Die Acht vom großen Fluss, Bd. 10 - Gabriele Kuhnke - E-Book

Die Acht vom großen Fluss, Bd. 10 E-Book

Gabriele Kuhnke

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Beschreibung

"Womit fangen wir an?", fragt Flo. "Mit dem Zeitpunkt, als Leberfleck und Leberkäse mit ihrer Jolle in den Hafen von Diekhusen einliefen." "Was haben die denn mit BastiansVerschwinden zu tun?", wundert sich Su. "Eben das wollen wir herausfinden", antworte ich.

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Die Acht:

Bastian, 12,

hat kurzes blondes Stoppelhaar und sehr abstehende Ohren. Ist der Anführer der Jungen. Intelligent. Manchmal muffelig.

Sabine, 12, schulterlanges, dunkles Haar, als einzige nicht blond; spitze, schmale Nase; dicke Ponyfrisur. Wittert dauernd spannende Fälle. Sehr pfiffig.

Heike, 12, und Heiko, 11, Geschwister, haben beide ganz kurz geschnittenes blondes Haar. Heiko weiß immer alles, Heike ist sehr tierliebend und weichherzig. Hilfsbereit sind beide. Die Geschwister besitzen zusammen eine kleine Segeljolle, da sie auf einer Insel wohnen.

Susanne (Su), 8, Sabines jüngere Schwester, die immer mit will. Hat dünne, widerspenstige, rotblonde Zöpfe, ist lustig, lacht und weint viel, hat Sommersprossen. Su ist eine Nervensäge, aber lieb.

Goldhamster Husch ist Heikes Liebling. Er sitzt meistens unter ihrem Pullover und ist immer dabei. Sein Fell ist besonders seidig. Ein großer Nüsse-Hamsterer. Kommt auf Heikes Pfiff. Fürchtet Kater Bandit wie den Teufel, da er dessen Absichten kennt.

Florian (Flo), 10, hat ganz dicke blonde Locken (um die ihn die Mädchen beneiden). Flo ist klein und dünn, ein bisschen ängstlich. Liest leidenschaftlich gern.

Kater Bandit wurde irgendwann von Sabine halb ertrunken gefunden und adoptiert. Die Familie liebt ihn. Bandit ist pechschwarz mit weißen Pfoten. Er hat nur ein Auge. Hofft, irgendwann Hamster Husch zu erwischen. Geht meistens mit den Kindern mit. Ist ein ganz besonderer Kater.

Inhalt

Eine Neuigkeit

Flo und sein Piratendrachen

Eine unerfreuliche Begegnung

Eine verdächtige Gestalt

Leberfleck und Leberkäse

Schwan macht sich selbstständig

Das Versteck im Schilf

Wo steckt Bastian?

Husch taucht wieder auf

Mast- und Schotbruch

Mann über Bord

Das Dunkel lichtet sich

Zurück zur Vogelinsel

Eine Überraschung

Gabriele Cecilia Kuhnke (geb. Ammermann;* 19. Juni 1946 in Olsberg) ist eine deutsche Schriftstellerin; sie hat sich vor allem durch ihre Kinder- und Jugendbücher einen Namen gemacht. Geboren im Sauerland, besuchte sie in Arnsberg das Mädchen-Gymnasium. Seit ihrer Kindheit fühlte sie sich zuWasser und Schiffen hingezogen, arbeitete nach ihrer Schulzeit auf einem Rhein-Schleppkahn. Die zwölfbändige Reihe Die Acht vom großen Fluss erschien erstmals zwischen 1985 und 1991im Schneider-Buch-Verlag. Sie lebt in Sommerland zwischen Elmshorn und Glückstadt.

Eine Neuigkeit

Lauschend hebe ich den Kopf. Einen kurzen Augenblick kämpfe ich mit mir, ob ich antworten soll. Doch dann tue ich so, als hätte ich die Stimme meines Vaters nicht gehört. Er will bestimmt, dass ich ihm im Garten helfe, und dazu verspüre ich nicht die geringste Lust. Ich habe nämlich meinen Zeichenblock hervorgekramt und bin gerade dabei, die Landschaft zu skizzieren, die sich vor meinem Zimmerfenster ausbreitet.

Den Deich im Vordergrund habe ich bereits fertig. Dahinter erstreckt sich der große Fluss, die Elbe, und mittendrin liegt die Insel, die die Form einer Banane hat und deshalb Bananensand heißt.

Gerade male ich mit viel Sorgfalt die kleine weiße Segeljolle, die meiner Freundin Heike und ihrem Bruder Heiko gehört, als die Stimme meines Vaters erneut erschallt, diesmal um einige Töne lauter.

„Sabine!“

Genervt werfe ich den Bleistift auf den Zeichenblock, laufe in das gegenüberliegende Zimmer meiner Schwester Susanne, reiße das Fenster auf und beuge mich weit hinaus.

Mit einem Blick stelle ich seufzend fest, dass mein Vater die Ligusterhecke vor unserem Haus geschnitten hat. Die Zweige liegen unordentlich verstreut auf dem Gehweg und in unserem Vorgarten. Eben wickelt er das Kabel der Heckenschere zusammen, während meine kleine Schwester Su mit einer langen Harke bedrohlich um ihn herumfuchtelt.

„Was ist?“, frage ich missmutig, obwohl ich mir die Antwort bereits denken kann.

Papa legt das Kabel beiseite und blickt auf. „Wo bleibst du denn, Sabine?“, ruft er vorwurfsvoll. „Du wolltest doch helfen!“

Ich stöhne gequält auf. Ausgerechnet jetzt, wo ich solche Lust zum Zeichnen habe, soll ich Zweige zusammenharken. Warum habe ich heute Mittag nur so voreilige Versprechungen gemacht? Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als mein Wort einzulösen.

„Okay, ich komme.“

Ärgerlich knalle ich das Fenster zu und springe die Treppe hin unter. Als ich aus der Haustür schlüpfen will, ruft meine Mutter mich zurück.

„Sabine, wo willst du hin?“

„Papa im Garten helfen.“

„Doch nicht etwa mit deinen besten Jeans und dem neuen Sweatshirt! Bist du denn von allen guten Geistern verlassen? Zieh dich sofort um.“

Auch das noch! Murrend steige ich die Treppe wieder hinauf und krame ein paar alte, abgewetzte Jeans und meinen ältesten Pullover aus dem Schrank.

„Na endlich“, empfängt Su mich schnippisch, als ich in meinen alten Klamotten im Garten auftauche.

„Halt du dich da raus!“, fahre ich sie an und springe im nächsten Augenblick erschrocken beiseite, weil Su mit der Harke haarscharf vor meiner Nase herumfuchtelt.

„Pass doch auf!“, rufe ich empört. „Beinahe hättest du mich getroffen. Los, gib mir die Harke, du kannst die Zweige in die Schubkarre werfen, das ist ungefährlich.“

Ich harke die Zweige zu mehreren großen Haufen zusammen. Su sammelt sie im Zeitlupentempo auf. Es vergeht eine kleine Ewigkeit, bis sie stolz verkündet: „Die Karre ist voll, Sabine.“

Ich lasse die Harke fallen und schiebe die Karre um die Garage herum zum Komposthaufen. Papa hat dort die Schreddermaschine aufgestellt. Oben stopft er die Zweige hinein, zerkleinert und zerhäckselt fallen sie unten heraus und können auf den Komposthaufen geworfen werden.

„Äußerst praktisch“, finde ich.

Nachdem ich eine Weile zugesehen habe, schiebe ich die Karre wieder nach vorn und greife lustlos zur Harke. Ein wütendes Maunzen lässt mich erschrocken innehalten. Wie eine Rakete schießt mein einäugiger schwarzer Kater mit den weißen Pfoten aus dem Zweighaufen.

„Beinahe hättest du Bandit weggeharkt, Sabine.“ Su blickt mich vorwurfsvoll an.

Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich so unachtsam war.

„Komm her, mein guter Kater“, locke ich ihn, um ihn durch Streicheln wieder zu versöhnen. Aber Bandit wendet mir nur das Hinterteil zu und stolziert mit hocherhobenem Schwanz beleidigt davon.

„Hallo, Fans!“

Ich blicke auf. Mein langer Vetter Bastian braust auf seinem Fahrrad heran. Plötzlich steigt er so voll in die Bremse, dass sich der Vorderreifen quietschend aufbäumt.

„Hast du zufällig Lust, Zeitungen auszutragen, Sabine?“, Hoffnungsvoll schiebt er seinen Kopf mit den kurzen, blonden Stoppelhaaren und den abstehenden Ohren über die Hecke.

Bevor ich überhaupt den Mund aufmachen kann, antwortet Su vorwitzig für mich: „Sabine hat keine Zeit, das siehst du doch. Sie muss die Zweige zusammenharken.“

„Pech gehabt.“ Enttäuscht schwingt sich Bastian wieder auf seinen Drahtesel.

„Warte!“, rufe ich schnell. „Wir können ja tauschen. Du harkst die Zweige zusammen, während ich die Zeitungen für dich austrage.“

Bastian macht einen langen Hals und äugt wie eine Giraffe über die Hecke. Nachdem er die Lage kurz abgecheckt hat, schüttelt er den Kopf.

„Nö, da bin ich mit Zeitungaustragen schneller fertig. Tschüs, Sabine.“ Und weg ist er.

Als ich mich umwende, ist Su ebenfalls verschwunden. Sie hat die Gelegenheit genutzt, um sich heimlich aus dem Staub zu machen.Wütend werfe ich die Zweige in die Karre und schiebe sie hinters Haus.

„Su hat sich verdünnisiert!“, rufe ich meinem Vater empört zu.

Papa schaltet den Schredderapparat aus, weil er mich bei dem Motorenlärm nicht verstehen kann.

„Eben war sie doch noch hier“, sagt er verwundert, als ich meinen Ausruf wiederholt habe.

Hastig kraxele ich auf allen vieren den Deich hinauf, der unmittelbar hinter unserem Haus steil ansteigt. Aha, das habe ich mir doch gleich gedacht. Su rennt mit fliegenden Zöpfen über das Deichvorland. Neben ihr läuft mit wehenden Locken der kleine Flo. Unter dem Arm trägt er einen leuchtendroten, selbstgebastelten Drachen. Mit saurer Miene steige ich den Deich wieder hinunter.

„Su ist abgehauen. Sie lässt mit Flo Drachen steigen“, melde ich meinem Vater empört.

„Ach, lass Su doch“, meint Papa nur. „Sie ist ja noch so klein.“

Wie kann Papa nur so etwas sagen? So klein ist sie mit ihren acht Jahren ja auch nicht mehr. Immer wird Su von allen in Schutz genommen. Ich kann allein hier im Garten schuften, das kümmert niemanden. In meinem Zorn vergesse ich ganz, dass ich Papa ja freiwillig meine Hilfe angeboten habe.

„Sabine, mach nicht so ein mürrisches Gesicht“, versucht mein Vater mich aufzumuntern. „Die paar Zweige wirst du doch wohl noch allein zusammenharken können. Seufzend schiebe ich die Karre wieder vors Haus und harke wie eine Wilde drauflos.

Als ich oben auf dem Deich nach Su Ausschau gehalten habe, habe ich eine kleine, weiße Segeljolle entdeckt, die gerade von der Insel ablegte und auf den Hafen von Diekhusen zuhielt. Es kann also nicht mehr lange dauern, bis Heike und Heiko aufkreuzen. Bis dahin will ich unbedingt mit meiner Arbeit fertig sein.

Gerade als ich die letzten Blätter vom Gehweg gefegt habe und die Karre hinters Haus schiebe, tauchen Heikes und Heikos blonde, strubbelige Haare über der Deichkrone auf; dann folgen ihre runden Gesichter, zwei blaue Rollkragenpullover und Jeans, und den Abschluss bilden zwei Paar ehemals weiße Joggingschuhe.

„Hallo, Sabine! Hallo, Herr Rehder!“, ruft Heiko und lässt sich wie ein Ball übermütig den Deich in unseren Garten hinunterkullern. Direkt vor dem Komposthaufen bleibt er liegen.

„Oje, hier riecht's aber mächtig nach Arbeit!“, ruft er und grinst, als er sich auf gerafft hat.

„Keine Angst, wir sind gerade fertig“, tröstet mein Vater.

„So 'n Pech“, meint Heiko großspurig. „Jetzt hatte ich gerade so einen Bock auf Gartenarbeit.“

„Dem kann ich abhelfen“, erwidert mein Vater. „Komm mit in die Garage, dann gebe ich dir einen Spaten, und du kannst das Beet umgraben.“

Heike und ich grinsen schadenfroh, während Heiko ein langes Gesicht zieht. Zu seiner Erleichterung kommt gerade Bastian vom Zeitungaustragen laut klingelnd vorbeigefahren.

„Tut mir leid, Herr Rehder, ich habe keine Zeit mehr“, sagt Heiko, spurtet über den Plattenweg zur Straße und schwingt sich hinter Bastian auf den Gepäckträger. „Bis später!“, Damit brausen die beiden davon.

Als Papa mir ein einen Fünfer schenkt, weil ich ihm so fleißig geholfen habe, steigt mein Stimmungsbarometer augenblicklich an.

„Wir gehen spielen!“, rufe ich durch die offenstehende Haustür meiner Mutter zu.

„Komm nicht so spät zurück, Sabine“, mahnt Mama. „Ich muss heute Abend Almut im Café helfen.“

„Heute Abend?“, wundere ich mich. „Ist was Besonderes los?“

„Ja. Der Wassersportverein hält eine Versammlung ab.Morgen soll doch die Regatta stattfinden, und da gibt es noch allerhand zu besprechen.“

„Ach, die Regatta.“ Ich blicke Heike verblüfft an. „Die habe ich total vergessen.“

„Ich auch!“, ruft Heike.

„Wie konnten wir nur die Regatta vergessen?“, wundere ich mich.

„Das kommt daher, weil wir in der letzten Woche mit dem Zollkreuzer unterwegs waren und gar keine Zeit hatten, an die Regatta zu denken.“

Ich nicke zustimmend, als ich mich an die aufregenden Tage auf Helgoland erinnere.''

„Macht ihr bei der Regatta mit?“, erkundige ich mich gespannt bei Heike.

„Ich glaube kaum, dass Heiko sich das entgehen lässt, obwohl wir eigentlich keine Chancen auf einen Sieg haben.“ Die Regatta findet jedes Jahr gegen Ende der Herbstferien statt. Sie ist für die Segler das letzte große Ereignis im Jahr, denn danach ziehen sie ihre Boote an Land und bringen sie in die Winterquartiere zu den Bauern der Umgebung, die gern den freien Platz in ihren Scheunen vermieten. Dort liegen die Boote dann geschützt vor Sturm und Eis bis zum nächsten Frühjahr.

Erst jetzt fällt mir auf, dass es langsam Herbst wird, auch wenn die Sonne so warm scheint, dass man noch gar nicht daran glauben will. Aber die Kastanien färben sich bunt, und die gelb gewordenen Blätter der Birken wehen bereits lautlos herab.

Am Wochenende wird noch einmal ordentlich Trubel in Diekhusen sein. Die Regatta zieht viele Schaulustige an, so dass Tante Almut und Onkel Henning in ihrem Café alle Hände voll zu tun haben werden. Danach wird der kleine Hafen so langsam in den Winterschlaf sinken.

„Komm“, sage ich zu meiner Freundin, die auf der Treppe vor unserer Haustür sitzt. Ihr Goldhamster Husch sonnt sich neben ihr auf der Stufe. „Ich spendiere dir ein Eis, Heike.“

Ich drehe das Fünfmarkstück zwischen den Fingern hin und her. Jetzt kann ich es mir leisten, großzügig zu sein.

Das lässt sich Heike nicht zweimal sagen und springt auf. „Pass auf“, warne ich sie erschrocken. „Bandit ist im Anmarsch.“ Mein schwarzer Kater schleicht eben um die Garagenecke.Als er den Goldhamster erblickt, der arglos auf der Stufe Männchen macht, duckt er sich dicht an den Boden, und sein gesundes Auge starrt wie hypnotisiert auf den kleinen Hamster. Lautlos pirscht er sich heran.

Aber bevor er Husch erreicht hat, nimmt Heike ihren Liebling hoch und bringt ihn in der Brusttasche ihres Pullovers in Sicherheit. Enttäuscht blickt der Kater zu ihr auf.

„Pech gehabt, Bandit“, neckt Heike ihn.

Wir schlendern über den Gehweg zu Haus Nummer 5. Hier gibt es noch einen richtigen Tante-Emma-Laden, der Frau und Herrn Büntje gehört. Es ist der einzige Laden in Diekhusen, und hier kann man so ziemlich alles kaufen, von Schulheften bis zu Konserven und Kuchen.

Bandit folgt uns mit einigem Abstand. Er hat die Hoffnung auf einen saftigen Hamsterleckerbissen noch nicht aufgegeben.

Aber als Heike und ich mit einem Eis am Stiel aus dem Laden herauskommen, hat Bandit das Interesse an dem Goldhamster verloren. Auf dem Mäuerchen sitzt Mischka, Kuddels getigerte Katze, und putzt sich ausgiebig. Bandit hat nur noch Augen für sie. Wichtigtuerisch stolziert er vor ihr auf und ab und maunzt sie erwartungsvoll an. Aber Mischka tut so, als ob er Luft für sie wäre.

„Armer Bandit, bei Mischka hast du wohl auch keine Chancen“, kichert Heike.

Eis lutschend schlendern wir über den Gehweg zurück bis zu Haus Nummer 9, dem letzten Haus von Diekhusen. Es ist zweistöckig und gehört Bastians Eltern. Seine Mutter hat im ersten Stockwerk ein Café eingerichtet, das an den Wochenenden gerne von den Städtern besucht wird. Dort können sie gemütlich sitzen und in aller Ruhe den großen Fluss mit den vielen vorüberziehenden Schiffen betrachten und dabei Tante Almuts weitgerühmte Erdbeertorte oder ein Eis genießen.

Wir spähen durch die Lücke im Deich zum Hafen hinüber. Heiko und Bastian sitzen jeder auf einem Poller auf der Kaimauer und reden heftig gestikulierend aufeinander ein.

„Wenn die beiden sehen, dass wir ein Eis lutschen, wollen sie bestimmt auch eins“, brumme ich.

Ich verspüre keine Lust, den beiden auch ein Eis zu spendieren, denn dann würde von meinen fünf Euro gar nichts mehr übrig bleiben.

„Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß“, deklamiert Heike mit salbungsvoller Stimme.

Wir lutschen also erst einmal genüsslich unser Eis zu Ende, bevor wir zu den Jungen schlendern.

„Heiko, machst du Morgen bei der Regatta mit?“, erkundige ich mich.

„Bei welcher Regatta?“

„Morgen findet doch die große Herbstregatta statt. Heute Abend ist Versammlung des Wassersportvereins in Tante Almuts Café.“

„Davon weiß ich ja gar nichts!“, beschwert sich Heiko empört. „Da muss ich auch hin. Das ist doch klar, dass wir mitsegeln.“

„Und wen nimmst du als Vorschotmann mit?“, frage ich gespannt.

„Bastian.“

„Was?“, schnauft Heike entrüstet. „Wieso denn Bastian? Bin ich dir nicht mehr gut genug?“

„Mensch, Heike“, versucht Heiko seine Schwester zu besänftigen, „ich habe es Bastian schon seit Monaten versprochen. Du bist doch schon oft mitgesegelt.“

„Du hättest es mir ja wenigstens eher sagen können“, findet Heike mit beleidigtem Unterton.

„Ich habe doch gar nicht mehr daran gedacht.“

Nicht nur Heike ist enttäuscht, sondern ich bin es auch. Ich habe so sehr gehofft, dass Heiko mich diesmal als Vorschotmann mitnimmt. Schon seit zwei Jahren träume ich davon, einmal eine Regatta mitsegeln zu dürfen.

„Heiko, kann ich nicht auch mal als Vorschotmann ...“

Heiko unterbricht mich unsanft. „Du, Sabine, ich weiß nicht. Jede Handbewegung muss sitzen. Auf Bastian kann ich mich verlassen.“

„Pah, auf mich auch“, sage ich schnippisch. Ich bin froh, dass ich den Jungen kein Eis spendiert habe. Spätestens jetzt würde mir das leidtun.

„Wie viele Boote werden an den Start gehen?“, erkundigt sich Bastian gespannt.

„Dreißig mindestens“, meint Heiko.

„Was glaubst du, wer gewinnen wird?“

„Wahrscheinlich die Schwan. Sie war im letzten Jahr auch Sieger.“ Unwillkürlich blicken wir zu den Holzstegen hinüber, an denen die Schwan zwischen den anderen Segelbooten schaukelt. Die Schwan gehört lnes und Ingo, einem segelbegeisterten Ehepaar aus Hamburg. Die beiden verbringen fast jedes Wochenende in Diekhusen. Sie haben ihren Wohnwagen das ganze Jahr über auf dem Campingplatz von Flos Vater stehen.

„Ich glaube kaum, dass wir mit der HAI große Chancen haben“, sagt Bastian stirnrunzelnd.

„Dabeisein ist alles“, meint Heiko unbekümmert, spuckt seinen Kaugummi ins Hafenwasser und springt vom Poller auf.

„Los, wir gehen zu Kuddel und fragen ihn, ob er auch bei der Regatta mitsegelt.“

Mein Gesicht hellt sich auf. Falls Kuddel mitsegelt, braucht er einen Vorschotmann, und vielleicht nimmt er ja mich.

Flo und sein Piratendrachen