Der Weg in dein Herz - Katharina B. Gross - E-Book

Der Weg in dein Herz E-Book

Katharina B. Gross

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Beschreibung

Er hat alles, nur nicht das, was er braucht Elias hat alles: Er sieht verboten gut aus, fährt ein schnelles Auto und startet als Model gerade so richtig durch. Jedes Wochenende einen anderen Kerl im Bett zu haben ist genau das, was er will, denn er glaubt nicht an die große Liebe. Bis auf einmal Daniel vor ihm steht und Elias' schöne Fassade zu bröckeln beginnt …   An seinem ersten Tag als Gärtner hätte Daniel niemals damit gerechnet, dem heißesten Typen zu begegnen, den er je gesehen hat. Doch Elias ist oberflächlich und egoistisch. Auf solche Männer hat Daniel wirklich keine Lust. Aber als sich die beiden langsam näher kennen lernen merkt er, dass Elias ein Geheimnis mit sich herumträgt, das alles verändert …

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Der Weg in dein Herz

Die Autorin

Katharina B. Gross lebte und studierte im Ruhrgebiet, bevor es sie in den Norden verschlug. Trotzdem hat sie ihre Heimat nicht vergessen, weshalb viele ihrer Romane in Essen und Umgebung angesiedelt sind. Die Liebe zum Schreiben entdeckte sie bereits in der Grundschule, doch bis sie einen Roman zu Papier brachte, dauerte es mehrere Jahre. Ihr erster Roman erschien 2017 – und es wird garantiert nicht der Letzte sein.

Das Buch

Elias hat alles: Er sieht verboten gut aus, fährt ein schnelles Auto und startet als Model gerade so richtig durch. Jedes Wochenende einen anderen Kerl im Bett zu haben ist genau das, was er will, denn er glaubt nicht an die große Liebe. Bis auf einmal Daniel vor ihm steht und Elias’ schöne Fassade zu bröckeln beginnt … An seinem ersten Tag als Gärtner hätte Daniel niemals damit gerechnet, dem heißesten Typen zu begegnen, den er je gesehen hat. Doch Elias ist oberflächlich und egoistisch. Auf solche Männer hat Daniel wirklich keine Lust. Aber als sich die beiden langsam näher kennen lernen merkt er, dass Elias ein Geheimnis mit sich herumträgt, das alles verändert …Von Katharina B. Gross sind bei Forever erschienen:HerzflüsternHerzleuchtenDer Weg in dein Herz

Katharina B. Gross

Der Weg in dein Herz

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinAugust 2020 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-574-6

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Bonusstory

Leseprobe: Herzflüstern

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

Elias

Samstagnacht. Der dröhnende Bass zieht mich wie magisch in den Mainroom. Das bunte Licht zuckt durch den dunklen Raum, beleuchtet die wild tanzende Menge in unregelmäßigen Abständen. Ich lasse meinen Blick bedächtig über die teilweise halb nackten Männer im Blue Heaven gleiten und lecke mir dabei über die Lippen. Heute Nacht werde ich ganz sicher nicht alleine bleiben. Tu ich eigentlich nie, wenn ich meine Netze auswerfe. Irgendein Fisch verfängt sich immer darin. Die Männer können mir eben nicht widerstehen. Ihnen gefällt, was sie sehen, also gebe ich ihnen auch das, was sie von meinem Auftreten erwarten: einen gut gelaunten Partyboy, der für lockeren Spaß zu haben ist. Alles andere wäre zu kompliziert und einfach nicht mein Stil.

Nach Betreten der Tanzfläche werden mehrere Männer gleich auf mich aufmerksam. Ihre Blicke gleiten über meinen Körper. Grinsend schwinge ich meine Hüfte, tanze mal mit einem, mal mit einem anderen, ohne mich wirklich festzulegen. Ich genieße dieses Spiel jedes Mal aufs Neue. Die fremden Hände auf meinem Körper und die begehrlich geflüsterten Worte turnen mich an.

Ein großer Mann kommt auf mich zu, der sich dann von hinten eng an mich schmiegt. Für einen Moment lasse ich es zu, reibe meinen Hintern leicht an ihm. Sein Stöhnen quittiert meine Bemühungen und lässt mich grinsen. Fast jeder im Blue Heaven kennt mich, und mindestens die Hälfte der Männer will mich. Es ist wirklich von Vorteil, so berühmt zu sein wie ich. Seitdem ich nicht nur in den sozialen Medien bekannt bin, sondern auch noch bei einer kleinen Modelagentur unter Vertrag, kennt meine Fotos selbst unsere Nachbarin Frau Kaiser. Und sie ist fast siebzig Jahre alt.

Während der Typ immer noch versucht, mich zu verführen, beobachte ich weiter meine Umgebung. Mit vielen der Männer hatte ich bereits Sex. Auch den Kerl hinter mir, der nun mit seinen Händen meine Seiten entlangstreicht und mir versaute Dinge ins Ohr flüstert, kenne ich schon. Doch meine Devise lautet: Schlafe niemals zweimal mit einem Mann. Das wäre langweilig. Als Notnagel, ja. Doch der Abend ist jung, und man weiß ja nie, wer einem noch über den Weg läuft. Ich habe gerne Spaß, und ich mag unverbindlichen Sex, denn dieser ist stets unkompliziert, weil man sich einvernehmlich an niemanden bindet, von dem man später verletzt werden könnte.

Plötzlich fällt mein Blick auf einen Typen, der neben einer zierlichen blonden Frau an der Bar steht und sich angeregt zu unterhalten scheint. Sein Gesicht ist ihr zugewandt, sodass ich nur ein wenig von seinem Profil erhaschen kann. Mit den Augen checke ich ihn aus der Ferne ab. Der Kragen seines schwarzen Shirts ist hochgeschlossen und zeigt nur ein Stück der hellen Haut seines Nackens, in dem sich ein paar der schokobraunen Haare leicht kräuseln. Er hat schmale Schultern, wirkt aber nicht schmächtig, sondern genau richtig gebaut, dass er mich interessieren könnte. Vor allem der knackige Hintern in der Jeans zieht meinen Blick wie magisch an. Er ist neu hier. Mit ihm war ich definitiv noch nicht im Darkroom. Doch diesen Umstand kann man leicht ändern. Vergessen ist der Mann hinter mir, der sich noch eben vergebens um mich bemüht hat.

Grinsend bahne ich mir einen Weg durch die Menge in seine Richtung.

»Lust auf einen Blowjob?«, frage ich ganz unverbindlich, nachdem ich mich neben den Fremden an die Bar gestellt habe. Er dreht sich ruckartig zu mir um. Seine Augen weiten sich überrascht. Anscheinend versucht er gerade, meine Einladung richtig einzuordnen. Ich merke, dass es ihm nicht gelingt, denn seine Gesichtsfarbe wird dunkler. Eine leichte Röte überzieht seine Wangen, soweit ich es in dem schwachen Clublicht erkennen kann. Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen mustere ich ihn.

Er hat schöne Augen, die von einem Kranz dichter Wimpern umrahmt sind. Ob sie jetzt blau oder grau sind, kann ich nicht ausmachen, doch irgendwie faszinieren sie mich. Seine Wangen sind glatt rasiert und ein wenig kantig, die Nase gerade. Volle Lippen runden seine Erscheinung ab. Wow, er ist genau mein Typ!

Da er mich immer noch ein wenig verwirrt anstarrt, ohne etwas zu antworten, muss ich wohl weiter die Initiative ergreifen. Ich lehne mich lässig gegen den Tresen, stütze das Gesicht mit einer Hand ab und zwinkere ihm zu.

»Ich meine den Cocktail«, kläre ich ihn auf und deute mit einer Kopfbewegung in Richtung Barkeeper. Kai hat mich schon von Weitem erkannt und bis jetzt auf meine Bestellung gewartet. Er kennt mich und weiß, dass ich diesen Spruch ständig bringe, um die Männer aus der Reserve zu locken. Jetzt nickt er zurück, und kurz darauf stehen zwei Shots vor mir. Ich greife nach dem Schnapsglas. Das Sahnehäubchen schwankt leicht auf der hellbraunen Flüssigkeit, als ich es an meine Lippen führe, den Blick dabei immer noch auf das Gesicht des fremden Mannes gerichtet.

»Sorry, ich trinke nicht«, gibt er knapp zurück und deutet auf das Glas Cola, das vor ihm steht. Wirklich schade. Ein wenig enttäuscht kippe ich den Alkohol in einem Zug hinunter, dann lecke ich mir mit einer verführerischen Geste die restliche Schlagsahne von den Lippen. Zufrieden stelle ich fest, wie er mich genau beobachtet. Sehr gut. Ich rücke ein wenig näher an ihn heran und lege meine Hand auf seinen Arm.

»Wenn du den Cocktail nicht magst, dann vielleicht doch …?«, beginne ich und lasse die Frage im Raum stehen. Ich wackele mit den Augenbrauen und hoffe, dass er den Wink versteht. Er sollte einwilligen, denn meine Zungenfertigkeit ist wirklich gut und ab einem gewissen Alkoholpegel gehe ich auch mal aufs Ganze. Wie jetzt zum Beispiel, denn ich will diesen Typen echt gern ins Bett kriegen! Wenn ich ihm dafür vorher einen blasen muss, dann werde ich es ohne mit der Wimper zu zucken tun.

Er entzieht sich mir und trinkt hastig einen großen Schluck Cola. Seine Nervosität scheint wie ein Funke auf mich überzuspringen, denn langsam werde ich ungeduldig. Es verwirrt mich, weil er mein Angebot ausschlägt. Oder hat er den Wink etwa wirklich nicht verstanden? Offenbar muss ich einfach deutlicher werden, was mein Interesse an ihm betrifft.

»Willst du vielleicht tanzen?«, lasse ich nicht locker. Weil er mich wieder völlig ignoriert, reizt es mich umso mehr, ihn rumzukriegen.

Die Blondine neben ihm, der ich bisher kaum Beachtung geschenkt habe, zupft nun an seinem Arm, bis er sich ihr zuwendet.

»Das ist … Elias«, raunt sie ihm zu. Ihre Augen weiten sich voller Staunen. Na bitte, die Kleine liest anscheinend die vielen Modemagazine, in denen meine Bilder zu sehen sind. Vielleicht gehört sie aber auch zu meinen zahlreichen Followern auf Instagram? Ihrer Überraschung nach zu urteilen hat sie nicht erwartet, mich hier zu treffen. Wer mich kennt, weiß jedoch, dass ich ziemlich oft im Blue Heaven bin. Ich liebe Partys, die laute Musik und vor allem die Männer hier. Und das Blue Heaven ist nun mal der angesagteste Schwulenclub im Umkreis von hundert Kilometern.

Als ich ihr ein Lächeln schenke, errötet sie genau wie ihr Freund vorhin, aber an ihm sah die leichte Röte definitiv niedlicher aus. Sorry, Süße, aber ich stehe leider nicht auf Möpse, würde ich ihr am liebsten erklären. Doch ich halte mich zurück.

»Und? Was kümmert mich, wie er heißt?«, gibt er gleichgültig zurück. Hey, das ist jetzt aber gemein. Er redet einfach so über mich, als wäre ich nicht da. Räuspernd mache ich mich bemerkbar, rücke dabei noch etwas näher an ihn heran, bis sich unsere Schultern beinahe berühren. Mich wurmt es, dass ihn meine Annäherungsversuche völlig kaltlassen. Meinem Charme konnte bisher niemand widerstehen. Oder ist der Kerl etwa eine Hete? Für einen kurzen Moment bin ich verwirrt. Würde er dann mit seiner festen Freundin in einen Club voller schwuler Männer gehen, um eine Cola zu trinken? Das ist doch absurd.

Nun sieht mich der Typ mit einem gereizten Gesichtsausdruck an, während er seine Freundin etwas unsanft am Arm packt.

»Komm, Laura, wir fahren. Irgendwie ist mir die Lust auf Feiern vergangen«, brummt er.

»Aber … wir sind doch noch gar nicht lange hier. Lass mich doch wenigstens meinen Cocktail austrinken. Hey …!«, beschwert sich die Blondine, als er sie bereits hinter sich herzieht. Perplex starre ich den beiden nach. Was war das denn? Der haut tatsächlich einfach so ab? Das kann doch nicht wahr sein!

Frustriert und überrascht zugleich balle ich die Faust. Dass mich ein Kerl einfach so stehen lässt, ist wirklich noch nie passiert. Ich schnaube verächtlich. Oder war der Typ tatsächlich eine Hete, die plötzlich Schiss um ihren jungfräulichen Arsch bekommen hat?

Gereizt greife ich nach dem zweiten Blowjob, der immer noch auf der Theke steht, und stürze das Getränk in einem Zug hinunter. Zu so einem Angebot hat bisher kaum ein Mann nein sagen können. Seine Ablehnung kränkt mich, was ein ganz neues Gefühl ist. Bisher hat mich niemand einfach so sitzen lassen.

Ein wenig zu schwungvoll stelle ich das Glas wieder zurück, sodass ich mit der Hand das noch halb volle Cola-Glas umstoße, das der Kerl stehen gelassen hat. Das Getränk ergießt sich über den Tresen und tropft zu Boden. Sofort ist der Barkeeper zur Stelle.

»Das war ja mal eine Abfuhr«, meint Kai kopfschüttelnd, als er die Cola vom Tresen wischt. Sein vorwurfsvoller Blick in meine Richtung interessiert mich jedoch nicht. Ich schiebe mich bereits durch die tanzende Menge, sehe mich dabei immer wieder nach diesem Kerl um, der mich einfach so stehen gelassen hat. Anscheinend hat er den Club tatsächlich mit seiner Freundin verlassen. Selbst schuld, er weiß gar nicht, was ihm mit mir entgeht. Doch so gleichgültig scheint mir seine Abfuhr nicht zu sein, wie ich es mir einzureden versuche. Es wurmt mich, ja, aber irgendwie bin ich gerade auch ziemlich enttäuscht, denn dieser Typ hat mir tatsächlich wirklich gut gefallen. Er hatte etwas an sich, das die ganzen selbstgefälligen Männer, mit denen ich sonst rummache, in den Schatten drängt.

Eine Hand auf meiner Schulter lässt mich herumfahren. Erst glaube ich, dass der Fremde es sich doch noch anders überlegt hat und zurückgekommen ist, doch dann erkenne ich das Gesicht des Typen, mit dem ich noch vor wenigen Minuten getanzt habe. Nun gut, dann muss ich mich wohl mit ihm zufriedengeben. Die Lust auf weiteres Suchen nach dem Fremden ist mir sowieso vergangen. Eine schnelle Nummer im Darkroom wird mich sicher auf andere Gedanken bringen. Ich grinse den Mann frech an, denn zu etwas Spaß sage ich jetzt garantiert nicht nein.

Kapitel 2

Daniel

Obwohl ich wirklich spät dran bin, kann ich es nicht lassen, Laura auf ihre Nachricht zu antworten. Sie liegt mir bereits eine Woche damit in den Ohren, dass ich in den Semesterferien viel mehr mit ihr und unseren anderen Freunden unternehmen sollte, statt zu arbeiten. Doch ich brauche diesen Job wirklich, den ich heute antreten werde.

Statt es jedoch gut sein zu lassen, schickt sie mir eine weitere Nachricht. Genervt entsperre ich das Handy, als ein Ping ertönt.

Du bist so ein Langweiler. Hab doch ein bisschen Spaß, wenn wir schon freihaben. Außerdem kannst du doch auch nach der Arbeit zum See nachkommen. Wir bleiben sicher eine Weile hier.

Ich habe Spaß.

Oh ja! Genauso viel Spaß wie am Wochenende, an dem wir aus dem Club geflüchtet sind, als sei der Teufel persönlich hinter uns her. Wirklich, Daniel, unsere Definition von Spaß ist wohl grundverschieden.

Statt ihr zu antworten, schiebe ich das Smartphone einfach in meine Hosentasche. Mist, muss sie mich an diesen peinlichen Auftritt erinnern? Dabei habe ich den Abend bereits erfolgreich verdrängt, bis sie wieder damit angefangen hat. Ich hatte schon befürchtet, dass unser Clubbesuch in einer Katastrophe enden würde. Das tut es oft, wenn Laura mit dem Gedanken ausgehen will, ein paar Männer aufzureißen. Doch leider passiert es nicht selten, dass die Männer eher mich statt sie ansprechen oder nach der Handynummer fragen. Oft macht es meiner besten Freundin nichts aus, doch ich finde es einfach furchtbar. Weshalb es dann nicht selten vorkommt, dass sie direkt in einen Schwulenclub gehen will, um mich zu verkuppeln. Gerade im Blue Heaven hätte ich ihre Absichten erahnen sollen, aber natürlich konnte ich Laura ihren Wunsch nach ein bisschen Spaß nicht abschlagen.

Genervt rolle ich mit den Augen, als mein Handy abermals piept. Diesmal hat Laura mir ein trauriges Emoji geschickt. Bevor ich auf ihre Nachricht reagieren kann, bekomme ich ein Bild. Es dauert einen Moment, bis es geladen ist, doch als ich die Person auf dem Foto erkenne, läuft es mir kalt den Rücken runter. Es ist dieses bekannte Männermodel, auf das Laura so abfährt. Laura hat einen Screenshot von einem Foto aus seinem Instagram-Feed gemacht.

Wir hätten wenigstes ein bisschen länger mit Elias quatschen können. Schließlich läuft man jemandem wie ihm nicht jeden Tag über den Weg. Du weißt genau, wie toll ich ihn finde … Dafür schuldest du mir mindestens ein Eis. Ach was, am besten zwei!

Elias … Was findet meine Freundin nur an ihm so faszinierend? Sein Aussehen ist zwar nicht zu verachten, aber seine billige Anmache war wirklich das Letzte! Ich hasse solche aufdringlichen Typen wie ihn. Allen voran die ganzen Kerle aus den Clubs, die ständig nach einer schnellen Nummer suchen. Darauf lasse ich mich nicht ein, auch wenn es vielleicht ein wenig altmodisch klingt. Ich stehe nun mal nicht auf One-Night-Stands. Für mich gehört Sex zu einer festen Partnerschaft mit Vertrauen, Liebe und allem Drum und Dran. Ein Quickie im Darkroom kommt für mich nicht infrage. Zumindest habe ich mich bisher noch nie darauf eingelassen. Vielleicht sind auch meine Prinzipien dran schuld, dass ich schon ewig keinen Sex mehr hatte. So nötig wie dieser Elias vergangenen Samstag habe ich es jedoch noch lange nicht, auch wenn ich mich an mein letztes Mal kaum noch erinnern kann. Mir selbst einen runterzuholen zähle ich jetzt mal nicht dazu.

Meine erste feste Beziehung liegt schon einige Jahre zurück. Es war während der Abizeit, mit meinem damals besten Freund Till. Ich habe nicht geahnt, dass Till heimlich in mich verliebt gewesen ist. Auch war ich der festen Überzeugung, nicht schwul zu sein. Als er mich jedoch auf einer Party plötzlich küsste, gerieten meine Gefühle durcheinander. Denn Tills Kuss ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Tja, so konnte man sich irren. Durch die kleine Erpressungsaktion meiner damaligen Freundin Nina konnte ich mir eingestehen, dass ich für Till mehr als nur Freundschaft empfand. Und so wurde Nina ziemlich schnell zu meiner Ex und Till mein fester Freund.

Unsere Beziehung war wild und heftig, wir liebten uns leidenschaftlich, doch irgendwas fehlte. Till merkte schnell, dass es für ihn nicht so war, wie er es sich all die Jahre erträumt hatte, während er mich heimlich aus der Ferne anschmachtete. Die Beziehung mit mir hat ihm eine Illusion genommen, und irgendwann trennte er sich von mir, um sein Glück bei einem anderen Mann zu finden. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Für mich war es nicht leicht, ihn gehen zu lassen, auch wenn wir uns im Guten trennten. Meine Liebe zu ihm war noch viel zu neu, die Trennung zu schmerzhaft.

Die einzige andere Beziehung, die ich in meinem dreiundzwanzigjährigen Leben führte, war zu einem älteren Studenten, als ich gerade an der Uni anfing. Er hieß Kai und war mein Tutor für Volkswirtschaft. Ich war ziemlich verknallt in ihn und glaubte, ihm ging es ebenso. Doch leider stellte sich schnell heraus, dass er gerne die eine oder andere Affäre hatte und nicht lange mit demselben Mann zusammenblieb, wenn sein Interesse schwand. Damals war er bereits in einer festen Beziehung, der es wohl an Würze fehlte. Den Kick holte er sich dann eben bei mir. Als ich es durch einen dummen Zufall herausfand, beendete ich die Sache augenblicklich. Auch wenn ich verliebt war und er mir das Herz brach, wollte ich bei dieser Scharade ganz sicher nicht mitmachen. Ich wollte keine billige Affäre sein, mit der man zum Zeitvertreib ins Bett steigt. Ich wollte einen festen Freund haben, der zu mir hält und sich nicht ständig nach anderen Männern umschaut.

Seufzend ziehe ich mir ein frisches Shirt über den Kopf und schiebe diese trübseligen Gedanken an meine verkorkste Gefühlswelt beiseite, dann schließe ich die Tür zu meinem Zimmer.

Heute beginnt mein neuer Job. Wie in jeden Semesterferien arbeite ich auch diesen Sommer, um ein wenig Geld für das Studium zu verdienen. Es ist immer gut, wenn man etwas beiseitelegen kann. Meine beste Freundin Laura schimpft deswegen immer mit mir, weil ich das Leben viel zu ernst nehme und zu viel Angst vor der Zukunft habe, statt mich mit Freunden zu amüsieren.

»Dein Leben ist jetzt und nicht in zwanzig Jahren«, sagt sie immer wieder, wenn ich ein Treffen absagen muss, weil ich für die Uni lerne oder arbeiten gehe. Aber ehrlich gesagt will ich auf das Leben in zwanzig Jahren gut vorbereitet sein. Am liebsten würde ich jetzt schon Vollzeit arbeiten, um mich besser um meine Großmutter kümmern zu können. Sie hat mich großgezogen, und mit dem Geld, das ich hoffentlich bald verdienen werde, kann ich ihr wenigstens etwas zurückgeben, damit die nächsten Jahre angenehmer für sie sind. Leider habe ich noch knapp anderthalb Jahre Studium vor mir, bis ich den Bachelor in der Tasche habe. Die Ausbildung zum KFZ-Mechaniker, die ich vor dem Studium absolvierte, war zwar eine gute Einnahmequelle, doch die Arbeit lag mir nicht wirklich, obwohl ich mich für schnelle Autos begeistere. Doch an ihnen herumzuschrauben war einfach nicht mein Fall.

»Musst du schon los, Daniel?«, fragt meine Oma, als ich mir an der Tür die Schuhe anziehe. Ich nicke ihr zu.

»Warte nicht mit dem Essen auf mich, Omi. Keine Ahnung, wie lange ich dortbleibe.«

»Es ist doch keine schwere Arbeit, oder? Du sollst deine freie Zeit nicht nur mit Schuften verbringen«, sagt sie kopfschüttelnd. Sie kommt auf mich zu, die Hände an ihrer Schürze abtrocknend. »Ich koche gerade dein Lieblingsessen. Du kannst es dir dann warm machen, falls es später werden sollte.«

»Keine Sorge. Diesmal bin ich nur für den Garten von irgendeinem reichen Geschäftsmann zuständig. Keine große Sache. Ein bisschen den Rasen mähen oder ein paar Hecken stutzen.« Ich gebe ihr einen Abschiedskuss und verlasse das Haus.

Draußen schlägt mir die Hitze entgegen. Allein bei dem Gedanken, jetzt in die stickige Straßenbahn zu steigen, bricht mir der Schweiß aus. Es ist Hochsommer und wunderschönes Wetter. Die Sonne scheint strahlend hell vom wolkenlosen Himmel. Laura ist gerade mit ein paar anderen Freunden im Krupp-Park, wohin sie mich ebenfalls eingeladen hat. Vielleicht schaffe ich es ja, nach der Arbeit bei ihr vorbeizuschauen.

Seit meinem Abitur arbeite ich immer wieder irgendwo als Aushilfe. Ich habe schon Prospekte ausgetragen, war Pizzabote, habe an der Brötchentheke gearbeitet und auch in einem Privathaushalt geputzt. Jetzt werde ich mich als Gärtner versuchen. Bisher habe ich darin nicht viele Erfahrungen, aber ein wenig Rasenmähen bekomme ich sicher hin. Dieser Herr von Seefeld muss einen sehr großen Garten oder extrem wenig Zeit haben, weil er so viel Geld für ein paar Stunden springen lässt. Als ich die Anzeige in der Zeitung gesehen habe, habe ich mich direkt auf die Stelle beworben. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich heute direkt anfangen kann, obwohl das Bewerbungsgespräch nicht mal eine Woche zurückliegt.

Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit in der Straßenbahn endlich mein Ziel erreiche, bin ich völlig durchgeschwitzt. Die vielen Menschen, die sich in der Bahn an mich drängten, sorgten dafür, dass mein Shirt bereits nach nur wenigen Minuten an meinem Oberkörper klebte. Nachdem ich ausgestiegen bin, schaue ich sicherheitshalber noch mal auf mein Handy, wo ich die Adresse gespeichert habe. Dann mache ich mich auf den kurzen Fußmarsch durch die Straßen.

Staunend sehe ich mich nach allen Seiten um. Richtig feine Gegend hier. Kein Wunder, dass für Herrn von Seefeld die paar Hundert Kröten mehr oder weniger keine große Rolle spielen. Wer hier wohnt, der hat sicher genug Geld auf der hohen Kante liegen. Die Mieten sind sicherlich für jemanden wie mich unbezahlbar.

Ich kann froh sein, dass meine Oma und ich in einem kleinen Haus im Westviertel von Essen wohnen. Es ist zwar alt und hätte die eine oder andere Sanierung bitter nötig, doch ich fühle mich dort sehr wohl, weil ich in diesem Haus meine ganze Kindheit und Jugend verbracht habe. Auf die Idee, mir irgendwo eine eigene Wohnung im Stadtzentrum zu nehmen, wäre ich nie gekommen. Auch wenn meine Oma gut alleine zurechtkommen würde, will ich sie nicht alleine lassen. Seitdem mein Opa vor gut einem halben Jahr verstorben ist, bin ich der Einzige, den sie noch hat. Da pendele ich lieber täglich zur Uni.

Ich lasse mir Zeit, schlendere ganz gemächlich durch die Straßen und genieße die frische Brise, die durch die Baumkronen weht. Einen Moment bleibe ich stehen und betrachte eines der modernen Architektenhäuser, aus dem gerade eine ältere Dame mit einem Dackel herauskommt. Als sie an mir vorbeigeht, grüße ich freundlich. Sie mustert mich abschätzig, dann nickt sie bloß und wechselt mit ihrem Hund die Straßenseite. Stört sie mein Anblick? Verwirrt blicke ich an mir hinab. Ich trage ein schlichtes Shirt und Shorts, dazu Sneakers. Wahrscheinlich ist meine Erscheinung nicht fein genug. Sicher denkt sie, ich habe mich in der Gegend verirrt.

Kopfschüttelnd suche ich das Haus Nummer vierzehn, in dem dieser Herr von Seefeld wohnt. Es ist riesig, ziemlich edel und modern, aber nicht ganz so protzig wie die übrigen Häuser in der Nachbarschaft. Aus reiner Neugier habe ich den Typen mal gegoogelt. Er soll wohl eines der Vorstandsmitglieder in einer großen Bank sein. Nach einer steilen Karriere in Berlin wurde er in die Zweigstelle nach Essen versetzt und ist mit seiner Familie vor wenigen Monaten hierhergezogen.

Zögernd gehe ich den gepflasterten Weg bis zum Eingangsbereich hinauf und drücke auf den Klingelknopf. Erst nach einer ganzen Weile, als ich schon denke, es wäre niemand zu Hause, öffnet sich die Tür. Eine junge Frau sieht mich ein wenig irritiert an.

»Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?«

Ihrem Blick nach zu urteilen glaubt sie vermutlich auch, ich habe mich in der Tür geirrt.

»Ich … ich wollte zum Herrn von Seefeld. Wir haben einen Termin. Mein Name ist Daniel Baumann«, stelle ich mich etwas verlegen vor.

Die Frau mustert mich mit hochgezogenen Augenbrauen. »Sind Sie ein Freund von Elias? Ach, kommen Sie erst mal rein, ich rufe ihn gleich. Wahrscheinlich ist er hinten im Pool, wie so oft bei diesem Wetter. Kommen Sie einfach mit durch.« Sie geht bereits voraus, ohne auf eine Antwort zu warten. Elias? Ich kann mich nicht erinnern, diesen Namen auf der Homepage der Bank gelesen zu haben. Aber was soll’s, sie wird es ja wissen. Die Frau führt mich durch einen langen Flur quer durch das Haus nach draußen auf die Terrasse. Der Garten ist ordentlich gepflegt und riesengroß. Uff, das sieht echt nach einer Menge Arbeit aus. Kein Wunder, dass der Kerl einen Gärtner einstellen will. Von der Terrasse führen einige Stufen hinab auf die Rasenfläche, die ein großer Pool dominiert. In dem Wasser zieht gerade ein Mann seine Bahnen.

»Hey, Elias, ein Freund von dir ist da«, ruft die junge Frau dem Schwimmer zu.

Etwas unschlüssig stehe ich neben ihr und starre ins Wasser. Ist das Herr von Seefeld? Ich meine, mich erinnern zu können, dass die Stimme des Mannes am Telefon deutlich älter klang. Dieser Typ jedoch kann nicht älter als Anfang zwanzig sein. Sein leicht gebräunter Rücken spannt sich bei jeder Bewegung an, ich sehe die Muskeln und muss schlucken. Das Muskelspiel im Wasser fasziniert mich so sehr, dass ich den Blick nicht abwenden kann und ihn einfach sprachlos anstarren muss. Ob das wirklich mein neuer Arbeitgeber ist? Der Angesprochene erreicht das andere Ende des Pools und stemmt sich am Beckenrand hoch, um aus dem Wasser zu steigen. Die Tropfen perlen von seinem Körper ab und versickern im Gras unter seinen Füßen. Der nasse Stoff der engen Badeshorts klebt an seinem Hintern und betont diesen umso deutlicher. Ich schlucke erneut, als sich meine Augen an den Bund der Shorts heften, wo ein ganz schmaler Streifen weißer Haut zu sehen ist, der sich vom sanften Braun des Rückens abhebt.

Der Mann schnappt sich ein Badetuch und rubbelt sich damit sein blondes Haar trocken. Als er sich endlich zu uns umdreht, bleibt mir beinahe das Herz stehen.

Kapitel 3

Elias

Seine Augen sind tatsächlich blau. Nicht so hell wie meine eigenen, es liegt noch ein Schimmer Grau darin. Wirklich faszinierend. So wie er mich gerade anstarrt, habe ich jedoch die Befürchtung, dass er gleich aus den Latschen kippt. Vermutlich liegt es eher an dem Schock, mich hier anzutreffen, als an dem Anblick meines halb nackten Körpers. Denn ich kenne die Reaktionen der Männer auf meine gut definierten Bauchmuskeln sehr gut, seine ist definitiv ganz anders.

Er ist verwirrt. Seine Hand zittert leicht. Wow, ich hätte nie im Leben gedacht, ihn noch einmal wiederzusehen, nachdem er Samstag so schnell mit seiner Freundin aus dem Club verschwunden ist. Vor allem nicht in unserem Garten. Das Schicksal gibt mir tatsächlich eine zweite Chance.

Ich schenke ihm ein breites Lächeln, denn ich weiß genau, welche Wirkung es hat. Aber anscheinend habe ich mich geirrt, ihn damit locken zu können, denn seine Miene verdüstert sich plötzlich. Die Überraschung verschwindet aus seinem Gesicht.

»So sieht man sich also wieder. Konntest es wohl kaum erwarten, nachdem du den Club so schnell verlassen hast, was?«, sage ich also in lässigem Ton und hänge mir das Badetuch über die rechte Schulter. Meine Überraschung darüber, ihn hier zu treffen, überspiele ich gekonnt mit meinen üblichen frechen Sprüchen.

»Wer’s glaubt. Ich bin ganz sicher nicht wegen dir hier«, knurrt er und verschränkt die Arme vor der Brust. Seine Abwehrhaltung kratzt an meinem Ego, doch jetzt bin ich erst recht neugierig, zu erfahren, was er hier will.

»Kennt ihr euch jetzt oder nicht?«, fragt Hannah und sieht verwirrt zwischen uns beiden hin und her. Vermutlich hat sie geglaubt, er wäre ein Freund von mir. Schön wär’s, doch ich kenne nicht einmal seinen Namen. Seit dem Umzug zurück nach Essen hat mich noch keiner meiner alten Freunde besucht, wir haben uns immer auswärts auf irgendwelchen Studentenpartys getroffen.

»Ja«, sage ich trotzdem, denn ich zähle unsere flüchtige Begegnung im Blue Heaven selbstverständlich als Bekanntschaft, auch wenn wir kaum mehr als zwei Worte miteinander gewechselt haben. Seine Abfuhr hat zumindest Eindruck bei mir hinterlassen, umso mehr freue ich mich jetzt, eine zweite Chance zu bekommen. Auch wenn er vermutlich nur zufällig hier aufgetaucht ist.

»Nein«, antwortet er mit sturem Blick an mir vorbei. Mein Grinsen wird breiter. Das fängt ja gut an.

»Typisch Elias! Hast du ihn wieder irgendwo auf deinen Partys kennengelernt? Pass nur auf, dass du dir nicht die Finger verbrennst. Irgendwann passiert das, dann denk an meine Worte!« Hannah schüttelt den Kopf und verdreht die Augen, ehe sie uns einfach stehen lässt, um zurück ins Haus zu gehen. Meine Schwester ist nicht begeistert von meinen Männergeschichten, doch sie ist die Einzige aus der Familie, die mich halbwegs versteht und weiß, warum ich mich einfach nicht langfristig binden will.

Hannah ist die Tochter der zweiten Exfrau meines Vaters. Trotz der sieben Jahre Altersunterschied fühle ich mich ihr näher als dem Rest meiner zerrütteten Familie. Auch wenn wir nicht blutsverwandt sind, liebe ich sie über alles.

Mein Vater ist ein karrieregeiler alter Mann, den außer Geld und Frauen nichts weiter interessiert. Kein Wunder, dass meine Mutter es nicht lange mit ihm ausgehalten und uns verlassen hat. Zu meinem Leidwesen wollte sie auch von mir nichts mehr wissen, nachdem herauskam, dass ich schwul bin. Sie hat meinem Vater nur noch mehr Vorwürfe gemacht, weil er sich nicht um meine Erziehung gekümmert hat. Sie war der Meinung, mein Vater wäre schuld an meiner Neigung, weil er seine Partnerinnen wechselte wie die Unterwäsche. Aber daran kann weder ich etwas ändern noch meine Eltern. Ich stehe nun mal auf Männer, basta.

Mein Vater hasst es ebenfalls, mich immer wieder mit wechselnden Partnern zu sehen, doch das interessiert mich schon lange nicht mehr. Ich mache, was ich will, auch wenn es ihm nicht passt. One-Night-Stands sind zwar auch nicht das Wahre, aber wenigstens eine willkommene Alternative, wenn man nicht ewig alleine sein will. An schnellen Sex heranzukommen ist einfach – und das ist okay für mich. Eine feste Partnerschaft habe ich bisher nicht in Betracht gezogen, weil mir niemand begegnet ist, dem ich mein Herz hätte öffnen wollen.

Wäre ich nicht sein einziger Sohn, dann hätte er mich wohl längst vor die Tür gesetzt. So duldet er mich immer noch in seinem Haus, in der Hoffnung, ich würde eines Tages zur Vernunft kommen, mir eine Frau suchen und irgendwann als Juniorpartner in seiner heiß geliebten Bank einsteigen. Vermutlich ist das seine Art von Liebe, die er mir entgegenbringen kann.

Doch da hat er sich geirrt. Bevor ich ein langweiliger Anzugträger in seiner Bank werde, friert die Hölle ein. Dafür gefällt mir das Leben in der Modebranche viel zu sehr. Ich habe alle Freiheiten, die ich will. Geld, Partys, Sex.

Es ist Sommer, mein Studium werde ich das kommende Semester aussetzen, um mich voll und ganz auf das Modeln zu konzentrieren. Bis ich mir eine eigene Wohnung suchen werde, nutze ich die Gelegenheit, hier zu wohnen. Wenn ich dafür die Launen meines Vaters erdulden muss, dann ist es eben so. Schließlich kam ich auch früher schon mit ihm klar, bevor ich zu ihm zurück nach Essen gezogen bin. Außerdem sehen wir uns sowieso kaum, weil sein Terminkalender wie üblich ziemlich überfüllt ist.

Als ich noch jünger gewesen bin, hat sich mein Vater sehr stark in mein Leben eingemischt. Er hat mich gezwungen, meine Heimatstadt zu verlassen, meine erste Liebe zu dem Sohn eines seiner alten Freunde aufzugeben und mich in ein langweiliges Leben zu fügen. Ich habe es getan, war der vorbildliche Sohn, den er sich immer wünschte. Den Kontakt zu meinem damaligen Exfreund Markus kappte ich jedoch nie. Zwar konnten wir unsere Gefühle nicht bewahren, Freunde blieben wir jedoch bis heute. Aus Angst, mein Herz vor Schmerz nicht schützen zu können, versuche ich einfach, es niemandem mehr zu schenken. Diese Taktik funktionierte früher und hat sich bis heute bewährt.

Irgendwann hatte ich die Nase voll und zog zurück ins Ruhrgebiet, dieses Mal jedoch nach Köln. Statt mich meinem BWL-Studium zu widmen, wie es mein Vater gerne hätte, befasste ich mich mit Kunst, Modedesign und Social Media. Ich wurde mit meinen Bildern immer bekannter, bis ich Gustav kennenlernte, der eine kleine Modelagentur betrieb. Gustav ist selbst schwul, und ich war der perfekte Kandidat für seine Arbeit.

Nachdem mein Vater zurück nach Essen versetzt wurde, beschloss ich, erneut bei ihm einzuziehen. Nicht, weil es mir an Geld mangelte, meine Miete zu bezahlen. Ich wollte schlicht und ergreifend nicht mehr alleine leben. Außerdem wollte ich nach meiner katastrophalen Beziehung zu meinem Ex Köln so schnell wie möglich den Rücken kehren, um irgendwo anders neu zu beginnen. Außerdem freute sich mein Vater wirklich darüber, mich wiederzusehen, sodass ich geglaubt habe, er könne mich akzeptieren, wie ich bin. Leider wurde ich bereits nach nur wenigen Tagen eines Besseren belehrt.

Zu Beginn habe ich mich noch oft mit ihm gestritten, weil er meinen Lebensstil und meine Arbeit mit Gustav nicht anerkennen wollte, doch mittlerweile ist es mir egal. Wir reden nicht viel miteinander, wenn er hier ist. Durch meinen Job als Model bin ich auch sehr oft unterwegs, sodass wir uns sowieso kaum sehen. Mein Verhalten bringt ihn oft zur Weißglut. Okay, vermutlich bin ich daran selbst schuld, weil ich ihn durch die wechselnden One-Night-Stands provoziere.

Aber wie der Vater, so der Sohn, würde ich sagen. Denn er ist eigentlich keinen Deut besser als ich. Frau Nummer drei steht nämlich schon in den Startlöchern, hier einzuziehen. Ich will nicht wissen, wie viele Geschwister ich noch habe, von denen ich und auch er gar nichts wissen. Hannahs Mutter lebt mit meinen zwei kleinen Schwestern Klara und Marie in London. Die beiden Zwillinge sehe ich kaum, denn ich hatte mit Sarah nie ein richtiges Mutter-Kind-Verhältnis. Ich war einfach schon zu alt, um mich allem zu fügen. Dass ich meinen Sturkopf damals gegen sie durchsetzen wollte, tut mir im Nachhinein wirklich leid. Sarah hat sich zu Beginn wirklich um mich bemüht, es jedoch irgendwann aufgegeben. Bis auf die Zwillinge bindet sie nichts mehr an meinen alten Herrn. Wirklich schade, denn eigentlich mochte ich sie doch ganz gern. Zum Glück besucht mich Hannah wenigstens ab und zu in Deutschland, wenn sie Ferien hat und nicht zur Uni muss.

Sie hat mich von Anfang an durchschaut, nicht nur den Rebellen in mir gesehen wie der Rest der Familie, sondern einen Mann, der irgendwie verloren ist und den richtigen Weg im Leben noch sucht. Leider sehen wir uns viel zu selten, seitdem sich meine Stiefmutter von meinem Vater hat scheiden lassen und mit ihren Töchtern nach London gegangen ist.

»Ich wollte eigentlich zu Herrn von Seefeld«, durchbricht der fremde Typ nun die Stille, in der wir uns bloß stumm angestarrt haben. Sein fragender Blick holt mich zurück in die Realität. Neugierig mustere ich ihn nun aus nächster Nähe.

Er ist nur ein wenig kleiner als ich, sodass wir uns problemlos ansehen können. Seine Nervosität ist verflogen, jetzt strahlt er eine Selbstsicherheit aus, die mir bereits kurz im Club aufgefallen ist. Herausfordernd stemmt er die Hände in die Hüften.

»Ich dachte, ich sei hier richtig. Aber da habe ich mich wohl doch an der Tür geirrt …«

»Steht vor dir«, erwidere ich auf seine Bemerkung hin, deute mit dem Daumen auf meine glatt rasierte Brust. Trotz der Hitze fröstele ich leicht, denn der durchdringende Blick aus seinen blaugrauen Augen jagt eine Gänsehaut über meine Arme.

»Was?« Irritiert blinzelt er zweimal, dann legt er seine Stirn in Falten.

»Elias von Seefeld. Zu Diensten. Und mit wem habe ich hier das Vergnügen?« Amüsiert verbeuge ich mich vor ihm. Irgendwie gefällt es mir, ihn ein wenig aufzuziehen. Natürlich meint er mit Herrn von Seefeld meinen Vater, doch das muss ich ihm ja nicht gleich verraten. Leider kommt mein Scherz bei ihm nicht sonderlich gut an, denn seine Augen funkeln verärgert.

»Hör auf, mich zu verarschen. Ich bin wegen der Anzeige in der Zeitung gekommen. Der Mann, mit dem ich telefoniert habe, klang wesentlich älter als du«, fährt er mich an, statt mir seinen Namen zu verraten.

»Ach, so ist das. Du bist also unser neuer Gärtner.« Weil mein Vater keine Zeit hat, sich mit dem Rasenmäher abzumühen, und auch ich keine wahnsinnig große Lust verspürt habe, mich um den Garten zu kümmern, wollte er unbedingt einen Gärtner einstellen. In den heißen Sommermonaten wäre es eine Katastrophe, sollte der Rasen nicht gesprengt werden. Er hätte auch ein anderes Haus mit weniger Rasen kaufen können, doch seine neue Flamme Charlotte war gleich verliebt in diese Villa, und vor allem in den Pool. Jetzt bin ich über diese Entscheidung mehr als froh, denn sie hat diesen überaus attraktiven Typen hierhergeführt.

Weil er immer noch nicht reagiert, komme ich einen Schritt näher. Gerne hätte ich seinen Namen gewusst, doch er presst bloß seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und funkelt mich weiterhin böse an. Diese abwehrende Haltung seinerseits reizt mich umso mehr, ihn aus der Reserve zu locken.

»Du willst sicher zu meinem Vater«, löse ich nun endlich das Rätsel auf. »Er ist gerade nicht da, aber ich schätze, er sollte bald von der Arbeit zurückkommen. Du kannst sehr gerne im Haus auf ihn warten.«

Obwohl ich mich versöhnlich zeige, durchbohren mich seine Augen beinahe, so finster schaut er mich an. Sein Blick hinterlässt ein seltsames Kribbeln in meinem Inneren. Dieses Blau ist aus der Nähe noch eindrucksvoller. Es reizt mich, ihn zu berühren, doch zu meinem Bedauern beendet er nach nur einem kurzen Moment den Blickkontakt und tritt einen Schritt zurück. Enttäuscht presse ich die Lippen zusammen.

»Dann bleibe ich eben so lange«, meint er mit fester Stimme und vergräbt die Hände tief in den Taschen seiner Shorts.

»Ich glaube, da kommt er schon«, sage ich bedauernd, denn ich hätte seine Gesellschaft gerne noch ein wenig mehr genossen. Mit einer Kopfbewegung deute ich in Richtung der Terrasse, wo die Glastür aufgeschoben wird. Mein Vater tritt aus dem Haus ins Freie. Sein dunkelblauer Anzug sitzt wieder einmal wie angegossen. Dass der Kerl bei dieser Hitze immer im Jackett herumläuft, kann ich nicht verstehen. Es sind fast dreißig Grad hier, und ich würde am liebsten zurück ins Wasser springen. Vorzugsweise nicht alleine, doch ich glaube kaum, dass sich der Fremde so schnell dazu überreden lässt, mit mir ein paar Bahnen zu schwimmen. Seinen Namen hat er mir leider immer noch nicht verraten.

Nun dreht auch er sich zu meinem Vater um.

»Guten Tag, Herr von Seefeld«, begrüßt er ihn förmlich und reicht ihm die Hand.

»Herr Baumann«, grüßt mein Vater knapp, ohne die Hand zu ergreifen. »Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten. Ich war verhindert. Ein dringender Termin in der Bank hat mich aufgehalten. Wie ich sehe, haben Sie sich unseren Garten bereits angeschaut. Nun, ich bin mir sicher, dass mein Sohn Ihnen den Geräteschuppen zeigen kann, um …«

Oh, nur zu gerne! Dort könnte ich ihm nicht nur den Rasenmäher, sondern auch noch ganz andere tolle Dinge zeigen. Ein schelmisches Grinsen umspielt meine Lippen, als ich mich erneut zu Herrn Baumann wende. Später werde ich Vater nach seinem Vornamen fragen müssen.

»Also, Ihre Aufgabe ist einfach: Der Rasen sollte zweimal die Woche gemäht und der Pool mindestens einmal die Woche gereinigt werden. Die Hecken benötigen einen neuen Schnitt, sie sehen einfach furchtbar aus. Der Vorbesitzer hat hier alles ziemlich verkommen lassen …« Er geht ein wenig vor uns auf und ab, zeigt auf die Büsche. Mein Vater übertreibt maßlos, denn dieser Garten ist deutlich gepflegter als so manch anderer, den ich in der Nachbarschaft gesehen habe. Unser neuer Gärtner nickt bei jedem Wort. Ich bleibe ein wenig abseits stehen und folge ihm mit den Augen. Seine weite Kleidung verdeckt seinen schlanken Körper, den ich bereits im Blue Heaven begutachten durfte.

Nachdem mein Vater alle Anweisungen gegeben hat, klingelt plötzlich sein Handy. Er nimmt das Gespräch an, nickt einige Male und legt wieder auf.

»Das war Charlotte«, informiert er uns. »Sie hat einen früheren Flug genommen, sodass sie schon in einer Stunde in Köln-Bonn landet. Leider muss ich gleich zurück in die Bank, wir haben eine wichtige Mitgliederversammlung. Ich konnte mich nur kurz loseisen, um die Einweisung für den Job zu machen. Jemand muss sie an meiner Stelle vom Flughafen abholen«, sagt er, sieht mich dabei durchdringend an.

»Was schaust du mich so an? Ich darf nicht fahren«, entgegne ich mit Unschuldsmiene, hebe dabei abwehrend die Hände.

Zu seinem Leidwesen habe ich meinen Führerschein vor zwei Wochen abgeben müssen. Trunkenheit am Steuer. Eine richtig blöde Geschichte. Ich wollte vor einer Party noch schnell ein wenig Bargeld von der Bank holen. Natürlich hatten meine Kumpel und ich bereits einiges an Alkohol intus. Ich war der Einzige, der noch imstande war, ein Fahrzeug zu steuern. Leider sind wir der Polizei aufgefallen, die eine Straße weiter gerade Pause machte. Tja, wir durften alle brav pusten, und zack, war mein Lappen weg. Glücklicherweise hatte ich nur wenig Promille im Blut, und es war auch das erste Mal, sodass ich nur eine Geldbuße und einen Monat Fahrverbot bekommen habe. Die medizinische Nachuntersuchung steht mir zwar auch noch bevor, doch das hat eine Weile Zeit. Trotzdem ist mein Vater total ausgeflippt, als das Schreiben kam. Mir hätte sonst was passieren können … Schlimmer noch, ich hätte sogar meine Freunde und jemand Unschuldigen gefährden können! Irgendwie hatte mein alter Herr recht, im Nachhinein könnte ich mir für diese Dummheit in den Arsch treten.

»Soll sie sich doch einfach ein Taxi nehmen. Geld genug schiebst du ihr ja ohnehin in den …«

»Elias!«, zischt mein Vater mit wütendem Gesichtsausdruck, dann räuspert er sich, weil ihm wieder bewusst wird, dass wir nicht alleine sind. »Da kann man leider nichts machen. Dann werden Sie wohl fahren müssen, Herr Baumann.«

Unser Gärtner macht große Augen. »Aber ich dachte, ich soll hier nur die Hecken schneiden und …«

»Heute mache ich eine Ausnahme. Sie bekommen auch den vollen Lohn, versprochen. Holen Sie meine Frau vom Flughafen ab, danach können Sie nach Hause und müssen erst nächste Woche regulär wiederkommen, einverstanden? Sie können doch Auto fahren, oder?« Er kramt die Schlüssel seines Porsche aus der Jackettasche und hält sie dem Fremden hin. Dieser wirkt immer noch verwirrt, nimmt die Schlüssel jedoch entgegen. Nicht mal ich darf seinen Porsche fahren. Da wird dieser Kerl aber Augen machen, wenn er die Karre sieht.

Grinsend verziehe ich mich zurück ins Haus. Der Blick aus den blaugrauen Augen bleibt mir jedoch nicht verborgen, als ich wie auf dem Laufsteg mit betonten Hüftbewegungen davongehe.

Kapitel 4

Daniel

Als ich in dem Porsche über die Autobahn brettere, fühlt es sich wie Fliegen an. Von so einem Auto konnte ich bisher nur träumen, weil ich kein eigenes besitze. Selbst während meiner Ausbildung hatte ich nicht das Glück, so ein schickes Auto zu sehen.

Der alte Golf meines Opas hat vor einem Jahr den Geist aufgegeben, und seitdem nutzen wir die Straßenbahn, denn eine Reparatur war zu kostspielig für diese Klapperkiste und ein neues Auto kann ich mir von meinen Ersparnissen gar nicht leisten. Aber vielleicht rückt der Traum von einem eigenen Auto ja schon bald in greifbare Nähe, denn bei Herrn von Seefeld verdiene ich erstaunlich gut für einen Aushilfsjob in den Semesterferien. Vermutlich weiß der Typ einfach nicht, was der durchschnittliche Mindestlohn für einen Gärtner ist. Umso besser für mich, dass ich diesen Job ergattert habe. Aber ein wirklich schräger Zufall ist es schon, dass gerade dieser Elias der Sohn meines neuen Arbeitgebers ist. Dabei habe ich echt geglaubt, diesen eingebildeten Typen nicht mehr wiederzusehen. Mir reicht’s schon, dass Laura ständig von ihm spricht, seitdem wir ihn kurz im Blue Heaven begegnet sind. Außerdem ärgert es mich gerade total, dass sich sein Anblick in der engen Badehose so sehr in mein Hirn eingebrannt hat. Ich sehe ihn immer noch vor mir, wenn ich die Augen schließe. Vor allem der intensive, leicht amüsierte Blick aus seinen blauen Augen geht mir nicht aus dem Kopf.

Ich schüttele mich, um den Gedanken an Elias loszuwerden, und zupfe an meinem Shirt. Gott, in diesem Auto ist es verdammt heiß! Ächzend lasse ich das Fenster runter und stecke den Kopf heraus, um etwas mehr Luft zu bekommen. Obwohl die Klimaanlage läuft, glaube ich, vor Hitze eingehen zu müssen. Herr von Seefeld hat mich angewiesen, vor dem Flughafen auf seine Freundin zu warten. Erneut sinke ich gegen den weichen Ledersitz und schließe für einen Moment die Augen. Schon wieder taucht Elias’ freches Grinsen vor mir auf. Wie er lässig vor mir steht, das Handtuch über der Schulter. Dieser helle Streifen Haut, der aus seiner Badehose herauslugt, kommt mir in den Sinn. Meine Fingerspitzen beginnen zu kribbeln. Hektisch umfasse ich das Lenkrad, um meine Hände wieder unter Kontrolle zu bekommen. Mein Herz rast.

Elias regt mich auf! Schon bei unserer ersten Begegnung war er mir unsympathisch, weil er sich so an mich rangemacht hat. Sicher ist er einer dieser Kerle, für den seine Partner beliebig austauschbar sind. Hatte er erst einen Mann, dann geht er schnell zum nächsten, ohne noch einen weiteren Gedanken an den anderen zu verschwenden. Solche Typen kann ich nicht ausstehen.

Ich bin froh, als sich die Tür öffnet und eine junge Frau auf der Rückbank Platz nimmt. Neugierig betrachte ich sie im Rückspiegel. Sie ist wirklich hübsch. Mit langen, zu einer modischen Frisur geflochtenen dunklen Haaren und dunklen Augen. Die Lippen rot geschminkt, das Make-up trotz der Hitze perfekt. Ihr schlanker Körper steckt in einem roten Blazer mit einem dazu passenden schwarzen Bleistiftrock. Als sich unsere Blicke treffen, lächelt sie mich an. Ich lächele automatisch zurück, kann es gar nicht anders.

»Rainer hat wie immer keine Zeit, schätze ich?«, fragt sie mich, ohne dabei wirklich betrübt zu klingen. Vermutlich kennt sie ihren Freund gut genug, um zu wissen, dass sein Job für ihn oberste Priorität hat. Die Frau ist mir vom ersten Augenblick an sympathisch. Ich schätze sie auf höchstens fünfunddreißig, älter kann sie gar nicht sein, denn ihr Gesicht ist makellos und die Augen strahlen einen jugendlichen Charme aus. Wow, von Seefeld senior hat wirklich Geschmack. Dabei ist er selbst gut um die fünfzig!

»Ich bin Charlotte«, stellt sie sich dann vor. »Danke, dass du mich abholst. Bist du ein Freund von Elias?« Ihr Akzent lässt darauf schließen, dass sie französische Wurzeln hat.

»Ähm … nein«, gebe ich stockend zurück und starte den Motor. »Ich bin der neue Gärtner …«

»Tatsächlich? Mich wundert es, dass Rainer Studenten einstellt. Du bist doch niemals älter als achtzehn.«

»Dreiundzwanzig«, korrigiere ich sie, setze den Blinker und verlasse die Parklücke. Dann steuere ich den Porsche über die Brücke vom Flughafengelände Köln-Bonn. Charlotte macht es sich auf der Rückbank bequem. Einen Arm an der Kopfstütze des Beifahrersitzes abgestützt, beugt sie sich zu mir vor.

»Sorry, Herzchen. Du siehst einfach so wahnsinnig jung aus, dass ich dich eigentlich für einen Freund meines zukünftigen Stiefsohnes statt für Rainers Gärtner gehalten habe.« Bei der Erwähnung von Elias muss sie kichern. »Aber wie dem auch sei. Ich bin froh, wenn ich mich gleich ein wenig ausruhen kann. Der Flug aus Marseille war echt anstrengend. Vor allem diese Hitze draußen macht meinem Kreislauf wirklich zu schaffen.«

Nachdem ich den Porsche in der Tiefgarage abgestellt habe, helfe ich Charlotte mit dem Gepäck. Im Flur laufen wir Elias über den Weg, der mit einer Flasche Wasser aus einem der Räume kommt. Glücklicherweise trägt er jetzt Shirt und Jogginghose, sodass mir wenigstens sein nackter Anblick erspart bleibt. Als Charlotte ihn sieht, gibt sie einen freudigen Schrei von sich und fällt Elias um den Hals. Er kann sich kaum vor den vielen Küssen retten, die sie auf seinen Wangen verteilt. Als er meinen überraschten Blick auffängt, schiebt er die Frau ein wenig von sich. Ich habe geglaubt, dass sich beide nicht leiden können, so wie er vorhin noch über die Freundin seines Vaters gesprochen hat. Anscheinend habe ich mich geirrt.

»Das ist Ehefrau Nummer drei«, erklärt er mir mit vergnügtem Gesichtsausdruck. Charlotte knufft ihn in die Seite.

»Nicht so frech, mein Lieber. Noch brauchst du mich nicht Mutter nennen. Bis zur Hochzeit dauert es ein paar Monate.« Auch wenn sie versucht, streng zu klingen, zeigt sich ein warmes Lächeln auf ihrem Gesicht.

»Also … ich denke, ich gehe dann …?« Da sich keiner der Anwesenden weiter für mich interessiert, sehe ich zu, schnell von hier zu verschwinden. Auf der Straße atme ich erst mal tief aus. Mann, das war ein echt eigenartiger erster Arbeitstag! Hoffentlich kann ich demnächst einfach in Ruhe den Rasen mähen, statt irgendwelche anderen Erledigungen zu machen. Immerhin bin ich als Gärtner eingestellt – und nicht als Mädchen für alles!

Ein Blick auf mein Smartphone sagt mir, dass es noch früh ist. Also schlage ich den Weg zur Straßenbahn ein. Statt jedoch zurück nach Hause zu fahren, nehme ich die Bahn in Richtung des Parks, an dem Laura mit einigen Freunden ist. Sie wird sich bestimmt freuen, mich heute doch noch sehen zu können. Und auch ich brauche jetzt ein wenig Ablenkung, um meine Gedanken zu ordnen und einfach nur entspannt abzuschalten. Denn wer hätte gedacht, dass ich Elias nun so oft sehen werde? Dieser Zufall ist so absurd, dass es beinahe schon komisch ist.

Der erste Gedanke an ihn lässt sogleich mein Herz unerwartet heftig pochen, mein zweiter verdrängt dieses Gefühl augenblicklich. Es ist nur wegen der Arbeit, versuche ich, mir einzureden, ich muss ja nichts mit ihm zu tun haben. Schnellen Schrittes eile ich zur Straßenbahn und drücke auf den Knopf, sodass sich die Türen vor mir aufschieben.

Die Tage in von Seefelds Dienst vergehen wie im Flug. Zweimal die Woche mähe ich bei ihm den Rasen, reinige den Pool und stutze die Hecken. Die meiste Zeit verbringe ich jedoch mit Charlotte. Da ihr Freund nur wenig Zeit für sie erübrigen kann, heftete sie sich einfach an mich. Erst war ich ein wenig skeptisch, schließlich wurde ich nicht dafür bezahlt, sie zum Shoppen zu begleiten oder zum Friseur zu bringen. Aber anscheinend war Herr von Seefeld sogar ganz froh darüber, dass ich mich an seiner Stelle um seine Verlobte kümmerte. Mein Geld wurde stets pünktlich überwiesen und ich bekam sogar einen kleinen Bonus. Als ich meinen Arbeitgeber darauf ansprach, zwinkerte er mir bloß zu und erklärte, das hätte ich Charlotte zu verdanken. Sie hätte ein gutes Wort für mich eingelegt. Nun war ich also doch irgendwie das Mädchen für alles.

Ich ziehe mein Basecap noch etwas weiter in die Stirn, damit mich die Mittagssonne nicht zu sehr blendet. Der Rasenmäher springt nicht an. Fluchend beuge ich mich erneut vor und ziehe am Band, in der Hoffnung, den Motor endlich starten zu können. Dass Elias mir die ganze Zeit bei der Arbeit zusieht, nervt mich total. Schon eine ganze Weile hockt er im Garten und verfolgt mich mit seinen Blicken.

So unauffällig wie möglich linse ich zu ihm rüber. Er liegt auf einer Liege am Pool, die Arme hinterm Kopf verschränkt, und lässt sich die Sonne auf die Brust scheinen. Dass er dabei lediglich diese knappe Badehose trägt, macht die Sache nicht besser.