregung nicht herausbringen, und klopfte sich mit der flachen Hand auf den Schenkel –

„Marianne!“, schrie er der alten Haushälterin zu, „was sagst du dazu? Gib mal Feuer her! Der Junge hat sein Examen ausgezeichnet bestanden! Ich muss ihn herhaben, drei Tage habe ich noch Zeit. Wir telegraphieren ihm, was Marianne?“

Ehe noch die Alte erwidern konnte, war der Kapitän zur Türe hinaus auf dem Wege zum Amt.

Am nächsten Vormittag erhielt Walter das Telegramm:

Freue mich unmenschlich. Sofort mit Schnellzug her. Gleich fertig für weitere Reise. Onkel Ernst.

„Herr Rektor, es geht auf Reisen!“, rief Walter lebhaft.

Der Rektor lächelte gütig, freilich auch ein wenig wehmütig, weil er an sein kinderloses Heim dachte.

Am Nachmittage war alles gepackt. Nun hieß es Abschied nehmen von den Rektorsleuten, von der Schule, von dem traulichen Städtchen mit seinen uralten Brunnen und Toren, vom Schlossgarten mit seinen mächtigen Linden, von dem schlichten Gotteshause, in dem einst der junge Sebastian Bach als Kantor gewirkt hatte und von so vielen anderen lieben, lauschigen Plätzen. Es blieben fast noch zwei Stunden bis zur Abfahrt des Zuges. Und Walter war das Herz so voll. Er schrieb auf seinem Pulte einige Verse nieder und reichte das Blatt dem Rektor. Der las:

Thüringer Land, leb wohl, leb wohl – Muss dich meiden, muss dich lassen, Und dich Städtlein am Bergeshang Mit den traulichen stillen Gassen.

Dich, du schweigender grüner Wald, Dich, du lieber Fluss im Tale, Euch ihr Gärten voll Blütenduft – Alles verlier ich mit einem Male!

Nordwärts mein Weg in die Nied'rung geht, Schnell entzieht ihr euch meinen Blicken. Lindenlüfte weh'n mir nach, Grüne Wipfel grüßen und nicken.

Ach, mein Herz kennt euren Gruß Und es will sich gar nicht fassen. Deutlich fühlt's, dass es zur Stund' Etwas Liebes muss verlassen.

„Sieh, sieh!“, sagte der Rektor. „Ganz volksliedmäßig, dein poetisches Talent beginnt sich zu formen.“

Er reichte ihm als Gegengabe eine kleine Handbibel, Walter schlug den Lederdeckel auf und las die eingeschriebene Widmung:

Denen, die Gott lieben, gedeiht alles zum Guten.

Er sah den Rektor dankbar an, stumm und heftig drückte er ihm die Hand. Die bleiche stille Frau des Rektors hatte Tränen in den Augen. Sie zog den Scheidenden sacht an sich. Der Abschied wurde Walter nicht leicht. Die wechselnden Eindrücke der Reise verscheuchten indessen schnell alle wehmütigen Gedanken.

Am Bahnhof stand der Kapitän und winkte schon von weitem. „Junge! Du bist gewachsen, seit ich dich zuletzt sah!“, rief er, „aber bleich stehst du aus. Du musst dir frische Luft um die Ohren wehen lassen!“ Auf dem festlich gedeckten Tisch blinkte zur Begrüßung eine Flasche Wein.

„Ausnahmsweise!“ sagte der Kapitän schmunzelnd, „weil heute ein Festtag ist. Prost! Du bleibst bis morgen bei mir und wir machen Pläne. Danach schicke ich dich für drei bis vier Wochen nach Rügen. Ich kenne da ein Häuschen in einem abgelegenen Fischerdorf – nicht etwa elegantes Badeleben, so etwas machen wir nicht. Hab's nicht dazu. Ist ja auch nicht dein Fall. Das Häuschen, wo ich früher verkehrte, gehört meinem ehemaligen Steuermann. Hab' ihm schon geschrieben. Da ist prachtvoller Wald und Strand, da kannst du rudern und schwimmen, oder mit dem alten Seebären fischen. Da gibt es täglich frische Eier und Milch und Obst. Nur nicht büffeln dabei! Die Bücher lass du bei Seite, dazu kommst du zeitig genug. Dein Wohl, Junge! Machs gut.“

Während der Neptun mit Kapitän Arndt auf der Kommandobrücke in See stach, fuhr Walter nach Rügen hinüber.

3. Kapitel.

Tlaloc.

Lieber Onkel!

Gestern nachmittag auf Rügen gelandet. Der alte Skagen holte mich selbst vom Bahnhof ab in einem Jagdwagen, den er dem Förster entliehen. Es ging im Hundetrab zwischen Dünen und Haidekraut die herrliche Prorawaldung entlang. Ein Rudel Damwild lief über'n Weg. Durch das dunkle duftende Grün der Kiefern und Fichten sah ich fortwährend das Meer leuchten.

Skagen, Dein alter Steuermann, der eine unermessliche Ehrfurcht vor Dir hat, behandelt mich wie den Abkömmling eines hohen Hauses und Mutter Skagen empfing mich in ihrem schmucken Häuschen mit frischgebratenen Flundern nebst Salat und ›Roter Grütze‹. Es sind prächtige Leute.

Heute in aller Frühe bei Sonnenaufgang war ich mit ihren Ziegen am Strand, da habe ich gleich gebadet. Ganz allein.

Nur im „Krug“ ist noch ein Fremder, ein Engländer, der von Binz herüberkam, um wilde Enten zu schießen, die in der Nähe auf einem kleinen schilfbedeckten See hausen.

Ich bin hier gut aufgehoben und wollte diesen ersten Tag nicht vorübergehen lassen ohne einen Gruß an Dich.

Dein Walter.

Lieber Onkel!

Heute habe ich einen merkwürdigen Fund gemacht. Ich war im ›Krug‹. Der Wirt, der alte Stör, der mit Skagens befreundet ist, rief mich nämlich herein, weil es Sonntag war und seine Frau frischen Streuselkuchen zum Kaffee gebacken hatte.

Indem wir am Tisch plaudern – die Wirtsleute können sich gut auf Dich besinnen, Onkel! – da fällt mein Blick auf eine seltsame Steinplastik gegenüber an der Wand und ich erkenne ohne Mühe Tlaloc, den aus meinen Studien mir vertrauten, altmexikanischen Gott des Wassers und der Fruchtbarkeit! – Wie kommt der Azteke hierher? – Auf meine Frage erfahre ich: Störs Großvater wurde, als er einst mit einem Dreimaster durch den Atlantischen Ozean segelte, auf stürmischer Fahrt nach dem Sargassomeer verschlagen. Dort fischten sie und da fand sich im Netz neben merkwürdigen Tiefseepolypen jenes Götzenbild. Ich zeichne Dir es her.

Es ist ganz von einem feinen grünen Teppich von Algen überzogen und mit kleinen Muscheln besetzt. Dennoch treten die grobgemeißelten Züge unverkennbar hervor. Das Merkwürdigste aber an dieser Plastik ist die Rückseite. Als ich mit Erlaubnis des alten Stör das Götzenbild aus den Klammern löste, die es an der Wand hielten und es umwendete, erblickte ich auf der Rückseite eine Bruchfläche mit dem Abdruck eines Urtieres. Wie Du aus meiner zweiten Zeichnung siehst, ist eine Vogelgestalt deutlich erkennbar – der Schnabel zeigt gezähnte Ränder. Meine geologischen Kenntnisse reichen nicht aus, um festzustellen, welcher Erdperiode diese Versteinerung angehört.

Deutet nicht dieser Fund in der Tiefe auf weitere Reste alter Kultur? Und hat Augustus Le Plongeon nicht doch Recht, wenn er das versunkene Atlantis in einem ehemaligen Landrücken vermutet, der in unvordenklicher Zeit Westeuropa und Zentralamerika verband?

Vorhin kam ich mit dem Engländer ins Gespräch, der mich vor dem Götzenbilde in Betrachtung sah. Er hatte es gleich bei seiner Ankunft bemerkt und kaufen wollen. Stör gibt es nicht her. Da ich Mr. Armstrong von meiner Vermutung erzählte, meinte er, ich könnte wohl Recht haben. Er für sein Teil wäre darauf nicht gekommen, er halte das Götzenbild für ein Beutestück irgendeines untergegangenen spanischen Schiffes – eine naheliegende Erklärung müsse allerdings nicht immer die rechte sein. Ich beschreibe den Fund in einer kleinen Abhandlung.

Diese Zeilen gehen wieder an Deine Stettiner Adresse.

Von Herzen Dein Walter.

4. Kapitel.

Weckerle.

Als Walter Arndt zwei Wochen später kurz vor Semesterbeginn an seinem Bestimmungsorte angelangt war, galt sein erster Gang am Nachmittage dem Dozenten in der Kulturgeschichte, Weckerle, an welchen ihn sein Rektor empfohlen hatte.

Er fand nach einigem Umherirren in der Nähe des Hafens die abgelegene Richard-Wagner-Ecke, in welcher der Gesuchte hauste. Es war das Ende einer nur aus vier Häusern bestehenden Sackgasse. Hier stand eines der wenigen Gebäude der Biedermeierzeit, ein kleines einstöckiges Haus mit hohem rotgegiebelten Dach, das eine zweite Flucht von Fenstern zeigte.

Walter erfasste am Tor den Porzellangriff einer altmodischen Klingel, auf dem mit zierlicher goldener Kursivschrift der Name des Eigentümers stand – es gab einen hellen nachhallenden Ton. Ein Giebelfenster wurde geöffnet, eine dicke Frau in weißer Haube sah heraus und rief misstrauisch: „Wer ist denn da?“

„Walter Arndt!“ klang es heiter zurück.

„Warten Sie, ich bin gleich unten!“

Schnelle Schritte schlürften die Holztreppe herab, der Torschlüssel drehte sich zweimal knackend im Schloss. Im Flur stand die rundliche Frau mit der Haube.

„Frau Professor?“

„Ganz recht, kommen Sie nur. Sie werden erwartet. Mein Mann ruht noch etwas, wird aber gleich zu Ihrer Verfügung sein. Sie sind also der Walter Arndt! Rektor Gerhart hat uns viel von Ihnen erzählt. Haben Sie denn schon eine Wohnung?“

„Nein!“

„Wir können Sie leider nicht bei uns aufnehmen. Haben nur eine Aufwärterin zur Bedienung. Aber ich finde schon eine Adresse für Sie.“

Über den Flur, durch welchen eine weißgescheuerte Holztreppe zum Dachgeschoß führte, ging es zu einer Türe, welche die alte Dame aufklinkte, in ein Zimmer mit Biedermeiermöbeln, durchduftet von einem mächtigen Gartenblumenstrauß, der auf dem Mitteltisch prangte.

„Ist da Besuch?“, tönte eine helle Stimme nebenan.

„Ah, er ist schon auf! Ja, Tim, – Walter Arndt ist gekommen!“

Die Nebentüre öffnete sich sogleich. Ein bleiches, spitznasiges Männlein mit hohem weißen Haarbusch stand auf der Schwelle in weitem altmodischen Gehrock, schaute lächelnd durch ein paar glitzernde Brillengläser auf den Ankömmling und sagte, ihm beide Hände entgegenstreckend mit gedämpfter Feierlichkeit: „Salve!“

„Ich wollte nicht versäumen, mich Ihnen, Herr Professor, sogleich nach meiner Ankunft vorzustellen und Grüße von Herrn Rektor Gerhart an Sie zu überbringen.“

„Was macht er denn, mein alter Gerhart? Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen! Ist er gesund und munter? Kommen Sie gleich in mein Tuskulum, mein Lieber, da plaudert es sich besser. Lona, du bringst uns wohl den Kaffee herein.“

„Möchtest du nicht am Tisch –?“

„Nein, nein, du weißt, ich liebe nicht die Umstände.“

Er zog den Besucher in den Nebenraum, wo Walter außer einem Arbeitstisch in der Mitte und einem niederen Lager, von dem eine persische Decke eben herabgeglitten zu sein schien, nichts als Bücher erblickte, welche die Wände bis zur Decke hinauf füllten.

Der Professor führte Walter auf einen Polstersitz an das Doppelfenster, das auf einen kleinen von Platanen beschatteten Hintergarten hinausging.

„Nun erzählen Sie mal! Haben Sie Studienpläne gemacht? Was hat man denn vor?“

„Vor allem älteste Kulturgeschichte, Herr Professor, wobei vergleichende Sprachforschung unerlässlich erscheint.“

„Richtig! – Für vergleichende Sprachforschung haben wir hier eine Autorität – unseren Echtermeyer! Und in den alten Kulturen bin ich zu Hause. Was sage ich denn da – zu Hause? Zu Hause – der Ausdruck trifft nicht zu. Denn eigentlich ist hier noch unentdecktes Land! Was wissen wir denn im Grunde über die alten Kulturen? Wenig, wenig! Jeden Augenblick kann man durch Funde überrascht werden, die alles über den Haufen werfen, was die gelehrte Welt Jahrzehnte, Jahrhunderte für sicher gehalten und behauptet hat. Da – nehmen wir einmal: Ranke! Ranke, unseren großen Historiker! Der fängt noch seine Weltgeschichte an – warten Sie mal – warten Sie mal, ich hole den Band!“