Detektei Anton: Die Dame aus Burundi - Petra Schwarzkopf - E-Book

Detektei Anton: Die Dame aus Burundi E-Book

Petra Schwarzkopf

0,0

Beschreibung

Die Detektei erhält ihren ersten offiziellen Auftrag von Rechtsanwalt Paul Schmickler. Doch die mühsame Recherche verläuft im Sande. Der gesuchte Unfallwagen scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein Immerhin bekommt das Mat thias- Claudius-Gymnasium einen äußerst fitten Sportlehrer und Rahel mit Estelle Couderc eine interessante neue Klassenkameradin. Aber wer ist wirklich, was er vorgibt zu sein? Die Detektive bleiben misstrauisch Was will "die Dame aus Burundi" in Burgenach, und wer bedroht sie? Ronny, Silas und Onkel Anton finden das entscheidende Puzzleteil erst in letzter Sekunde … Der zweite Band der "Detektei Anton"-Reihe für Jungen und Mädchen ab 11 Jahren.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 211

Veröffentlichungsjahr: 2024

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für unsere Töchter und Söhne,die als Teenager manchmal ein bisschenwie Rahel und Silas waren.Und für Irene, die zwar der letzte Teenie in unserem Haus,dafür aber oft mein erstes Publikum ist.Danke für Dein kritisches Ohr und Deine guten Ideen!

Petra Schwarzkopf

Detektei Anton – Die Dame aus Burundi

Band 2

Best.-Nr. 275509 (E-Book)

ISBN 978-3-98963-509-8 (E-Book)

Es wurde folgende Bibelübersetzung verwendet:

Schlachter-Übersetzung – Version 2000

© 2000 Genfer Bibelgesellschaft

1. Auflage (E-Book)

© 2025 Christliche Verlagsgesellschaft mbH

Am Güterbahnhof 26 | 35683 Dillenburg

[email protected]

Satz und Umschlaggestaltung: Christliche Verlagsgesellschaft mbH

Bildquellen: © Saskia Klingelhöfer (Covermotiv)

freepik.com (Holzschild, Rahmen, Kalender), freepik.com/macrovector (Fingerabdruck, Kopf, Tasche), freepik/rawpixel.com (Pfeil), freepik/macrovector (Kopf, Tasche), freepik/Harryarts (Uhr, Vögel), freepik/rocketpixel (Linien)

Wenn Sie Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler entdeckt haben, können Sie uns gern kontaktieren: [email protected]

1. Unfallflucht

2. Estelle

3. Mühsame Recherche

4. Mobbing am Mittwoch

5. Der metallic-blaue Transit

6. Der Hansaplatz

7. Evangelisch

8. Gemeindeausflug

9. In Gefahr

10. Herr Kocher

11. Abwarten und Torte essen

12. Genug gewartet

13. Ein Abendessen

14. Auf der Flucht

15. Zimmer Nummer 306

16. Hotel „Barbarossa“

17. Hotel „Rheinblick“

18. Abzug

19. Zugriff

20. Das Spiel ist aus

21. Neue Freunde und neue Pläne

Nachwort

… ist der Onkel von Silas und Rahel und speziell begabt. Er hat ein partiell fotografisches Gedächtnis, kennt sich mit Pflanzen und Pilzen aus und ist brutal ehrlich. Außerdem besitzt Anton einen Schwerbehindertenausweis, aber eigentlich ist er nur schwer in Ordnung.

Alter:

Das kommt darauf an:40 Jahre von außen, 8 Jahre von innen

Haarfarbe:

dunkelbraun

Beruf:

Gärtnergehilfe bei den Caritas-Werkstätten

Hobbys:

Borussia Dortmund, Holz hacken, sägen und verkaufen und sein Mini-Auto, den Ellenator, fahren

Beste Freunde:

Hund Caruso und ein paar Kumpels aus der Werkstatt

… ist die kleine Schwester von Silas und hat einen feinen Sinn für Details. Obwohl sie ihre Umwelt besonders aufmerksam wahrnimmt, bekommt sie vom Unterricht in der Schule manchmal nichts mit. Sie fürchtet sich vor Langeweile und möchte niemals so verrückt werden wie die anderen Mitglieder ihrer Familie.

Alter:

13 Jahre

Haarfarbe:

braun

Berufswunsch:

Polizistin

Hobbys:

Schwimmen, Nervenkitzel

Beste Freundin:

Sophia Mombauer

… ist der große Bruder von Rahel und nur etwas zu klein für sein Gewicht. Er hat Angst, dass er für immer ein paar Zentimeter kleiner bleibt als seine Schwester. Seine Haarfarbe nennt er erdbeerblond, und er trägt seine Sommersprossen mit Stolz.

Alter:

14 Jahre

Haarfarbe:

blond mit rötlichem Schimmer

Berufswunsch:

Dolmetscher oder Krankenpfleger, Rahel behauptet: Pastor oder Lehrer

Hobbys:

Fremdsprachen, Erste Hilfe, Fast Food und möglichst wenig Sport, außerdem Klarinette spielen

Bester Freund:

Ronny Till

… ist der Freund und Klassenkamerad von Silas. Er lebt allein mit seiner Mutter, trägt seine Haare lang und hat eine feste Zahnspange. Ronny ernährt sich gerne von Fast Food und liebt T-Shirts mit coolen Sprüchen. Er versucht ständig, Geld zu verdienen, vielleicht, weil er nicht gerade viel davon hat.

Alter:

15 Jahre

Haarfarbe:

schwarz

Berufswunsch:

reicher Informatiker

Hobbys:

Computer und Sport

Bester Freund:

Silas Schmickler

… ist Onkel Antons Riesenschnauzer und kann wunderschön jaulen, wenn er jemanden singen hört. Leider klingt er nicht ganz so gut wie sein Namensvetter, der italienische Tenor Enrico Caruso (der ziemlich genau vor 100 Jahren starb).

Alter:

4 Jahre

Fellfarbe:

schwarz

Beruf:

Schutz- und Führhund, Suchtmittelspürhund

Hobbys:

nach Fressbarem suchen, im Wald herumstromern und Fangen spielen

Beste Freunde:

Onkel Anton und Opa Peter

Lieblingsfeinde:

Katzen, egal, welche

UNFALLFLUCHT

„I … ich w… war ziemlich ruhig gestern nach der Niederlage, haste gehört?“

Mit diesen Worten betrat Onkel Anton als Letzter Rahels Zimmer. Da Ronny und Silas kurz vor ihm gekommen waren, war die Detektei vollzählig anwesend. Rahel saß im Schneidersitz in Omas altem Schaukelstuhl, den sie sich aus dem Wohnzimmer ausgeliehen hatte. Die Jungs quetschten sich auf ein kleines blaues Sofa, und Anton steuerte auf den Schreibtischstuhl zu.

Obwohl es so klang, als spräche er mit allen Anwesenden, sah Onkel Anton stur auf Rahels Gesicht. Doch die erwartete Antwort oder sonst eine Bestätigung, dass sie zugehört hatte, kam nicht. Silas’ Schwester starrte auf die Samstagsausgabe der Rheinzeitung, die sie aufgeschlagen auf dem Schoß hielt.

„Das gibt es doch nicht!“, stöhnte das Mädchen. „Sehen wir bescheuert aus. Hatten die kein besseres Bild bei den Tausend, die der Pressefotograf gemacht hat?!“

„Oh, hat Sherlock Holmes etwa Modelaufnahmen erwartet?“, stichelte Ronny.

Er meinte es nicht wirklich böse, und Rahel mochte den Spitznamen, den Silas’ Freund ihr verpasst hatte. Daher reagierte sie nicht, sondern zog es ausnahmsweise vor zu schweigen.

„W… wi… wieso? Ich seh doch gut aus!“, sagte Onkel Anton grinsend und tippte auf das Foto, das die drei Kinder und ihn zeigte.

Sogar Caruso, sein schwarzer Riesenschnauzer, war halb zu sehen. Ronny verschluckte sich an seinem Sprudel. Er musste erst husten, bevor er lachen konnte, doch Rahel zeigte immer noch keine Reaktion.

„Boah, ist das peinlich! ‚Detektei Anton stellt Drogendealer!‘ Untertitel: ‚Bananen, Koks und gescheiterte Ganoven. Spektakulärer Fall für die Jungdetektive … Quirlig und schlau wie Max und Moritz beim Fang von Witwe Boltes Hühnchen‘“, las sie stattdessen vor. „Sag mal, spinnen die? Wer kennt denn heute noch Max und Moritz?! Wir können uns doch nie wieder in der Schule blicken lassen!“

Sie ließ die Zeitung sinken.

„G… ganz ruhig war ich nach der Niederlage“, murmelte Onkel Anton und blieb weiter neben Rahel stehen.

„Das wird sich wohl nicht vermeiden lassen“, meinte Silas.

Auch er ignorierte diesmal das Selbstgespräch seines Onkels. Doch Anton tippte beharrlich auf das Foto auf dem Schoß seiner Nichte. Er war entschlossen, sich die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die ihm seiner Meinung nach zustand, wenn er die haushohe Niederlage seines Fußballvereins so tapfer ertrug.

„G… ganz ruhig war ich. U… und ich seh gut aus. Rahel nich“, wiederholte er.

Ronny prustete erneut los, und Rahel feuerte die Zeitung auf den Boden. Ihr Onkel hob sie langsam auf und setzte sich endlich auf den Schreibtischstuhl. Behutsam strich er das Lokalblatt glatt.

„Anton meint das nicht böse. Er fasst nur zusammen, was er verstanden hat“, fauchte Rahel in Ronnys Richtung. Der große Junge grinste breit und ließ seine Brackets blitzen.

„Na und? Ist trotzdem lustig“, meinte er.

„Äh, um auf die Schule zurückzukommen“, warf Silas schnell ein. „Der Schulbesuch wird sich bis auf Weiteres nicht vermeiden lassen“, wiederholte er.

„W… wie eine Ni… Niederlage. Ei… eine Niederlage lässt sich auch nich immer vermeiden. Is halt so“, versuchte Anton noch einmal, auf seinen Lieblingsclub Dortmund zurückzukommen.

„Ja, sicher! Eins zu fünf gegen Bayern im eigenen Stadion – lässt sich kaum vermeiden“, sagte Rahel und ging endlich auf Anton ein. „Jedenfalls nicht, wenn man so schlecht spielt wie wir am letzten Spieltag. Das war vielleicht eine Pleite! Aber der BVB startet nach dem Sommer in die neue Saison, und nichts ist so schnell vergessen wie das letzte Spiel. Das da vergessen die hier garantiert nicht.“

Sie zeigte auf die Zeitung, die jetzt gefaltet auf Antons Schoß lag.

„Nein. Hier auf dem Dorf hängt man so was ans Schwarze Brett!“, erklärte Ronny todernst.

„Echt?“ Silas guckte entsetzt.

„Nein, natürlich nicht!“, stellte sein Freund klar. Er schüttelte den Kopf und zog seine kräftigen, dunklen Augenbrauen zusammen. „Jetzt nehmt euch mal nicht so wichtig! Ist doch alles halb so schlimm. Von der Belohnung, die der neue Rheka-Laden-Chef gezahlt hat, können wir uns alle ein neues, besseres Handy kaufen. Ist doch alles super!“

„Ein neues Handy? Ist das dein Ernst? Andere Sorgen hast du nicht?“, fragte Rahel.

„Jedenfalls geht es mir nicht um mein Aussehen“, antwortete Ronny.

Rahel maß ihn mit einem kritischen Blick von oben bis unten. Ihre Augen streiften die langen, zum Pferdeschwanz gebundenen Haare, das zerknitterte T-Shirt, die alte, fleckige Jeans …

„Da hast du wohl ausnahmsweise recht“, gab sie zu.

Silas seufzte. Es war wirklich nicht einfach, für Frieden zwischen Rahel und Ronny zu sorgen. Sie waren ungefähr genauso gut aufeinander zu sprechen wie Caruso auf Katzen. Nur gab es bei Onkel Antons Riesenschnauzer einen handfesten Grund für die aktuelle Abneigung: Vor ein paar Jahren hatte ein hinterhältiger Stubentiger dem noch unerfahrenen und zutraulichen Welpen erst seine Pfote auf den Kopf geschlagen und dann genüsslich die Krallen durchs Gesicht gezogen. Das konnten sich Ronny und Rahel jedenfalls nicht gegenseitig vorwerfen. Noch nicht. Silas beschloss, das als Pluspunkt zu verbuchen.

Von unten aus dem Wohnzimmer klangen Akkorde und zwei Frauenstimmen in die gespannte Stille. Mamas Freundin Gabrielle de Monnet war zum Proben gekommen. Sie war nicht nur eine gute Klavierspielerin und studierte jedes Jahr mit den Burgenacher Kindern ein gut besuchtes Adventsmusical ein, sondern sie hatte auch einen warmen, tiefen Alt, der wunderbar zu Mamas Sopran passte. Aber im Hauptberuf war sie nicht Sängerin wie Rahels Mutter, sondern Sekretärin der SEGE, der Selbständigen Evangelischen Gemeinde Eifel, die die Familie Schmickler besuchte.

„Maria! Maria! Da waren Engelworte: ‚Gott schenkt dir einen Sohn, kein Ende nimmt sein Reich, er sitzt auf Davids Thron!‘ Da waren deine Worte: ‚Ich bin die Magd des Herrn, was immer du verlangst, gehorchen will ich gern!‘“, klang es von unten.

Die Sängerinnen sangen so deutlich, dass man jedes Wort verstehen konnte. Doch auch die besinnlichen Worte und die schöne Melodie schienen Rahel nicht zu beruhigen.

„Ach nee, alles super! Weihnachtslieder Ende Mai. Das ist jetzt nicht Mamas Ernst, oder?“

Das Mädchen begann, heftig auf Omas altem Stuhl hin und her zu schaukeln.

„Du weißt doch, dass man nie früh genug anfangen kann, wenn man ein schönes Programm auf die Beine stellen will“, erklärte Silas geduldig. „Und irgendwann müssen die Kinder ja auch noch alles einstudieren.“

„Wartet mal!“, bat Ronny und lauschte der zweiten Strophe.

Die Stimmen der Sängerinnen harmonierten gut, und die Melodie war recht einfach.

„Maria! Maria! Da waren Frauenworte: ‚Glückselig, die geglaubt! Mein Kind, es hüpft vor Freude, weil du auf Gott vertraut.‘ Da waren Hirtenworte: ‚Kommt mit nach Bethlehem, um den, den Gott verkündet, den Retter selbst zu sehn!‘“

Rahel rollte mit den Augen.

„Klingt doch ganz schön“, fand Ronny, als die Stimmen abbrachen und die Frauen irgendetwas zu diskutieren schienen. „Aber wer ist Maria?“

„Du weißt nicht, wer Maria war!“, stellte Rahel fest und stoppte den Schaukelstuhl. „Maria war die Mutter Gottes.“

„Das stimmt nicht ganz, sie war die Mutter des Menschen Jesus Christus. Gott hat keine Mutter“, korrigierte Silas automatisch.

Rahel seufzte.

„Ja, aber Jesus hat ja von sich behauptet, Gott zu sein. Da ist es doch egal, ob ich ‚Mutter Gottes‘ oder ‚Mutter Jesu‘ sage.“

Silas zögerte. Er wusste, dass das ganz und gar nicht egal war, aber war eine solche Diskussion wirklich das Erste, was Ronny hören sollte, wenn das Gespräch auf Gott kam? Der Junge stöhnte nur innerlich und lächelte Rahel an. Er musste nicht Recht behalten.

„Ach, die Maria“, meinte Ronny. „Stell dir vor, die kenne sogar ich.“

Gerade als unten im Wohnzimmer erneut Musik erklang, hörte man von draußen Lärm. Ein Auto hupte laut, Reifen quietschten, Blech schepperte. Dann ertönte noch einmal die Hupe im Dauerton. Die Detektive schauten sich nur kurz an.

„Ein Unfall!“, stellte Silas fest.

Augenblicklich sprangen alle vier auf, liefen durch den Flur und die Treppe hinunter. Mama und Gabrielle hatten wohl auch etwas gehört, denn die Haustür stand schon offen. Caruso war laut bellend hinausgelaufen; er hatte Opa im Schlepptau, und von gegenüber kam sogar Papa aus seiner Kanzlei. Auf dem Platz vor den beiden Häusern der Familie trafen alle zusammen und starrten gemeinsam auf die Straße vor der Einfahrt zum alten Schmicklerhof. Das Hupen hatte endlich aufgehört, und ein dicker Mann war aus seinem grasgrünen Oldtimer-Mercedes gestiegen. Er reckte wütend eine Faust in den Himmel und schimpfte:

„Du Mistkerl, dreckiger! Komm sofort zurück! Guck dir den Driss an, den du hier angerichtet hast. Feigling, elender!!!“

Dann hörte der Mann auf zu brüllen und guckte kurz auf die hässliche Beule am linken Kotflügel und die aufgeschobene Motorhaube. Unerwartet flink setzte er sich wieder ans Steuer, um den Wagen von der Straße zu kriegen und wie geplant auf Schmicklers Hof zu lenken. Er hielt vor der versammelten Familie und grüßte herablassend, als hätte er sie als sein persönliches Empfangskomitee genau hierherbestellt. Dann hievte sich der dicke Mann erneut aus dem zerknautschten Fahrzeug.

„Mein schöner Wagen! Aber den Kerl kriege ich, Pit!“

Wie die meisten im Dorf nannte er Opa Peter Pit. Als er, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, die Fahrertür zuschlug, fiel die vordere linke Radkappe herab, und der linke Blinker sprang an. Der Dicke verzog das Gesicht, als hätte er sich beim Zuschlagen der Tür aus Versehen gleich mehrere seiner kurzen Wurstfinger eingeklemmt. Doch das war nicht der Fall, denn er wandte sich vom Wagen ab und ging auf Familie Schmickler zu.

„Wofür haben wir jetzt schließlich einen Rechtsanwalt in Brehl!“

Mit diesen Worten streckte er seine teigige Hand Paul Schmickler, dem Vater von Rahel und Silas, entgegen. Papa ergriff sie ohne Zögern.

„Langenhagen, Herr Schmickler“, sagte der Mann und schüttelte Papa die Hand. „Alteingesessener Bauernadel.“

Er lachte dröhnend.

„Bauer Langenhagen, natürlich. Ich kenne Sie doch! Ich bin doch hier aufgewachsen, und so jemanden wie Sie vergisst man nicht so leicht“, meinte Papa diplomatisch.

Doch der Bauer sprach jetzt Opa an.

„Was glaubst du, Pit? Schnappt dein Junge diesen Verbrecher, der mein Schätzchen verbeult hat? Hat mir einfach die Vorfahrt genommen. Ich wollte links zu euch auf den Hof und der überholt plötzlich. Ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist.“

Papa räusperte sich. Er wusste nur zu gut, dass Bauer Langenhagen einer der reichsten Bürger des Kreises war. Seit sein Ackerland Bauland geworden war, hatte er durch geschickte Vermarktung von Grund und Boden ein Vermögen gemacht. Nun widmete er sich fast nur noch der Verwaltung seiner Immobilien. Trotzdem konnte man mit Geld nicht alles kaufen. Ihn jedenfalls nicht.

„Äh, Herr Langenhagen, ich bin Rechtsanwalt und kein Polizist. Für so etwas ist die Polizei zuständig. Die sollten wir rufen! Je eher, desto besser.“

„Ach, papperlapapp! Polizei ist doch hier, nicht wahr, Pit?“

Wieder lachte er dröhnend. „Trotzdem will ich, dass Sie, Herr Schmickler, den Fall übernehmen.“

Papa seufzte.

„Ich bin weder Strafrechtler noch Privatdetektiv. Das läuft im echten Leben nicht so wie im Fernsehen, Herr Langenhagen. Die Ermittlungsarbeit leistet die Polizei. Die Beamten werden die Beule vermessen, Lacksplitter sicherstellen und nach dem Kennzeichen fahnden. Haben Sie sich das Kennzeichen denn gemerkt?“

„Nein, leider nicht ganz, ich war zu erschrocken. Aber der Bursche war von hier. ATB – Kreis Altenbrehl-Brehlweiler. Und das Auto war metallic-blau, ein Lieferwagen. Ein Ford Transit. Er dürfte jetzt vorne rechts eine Beule haben.“

„Nun, unser Landkreis ist groß, Kurt, das weißt du genauso gut wie ich“, mischte sich Opa ein. „Und so viele Streifenwagen haben wir nun auch wieder nicht.“

Der linke Blinker war immer noch an und blinkte nutzlos vor sich hin.

„Und es gibt tatsächlich nichts, was Sie sonst für mich tun können, Herr Rechtsanwalt?“

Der Bauer sah Papa mit seinen kleinen Augen scharf an.

„Ich würde auch gut bezahlen. Dieser grasgrüne Straßenflitzer ist das erste Auto, das sich mein Vater damals erlaubt hat. Ich hänge sehr an ihm, und es ist schwer, Ersatzteile zu bekommen.“

Flitzer?!, dachte Ronny kritisch, wahrscheinlich braucht der Oldtimer fünf Minuten, um von Null auf Hundert zu kommen! Falls er die Hundert überhaupt erreicht.

Papa hob die Augenbrauen und legte den Kopf schräg. Er schaute kurz zu Rahel und Silas. Seine Augen glitzerten, und seine Mundwinkel hoben sich unmerklich. Doch seine Tochter sah es genau. So guckte Papa, wenn er eine gute Idee hatte.

„Doch, natürlich. Wir können alle die Augen offenhalten und wenn wir einen Wagen sehen, auf den die Beschreibung passt, der nächsten Polizeiwache Bescheid geben. Sie könnten eine bestimmte Summe ausloben für den, dessen sachdienlicher Hinweis zur Ergreifung des Flüchtigen führt.“

„Hä?“, flüsterte Ronny Silas zu. „Ausloben?!“

„Papa meint, eine Belohnung aussetzen, so eine Art Kopfgeldprämie!“, flüsterte Silas zurück. Er war Papas seltsame Begriffe gewohnt.

„Ah!“, machte Ronny. Kopfgeldjäger kannte er aus einer Science-Fiction-Serie.

„Ist das alles?“, fragte Herr Langenhagen enttäuscht. „Ich dachte, Fahrerflucht ist verboten. Da muss ein Rechtsanwalt doch etwas mehr tun.“

„Selbstverständlich ist das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, wie es korrekt heißt, eine Straftat. Für die Aufklärung von Straftaten sind aber die Ermittlungsbehörden zuständig, wie ich bereits sagte. Das heißt in unserem Fall: die Polizei. Und die leistet wirklich gute Arbeit, auch wenn es leider jedes Jahr viele Straßenverkehrsdelikte gibt, die unaufgeklärt bleiben“, erklärte Papa geduldig zum zweiten Mal.

Er sah weiter zu Rahel, als wollte er ihr Einverständnis einholen. Sie ahnte, worauf er hinauswollte, und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Sie nickte Papa zu.

„Sollte der Täter von der Polizei gefasst werden, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung, wenn Sie zivilrechtlich gegen ihn vorgehen wollen oder Hilfe bei den versicherungsrechtlichen Fragen brauchen. Und meine Assistenten hier …“, er zeigte auf Rahel, Silas, Ronny und Anton, „können sich gleich mit ihren Fahrrädern auf den Weg machen und die umliegenden Dörfer absuchen. Wir haben auf jeden Fall eine größere Chance, je mehr Augen nach dem Fahrzeug suchen.“

Bauer Langenhagen strahlte. Er griff nach Papas Hand und zerquetschte sie fast.

„Hervorragende Idee. Dann sind wir im Geschäft. Tausend Euro …“ Er stockte und verbesserte sich schnell: „… oder sagen wir fünfhundert Euro für den, der diesen miesen Kerl findet.“

Der Bauer ließ endlich Papas Hand los, wandte sich wieder Opa zu und klopfte ihm auf die Schulter.

„Komm, Pit, gehen wir rein und besprechen das, wozu ich eigentlich gekommen bin. Wir können auch drinnen auf deine Kollegen warten.“

Opa drehte sich wortlos um und ging voran.

„Da hätten wir unseren zweiten Fall. Danke, Papa!“, sagte Rahel zufrieden, als die beiden Männer im Haus verschwunden waren.

Auch Mama und ihre Freundin probten schon weiter.

„Na ja, es klingt nicht so besonders spannend“, meinte Silas.

Der Gedanke an die Fahrradkilometer, die womöglich vor ihnen lagen, schlug ihm auf den Magen, obwohl er sich doch vorgenommen hatte, mehr Sport zu machen. Sein Freund berechnete bereits im Kopf, wie viel Euro ihm noch zu einem eigenen Notebook fehlten, sobald sie den Unfallwagen ausfindig gemacht hatten.

„Egal, muss nicht spannend sein. Hauptsache, es ist weniger gefährlich, als sich mit Drogenhändlern anzulegen“, sagte Ronny dann zufrieden.

Er konnte nicht ahnen, wie sehr er sich zumindest in diesem letzten Punkt verrechnet hatte.

ESTELLE

Sieh mal einer an, welche Ehre! Die Helden aus der Rheinzeitung! An unserer Schule!“ Provozierend stand Nora aus der 9a mit offenem Mund vor Rahel, Ronny und Silas, die gerade zu dritt das Matthias-Claudius-Gymnasium betreten hatten. Sie war aufgetakelt wie ein Filmstar aus Hollywood und tat so, als würde sie vor Freude in Ohnmacht fallen. Aber die schauspielerische Leistung war schlecht. Rahel erstarrte.

„Oh, königliche Hoheit, Rahel von Dortmund“, sagte Viola, Noras Freundin. Sie kicherte albern und verbeugte sich. „Na, heute wieder auf Hühnchen-Fang?“

Rahel wäre am liebsten im Erdboden versunken. Wie war der Reporter nur auf diesen unglücklichen Vergleich gekommen?!

„Hallo Fans“, grüßte Ronny. „Ist doch seltsam, Silas, oder? Obwohl Marco von der Schule geflogen ist, sind hier immer noch Idioten unterwegs. Vollidioten erst recht.“

„Krieg ich ein Autogramm, Rahel?“

Nick, Noras Freund aus der 10b, ließ sich auch von Ronnys Schlagfertigkeit nicht stoppen.

„Lass Rahel in Ruhe“, sagte Ronny und machte einen Schritt auf Nick zu, der zu ihm aufsehen musste, obwohl er eine Klasse höher war.

Rahel fehlten die Worte. Nicht nur, weil Ronny sie verteidigte, sondern auch, weil der Empfang schlimmer war, als sie befürchtet hatte. Sie schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter und stürmte mit zusammengekniffenen Lippen an dem gemeinen Trio vorbei. Als sie sich kurz vor Ende des Flurs umsah, ob die Jungs ihr folgten, stieß sie mit jemandem zusammen.

„Hey“, sagte dieser jemand, klang dabei aber eher überrascht als empört.

„Au“, sagte Rahel und drehte ihren Kopf zu dem menschlichen Hindernis um.

Dieses Hindernis war ein ganzes Stück kleiner als sie und ein Mädchen. Es hatte große, dunkle und traurige Augen. Das war das Erste, was Rahel sah. Dann nahm sie die anderen, eigentlich auffälligeren Details wahr.

„Was ist?“, sagte das Mädchen. „Hast du noch nie eine Schwarze gesehen?“

Natürlich hatte Rahel schon farbige Menschen gesehen! Sie gehörten in Dortmund zum normalen Straßenbild. Aber waren sie hier am Gymnasium in der Eifel auch normal? Sie musste nicht lange überlegen. Die Antwort lautete: Nein.

„Ich bin die Einzige hier, stimmt’s?“, seufzte das Mädchen und fuhr sich durch die mittellangen, krausen Haare.

„Du bist ja gar nicht richtig schwarz“, wehrte Rahel ab, als müsste sie die Aussage relativieren. „Eher milchkaffeebraun, also fast so weiß wie ich.“

Das Mädchen schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf.

„Lass das bitte, ich musste mir heute schon genug Sprüche anhören. Weißt du, wo die 8a ist?“

„Klar, das ist meine Klasse. Folge mir einfach. Ich bin auch noch relativ neu hier. Von wo kommst du?“, fragte Rahel und bog um die Kurve.

„Äh … von … aus Kaiserslautern.“

„Nee, ich meine, von wo kommst du wirklich?“, sagte Rahel und starrte das Mädchen unauffällig von der Seite an.

„Wie, wirklich? Was soll das denn heißen? Ich bin in … Kaiserslautern geboren.“

„Nee, ich meine deine Eltern.“

„Na super! Noch so ein Spruch. Aber bitte: Mein Papa ist auch in Kaiserslautern geboren. Er ist reinrassig deutsch und weiß wie Schnee. Nur meine Mama kommt aus Burundi. Sie ist schwarz wie die Nacht und trommelt, wenn ich zum Essen kommen soll. Wir essen mit den Fingern und danach basteln wir aus den abgenagten Knochen Halsketten …“

„Oh, entschuldige bitte“, unterbrach Rahel das Mädchen und blieb stehen. „Es tut mir leid, so habe ich das überhaupt nicht gemeint. Ich habe einfach nicht nachgedacht. Hatte selber nicht so einen guten Start heute.“

Das Mädchen lachte befreit auf. Ihr Lachen klang warm und freundlich. Auch ihre Augen sahen gleich fröhlicher aus.

„Danke“, sagte sie.

„Wofür?“, fragte Rahel. Jemand lief vorbei und rempelte sie an. „He, pass doch auf!“, rief sie dem Rempler hinterher.

„Dafür, dass du zugibst, nicht nachgedacht zu haben. Du ahnst nicht, wie diese Klischees nerven“, erklärte das Mädchen.

„Klischees?“

„Ja, eine vorgeprägte Denkweise. Ein abgegriffenes und durch allzu häufigen Gebrauch verschlissenes Bild oder Ausdruck. Vor allem aber ein Rede- und Denkschema, das ohne individuelle Überzeugung einfach unbedacht übernommen wird.“

Rahel blieb der Mund offen stehen.

„Alles klar! Wo hast du das her?“

„Wikipedia“, grinste das Mädchen. „Kommt ganz gut, wenn man so was parat hat. Bin sonst nicht so schlagfertig.“

„Aber ehrlich bist du“, sagte Rahel lächelnd und streckte die Hand aus. „Fangen wir am besten noch einmal von vorne an. Hallo! Ich heiße Rahel Schmickler, geboren in Dortmund. Und wer bist du?“

Das Mädchen ergriff die Hand, ohne zu zögern.

„Estelle Couderc aus Kaiserslautern. Schön, deine Bekanntschaft zu machen.“

„Freut mich auch.“

Rahel sah Estelle noch einmal genau an. Ihre sportliche Figur steckte in blauen Jeans und einem gelben Pullover. Sie war nicht geschminkt und trug Turnschuhe. Obwohl sie klein war – Rahel schätzte sie auf 1,55 m –, wirkte sie eher fraulich als mädchenhaft, denn im Gegensatz zu ihrem größeren Gegenüber hatte sie erkennbare Rundungen.

„Guten Morgen!“

Ein junger Lehrer ging grüßend an ihnen vorbei. Er musste auch neu sein, Rahel hatte ihn noch nie gesehen.

„Guten Morgen!“, grüßte sie zurück.

Estelle erwiderte den Gruß nicht, sondern schaute zu Rahel.

„Gehen wir? Sonst kommen wir noch zu spät.“

Rahel nickte und ging weiter zur breiten Steintreppe, die in den ersten Stock führte.

„Musst du noch zum Direx heute? Dann kann ich dir in der Pause das Sekretariat zeigen“, fragte sie.

„Danke, nicht nötig, das habe ich schon erledigt.“

„Ah ja. Warum seid ihr hergezogen?“, fragte Rahel weiter, um keine peinliche Stille entstehen zu lassen.

„Mama hat eine Arbeitsstelle im Rheka-Laden bekommen, als … Verkäuferin.“

„War das der Grund für den Umzug? Als Verkäuferin kann man doch überall eine Stelle kriegen, dachte ich. Warum so weit weg von Kaiserslautern?“, hakte Rahel nach.

„Du bist aber ganz schön neugierig“, bemerkte Estelle.

„Oh, tut mir leid. Du musst ja nichts erzählen, was du nicht willst. Wir sind hierhergezogen, weil mein Opa in Brehl wohnt. Er brauchte Hilfe auf dem alten Familienhof und bei der Betreuung von Onkel Anton. Mein Onkel Anton ist auf dem Stand eines Achtjährigen, aber er hat 40 Jahre Lebenserfahrung und einen Hund, der ihn von überall nach Hause führt und außerdem Drogen erschnüffeln kann. Ich habe noch einen Bruder, Silas, der ist auch hier an der Schule, und eine Schwester, die in den USA Medizin studiert. Meine Mutter ist eigentlich Opernsängerin und … “

„Danke, danke, das reicht für den Anfang“, stoppte Estelle sie lachend. Sie hatte schöne weiße und gerade Zähne. Rahel musste einfach kurz da hingucken. „Davon vergesse ich ja die Hälfte sowieso wieder.“

„Okay. Was willst du mir erzählen?“, fragte Rahel.

Mittlerweile waren sie vor dem Klassenraum angekommen. Es war noch Zeit bis zum Unterrichtsbeginn.

„Na ja, ich habe gar keine Geschwister. Und Mama musste aus Kaiserslautern weg, weil … es mit Papa nicht mehr so geklappt hat. Sie fühlt sich hier besser, und Papa …“

Estelle schaute von Rahel weg auf die gegenüberliegende Wand. Immer mehr Schüler und Schülerinnen der 8a drängelten sich auf dem Flur und strömten in das Klassenzimmer. Estelle stockte. Offensichtlich war es ihr unangenehm, über die Situation ihrer Eltern zu sprechen. Doch dann gab sie sich einen Ruck.

„Also, er kommt uns nur ab und zu besuchen. Wenn er mal gerade Zeit hat“, beendete sie den angefangenen Satz.