Die drei ??? und der 5. Advent (drei Fragezeichen) - André Minninger - E-Book

Die drei ??? und der 5. Advent (drei Fragezeichen) E-Book

André Minninger

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Beschreibung

Was Lydia Candle am 1. Dezember in ihrem Adventskalender vorfindet, versetzt ihr einen so heftigen Schock, dass sie sich hilfesuchend an die drei ??? wendet. Stammen die unheimlichen Botschaften wirklich von ihrem Neffen, der vor fünf Jahren ums Leben kam? Justus, Peter und Bob müssen innerhalb der nächsten 24 Tage das Rätsel einer unheimlichen Prophezeiung lösen: Am 5. Advent soll ein entsetzliches Verbrechen verübt werden! Tag für Tag kommen die drei Detektive der Lösung des Falles immer näher - werden sie es rechtzeitig schaffen?

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Seitenzahl: 145

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und der 5. Advent

Ein Fall in 24 Kapiteln

erzählt von André Minninger

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Unser gesamtes lieferbares Programm und vieleweitere Informationen zu unseren Büchern,Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren undAktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2012, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-13553-2

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Am 1. Dezember war Justus Jonas alles andere als weihnachtlich zumute. Das lag hauptsächlich an den spätsommerlichen Temperaturen, die seit einigen Tagen in Rocky Beach herrschten. Selbst für südkalifornische Verhältnisse war es für diese Jahreszeit ungewöhnlich warm. Hatte das etwas mit der Klimakatastrophe zu tun, die in aller Munde war? Dieser Gedanke ging Justus durch den Kopf, als er in Hollywood in den Canyon Lake Drive einbog, um für seine Tante Mathilda einen Botengang zu machen.

Zwei Minuten später hatte er sein Ziel erreicht und drückte auf den Klingelknopf von Lydia Candles Bungalow. Einige Sekunden geschah gar nichts; hinter der Tür blieb alles ruhig. Justus sah sich auf dem Grundstück um. Aus dem gepflegten Vorgarten bot sich ein fantastischer Blick auf den berühmten Hollywood-Schriftzug, dessen Buchstaben im gleißenden Licht der Mittagssonne leuchteten.

In diesem Moment rumorte es im Schlüsselloch und die Haustür wurde geöffnet. Justus fuhr herum und blickte in das freundliche, von Falten durchzogene Gesicht von Tante Mathildas langjähriger Freundin.

»Justus! Das ist ja eine Überraschung!«

»Hallo, Mrs Candle!« Der Erste Detektiv deutete auf die goldene Stofftasche, die er bei sich trug. »Tante Mathilda schickt mich. Ich soll Ihnen eine kleine Festtagsgabe überreichen.« Mrs Candle blickte theatralisch gen Himmel und legte eine Hand auf ihr Herz. »Oh, wie aufmerksam! Wenn jemandem in der vorweihnachtlichen Zeit das Wort ›Nächstenliebe‹ noch ein Begriff ist, dann der Familie Jonas. Komm doch rein, Junge!«

Justus folgte der alten Dame ins Wohnzimmer. Sie deutete auf einen gemütlichen Sessel und bat den Jungen, Platz zu nehmen. Bevor Justus sich setzte, blickte er sich überrascht um. »Meine Güte, Mrs Candle! Wohnt hier der Weihnachtsmann?«

Das Wohnzimmer war über und über festlich geschmückt. Unzählige Girlanden aus Tannenzweigen, Kränze, Engel, Sterne, selbst gestrickte Santa-Claus-Socken und blinkende Lichterketten kündeten vom nahenden Weihnachtsfest. Aus einem CD-Player ertönten die leisen Klänge von »Jingle Bells«. Justus’ Augen begannen zu leuchten.

»Ich muss schon sagen, Mrs Candle, Sie verstehen es wahrlich, einen in Weihnachtsstimmung zu versetzen!« Er ließ sich in den Sessel plumpsen und blickte fasziniert zum Kamin, in dem trotz der sommerlichen Außentemperaturen ein Feuer brannte. Über dem Kaminsims hing ein gerahmter Zeitungsbericht, der die alte Dame in ihrem Garten zeigte.

»Tante Mathilda hat mir erzählt, dass Sie kürzlich einen Preis für Ihren Garten bekommen haben! Sogar im Fernsehen wurde darüber berichtet! Glückwunsch, Mrs Candle!«

»Und als ersten Preis bekomme ich im Januar Besuch vom renommiertesten Landschaftsarchitekten Hollywoods! Der wird meinem Garten einen ganz neuen Look verpassen!«, antwortete sie stolz, griff nach einer Keksdose und hielt sie Justus unter die Nase. »Dann lang mal zu und lass es dir schmecken. Die habe ich heute Morgen selbst gebacken.«

Justus griff nach einem Plätzchen und ließ es genussvoll auf der Zunge zergehen. »Mmhhh … köstlich! Das habe ich ja noch nie gegessen. Was ist denn das?«

»Zimtsterne. Nach original deutschem Rezept!« Mrs Candle lächelte und nahm in ihrem Ohrensessel Platz. Dann griff sie nach der Tasche, die Justus auf dem Tisch abgestellt hatte, und zog daraus ein Geschenk mit üppiger Schleife hervor. »Ach, wie lieb!«, flötete sie gerührt und begann neugierig, das Päckchen mit ihren knochigen Fingern abzutasten, um den Inhalt zu erraten. Doch dann rief sie sich zur Vernunft und schob das Geschenk von sich: »Oh nein, Lydia! Übe dich in Geduld! Noch ist nicht Weihnachten!«

Justus konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er kannte Mrs Candle seit seinen frühen Kindertagen und hatte schon immer bewundert, wie sehr die alte Dame im Herzen ein kleines Mädchen geblieben war. Inzwischen war sie steinalt, aber daran schien sich nichts geändert zu haben.

»Ich liebe die Festtage über alles! Wenn es nach mir ginge, könnte jeden Monat Dezember sein!« Dabei griff auch sie nach einem Keks und ließ ihn schnell in ihrem Mund verschwinden. »Ich hoffe doch, du hast ein bisschen Zeit mitgebracht, Junge.«

Justus wollte nicht unhöflich sein. Er wusste zwar, dass Mrs Candle kaum noch Freunde und Verwandte hatte und nur selten Besuch bekam – aber zu Hause wartete noch eine Menge Arbeit auf ihn. Er hatte versprochen, seinem Onkel dabei zu helfen, eine Fuhre Antiquitäten abzuladen.

»Nun ja …, wenn ich ehrlich bin …« Er warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr und machte ein verlegenes Gesicht. »Onkel Titus wartet im Gebrauchtwarencenter schon auf mich und er kann sehr ungehalten werden, wenn –«

»– wenn sein einziger Neffe nicht zum vereinbarten Zeitpunkt erscheint«, brachte Mrs Candle den Satz zu Ende. »Ich kenne Titus ja! Aber es war ganz reizend, dass du mir diese Überraschung vorbeigebracht hast!« Dabei deutete sie mit einem verschmitzten Lächeln auf das Geschenk und erhob sich aus ihrem Sessel. »Aber bevor du gehst, lass uns doch noch schnell gemeinsam nachsehen, was sich heute in meinem Adventskalender befindet!«, sagte sie schnell. »Ich habe mir mein Päckchen noch aufgespart.«

»Ach, Sie besitzen einen Adventskalender?«, fragte Justus interessiert. »Darüber habe ich einmal etwas gelesen. Dieser vorweihnachtliche Brauch soll sich ja auch bei uns in Amerika immer mehr verbreiten. Stammt diese Tradition nicht ursprünglich aus Deutschland?«

Mrs Candle lächelte anerkennend. »Ja, das ist richtig. Du weißt wirklich eine Menge, mein Junge. Meine Großeltern waren Deutsche. Jedes Jahr am ersten Dezember bekam ich von ihnen vierundzwanzig kleine Päckchen, die von eins bis vierundzwanzig nummeriert waren. An jedem Morgen durfte ich dann eines der Geschenke öffnen. Als Kind habe ich es geliebt, mir so das Warten auf Weihnachten mit einer täglichen Überraschung zu verkürzen. Heute ist es zwar nicht mehr so spannend – ich habe die Päckchen schließlich alle selbst gepackt –, aber freuen kann ich mich darüber immer noch!«

Mrs Candle trippelte zum Kamin. Über dem Sims waren an einer Schnur vierundzwanzig Stoffsäckchen befestigt.

»Komm her, Justus! Hilf mir, die Einszu suchen!« Die alte Dame rückte ihre Brille zurecht und begann, umständlich die Säckchen zu prüfen.

Justus trat hinzu und deutete nach wenigen Sekunden mit zielsicherem Blick auf das vorletzte Säckchen auf der rechten Seite. »Da haben wir es schon! Die Eins!«

»Richtig!« Freudestrahlend löste die Dame das kleine Bündel von der Schnur und machte sich mit zitternden Händen daran, es zu öffnen. »Nun bin ich aber wirklich gespannt!«

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Mrs Candle den Knoten gelöst und den Inhalt des Säckchens auf ihre Handfläche geschüttet hatte. Zum Vorschein kamen zwei Marzipankugeln, ein kleiner Bleistiftanspitzer in Form eines Schneemanns und ein winziges Kuvert, das kaum größer als eine Streichholzschachtel war.

»Oho … sicher ein Gruß vom Weihnachtsmann!«, mutmaßte die alte Dame und löste die Lasche des Umschlags. Dann zog sie ein Kärtchen hervor, klappte es auf und begann zu lesen. Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. »Oh nein …« Hilfe suchend stützte sie sich auf dem Kaminsims ab und schnappte aufgeregt nach Luft.

»Mrs Candle! Was haben Sie? Ist Ihnen nicht gut?« Justus ergriff die Hand der alten Dame und führte sie zu ihrem Sessel. Mit weit aufgerissenen Augen ließ sie sich nieder und reichte Justus wortlos das kleine Kärtchen. Er las:

Liebe Großmama,

oft geschehen Dinge im Leben, die man nicht vorhersehen kann. Ich weiß, dass du der einzige Mensch bist, dem ich je vertrauen konnte, und hoffe, dass das auch jetzt noch so ist und bleibt. Ich möchte dir nur mitteilen, dass ich immer noch existiere.

In tiefer Verbundenheit

dein Edward

Justus ließ das Kärtchen sinken und blickte Mrs Candle fragend an. »Was hat es mit diesen Zeilen auf sich? Warum versetzen sie Sie so in Aufregung?«

Mrs Candles Augenlider begannen nervös zu flattern. »Das … das muss ein böser, hinterhältiger und geschmackloser Scherz sein! Ich … ich kann mir das nicht erklären … Ich begreife das nicht!«

Justus blickte die alte Dame noch immer irritiert an. »Können Sie mir das etwas genauer erklären?«

»Ich … ich … nein … das ist doch unmöglich!« Fassungslos griff sich Mrs Candle an die Stirn. »Dieses Kärtchen … und die Handschrift …«

»Was hat es damit auf sich?«

Mrs Candles Atem kam stoßweise. »Edward ist mein einziger Enkel … Aber … aber er ist bereits seit fünf Jahren tot!«

»Wie jetzt – tot?«, fragte Peter und riss dabei das oberste Blatt des Kalenders ab, sodass der 2. Dezember zum Vorschein kam.

»Nun, tot ist tot«, bemerkte Bob, der dem Bericht von Justus’ Erlebnis ebenfalls gelauscht hatte, und biss dabei herzhaft in ein Stück Christstollen, den Tante Mathilda den drei Jungen vor wenigen Minuten in die Zentrale gebracht hatte. »Deutsches Rezept!«, hatte sie stolz betont, während Justus etwas von »pangermanischen Weihnachtsbräuchen« murmelte.

Die Jungen saßen in einem ausrangierten Campinganhänger, der versteckt unter einem Haufen von Gerümpel auf dem Schrottplatz des Gebrauchtwarencenters T. Jonas stand. Von hier aus betrieben Justus, Peter und Bob als »Die drei ???« ein Detektivunternehmen, das schon unzählige gelöste Fälle auf seinem Erfolgskonto verbuchen konnte.

Justus berichtete mit vollem Mund seinen beiden Kollegen, was sich während seines Besuchs bei Mrs Candle Seltsames ereignet hatte.

»Nun, ihr Enkel Edward ist vor fünf Jahren unter recht mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, hat mir Mrs Candle berichtet.«

Peter zog seine Stirn in Falten. »Dann können wir wohl davon ausgehen, dass da jemand ein ziemlich übles Spiel mit der alten Dame treibt. Schließlich haben wir es ja schon öfter erlebt, dass sich ein Toter angeblich aus dem Jenseits zurückmeldet, um eine Person langsam aber sicher in den Wahnsinn zu treiben!«

»Du sagst es, Peter«, bestätigte Justus. »Und die Geschichte, die Mrs Candle da gestern widerfahren ist, weist verblüffende Parallelen zu einem unserer früheren Fälle auf.«

Bob überkam ein Frösteln. »Erinnere mich bitte nicht daran, Erster. Wenn ich an die Vorfälle mit Mrs Holligan im Fall ›Stimmen aus dem Nichts‹ zurückdenke, überkommt mich jetzt noch eine Gänsehaut!«

»Geht mir genauso!«, bestätigte Peter seinem Freund. »Und das muss ich zur Weihnachtszeit nun wirklich nicht haben! ›Frieden auf Erden‹ lautet die Losung! Da steht mir nicht der Sinn nach Psychoterror und Schikane!«

Justus blickte Peter entgeistert an. »Äußerst lobenswert, dass dir die Festtage heilig sind, Zweiter. Doch wenn Mrs Candle bis zum ersten Weihnachtstag in die Psychiatrie eingewiesen werden sollte, nur weil es einem gewissen Peter Shaw wichtiger erschien, mit seiner Freundin Kelly über den Weihnachtsmarkt zu schlendern, statt Mrs Candles Peiniger das Handwerk zu legen, wird Santa Claus dich ganz gewiss nicht mit Geschenken bedenken!«

»Ist ja schon gut, Justus!«, versuchte Peter seinen Freund zu beschwichtigen. »Es war ja nur eine Wunschvorstellung! Eine Träumerei zur schönsten Jahreszeit … Dafür musst du mir doch nicht gleich mit dem Schlimmsten drohen!«

»Dein Herz solltest du dennoch auch für andere Menschen öffnen, vor allem für die in Not Geratenen«, erwiderte Justus vorwurfsvoll.

Bob schaltete sich ein: »Nun mal langsam, Erster. Warum um alles in der Welt bist du denn so auf Krawall gebürstet? Peter wird doch wohl mal ein bisschen flapsig sein dürfen. Das ist doch noch lange kein Grund, gleich zu einem Rundumschlag auszuholen!«

»Also, Kollegen«, setzte Justus zur Erklärung an, nachdem er den letzten Bissen heruntergeschluckt hatte. »Vielleicht habe ich eben etwas zu heftig reagiert, aber wenn ihr beiden gestern bei Mrs Candle dabei gewesen wärt, könntet ihr meine Erregung vielleicht etwas besser nachvollziehen.«

»Dann liefer uns doch mal ein paar Details, Erster.« Bob hatte inzwischen aus einer alten Holzkiste eine Lichterkette hervorgekramt und sie über das Bücherregal gehängt. Er sah seinen Freund fragend an. »Also, Just, wir hören!«

Der Erste Detektiv machte ein ernstes Gesicht und atmete tief durch. »Ihr wisst, Kollegen, dass ich in der Regel eher rational als emotional veranlagt bin. Aber der gestrige Nachmittag bei Mrs Candle hat mich gefühlsmäßig doch stark erschüttert.«

»Und warum?«, fragte Peter.

»Nachdem die alte Dame die seltsame Botschaft ihres Enkelsohnes gelesen und mich über die Tatsache informiert hatte, dass Edward Candle bereits seit fünf Jahren nicht mehr unter uns weilt, ist sie weinend in ihrem Sessel zusammengesackt. Ich hatte Schwierigkeiten, sie wieder einigermaßen zu beruhigen. Ihr könnt euch gar keine Vorstellung davon machen, wie sehr dieser Fund in ihrem Adventskalender sie aufgewühlt hat. Sie hat Rotz und Wasser geheult.«

»Hat sie denn etwa im Ernst geglaubt, dass ihr Enkel Edward wieder aus dem Jenseits zurückgekehrt ist?«, wollte Bob wissen, während er auf allen vieren auf dem Boden umherkroch und eine freie Steckdose für die Lichterkette suchte. »Du hast sie doch wohl vom Gegenteil überzeugen können, oder?«

»Das war gar nicht nötig«, fuhr Justus mit seiner Erklärung fort. »Mrs Candle ist zwar uralt, aber sie verfügt über eine recht gesunde Auffassungsgabe. Und sie ist trotz ihrer kindlichen Art ein Realist: Sie glaubt nicht im Geringsten daran, dass Tote wieder ins Diesseits zurückkehren können.«

»Das hat sie mir dann wohl voraus.«

»Ganz recht, Zweiter!«

»Aber weiter im Text, Just. Warum hat sie denn dann diesen Nervenzusammenbruch erlitten?«

»Weil bei ihr mit einem Mal wieder alte Erinnerungen lebendig geworden sind«, berichtete der Erste Detektiv weiter, während er sich daran machte, eine Orange zu schälen. »Soweit ich es Mrs Candles Worten entnehmen konnte, hat sie damals die Nachricht von Edwards Tod ziemlich aus der Bahn geworfen. Das ist ja auch nichts Ungewöhnliches und völlig verständlich. Aber die Umstände, die zu seinem Tod geführt haben, sind gestern bei Mrs Candle alle wieder hochgekommen. Da sind alte Wunden aufgerissen …«

Peter begann trotz der behaglichen Temperatur, die im Wohnwagen herrschte, zu frösteln. »O je, da traut man sich ja gar nicht zu fragen, auf welche Weise ihr Enkel ums Leben gekommen ist.«

»Justus wird es uns aber sicher gleich sagen«, mutmaßte Bob und blickte den Ersten Detektiv fragend an. »Oder?«

Justus blickte ernst in die Runde. »Edward war noch ein Kind, als seine Eltern bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen sind. Und deshalb ist er bei seiner Großmutter Mrs Candle aufgewachsen. Sie hat ihr Bestes gegeben, um es ihrem Enkel an nichts fehlen zu lassen, aber Edward ist irgendwann auf die schiefe Bahn geraten. Mit etwa zwanzig Jahren ist er in kriminelle Kreise gekommen, die schließlich für sein vorzeitiges Ableben gesorgt haben.«

»Hat man ihn … erschossen?«, fragte Peter vorsichtig.

Justus schüttelte wortlos den Kopf.

»Nun sag schon, Erster!«, drängte Bob ungeduldig.

»Um es galant auszudrücken, hat sich Edward in Nichts aufgelöst.«

»Aha, dachte ich es mir doch«, schlussfolgerte Bob. »Er hat seinen Tod vorgetäuscht und sich dann anschließend aus dem Staub gemacht. Edward lebt also noch und war deshalb auch in der Lage, fünf Jahre nach seinem angeblichen Ableben in Mrs Candles Haus zurückzukehren, um dort eine Nachricht im Adventskalender zu deponieren. Richtig kombiniert, Just?«

Die Lippen des Ersten Detektivs wurden zu einem schmalen Strich. Wieder schüttelte er den Kopf. »Edward war einigen Verbrechern enorme Summen Geld schuldig geblieben. Und diese Leute waren nicht zimperlich, Methoden anzuwenden, die die Rückzahlung beschleunigen sollten. Doch Edward dachte nicht daran, seine Schulden zu begleichen. Und daraufhin verschwand er für immer von der Bildfläche. Spurlos. ›Lupara bianca‹ heißt das bei der Mafia.«

»Wie?«, fragte Peter unbehaglich. »Was soll denn das heißen?«

»Edward wurde von den Leuten, denen er das erbeutete Geld aus einem gemeinsamen Coup nicht auszahlen wollte, einfach … Nein, das erzähle ich jetzt nicht. Ich sage nur so viel: Wäre diese Todesart in einem Film gezeigt worden, hättest du ihn dir erst mit achtzehn anschauen dürfen!«

Bobs Nackenhaare richteten sich auf. »Das ist ja eine äußerst stimmungsvolle Weihnachtsgeschichte, die du da zum Besten gibst, Erster. Und deinem Gesicht entnehme ich, dass sie tatsächlich wahr ist …«

»So hat es mir Mrs Candle zumindest gestern berichtet«, erklärte Justus trocken. »Stimmt ihr mir nun zu, dass es unsere Pflicht ist, herauszufinden, wer ihr diese Botschaft in den Adventskalender gesteckt hat?«

Peter stand auf und verschränkte demonstrativ die Arme. »Ich kann ja verstehen, Justus, dass dich dieser Fall bei deiner Detektivehre gepackt hat, zumal es sich hier um die Freundin deiner Tante handelt. Aber wenn Verbrecher an der Sache beteiligt sind, die nicht davor zurückschrecken, einen Menschen auf anscheinend grausame Weise zu töten, dann ist das nicht so ganz meine Kragenweite! Ich bin ja gerne dazu bereit, mit euch nach entlaufenen Katzen zu suchen, Schätze aufzuspüren und mysteriöse Rätsel zu lösen. Aber mit Mord will ich lieber nichts zu schaffen haben!«

»Nun mal langsam«, versuchte Justus seinen aufgebrachten Freund zu beruhigen. »Ich bin ja vollkommen deiner Meinung: Grundsätzlich sollten wir das der Polizei überlassen. Mir geht es in erster Linie darum, Mrs Candles Seelenfrieden wiederherzustellen. Und ich glaube auch nicht eine Sekunde daran, dass der Mörder ihres Neffen die ominöse Botschaft in dem Kalender deponiert hat. Warum sollte er denn so töricht sein, nach all den Jahren die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken? Das ergibt doch gar keinen Sinn!«

»Mit dieser Überlegung könntest du recht haben, Erster.« Bob drehte an dem kleinen Rädchen der Lichterkette herum, sodass die Lämpchen abwechselnd zu blinken begannen. »Was glaubst denn du, wer oder was dahintersteckt?«

»Diese Frage kann ich dir frühestens beantworten, nachdem wir Mrs Candle einer ausführlichen Befragung unterzogen haben. Und eines gebe ich euch schriftlich, Kollegen: Sollte sich wider Erwarten ergeben, dass die Mörder ihres Neffen tatsächlich etwas mit den aktuellen Vorgängen zu tun haben könnten, geben wir den Fall an Inspektor Cotta ab.«