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Da war Feuer in der Nacht. Feuer, das den Himmel versengte und die Sterne verblassen ließ. Feuer, dessen dichter Rauch über das Land zwischen den Flüssen quoll. Ein brüchiger Friede herrscht in den Reichen der Angelsachsen. Mercien im Norden wird nun von Æthelflæd regiert, Tochter des verstorbenen Königs Alfred: eine Frau, geboren zum Herrschen. An der Nordgrenze des Landes hat sie ihren erfahrensten Kriegsherrn installiert, Uhtred ist sein Name. Und aus dem Norden kommt auch der Feind, ein mächtiges Heer aus Iren und Nordmännern, angeführt vom furchtbaren Ragnall Ivarson. Ragnall hat einen Bruder, mit dem Uhtred sich in der Vergangenheit schon gemessen hat, den er als Krieger achtet – und den seine Tochter zum Mann genommen hat. Bald kommt Zweifel auf im Reiche Mercien, woran Uhtred sich am Ende mehr gebunden fühlen wird: an Treueid oder Blutsverwandtschaft. Der neunte Band von Bernard Cornwells Wikingersaga: geliebt, verfilmt, ein Welterfolg.
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Seitenzahl: 547
Veröffentlichungsjahr: 2016
Bernard Cornwell
Die dunklen Krieger
Historischer Roman
Aus dem Englischen von Karolina Fell
Ihr Verlagsname
Da war Feuer in der Nacht. Feuer, das den Himmel versengte und die Sterne verblassen ließ. Feuer, dessen dichter Rauch über das Land zwischen den Flüssen quoll.
Ein brüchiger Friede herrscht in den Reichen der Angelsachsen. Mercien im Norden wird nun von Æthelflæd regiert, Tochter des verstorbenen Königs Alfred: eine Frau, geboren zum Herrschen. An der Nordgrenze des Landes hat sie ihren erfahrensten Kriegsherrn installiert, Uhtred ist sein Name.
Und aus dem Norden kommt auch der Feind, ein mächtiges Heer aus Iren und Nordmännern, angeführt vom furchtbaren Ragnall Ivarson. Ragnall hat einen Bruder, mit dem Uhtred sich in der Vergangenheit schon gemessen hat, den er als Krieger achtet – und den seine Tochter zum Mann genommen hat. Bald kommt Zweifel auf im Reiche Mercien, woran Uhtred sich am Ende mehr gebunden fühlen wird: an Treueid oder Blutsverwandtschaft.
Der neunte Band von Bernard Cornwells Wikingersaga: geliebt, verfilmt, ein Welterfolg.
Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC, doch nach seiner Übersiedlung in die USA entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugehen, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: mehr als 20 Millionen.
Weitere Informationen zum Autor
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Die dunklen Krieger
ist für Phil und Robert
Die Schreibung der Ortsnamen im angelsächsischen England war eine unsichere und regellose Angelegenheit, in der nicht einmal über die Namen selbst Übereinstimmung herrschte. London etwa wurde abwechselnd als Lundonia, Lundenberg, Lundenne, Lundene, Lundenwic, Lundenceaster und Lundres bezeichnet. Zweifellos hätten manche Leser andere Varianten der Namen vorgezogen, die unten aufgelistet sind, doch ich habe mich in den meisten Fällen nach den Schreibungen gerichtet, die entweder im Oxford Dictionary of English Place-Names oder im Cambridge Dictionary of English Place-Names für die Jahre um die Herrschaft Alfreds von 871 bis 899 zu finden sind. Doch selbst diese Lösung ist nicht narrensicher. So wird die Insel Hayling im Jahr 956 sowohl Heilincigae als auch Hæglingaiggæ geschrieben. Auch bin ich selbst nicht immer konsequent geblieben; ich habe die moderne Bezeichnung Northumbrien dem älteren Norðhymbralond vorgezogen, weil ich den Eindruck vermeiden wollte, dass die Grenzen des alten Königreiches mit denjenigen des modernen Countys identisch sind. Aus all diesen Gründen folgt die untenstehende Liste ebenso unberechenbaren Regeln wie die Schreibung der Ortsnamen selbst.
Æscs Hügel
Ashdown, Berkshire
Alencestre
Alcester, Warwickshire
Beamfleot
Benfleet, Essex
Bebbanburg
Bamburgh Castle, Northumberland
Brunanburh
Bromborough, Cheshire
Cair Ligualid
Carlisle, Cumberland
Ceaster
Chester, Cheshire
Cent
Kent
Contwaraburg
Canterbury, Kent
Cumbrien
Cumberland
Dunholm
Durham, County Durham
Dyflin
Dublin, Irland
Eads Byrig
Eddisbury Hill, Cheshire
Eoferwic
York, Yorkshire
Gleawecestre
Gloucester, Gloucestershire
Hedene
Fluss Eden, Cumberland
Horn
Höfn, Island
Hrothwulfs Hof
Rocester, Staffordshire
Jorvik
York, Yorkshire
Ledecestre
Leicester, Leicestershire
Liccelfeld
Lichfield, Staffordshire
Lindcolne
Lincoln, Lincolnshire
Loch Cuan
Strangford Lough, Nordirland
Lundene
London
Mærse
Fluss Mersey
Mann
Isle of Man
Sæfern
Fluss Severn
Strath Clota
Strathclyde, Schottland
Ouse
Fluss Ouse
Wiltunscir
Wiltshire
Wintanceaster
Winchester, Hampshire
Wirhealum
Halbinsel Wirral, Cheshire
Da war Feuer in der Nacht. Feuer, das den Himmel versengte und die Sterne verblassen ließ. Feuer, dessen dichter Rauch über das Land zwischen den Flüssen quoll.
Finan weckte mich. «Ärger», war alles, was er sagte.
Eadith regte sich, und ich schob sie von mir weg. «Bleib hier», sagte ich zu ihr und rollte mich aus den Schafsfellen. Ich tastete nach meinem Umhang aus Bärenfell und legte ihn mir um die Schultern, bevor ich Finan auf die Straße folgte. Es schien kein Mond, da war nur der Widerschein der Flammen auf der riesigen Rauchwolke, die mit dem Wind landeinwärts zog. «Wir brauchen mehr Männer auf den Wällen», sagte ich.
«Schon erledigt», sagte Finan.
Also blieb mir nichts mehr zu tun, als zu fluchen. Und ich fluchte.
«Es ist Brunanburh», sagte Finan düster, und ich fluchte noch einmal.
Leute sammelten sich auf der Hauptstraße von Ceaster. Eadith war aus dem Haus gekommen, sie hatte sich in einen weiten Umhang gewickelt, und ihr rotes Haar schimmerte im Licht der Laternen, die an der Kirchentür brannten. «Was ist los?», fragte sie verschlafen.
«Brunanburh», sagte Finan grimmig. Eadith bekreuzigte sich. Ich erhaschte einen Blick auf ihren nackten Körper, als ihre Hand unter dem Umhang hervorglitt, um ihre Stirn zu berühren, dann zog sie das schwere, wollene Tuch wieder eng um ihre Mitte zusammen.
«Loki.» Ich sprach seinen Namen laut aus. Er ist der Gott des Feuers, ganz gleich, was einem die Christen erzählen wollen. Und Loki ist der unzuverlässigste von allen Göttern, ein Schwindler, der uns hinters Licht führt, bezaubert, im Stich lässt und uns verletzt. Feuer ist seine zweischneidige Waffe, sie kann uns wärmen, unser Essen garen, uns versengen oder uns töten. Ich berührte den Thorshammer, der um meinen Hals hing. «Æthelstan ist dort», sagte ich.
«Wenn er noch lebt», sagte Finan.
Solange es dunkel war, konnten wir nichts ausrichten. Es war ein Ritt von wenigstens zwei Stunden nach Brunanburh, und in dieser finsteren Nacht würde es noch länger dauern, wenn wir durch den Wald stolperten und womöglich in einen Hinterhalt der Männer gerieten, die das Feuer in der Wehrstadt gelegt hatten. Alles, was ich tun konnte, war, auf den Wällen Ceasters Wache halten zu lassen, für den Fall, dass im Morgengrauen ein Angriff erfolgte.
Ich rechnete nicht mit solch einem Angriff. Ceaster war von den Römern erbaut worden und genauso stark wie jede erdenkliche andere Festung in Britannien. Die Nordmänner würden einen gefluteten Graben überqueren müssen, um dann Leitern an die hohen Steinmauern zu stellen, und Nordmänner haben noch nie gern Festungen angegriffen. Doch nun stand Brunanburh in Flammen, wer konnte da schon wissen, welch unwahrscheinliche Dinge der Morgen bringen würde? Brunanburh war unsere jüngste Wehrstadt, erbaut von Æthelflæd, die über Mercien herrschte, und diese Wehrstadt wachte über den Fluss Mærse, der den Schiffen der Nordmänner einen einfachen Weg ins Herz Britanniens bot. In früheren Jahren war die Mærse viel befahren worden, stetig waren Riemen in ihr Wasser eingetaucht und durchgezogen worden, und die drachenköpfigen Schiffe hatten sich gegen die Strömung des Flusses gestemmt, um ständig neue Krieger zu dem immerwährenden Kampf zwischen Nordmännern und Sachsen zu bringen, doch Brunanburh hatte diesem Treiben ein Ende gesetzt. Wir hielten dort eine Flotte von zwölf Schiffen bereit, deren Mannschaften von den mächtigen Palisaden Brunanburhs geschützt wurden, und die Nordmänner hatten gelernt, diese Schiffe zu fürchten. Wenn sie jetzt an der Westküste Britanniens landeten, gingen sie nach Wales oder nach Cumberland, das wilde, ungezähmte Land nördlich der Mærse.
Außer in dieser Nacht. In dieser Nacht loderten Flammen an der Mærse.
«Zieh dich an», sagte ich zu Eadith. Es würde in dieser Nacht keinen Schlaf mehr geben.
Sie berührte das smaragdbesetzte Kreuz, das um ihren Hals hing. «Æthelstan», sagte sie leise, als würde sie für ihn beten, während sie das Kreuz betastete. Sie hatte Æthelstan liebgewonnen.
«Entweder ist er tot oder lebendig», sagte ich knapp, «und wir werden es nicht vor dem Morgen erfahren.»
Wir ritten kurz vor der Dämmerung los, ritten im Wolfslicht nach Norden, folgten der gepflasterten Straße über den verschatteten Friedhof römischer Toter. Ich nahm sechzig Mann mit, alle auf schnellen, schlanken Pferden, damit wir fliehen konnten, falls wir auf eine Streitmacht brüllender Nordmänner trafen. Ich schickte Späher voraus, aber wir mussten schnell sein und hatten deshalb keine Zeit für unsere übliche Vorsichtsmaßnahme, auf den Bericht der Späher zu warten, bevor wir weiterritten. Dieses Mal würde der Tod unserer Späher unsere Warnung sein. Wir verließen die Römerstraße und folgten dem Weg, den wir durch den Wald angelegt hatten. Von Westen her waren Wolken aufgezogen, und es nieselte, aber vor uns stieg weiter der Rauch empor. Regen konnte Lokis Feuer löschen, aber nicht dieses leichte Nieseln, und der Rauch verhöhnte uns und lockte uns zu sich.
Dann kamen wir von dem Wald zu einem Landstrich, auf dem sich die Felder in morastige Auwiesen verwandelten, die wiederum mit dem Fluss verschmolzen, und dort, weit westlich von uns, auf diesem weiten Streifen silbergrauen Wassers, lag eine Flotte. Zwanzig, dreißig Schiffe, vielleicht mehr, es war unmöglich zu sagen, so dicht beieinander waren sie vertäut, doch selbst aus dieser Entfernung sah ich, dass sie die Tiere der Nordmänner auf dem Bug trugen; Adler, Drachen, Schlangen und Wölfe. «Gütiger Gott», sagte Finan entsetzt.
Nun eilten wir voran, auf einem Viehweg, der auf höherem Grund dem gewundenen Südufer des Flusses folgte. Der Wind blies uns ins Gesicht, unvermittelte Böen ließen Kräuselwellen über die Mærse ziehen. Wir konnten Brunanburh noch nicht sehen, weil die Festung hinter einer bewaldeten Erhöhung lag, doch eine unvermittelte Bewegung am Waldrand verriet, dass dort Männer waren, und meine zwei Späher ließen ihre Pferde umdrehen und galoppierten zu uns zurück. Wer auch immer sie aufgeschreckt hatte, verschwand im dichten Blattwerk des Frühlings, und einen Moment später ertönte ein Horn, dessen Klang schwermütig in die feuchte, graue Dämmerung hallte.
«Es ist nicht die Festung, die da brennt», sagte Finan, ohne sicher zu sein.
Statt einer Antwort schwenkte ich von dem Weg ab auf die üppige Weide. Die zwei Späher kamen heran, von den Hufen ihrer Pferde stoben feuchte Erdklumpen empor. «Da sind Männer im Wald, Herr!», rief einer. «Wenigstens zwanzig, wahrscheinlich mehr!»
«Und kampfbereit», berichtete der andere.
«Kampfbereit?», fragte Finan.
«Schilde, Helme, Waffen», erklärte der zweite.
Ich führte meine sechzig Mann südwärts. Der Gürtel aus Jungwald stand wie ein Damm zwischen uns und Brunanburh, und wenn dort ein Gegner wartete, würde er gewiss den Weg absperren. Wenn wir dem Weg folgten, würden wir womöglich direkt in ihren Schildwall hineinreiten, den sie zwischen den Bäumen versteckt haben mochten, doch indem ich weiter landein abschwenkte, würde ich sie zwingen, sich zu bewegen, ihre Aufstellung aufzugeben, also ritt ich schneller, trieb mein Pferd zu einem leichten Galopp an. Mein Sohn ritt an meine linke Seite. «Nicht die Festung brennt!», rief er. Der Rauch wurde dünner. Er stieg immer noch hinter den Bäumen auf, eine graue Schliere, die sich mit den niedrig hängenden Wolken vermischte. Er schien vom Fluss zu kommen, und ich vermutete, dass Finan und mein Sohn recht hatten und nicht die Festung brannte, sondern die Schiffe. Unsere Schiffe. Aber wie hatte ein Gegner diese Schiffe erreichen können? Wenn er bei Tageslicht gekommen wäre, hätte man es entdeckt, und die Verteidiger der Festung hätten die Schiffe bemannt und den Gegner herausgefordert, aber dass er bei Nacht gekommen war, schien unmöglich. Die Mærse war seicht, überall gab es Sandbänke, und kein Schiffsführer konnte darauf hoffen, sein Schiff in der Finsternis einer mondlosen Nacht so weit ins Inland zu bringen.
«Es ist nicht die Festung!», rief mir Uhtred erneut zu. Bei ihm klang es wie eine gute Nachricht, ich jedoch fürchtete, dass die Festung gefallen war und ihre mächtigen Palisaden nun eine Horde Nordmänner schützten. Warum sollten sie verbrennen, was sie leicht verteidigen konnten?
Das Gelände stieg an. Ich konnte keine Gegner in dem Wald entdecken. Das hieß nicht, dass sie nicht dort waren. Wie viele Gegner? Dreißig Schiffe? Das konnte leicht tausend Männer bedeuten, und diese Männer mussten gewusst haben, dass wir von Ceaster hierherreiten würden. Wenn ich der gegnerische Anführer gewesen wäre, hätte ich kurz hinter dem Wald gewartet, und das legte nahe, dass ich unseren Vormarsch verlangsamen und wieder die Späher vorschicken sollte, doch stattdessen trieb ich mein Pferd schneller voran. Mein Schild hing über meinem Rücken, und dort ließ ich ihn, lockerte nur Schlangenhauch in seiner Scheide. Ich war wütend, und ich war leichtfertig, aber mein Gefühl sagte mir, dass keine Gegner hinter dem Wald auf uns warteten. Sie hätten uns auf dem Weg abpassen können, aber durch meinen Schwenk landeinwärts hatte ich ihnen wenig Zeit gelassen, ihren Schildwall auf dem höher gelegenen Gelände neu aufzustellen. Der Waldgürtel verbarg noch immer, was dahinterlag, und ich ließ mein Pferd umdrehen und ritt wieder Richtung Westen. Ich tauchte ins Laubwerk ein, duckte mich unter einem Ast, ließ das Pferd selbst seinen Weg durch den Wald suchen, und dann hatte ich die Bäume hinter mir und nahm die Zügel kürzer, ritt langsamer, beobachtete, blieb stehen.
Kein Gegner.
Meine Männer brachen durchs Unterholz und hielten hinter mir an.
«Dank sei dem Herrn», sagte Finan.
Die Festung war nicht erobert worden. Das weiße Pferd Merciens flatterte weiter über der Befestigungsanlage und daneben Æthelflæds Gänseflagge. Ein drittes Banner hing an dem Wall, ein neues Banner, das die Frauen von Ceaster auf mein Geheiß angefertigt hatten. Es zeigte den Drachen von Wessex, und der Drache hielt einen Blitzstrahl in einer erhobenen Klaue. Es war das Zeichen Prinz Æthelstans. Der Junge hatte ein Christenkreuz auf seiner Flagge haben wollen, aber ich hatte stattdessen befohlen, dass der Blitzstrahl eingestickt wurde. Ich nannte Æthelstan einen Jungen, doch er war nun ein Mann, vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Er war groß geworden, und die Erfahrung hatte seinen jugendlichen Mutwillen gemildert. Es gab Männer, die Æthelstans Tod wollten, und er wusste es, und deshalb war sein Blick wachsam geworden. Er war auch gutaussehend, jedenfalls hatte Eadith mich das wissen lassen, und seine wachsamen grauen Augen blickten aus einem klar geschnittenen Gesicht, das von glattem Haar umrahmt war, dessen Schwärze an einen Rabenflügel erinnerte. Ich nannte ihn Prinz Æthelstan, während ihn die Männer, die ihn tot sehen wollten, einen Bastard nannten.
Und viele glaubten ihre Lügen. Æthelstan war der Sohn eines schönen Mädchens aus Cent, das gestorben war, als es ihn geboren hatte, aber sein Vater war Edward, der Sohn König Alfreds und nun selbst König von Wessex. Inzwischen hatte Edward ein westsächsisches Mädchen geheiratet und einen weiteren Sohn gezeugt, wodurch Æthelstan zu einer Unannehmlichkeit wurde, besonders weil das Gerücht umging, dass er in Wahrheit gar kein Bastard sei, weil Edward das Mädchen aus Cent heimlich geheiratet habe. Ob wahr oder nicht – und ich wusste aus gutem Grund, dass die Geschichte von der ersten Heirat tatsächlich stimmte –, darauf kam es nicht an, denn für viele im Königreich seines Vaters war Æthelstan der ungewollte Sohn. Er war nicht in Wintanceaster aufgezogen worden, wie Edwards andere Kinder, sondern man hatte ihn nach Mercien geschickt. Edward beteuerte, den Jungen zu mögen, schenkte ihm jedoch keinerlei Aufmerksamkeit, und in Wahrheit war ihm Æthelstan eine Peinlichkeit. Er war der älteste Sohn des Königs, der Ætheling, doch er hatte einen jüngeren Halbbruder, dessen rachsüchtige Mutter Æthelstans Tod wollte, weil er zwischen ihrem Sohn und dem Thron von Wessex stand. Ich aber mochte Æthelstan. Ich mochte ihn genug, um zu wollen, dass er auf den Thron gelangte, der sein Geburtsrecht war, doch um König zu sein, musste er zuvor die Verantwortlichkeiten eines Mannes erlernen, und deshalb hatte ich ihm den Befehl über die Festung und die Flotte von Brunanburh gegeben. Und nun war die Flotte verloren. Sie war verbrannt. Die Rümpfe qualmten neben den verkohlten Resten des Kais, für dessen Bau wir ein Jahr gebraucht hatten. Wir hatten Ulmenpfähle tief ins Uferland getrieben und den Laufgang bis über die Niedrigwassermarke hinausgebaut, um einen Landeplatz zu haben, an dem jederzeit eine Kriegsflotte bereitliegen konnte. Jetzt war der Landeplatz verloren und mit ihm die schlanken Schiffe mit ihren hochaufragenden Bugen. Vier der Schiffe waren oberhalb der Gezeitenmarke gestrandet und schwelten noch, die übrigen waren nur noch geschwärzte Rippen im seichten Wasser, während am Ende des Kais drei drachenköpfige Schiffe an den verschmorten Pfeilern vertäut lagen. Fünf weitere Schiffe lagen dicht dahinter und wurden mit den Riemen gegen die Strömung des Flusses und die Ebbe an Ort und Stelle gehalten. Der Rest der gegnerischen Flotte befand sich eine halbe Meile weiter flussauf.
Und am Ufer, zwischen uns und dem verbrannten Landeplatz, waren Männer. Männer in Rüstung, Männer mit Schilden und Helmen, Männer mit Speeren und Schwertern. Es mochten zweihundert sein, und sie hatten das bisschen Vieh zusammengetrieben, das sie entdecken konnten, und führten es zum Ufer, wo es geschlachtet wurde, um das Fleisch verschiffen zu können. Ich warf einen kurzen Blick zur Festung. Æthelstan befehligte dort hundertfünfzig Mann, und ich sah sie dicht an dicht auf dem Befestigungswall stehen, doch er unternahm keinen Versuch, den Rückzug des Gegners aufzuhalten. «Töten wir ein paar von den Bastarden», sagte ich.
«Wirklich?», fragte Finan, angesichts der Überzahl des Gegners.
«Sie werden flüchten», sagte ich. «Sie wollen die Sicherheit ihrer Schiffe, sie wollen nicht an Land kämpfen.»
Ich zog Schlangenhauch. Die Norweger am Ufer waren alle zu Fuß, und sie waren weit verstreut. Die meisten befanden sich nahe beim landseitigen Ende des verbrannten Kais, wo sie schnell einen Schildwall aufstellen konnten, doch Dutzende andere mühten sich mit dem Vieh ab. Auf diese Männer hatte ich es abgesehen. Und ich war wütend. Ich befehligte die Garnison von Ceaster, und Brunanburh war ein Teil dieser Garnison. Es war eine entlegene Festung, und sie war überrascht worden, und ihre Schiffe waren verbrannt, und ich war wütend. Ich wollte Blut in der Dämmerung. Ich küsste Schlangenhauchs Heft, dann gab ich meinem Pferd die Sporen, und wir ritten in vollem Galopp den sanft abfallenden Hang hinunter, die Schwerter gezogen, die Speere wurfbereit. Ich wünschte, ich hätte mir selbst einen Speer mitgenommen, doch nun war es zu spät für Bedauern. Die Viehhüter sahen uns und versuchten wegzulaufen, aber sie waren auf den morastigen Auwiesen, und das Vieh wurde aufgeschreckt, und die Hufschläge unserer Pferde klangen dumpf auf dem taufeuchten Boden. Die größte Gruppe der Gegner bildete dort, wo die verkohlten Überreste des Kais ans trockene Land reichten, einen Schildwall, aber ich hatte nicht im Sinn, gegen sie zu kämpfen. «Ich will Gefangene!», brüllte ich meinen Männern zu. «Ich will Gefangene!»
Eines der Nordmannschiffe fuhr Richtung Ufer, entweder um die Männer an Land zu unterstützen oder um ihnen eine Fluchtmöglichkeit zu bieten. Tausend weiße Vögel flogen von dem grauen Wasser auf, riefen und kreischten, zogen ihre Kreise über der Weide, auf der sich der Schildwall formiert hatte. Ich sah ein Banner über der Wand aus Schilden flattern, aber ich hatte keine Zeit, die Standarte genauer anzusehen, weil mein Pferd über den Weg donnerte, den Abhang hinunter und in die Gezeitenzone des Flussufers. «Gefangene!», rief ich erneut. Ich ritt an einem geschlachteten Bullen vorbei, dessen Blut dick und schwarz auf dem Schlamm stand. Die Männer hatten angefangen, ihn zu zerlegen, dann aber die Flucht ergriffen, und nun war ich bereits zwischen diesen Flüchtenden, und ich benutzte die flache Seite von Schlangenhauch, um einen Mann niederzuschlagen. Ich drehte um. Mein Pferd glitt im Schlamm aus, ging auf die Hinterbeine, und als es wieder herunterkam, setzte ich sein Gewicht ein, um einem zweiten Mann Schlangenhauch in den Körper zu rammen. Die Klinge durchbohrte seine Schulter, drang tief ein, Blut quoll aus seinem Mund, und ich trieb den Hengst an, damit er mir half, die schwere Klinge aus dem sterbenden Mann freizuziehen. Finan kam an mir vorbei, dann galoppierte mein Sohn vorüber, hielt sein Schwert Rabenschnabel tief und beugte sich aus dem Sattel, um es im Rücken eines davonlaufenden Mannes zu versenken. Ein Norweger mit wildem Blick schwang eine Axt gegen mich, der ich mühelos auswich, dann fuhr Berg Skallagrimmrsons Speerklinge in den Rücken des Mannes, durch seine Eingeweide hindurch und tauchte hell und blutbeschmiert wieder aus seinem Bauch auf. Berg ritt barhäuptig, und in sein helles Haar, das er lang wie eine Frau trug, waren Fingerknochen und Bänder eingeflochten. Er grinste mich an, als er den Eschenschaft seines Speers losließ und sein Schwert zog. «Ich habe sein Kettenhemd verdorben, Herr!»
«Ich will Gefangene, Berg!»
«Vorher bringe ich ein paar von den Bastarden um, ja?» Noch immer grinsend ritt er weiter. Er war ein norwegischer Krieger, vielleicht achtzehn oder neunzehn Sommer alt, aber er hatte schon ein Schiff nach Horn auf der Insel von Feuer und Eis gerudert, die weit weg im Atlantik lag, und er hatte in Irland gekämpft, in Schottland und in Wales, und er kannte Geschichten von Ruderfahrten durch Birkenwälder im Landesinneren, von denen er behauptete, sie würden östlich des Norwegerlandes wachsen. Dort gebe es Eisriesen, hatte er mir erzählt, und Wölfe so groß wie ein Hengst. «Ich hätte schon tausendmal sterben müssen, Herr», hatte er zu mir gesagt, nun aber war er nur noch am Leben, weil ich ihn verschont hatte. Er war mein Mann geworden, mein Schwurmann, und in meinem Dienst trennte er mit einem einzigen Schwung seines Schwertes einem Flüchtenden den Kopf von den Schultern. «Hah!», brüllte er zu mir zurück. «Ich schärfe die Klinge gut!»
Finan war nahe beim Ufer, so nah, dass ein Mann auf dem näher kommenden Schiff einen Speer auf ihn schleuderte. Die Waffe blieb im Schlamm stecken, und Finan beugte sich herablassend aus dem Sattel, um nach dem Schaft zu greifen, bevor er zu einem Mann galoppierte, der blutend im Morast lag. Er schaute zu dem Schiff zurück, ging sicher, dass er beobachtet wurde, und hob den Speer, um dem Verwundeten die Klinge in den Bauch zu stoßen. Doch dann hielt er unvermittelt inne und warf, zu meiner Überraschung, den Speer beiseite. Er stieg ab, kniete sich zu dem Verwundeten, redete einen Moment lang mit ihm und stand wieder auf. «Gefangene!», rief er. «Wir brauchen Gefangene!»
In der Festung wurde ein Horn geblasen, und als ich mich umdrehte, sah ich Männer aus dem Tor von Brunanburh strömen. Sie kamen mit Schilden, Speeren und Schwertern, bereit, einen Schildwall aufzustellen und damit den gegnerischen Schildwall in den Fluss zu drängen, doch die Eindringlinge waren schon auf dem Rückzug und brauchten dabei keine Unterstützung von uns. Sie wateten an den verkohlten Pfählen vorbei und schoben sich um die qualmenden Wracks, um auf die nächstgelegenen Schiffe zu steigen. Das herankommende Schiff hielt an, die Mannschaft brachte das seichte Wasser mit den Riemen zum Schäumen, zögerte, meinen Männern entgegenzutreten, die ihr Beleidigungen zuriefen und sie am Ufer des Flusses mit gezogenen Schwertern und blutigen Speeren erwarteten. Noch mehr von unseren Gegnern wateten in Richtung der drachenköpfigen Schiffe. «Lasst sie!», rief ich. Ich hatte Blut im Morgengrauen gewollt, aber es brachte keinen Vorteil, eine Handvoll Männer im seichten Wasser der Mærse abzuschlachten und dabei womöglich ein Dutzend meiner eigenen Männer zu verlieren. Die gegnerische Hauptflotte, zu der noch Hunderte weitere Krieger gehören mussten, wurde schon flussauf gerudert. Um sie zu schwächen, hätte ich diese Hundertschaften töten müssen, nicht nur ein paar wenige Männer.
Die Mannschaften der gegnerischen Schiffe in unserer Nähe verspotteten uns. Ich beobachtete, wie Männer an Bord gezogen wurden, und ich fragte mich, woher diese Flotte gekommen war. Seit Jahren hatte ich nicht so viele nordländische Schiffe gesehen. Ich trieb mein Pferd bis ans Ufer. Ein Mann schleuderte einen Speer, aber der Wurf reichte nicht bis zu mir. Ich schob Schlangenhauch mit vorsätzlicher Gelassenheit in die Scheide, um dem Gegner zu zeigen, dass ich in das Ende des Kampfes einwilligte, und ich sah, wie ein graubärtiger Mann einem Jüngling auf den Ellbogen schlug, als dieser noch einen Speer werfen wollte. Ich nickte dem Graubart zu, der zur Bestätigung eine Hand hob. Wer waren sie? Die Gefangenen würden es uns sehr bald erzählen, und wir hatten wenigstens zwanzig von ihnen, denen nun Kettenhemden, Helme und Wertgegenstände abgenommen wurden. Finan kniete wieder bei dem Verwundeten, redete auf ihn ein, und ich lenkte mein Pferd zu ihm, dann blieb ich verwundert stehen, denn Finan war aufgestanden und pisste nun auf den Mann, der mit schwacher Hand nach seinem Peiniger schlug. «Finan?», rief ich.
Er beachtete mich nicht. Er redete in seiner Muttersprache mit seinem Gefangenen, und auch der Mann antwortete wütend auf Irisch. Finan lachte, dann schien er den Mann zu verfluchen, überzog ihn mit einem Singsang böse klingender, deutlich ausgesprochener Worte, wobei er seine Finger auf das tropfnasse Gesicht gerichtet hielt, als würde er seinen Gegner mit einem Zauber belegen. Was auch immer sich da abspielte, ich vermutete, dass es mich nichts anging, und so richtete ich meinen Blick in demselben Moment zurück auf die Schiffe am Ende der zerstörten Landestelle, in dem der gegnerische Bannerträger an Bord des letzten Schiffs kletterte, das noch in der Nähe war. Der Mann trug ein Kettenhemd und mühte sich schwer, sich an der Schiffswand hinaufzuziehen, bis er schließlich sein Banner nach oben reichte und beide Arme ausstreckte, sodass er von zwei anderen Kriegern an Bord gehievt werden konnte. Und da erkannte ich das Banner, und ich konnte kaum glauben, was ich sah.
Haesten?
Haesten?
Wenn diese Welt je einen wertlosen, heimtückischen, schleimigen Kothaufen von Mensch gesehen hat, dann war es Haesten. Ich kannte ihn ein Leben lang, tatsächlich hatte ich ihm sein elendes Leben gerettet, und er hatte mir Treue geschworen, hatte seine Hände um meine gelegt, die wiederum das Heft von Schlangenhauch umklammert hielten, und er hatte Tränen der Dankbarkeit vergossen, als er schwor, mein Mann zu sein, mich zu verteidigen, mir zu dienen und als Gegenleistung von mir Gold zu bekommen und meinen Schutz, und innerhalb von Monaten hatte er den Eid gebrochen und gegen mich gekämpft. Er hatte Alfred Frieden geschworen, und auch diesen Eid hatte er gebrochen. Er hatte Heere angeführt, um Wessex und Mercien zu verwüsten, bis ich seine Männer schließlich bei Beamfleot in die Enge gedrängt und die Wasserläufe und Marschen mit ihrem Blut schwarz gefärbt hatte. Wir hatten die Gräben mit seinen Toten gefüllt, die Raben hatten an diesem Tag ein Festmahl gehalten, Haesten aber war entkommen. Er entkam immer. Er hatte seine Streitmacht verloren, aber nicht seine Gerissenheit, und er war zurückgekehrt, nun in den Diensten von Sigurd Thorrson und Cnut Ranulfson, und die beiden waren in einer anderen Schlacht umgekommen, Haesten jedoch hatte sich erneut davongemacht.
Nun war er zurück, und sein Banner zeigte einen gebleichten Schädel auf einer Stange. Es verhöhnte mich von dem letzten Schiff aus, das nun weggerudert wurde. Die Männer an Bord brüllten Beleidigungen, und der Standartenträger schwenkte den Schädel hin und her. Hinter diesem Schiff ragte ein größeres auf, der Bug gekrönt von einem enormen Drachen, der seinen mit spitzen Zähnen besetzten Fang weit in die Höhe reckte, und im Heck des Schiffes sah ich einen Mann, der einen Umhang und einen Silberhelm mit schwarzen Rabenflügeln trug. Er nahm den Helm ab und verbeugte sich spöttisch in meine Richtung, und ich erkannte Haesten. Er lachte. Er hatte meine Schiffe verbrannt und ein paar Rinder gestohlen, und für Haesten war das Sieg genug. Es war keine Rache für Beamfleot – um auf dieser blutigen Waage für Ausgleich zu sorgen, würde er sowohl mich als auch alle meine Männer töten müssen –, aber er hatte uns wie Narren aussehen lassen, und er hatte die Mærse für eine große Flotte Nordmänner geöffnet, die nun flussauf ruderten. Eine Flotte von Gegnern, die gekommen waren, um unser Land zu nehmen, angeführt von Haesten.
«Wie kann dieser Bastard Haesten so viele Männer anführen?», fragte ich mich laut.
«Das tut er nicht.» Mein Sohn hatte sein Pferd ans seichte Wasser des Ufers traben lassen und brachte es neben mir zum Stehen.
«Nicht?»
«Ragnall Ivarson führt sie an.»
Ich sagte nichts, doch mich überlief ein Schauder. Ich kannte den Namen Ragnall Ivarson, wir alle kannten ihn, diesen Namen, der auf der gesamten irischen See Schrecken verbreitete. Er war ein Norweger, der sich selbst Seekönig nannte, denn sein Landbesitz war überall dort verstreut, wo die wilden Wogen auf Fels oder Sand liefen. Er regierte, wo die Robben schwammen und die Lundvögel flogen, wo der Sturm heulte und wo Schiffe untergingen, wo die Kälte so schneidend war wie ein Messer und nachts die Seelen Ertrunkener stöhnten. Seine Männer hatten die wilden Inseln vor Schottland erobert, hatten sich Landabschnitte an der irischen Küste gesichert und Volk in Wales und auf der Insel Mann versklavt. Es war ein Königreich ohne Grenzen, denn jedes Mal, wenn ein Gegner zu stark wurde, stiegen Ragnalls Männer auf ihre Langschiffe und segelten zu einem anderen wilden Ufer. Sie hatten die Küstengebiete von Wessex überfallen, Sklaven und Vieh genommen, und waren sogar den Sæfern hinaufgerudert, um Gleawecestre zu bedrohen, doch die Wehranlagen dieser Festung hatten sie entmutigt. Ragnall Ivarson. Ich war ihm nie begegnet, aber ich kannte ihn. Ich kannte seinen Ruf. Kein Mann segelte besser, kein Mann kämpfte erbitterter, kein Mann verbreitete mehr Angst. Er war ein Wilder, ein Pirat, ein grausamer König von Nirgendwo, und meine Tochter Stiorra hatte seinen Bruder geheiratet.
«Und Haesten hat Ragnall Treue geschworen», fuhr mein Sohn fort. Er beobachtete, wie sich die Schiffe zurückzogen. «Ragnall Ivarson», sagte er, den Blick weiter auf die Flotte gerichtet, «hat sein irisches Land aufgegeben. Er hat seinen Männern gesagt, dass ihm das Schicksal stattdessen Britannien zugesprochen habe.»
Haesten war ein Nichts, dachte ich. Er war eine Ratte, die sich mit einem Wolf verbündet hatte, ein struppiger Spatz, der auf der Schulter eines Adlers hockte. «Ragnall hat sein irisches Land aufgegeben?», fragte ich.
«So hat es einer der Männer erzählt.» Mein Sohn deutete in Richtung der Gefangenen.
Ich knurrte. Ich wusste kaum etwas von dem, was in Irland vor sich ging, doch in den letzten Jahren hatte es immer wieder Nachrichten darüber gegeben, dass Nordmänner aus diesem Land vertrieben worden waren. Schiffe mit Überlebenden unbarmherziger Kämpfe waren übers Meer gekommen, und Männer, die vorgehabt hatten, sich in Irland Grund und Boden zu nehmen, versuchten es jetzt in Cumberland oder an der walisischen Küste, und einige fuhren sogar noch weiter, nach Neustrien oder zum Frankenreich.
«Ragnall ist mächtig», sagte ich, «warum sollte er Irland so einfach aufgeben?»
«Weil ihn die Iren davon überzeugt haben, von dort wegzugehen.»
«Überzeugt?»
Mein Sohn zuckte mit den Schultern. «Sie haben Zauberer, christliche Zauberer, die in die Zukunft sehen können. Die haben gesagt, Ragnall wird König von ganz Britannien, wenn er aus Irland abzieht, und sie haben ihm Krieger zur Unterstützung mitgegeben.» Er nickte in Richtung der Flotte. «Auf diesen Schiffen sind einhundert irische Krieger.»
«König von ganz Britannien?»
«Das hat der Gefangene gesagt.»
Ich spuckte aus. Ragnall war nicht der erste Mann, der davon träumte, über die ganze Insel zu herrschen. «Wie viele Männer hat er?»
«Zwölfhundert.»
«Bist du sicher?»
Mein Sohn lächelte. «Du hast es mir schließlich beigebracht.»
«Was habe ich dir beigebracht?»
«Dass eine Speerspitze in der Leber eines Gefangenen äußerst überzeugend wirkt.»
Ich beobachtete, wie die letzten Schiffe ostwärts gerudert wurden. Bald wären sie außer Sichtweite. «Beadwulf!», rief ich. Beadwulf war ein kleiner, drahtiger Mann, der sich nach dänischer Art das Gesicht mit eingestochenen Tintenlinien hatte verzieren lassen, obwohl er selbst Sachse war. Er war einer meiner besten Späher, ein Mann, der offene Wiesenflächen unsichtbar wie ein Geist überqueren konnte. Ich nickte zu den verschwindenden Schiffen hinüber. «Nimm ein Dutzend Mann», sagte ich zu Beadwulf, «und folge diesen Bastarden. Ich will wissen, wo sie landen.»
«Herr», sagte er und wandte sich zum Gehen.
«Und Beadwulf!», rief ich, und er drehte sich noch einmal zu mir um. «Versuch zu erkennen, welche Banner auf den Schiffen sind», hieß ich ihn, «und such nach einer roten Axt! Wenn du eine rote Axt siehst, will ich es wissen, und zwar schnell!»
«Die rote Axt, Herr», wiederholte er und hastete los.
Die rote Axt war das Zeichen Sigtryggr Ivarsons, des Gemahls meiner Tochter. Er wurde jetzt manchmal Sigtryggr Einauge genannt, weil ich ihm mit Schlangenhauchs Spitze das rechte Auge genommen hatte. Er hatte Ceaster angegriffen und war abgewehrt worden, aber bei seiner Niederlage hatte er Stiorra mitgenommen. Sie war nicht als Gefangene gegangen, sondern als Geliebte, und ab und zu hörte ich etwas von ihr. Sie und Sigtryggr hatten Grundbesitz in Irland, und sie schrieb mir Briefe, denn ich hatte sie lesen und schreiben lernen lassen. «Wir reiten auf dem Sand», hatte sie geschrieben, «und über die Hügel. Es ist schön hier. Sie hassen uns.» Sie hatte eine Tochter, mein erstes Enkelkind, und sie hatte die Tochter nach ihrer eigenen Mutter Gisela genannt. «Gisela ist wunderschön», schrieb sie, «und die irischen Priester verfluchen uns. Sie schreien ihre Flüche nachts heraus und klingen dabei wie sterbende Wildvögel. Ich liebe diesen Ort. Mein Gemahl sendet dir Grüße.»
Sigtryggr hatte immer als der gefährlichere der beiden Brüder gegolten. Es hieß, er sei klüger als Ragnall, und seine Geschicklichkeit mit dem Schwert war legendär, aber der Verlust seines Auges oder vielleicht auch seine Ehe mit Stiorra hatten ihn ruhiger werden lassen. Gerüchten zufolge war es Sigtryggr zufrieden, seine Felder zu bestellen, in seinen Gewässern zu fischen und sein Land zu verteidigen, aber würde er so zufrieden bleiben, während sein älterer Bruder Britannien eroberte? Deshalb hatte ich Beadwulf gesagt, er solle nach der roten Axt Ausschau halten. Ich wollte wissen, ob der Ehemann meiner Tochter mein Gegner geworden war.
Prinz Æthelstan entdeckte mich, als das letzte gegnerische Schiff außer Sichtweite geriet. Er wurde von einem halben Dutzend Gefährten begleitet, alle ritten große Hengste. «Herr», rief er, «es tut mir leid!»
Ich bedeutete ihm mit einer Geste, still zu sein, und wandte meine Aufmerksamkeit wieder Finan zu. Zornig brüllte er auf den Mann ein, der verletzt zu seinen Füßen lag, und der Verwundete brüllte zurück, und ich musste kein Wort dieser seltsamen irischen Sprache sprechen, um zu verstehen, dass sie sich gegenseitig verfluchten. Ich hatte Finan kaum je so wütend erlebt. Er geiferte, zeterte, ließ seine im Takt skandierten Worte wie schwere Hammerschläge niederfahren. Die Worte hagelten auf seinen Gegner ein, der, ohnehin schon verwundet, unter dem Sturm der Beschimpfungen noch schwächer zu werden schien. Männer starrten zu den beiden hinüber, eingeschüchtert von ihrem Zorn, dann drehte sich Finan um und nahm den Speer, den er beiseitegeworfen hatte. Er stapfte zu seinem Opfer zurück, sprach noch mehr Worte und berührte das Kruzifix, das er um den Hals trug. Dann hob er, wie ein Priester die Hostie, den Speer mit beiden Händen in die Höhe, die Spitze nach unten gerichtet. So verharrte er einen Moment lang, bevor er etwas auf Englisch sagte.
«Gott, vergib mir.»
Und damit rammte er den Speer abwärts, schrie bei der Anstrengung, die Klinge durch Kettenrüstung und Knochen in das Herz zu treiben, und unter der Wucht des Stoßes bäumte sich der Körper des Mannes auf, und Blut quoll aus seinem Mund, und er ruderte einige wenige, ersterbende Herzschläge lang mit Armen und Beinen, und dann gab es keine Herzschläge mehr, und er war tot, ans Ufer genagelt von einem Speer, der sich durch sein Herz bis in den Boden unter ihm gegraben hatte.
Finan schluchzte.
Ich trieb mein Pferd näher an ihn heran und beugte mich hinunter, um ihn an der Schulter zu berühren. Er war mein Freund, mein ältester Freund, mein Gefährte aus hundert Schildwällen. «Finan?», fragte ich, doch er sah mich nicht an. «Finan!», sagte ich noch einmal.
Und dieses Mal sah er zu mir auf, mit Tränen auf den Wangen und gequältem Blick. «Ich glaube, er war mein Sohn», sagte er.
«Er war was?», fragte ich entsetzt.
«Sohn oder Neffe, ich weiß es nicht. Gott steh mir bei, ich weiß es nicht. Aber ich habe ihn getötet.»
Er ging weg.
«Es tut mir leid», wiederholte Æthelstan und klang genauso elend wie Finan. Er starrte auf den Rauch, der langsam über den Fluss zog. «Sie sind im Dunkeln gekommen», sagte er, «und wir haben es erst bemerkt, als wir die Flammen gesehen haben. Es tut mir leid. Ich habe Euch enttäuscht.»
«Seid kein Narr», fuhr ich ihn an. «Diese Flotte da konntet ihr nicht aufhalten!» Ich deutete vage zu der Flusskehre, an der die letzten Schiffe des Seekönigs hinter einem Gehölz verschwunden waren. Eines unserer brennenden Schiffe schlingerte, und es zischte, als Dampf den Rauch verdichtete.
«Ich wollte gegen sie kämpfen», sagte Æthelstan.
«Dann seid Ihr ein verdammter Narr», gab ich zurück.
Er runzelte die Stirn. Dann deutete er auf die brennenden Schiffe und den Kadaver eines geschlachteten Ochsen. «Ich wollte das beenden!», sagte er.
«Man sucht sich seine Schlachten selbst aus», sagte ich schroff. «Ihr wart sicher hinter dem Wall, wozu also Männer verlieren? Ihr konntet die Flotte nicht aufhalten. Davon abgesehen wollten sie, dass Ihr herauskommt und gegen sie kämpft, und es ist nicht klug, das zu tun, was der Gegner will.»
«Das habe ich ihm auch gesagt, Herr», warf Rædwald ein. Rædwald war ein alter Mercier, ein vorsichtiger Mann, den ich nach Brunanburh abgeordnet hatte, um Æthelstan zu beraten. Der Prinz befehligte die Garnison, aber er war jung, und so hatte ich ihm ein halbes Dutzend ältere und klügere Männer zur Seite gestellt, die ihn davon abhalten sollten, jugendliche Torheiten zu begehen.
«Sie wollten, dass wir herauskommen?», wiederholte Æthelstan verwirrt.
«Wie hätten sie wohl lieber gegen Euch gekämpft?», fragte ich. «Während Ihr hinter der Palisade in Deckung seid? Oder im Freien, Schildwall gegen Schildwall?»
«Genau das habe ich ihm auch erklärt, Herr», sagte Rædwald. Ich ging nicht auf ihn ein.
«Wählt selbst Eure Schlachten», knurrte ich Æthelstan an. «Dieser Platz zwischen Euren Ohren wurde Euch gegeben, damit Ihr denken könnt! Wenn Ihr einfach angreift, sobald Ihr einen Feind vor Euch habt, trägt Euch das nichts weiter als ein frühes Grab ein.»
«Das habe ich …», begann Rædwald.
«Das hast du ihm erklärt, ich weiß! Und jetzt sei still!» Ich blickte stromauf über den Fluss. Ragnall hatte eine Streitmacht nach Britannien gebracht, aber was würde er mit dieser Streitmacht anfangen? Er brauchte Land, um seine Männer zu ernähren, er brauchte Festungen, um sie zu beschützen. Er war an Brunanburh vorbeigefahren, aber plante er kehrtzumachen und Ceaster anzugreifen? Die römischen Mauern machten diese Stadt zu einem ausgezeichneten Stützpunkt, aber auch zu einem respekteinflößenden Hindernis. Wohin also ging er?
«Aber Ihr selbst habt das getan!», unterbrach Æthelstan meine Gedanken.
«Was getan?»
«Ihr habt den Gegner angegriffen!» Er war empört. «Gerade eben! Ihr habt einen Angriff auf sie geritten, obwohl sie in der Überzahl waren.»
«Ich habe Gefangene gebraucht, Ihr erbärmlicher Witz von einem Mann.»
Ich wollte wissen, wie Ragnall bei Dunkelheit den Fluss heraufgekommen war. Entweder hatte er das unglaubliche Glück gehabt, mit seiner großen Flotte an den Sandbänken der Mærse vorbeizukommen, ohne dass ein einziges Schiff auf Grund lief, oder er übertraf als Schiffsführer sogar noch den Ruf, der ihm vorauseilte. Es war eine beeindruckende Meisterleistung der Seefahrerkunst gewesen, aber auch unnötig. Seine Flotte war gewaltig, und wir hatten nur ein Dutzend Schiffe. Er hätte uns wegfegen können, ohne auch nur die Rudermannschaften aus dem Takt kommen zu lassen, und doch hatte er entschieden, bei Dunkelheit anzugreifen. Warum dieses Wagnis?
«Er wollte verhindern, dass wir die Fahrrinne versperren», lautete die Vermutung meines Sohnes, und das traf es wohl. Hätten wir nur wenige Stunden im Voraus Bescheid gewusst, hätten wir unsere Schiffe in der Hauptfahrrinne des Flusses versenken können. Ragnall wäre schließlich trotzdem an dem Hindernis vorbeigekommen, doch er wäre gezwungen gewesen, auf die Flut zu warten, und seine schwereren Schiffe hätten auf jeden Fall Schwierigkeiten gehabt, und wir hätten in der Zwischenzeit Boten flussauf geschickt, um sicherzustellen, dass noch mehr Hindernisse die Mærse versperrten und noch mehr Männer darauf warteten, Ragnalls Schiffen einen gebührenden Empfang zu bereiten. Stattdessen aber war er an uns vorbeigeschlüpft, hatte uns gedemütigt, und nun ruderte er schon weiter landeinwärts.
«Es waren die Friesen», sagte Æthelstan unglücklich.
«Die Friesen?»
«Gestern Abend sind drei Händlerschiffe angekommen, Herr. Sie haben im Fluss festgemacht. Sie hatten Pelze aus Dyflin geladen.»
«Habt Ihr sie überprüft?»
Er schüttelte den Kopf. «Sie haben gesagt, Sie hätten die Pest an Bord, Herr.»
«Also wart Ihr nicht auf den Schiffen?»
«Nicht mit der Pest, Herr, nein.» Die Garnison von Brunanburh hatte die Pflicht, jedes Schiff zu überprüfen, das den Fluss befuhr, hauptsächlich, um eine Steuer auf jedwede Fracht zu erheben, die das Schiff geladen hatte, aber niemand würde ein Schiff betreten, wenn an Bord eine Krankheit herrschte. «Sie haben gesagt, sie hätten Pelze geladen, Herr», erklärte Æthelstan, «und sie haben uns ihre Abgaben bezahlt.»
«Und danach habt Ihr nicht mehr auf sie geachtet.»
Er nickte jämmerlich. Die Gefangenen erzählten mir den Rest. Die drei Händlerschiffe hatten an der engsten Stelle der Fahrrinne geankert, dort, wo für eine Flotte die größte Gefahr herrschte, auf Grund zu laufen, und sie hatten Laternen angezündet, die Ragnalls Schiffe an der tückischen Stelle vorbeiführten. Das Übrige hatten die Gezeiten erledigt. Wenn man ein Schiff treiben lässt, folgt es gewöhnlich der schnellsten Strömung im tiefsten Fahrwasser, und einmal an den drei Händlerschiffen vorbei, hatte sich Ragnall einfach von der Flut zu unserer Landestelle tragen lassen. Dort hatte er sowohl den Kai als auch die Schiffe verbrannt, sodass seine eigenen Schiffe sicher über den Fluss fahren konnten. Nun konnte von seinem Seekönigreich jederzeit Verstärkung kommen. Er hatte unsere Verteidigung der Mærse zerstört und bewegte sich mit einem Heer frei in Britannien.
Ich ließ Æthelstan entscheiden, was mit den Gefangenen geschehen sollte. Es waren vierzehn, und Æthelstan beschloss, sie hinrichten zu lassen. «Warte auf die Ebbe», befahl er Rædwald, «dann fesselst du sie an die Pfähle.» Er nickte zu dem verkohlten Pfahlwerk hin, das in schiefen Winkeln aus dem strudelnden Wasser ragte. «Sie sollen in der steigenden Flut ertrinken.»
Ich hatte Beadwulf schon Richtung Osten geschickt, erwartete jedoch frühestens in einem Tag Nachricht von ihm. Nun befahl ich Sihtric, Männer nach Süden zu schicken. «Sie sollen schnell reiten», sagte ich, «und der Herrin Æthelflæd berichten, was vorgeht. Sag ihr, ich will Männer, viele Männer, all ihre Männer!»
«In Ceaster?», fragte Sihtric.
Ich schüttelte nachdenklich den Kopf. «Sag ihr, sie soll sie nach Liccelfeld schicken. Und sag ihr, dass ich dorthin gehe.» Ich drehte mich um und richtete meinen Zeigefinger auf Æthelstan. «Und Ihr kommt mit mir, Herr Prinz. Und nehmt den größten Teil der Garnisonsbesatzung mit. Und du», ich sah Rædwald an, «bleibst hier. Du verteidigst, was es noch zu verteidigen gibt. Du kannst fünfzig Mann haben.»
«Fünfzig! Das sind nicht genug …»
«Vierzig», knurrte ich, «und wenn du die Festung verlierst, schneide ich dir die Nieren heraus und fresse sie.»
Wir hatten Krieg.
Finan saß am Ufer auf einem großen Kloben Treibholz. Ich setzte mich neben ihn. «Erzähl mir davon», sagte ich und nickte in Richtung des Toten, der immer noch mit dem Speer an den Boden genagelt war.
«Was willst du wissen?»
«Was du mir erzählen willst.»
Schweigend saßen wir da. Über uns flogen Gänse mit klatschenden Flügelschlägen durch den Morgen. Ein Regenschauer zog vorbei. Eine der Leichen furzte. «Wir gehen nach Liccelfeld», sagte ich.
Finan nickte. «Warum Liccelfeld?», fragte er nach einem Moment. Er stellte die Frage nur aus Pflichtbewusstsein. Er dachte nicht an Ragnall oder die Norweger oder irgendetwas anderes als den aufgespießten Toten am Ufer des Flusses.
«Weil ich nicht weiß, wohin Ragnall gehen wird», sagte ich, «aber von Liccelfeld aus können wir uns leicht Richtung Norden oder Süden bewegen.»
«Norden oder Süden», wiederholte er stumpfsinnig.
«Der Bastard braucht Land», sagte ich, «und er wird entweder im nördlichen Mercien oder im südlichen Northumbrien versuchen, es zu bekommen. Wir müssen ihn schnell aufhalten.»
«Er wird nach Norden gehen», sagte Finan, klang aber immer noch gleichgültig. Er zuckte mit den Schultern. «Warum sollte er es auf einen Kampf mit Mercien ankommen lassen?»
Ich vermutete, dass er recht hatte. Mercien war mächtig geworden, Wehrstädte schützten seine Grenzen, befestigte Städte, während nördlich die unruhigen Gebiete Northumbriens lagen. Das war dänisches Land, aber die dänischen Herren zankten und kämpften untereinander. Ein starker Mann wie Ragnall konnte sie vereinen. Ich hatte Æthelflæd wiederholt erklärt, dass wir nach Norden marschieren und uns Land von den zerstrittenen Dänen nehmen sollten, aber sie wollte nicht in Northumbrien einfallen, solange ihr Bruder Edward nicht sein westsächsisches Heer zur Unterstützung brachte. «Ob Ragnall nun nach Norden geht oder nach Süden kommt», sagte ich, «wir müssen jetzt gegen ihn kämpfen. Er ist gerade erst angekommen. Er kennt das Land nicht. Haesten natürlich schon, aber wie weit wird Ragnall diesem Stück Wieseldreck wohl trauen? Und nach dem, was wir von den Gefangenen wissen, haben die Männer aus Ragnalls Streitmacht noch nie gemeinsam gekämpft, also müssen wir ihm jetzt einen heftigen Schlag versetzen, noch bevor er Gelegenheit hat, sich einen Unterschlupf zu suchen und sich sicher zu fühlen. Wir machen es genauso wie die Iren, wir zeigen ihm, dass er hier unerwünscht ist.»
Erneut herrschte Schweigen. Ich beobachtete die Gänse, suchte nach einem Omen in ihrer Anzahl, aber es waren zu viele, um sie zu zählen. Doch die Gans war Æthelflæds Zeichen, also mussten Gänse gewiss etwas Gutes bedeuten. Ich berührte den Hammer, der um meinen Hals hing. Finan sah es und runzelte die Stirn. Dann umfasste er das Kruzifix, das er selbst um den Hals trug, verzog unvermittelt das Gesicht zu einer Grimasse und zerrte so heftig an dem Anhänger, dass die Lederschnur riss. Einen Moment lang betrachtete er den silbernen Tand, dann schleuderte er ihn ins Wasser. «Ich werde zur Hölle fahren», sagte er.
Einen Augenblick lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte. «Dann bleiben wir wenigstens zusammen», sagte ich schließlich.
«Allerdings», sagte er, ohne zu lächeln. «Ein Mann, der sein eigenes Blut tötet, ist verloren.»
«Erzählen dir das die Christenpriester?»
«Nein.»
«Woher weißt du es dann?»
«Ich weiß es einfach. Deshalb hat mich mein Bruder vor all der Zeit nicht umgebracht. Stattdessen hat er mich an diesen Bastard von Sklavenhalter verkauft.»
So hatten Finan und ich uns kennengelernt, als Sklaven an eine Ruderbank gekettet, während wir an langen Riemen zogen. Wir trugen immer noch das Brandzeichen des Sklavenhalters auf der Haut, auch wenn der Sklavenhalter längst tot war, von Finan in einer Racheorgie abgeschlachtet.
«Warum hätte dein Bruder dich töten wollen?», fragte ich und wusste, dass ich mich auf gefährliches Gebiet wagte. In all den langen Jahren unserer Freundschaft hatte ich nie herausgefunden, warum Finan ein Verbannter seines Geburtslandes Irland war.
Er verzog das Gesicht. «Eine Frau.»
«Welche Überraschung», sagte ich trocken.
«Ich war verheiratet», fuhr er fort, als hätte ich nichts gesagt. «Sie war eine gute Frau, eine königliche Tochter der Uí Néill, und ich war ein Prinz meines Volkes. Mein Bruder auch. Prinz Conall.»
«Conall», sagte ich nach ein paar Augenblicken Stille.
«In Irland sind die Königreiche klein», sagte Finan düster, den Blick starr auf das Wasser gerichtet. «Kleine Königreiche und große Könige, und wir kämpfen gegeneinander. Gott, wie wir den Kampf lieben! Die Uí Néill sind allerdings die Mächtigsten, jedenfalls im Norden. Wir waren ihre Vasallen. Wir haben ihnen Abgaben gezahlt. Wir haben für sie gekämpft, wenn sie es gefordert haben, wir haben mit ihnen getrunken, und wir haben ihre guten Frauen geheiratet.»
«Und du hast eine Frau der Uí Néill geheiratet?», ermunterte ich ihn zum Weitersprechen.
«Conall ist jünger als ich», sagte er, ohne meine Frage zu beachten. «Ich hätte der nächste König werden sollen, aber Conall hat ein Mädchen von den Ó Domhnaill kennengelernt. Gott im Himmel, war das eine Schönheit! Von Geburt war sie nichts! Sie war keine hochgeborene Tochter, sondern eine Milchmagd. Und sie war bezaubernd.» Seine Stimme klang sehnsüchtig, und seine Augen schimmerten feucht. «Ihr Haar war so schwarz wie die Nacht, ihre Augen glänzten wie Sterne, und ihr Körper war so anmutig wie ein Engel im Flug.»
«Und sie hieß?», fragte ich.
Er schüttelte abrupt den Kopf, wies die Frage ab. «Und Gott steh uns bei, wir haben uns ineinander verliebt. Wir sind durchgebrannt. Wir haben Pferde genommen und sind nach Süden geritten. Nur Conalls Frau und ich. Wir dachten, wir reiten weg, verstecken uns und werden niemals entdeckt.»
«Und Conall hat dich verfolgt?», riet ich.
«Die Uí Néill haben uns verfolgt. Gott weiß, was das für eine Jagd war. Jeder Christenmensch in Irland wusste von uns, wusste von dem Gold, das derjenige bekommen sollte, der uns fand, und ja, Conall ritt mit den Männern der Uí Néill.»
Ich sagte nichts. Ich wartete nur.
«In Irland bleibt nichts verborgen», fuhr Finan fort. «Man kann sich nicht verstecken. Die kleinen Leute sehen einen. Irgendwer sieht dich immer. Such dir eine Insel in einem See, und sie wissen, dass du dort bist. Steig auf einen Berggipfel, und sie werden dich finden, versteck dich in einer Höhle, und sie bringen dich zur Strecke. Wir hätten ein Schiff nehmen sollen, aber wir waren jung. Wir wussten das alles nicht.»
«Sie haben euch gefunden.»
«Sie haben uns gefunden, und Conall hat geschworen, dafür zu sorgen, dass mein Leben schlimmer würde als der Tod.»
«Indem er dich an Sverri verkauft?» Sverri war der Sklavenhalter, der uns gebrandmarkt hatte.
Er nickte. «Sie haben mir mein Gold abgenommen, mich ausgepeitscht, mich gezwungen, durch die Exkremente der Uí Néill zu kriechen, und dann wurde ich an Sverri verkauft. Ich bin der König, der nie einer war.»
«Und das Mädchen?»
«Und Conall hat meine Uí-Néill-Frau zu seiner eigenen gemacht. Die Priester haben es erlaubt, ihn sogar dazu ermuntert, und er hat meine Söhne als seine eigenen aufgezogen. Sie haben mich verflucht. Meine eigenen Söhne haben mich verflucht. Der da», er nickte zu dem Toten hinüber, «hat mich gerade eben noch verflucht. Ich bin der Verräter, der Verfluchte.»
«Und er war dein Sohn?», fragte ich leise.
«Er wollte es nicht sagen. Er könnte es gewesen sein. Oder Conalls Sohn. Aber in jedem Fall von meinem Blut.»
Ich ging zu dem toten Mann, stellte meinen rechten Fuß auf seinen Bauch und zog den Speer frei. Es war ein Kampf, und der Leichnam machte ein unsittlich schmatzendes Geräusch, als ich die breite Klinge herauszerrte. Auf der Brust des Toten lag ein blutiges Kreuz. «Die Priester werden ihn begraben», sagte ich. «Sie werden Gebete für ihn sprechen.» Ich schleuderte den Speer ins seichte Wasser und wandte mich wieder an Finan. «Was ist mit dem Mädchen passiert?»
Er starrte mit leerem Blick über den Fluss, auf dem schwarz die Asche unserer Schiffe trieb. «Einen Tag lang musste sie den Kriegern der Uí Néill zu Willen sein. Sie haben mich gezwungen, dabei zuzusehen. Und dann haben sie Gnade gezeigt … haben sie getötet.»
«Und dein Bruder», sagte ich, «hat Männer zu Ragnalls Unterstützung geschickt?»
«Die Uí Néill haben Männer zu Ragnalls Unterstützung geschickt. Und ja, mein Bruder führt sie an.»
«Und warum tun sie das?», fragte ich.
«Weil die Uí Néill ihr Königreich über den ganzen Norden ausdehnen wollen. Über Irland und auch über Schottland, über den gesamten Norden. Ragnall kann die sächsischen Gebiete haben. Das ist ihre Abmachung. Er hilft ihnen, sie helfen ihm.»
«Und mit Northumbrien macht er den Anfang?»
«Oder mit Mercien», sagte Finan schulterzuckend. «Aber sie werden nicht dortbleiben», fuhr er fort, «weil sie alles wollen.»
Es war der alte Traum, der Traum, der mich mein ganzes Leben lang verfolgt hatte, der Traum der Nordmänner, ganz Britannien zu erobern. Sie hatten es so oft versucht, und so oft hatten sie dicht vor dem Erfolg gestanden, aber wir Sachsen lebten immer noch und schlugen stets zurück, sodass nun die Hälfte der Insel wieder unser war. Und doch hätten wir unterliegen müssen! Die Nordmänner waren wild, sie kamen mit Zorn und Wut, und ihre Heere verdunkelten das Land, aber sie hatten eine bedeutende Schwäche. Sie waren wie Hunde, kämpften immer wieder gegeneinander, und nur wenn ein Hund stärker als alle anderen war und sie knurrend und beißend in die Unterwerfung zwingen konnte, waren ihre Einmärsche gefährlich. Doch schon eine einzige Niederlage ließ ihre Streitmacht auseinanderbrechen. Sie folgten einem Mann, solange er Erfolg hatte, wenn dieser Mann jedoch Schwäche zeigte, liefen sie ihm in Scharen davon, um woanders leichtere Beute zu finden.
Und Ragnall hatte eine Streitmacht hierhergeführt. Eine Streitmacht aus Norwegern und Dänen und Iren, und das bedeutete, dass Ragnall unsere Gegner vereint hatte. Das machte ihn gefährlich.
Allerdings hatte er nicht allen Hunden seinen Willen aufgezwungen.
Ich hatte noch etwas anderes von unseren Gefangenen erfahren. Sigtryggr, der Mann meiner Tochter, hatte es abgelehnt, mit seinem Bruder zu segeln. Er war immer noch in Irland. Beadwulf würde etwas anderes glauben, denn er würde die Flagge mit der roten Axt sehen und denken, sie gehöre Sigtryggr, aber zwei der Gefangenen hatten mir erzählt, dass die Brüder das Zeichen teilten. Es war die Flagge ihres toten Vaters, die blutig rote Axt Ivars, doch Sigtryggrs Axt ruhte, jedenfalls für den Moment. Ragnalls Axt hatte ein blutiges Loch in unsere Verteidigung gehackt, mein Schwiegersohn aber war immer noch in Irland. Ich berührte meinen Thorshammer und betete darum, dass es so blieb.
«Wir müssen gehen», erklärte ich Finan.
Denn wir mussten Ragnall eine schwere Niederlage bereiten.
Und ich dachte, wir würden ostwärts reiten.
Die Priester kamen früh am nächsten Morgen zu mir. Es waren vier, angeführt von den mercischen Zwillingen Ceolnoth und Ceolberht, die mich hassten. Ich kannte sie seit Jugendtagen und empfand nicht mehr Liebe für sie als sie für mich, doch zumindest konnte ich sie nun auseinanderhalten. Jahrelang hatte ich nicht gewusst, zu welchem der Zwillinge ich etwas sagte, da sie einander glichen wie ein Ei dem anderen, aber dann hatte einer unserer Dispute damit geendet, dass ich Ceolberht ein paar Zähne ausgetreten hatte, also wusste ich jetzt, dass er derjenige war, der beim Sprechen zischelte. Und er sabberte auch. «Werdet Ihr bis Ostern zurück sein, Herr?», fragte er mich. Er verhielt sich sehr respektvoll, vielleicht weil er noch den einen oder anderen Zahn hatte und behalten wollte.
«Nein», sagte ich, dann trieb ich mein Pferd etwas voran. «Godwin! Steck den Fisch in Säcke!»
«Ja, Herr!», rief Godwin zurück. Godwin war mein Diener, und zusammen mit drei anderen Männern hatte er Vorratsfässer aus einem der Lagerhäuser von Ceaster gerollt. Die Fässer waren mit Räucherfisch gefüllt, und meine Männer versuchten, Seilschlingen zu machen, sodass jedes Packpferd zwei Fässer tragen konnte. Godwin runzelte die Stirn. «Haben wir denn Säcke, Herr?»
«Es sind vierundzwanzig Säcke mit Schafspelzen in meinem Lagerraum», erklärte ich ihm. «Sag meinem Verwalter, er soll sie leer machen!» Ich richtete meinen Blick wieder auf Pater Ceolberht. «Wir werden nicht die ganze Wolle aus den Säcken bekommen», sagte ich zu ihm, «und ein wenig Wolle wird an dem Fisch hängen bleiben und sich dann in unseren Zähnen verfangen.» Ich lächelte ihn an. «Bei denjenigen, die Zähne haben.»
«Wie viele Männer bleiben zur Verteidigung Ceasters hier?», fragte sein Bruder ernst.
«Achtzig», sagte ich.
«Achtzig!»
«Und die Hälfte davon ist krank», fügte ich hinzu. «Also habt Ihr vierzig gesunde Männer, die anderen sind Krüppel.»
«Das genügt nicht!», protestierte er.
«Natürlich genügt es nicht», knurrte ich, «aber ich brauche eine Streitmacht, um Ragnall zu erledigen. Ceaster wird es darauf ankommen lassen müssen.»
«Aber wenn die Heiden kommen …», warf Pater Wissian ängstlich ein.
«Die Heiden wissen nicht, wie groß die Garnison ist», sagte ich, «aber sie wissen, wie stark die Festungsmauern sind. So wenige Männer hierzulassen, ist ein Wagnis, aber ich nehme es in Kauf. Und Ihr habt die Männer aus dem Fyrd. Godwin! Benutz die Säcke auch für das Brot!»
Ich rückte mit etwas mehr als dreihundert Mann aus und ließ kaum genügend Truppen zurück, um die Befestigungsanlagen von Ceaster und Brunanburh zu verteidigen. Es klingt vielleicht einfach, wenn ich sage, ich führte dreihundert Mann, so als hätten wir nur auf die Pferde steigen, Ceaster verlassen und Richtung Osten reiten müssen, doch es kostet Zeit, eine Streitmacht vorzubereiten. Wir mussten unsere eigene Verpflegung mitnehmen. Wir würden durch Gegenden kommen, in denen man etwas zu essen kaufen konnte, aber es würde niemals für uns alle reichen. Die Nordmänner würden stehlen, was sie wollten, wir aber bezahlten, weil wir durch unser eigenes Land ritten, und deshalb hatte ich ein Packpferd mit Silbermünzen beladen lassen und zweien meiner Krieger befohlen, es zu bewachen. Und wir würden wesentlich mehr als dreihundert sein, denn viele meiner Männer nahmen ihre Diener mit, einige auch ihre Frauen, die zurückzulassen sie nicht ertragen konnten, und dann waren da noch die Jungen, die sich um die Ersatzpferde kümmerten, und um die Herde von Packpferden, die mit Rüstungen, Waffen und den Säcken voll Salzfleisch, Räucherfisch, hartgebackenem Brot und Käse mit dicker Rinde beladen waren.
«Ihr wisst doch, was an Ostern geschieht?», erkundigte sich Ceolnoth streng.
«Gewiss weiß ich das», sagte ich, «da machen wir Kinder.»
«Das ist das Lächerlichste …», begann Ceolberht zu widersprechen, unterbrach sich aber, als ihn sein Bruder wütend anstarrte.
«Das ist mein liebstes Fest», fuhr ich gut gelaunt fort. «Ostern ist der Tag zum Kindermachen!»
«Es ist das feierlichste und freudigste Fest des christlichen Jahres», belehrte mich Ceolnoth, «feierlich, weil wir uns an das Leiden und Sterben unseres Heilands erinnern, und freudig wegen Seiner Auferstehung.»
«Amen», sagte Pater Wissian.
Auch Wissian war Mercier, ein junger Mann mit einem Schopf vor der Zeit ergrauter Haare. Ich mochte Wissian recht gern, aber er wurde von den Zwillingen eingeschüchtert. Neben ihm stand der blinde Pater Cuthbert und lächelte. Er kannte diesen Streit schon von früher und genoss ihn. Ich blickte die Priester finster an. «Warum wird es Ostern genannt?», wollte ich wissen.
«Weil unser Herr gestorben und im aufgehenden Licht des Ostens wieder zum Leben erstanden ist, natürlich», antwortete Ceolnoth.
«Pferdemist», sagte ich, «es heißt Ostern, weil es das Fest von Eostre ist, und das wisst Ihr auch.»
«Es ist nicht …», begann Ceolberht empört.
«Eostre!», übertönte ich ihn. «Die Göttin des Frühlings! Die Göttin des Kindermachens! Ihr Christen habt sowohl ihren Namen als auch ihr Fest gestohlen!»
«Beachte ihn gar nicht», sagte Ceolnoth, aber er wusste, dass ich recht hatte. Eostre ist die Göttin des Frühlings, und noch dazu eine sehr frohsinnige, was bedeutet, dass im Januar viele Kinder geboren werden. Die Christen versuchen diesen Frohsinn zu beenden, das versteht sich von selbst, und behaupten, der Name Ostern hätte mit der Himmelsrichtung Osten zu tun, aber wie gewöhnlich verbreiten die Christen Unsinn. Ostern ist das Fest von Eostre, und trotz all der Predigten, die darauf beharren, dass Ostern feierlich und heilig sei, hatten die meisten Leute noch eine gewisse Erinnerung an ihre Pflicht gegenüber Eostre, und so kamen, wie es sich gehörte, jeden Winter die Kinder auf die Welt. In den drei Jahren, die ich in Ceaster wohnte, hatte ich zur Feier von Eostres Fest immer auf einem Jahrmarkt bestanden. Da gab es Feuerläufer und Gaukler, Musikanten und Akrobaten, Ringerwettkämpfe und Pferderennen. Die Priester missbilligten das Tanzen, aber das Volk tanzte trotzdem, und die Tänze sorgten dafür, dass die Kinder zur rechten Zeit kamen.
Aber dieses Jahr würde es anders sein. Die Christen hatten beschlossen, in Ceaster einen Bischof einzusetzen, und für seine Inthronisation Ostern festgelegt. Der neue Bischof hieß Leofstan, und ich hatte den Mann nie kennengelernt und wusste wenig von ihm, außer dass er aus Wessex kam und übermäßig fromm zu sein schien. Er war ein Gelehrter, hatte ich gehört, und er war verheiratet, doch als er zum neuen Bischof ernannt worden war, hatte er bekanntermaßen geschworen, wöchentlich drei Tage zu fasten und enthaltsam zu leben. Der blinde Pater Cuthbert, der sich an solchem Unsinn weidete, hatte mir von dem Schwur des neuen Bischofs erzählt, weil er wusste, dass es mich belustigen würde. «Er hat was getan?», fragte ich.
«Er hat geschworen, seiner Frau keine Lust mehr zu bereiten, Herr.»
«Vielleicht ist sie ja alt und hässlich.»
«Es heißt, sie sei recht anmutig», sagte Pater Cuthbert zweifelnd, «aber unser künftiger Bischof sagt, da unser Herr Jesus Sein Leben für uns gegeben hat, ist das mindeste, was wir tun können, unsere Sinnesfreuden für Ihn aufzugeben.»
«Der Mann ist ein Schwachkopf.»
«Ich kann Euch nicht recht geben», sagte Cuthbert listig, «aber ja, Herr, Leofstan ist ein Schwachkopf.»
Die Weihe des Schwachkopfs war der Anlass, der Ceolnoth und Ceolberht nach Ceaster gebracht hatte. Sie planten die Zeremonien und hatten Äbte, Bischöfe und Priester aus ganz Mercien eingeladen, aus Wessex und sogar von noch weiter weg aus dem Frankenreich. «Wir müssen ihre Sicherheit gewährleisten», beharrte Ceolnoth jetzt. «Wir haben ihnen versprochen, dass die Stadt gegen jeden Angriff verteidigt wird. Da genügen achtzig Mann nicht!», sagte er scharf.
Ich gab vor, besorgt zu sein. «Ihr meint, Eure Kirchenmänner könnten sämtlich abgeschlachtet werden, wenn die Dänen kommen?»
«Gewiss!» Dann sah er mein Lächeln, und das steigerte nur noch seine Wut. «Wir brauchen fünfhundert Mann! Möglicherweise kommt König Edward! Und die Herrin Æthelflæd wird ganz sicher hier sein!»