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Welche Charaktereigenschaften haben ökologisch Engagierte? Dieser Frage geht Richard Bisig nach und porträtiert Mitbürgerinnen/ Mitbürger und Politikerinnen/Politiker, indem er deren Charakterprofil von einer Psychologiestudentin im Rahmen einer fiktiven Masterarbeit erstellen lässt. In diesem Buch findet die Leserschaft über das gesamte Parteienspektrum hinweg die Lebensgeschichten von Menschen - real existierende oder fiktive -, die sich für die Öffentlichkeit und Umweltfragen engagieren.
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Seitenzahl: 103
Veröffentlichungsjahr: 2020
Layout: www.grafikzumglueck.ch
Den ökologisch Engagierten gewidmet
Vorwort zur 2. Auflage
Einleitung
Die wichtigsten Personen
Der politische Pionier
Die Hartnäckige
Der Unnachgiebige
Der Liberale
Die Besessene
Der grüne BGB-Politiker
Der Unbequeme
Der Risikofreudige
John Muir – der Pionier der Pioniere
Der unbeugsame Öko-Terrorist
Die Radikalisierte
Die Grün-Liberale
Der Wald-Pionier
Zusammenfassung der Persönlichkeitsprofile ökologisch Engagierter
Literatur
Hinweisen der Leserschaft auf eine fehlende Zusammenfassung der Charaktereigenschaften der beschriebenen Personen habe ich gerne Rechnung getragen und ein entsprechendes Schlusskapitel angefügt.
Corina Bernegger recherchiert im Jahr 2068 für Ihre Masterarbeit als Psychologiestudentin die Entstehung der ökologischen Bewegungen und beschreibt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Charaktere der Direktbeteiligten. Eine der Grundlagen dafür basiert auf der Arbeit ihres im Jahr 2025 verstorbenen Urgrossvaters Rudolf Bernegger. Ihr Vater, Alan Bernegger, hatte nach dem Tod seines Grossvaters dessen unvollendete Arbeiten zu diesem Thema – Biografien von ökologisch Engagierten, Notizen und erste Texte - in seinen Besitz übernommen. Erst auf die Frage seiner Tochter ist ihm die jahrelang in seinem Estrich gelagerte Arbeit in den Sinn gekommen. Für Corina bilden diese Unterlagen eine Basis für Ihre Abschlussarbeit. Kernfragen dieser Arbeit sind: Was zeichnen ökologisch orientierte politische Pioniere aus? Was sind die familiären Hintergründe dieser charakterisierten Personen? Was treibt Naturschützer an? Was für Charaktereigenschaften weisen Umweltorientierte oder Extremisten in der Ökologiebewegung aus?
Die nachfolgend aufgeführten Personen mit Jahreszahlen in Klammern haben real existiert, während die übrigen Personen fiktiv sind.
Akeret Erwin (1915-1987)
Journalist, Verleger, ‚grüner‘ BGB-Nationalrat.
Bernegger Corina
Studierte Politikwissenschaft und in einem Zweitstudium Psychologie; geboren 2040. Sie ist die Tochter von Alan Bernegger und Ramona Bernegger ist ihre Grossmutter.
Bernegger Alan
Vater von Corina und Sohn von Ramona Bernegger und Mike Samuelson (Engländer); geboren 2010. Alan ist bilingue aufgewachsen und studierte internationales Recht. Dank seinen Rechtskenntnissen und seiner Zweisprachigkeit wurde er Chefunterhändler der englisch/walisischen Regierung mit dem Ziel eines Wiedereintritts in die EU. Nach den erfolgreichen Verhandlungen und dem Wiedereintritt von England/Wales im Jahr 2055 wurde er EU-Botschafter von England/Wales (Schottland ist eigenständiger Staat und schon seit vielen Jahren wieder EU-Mitglied; dito Nordirland, das sich mit Irland vereinigte).
Bernegger Rudolf
Vater von Ramona und Roland, Grossvater von Alan und Urgrossvater von Corina. Er verstarb im Jahre 2025 als 78-Järiger mit seinem Elektrofahrrad, weil ihn ein 82-jähriger Autofahrer bei der Einmündung auf einen Radweg übersah. Nach seiner Pensionierung schrieb er diverse Romane und recherchierte über ökologische Bewegungen. Sein Unfalltod vereitelte die Finalisierung seines nächsten Buchprojekts.
Bernegger Roland
Sohn von Rudolf Bernegger und Götti von Alan Bernegger. Mitbegründer der Bioplastik-Firma ‚CH-Bioplastik AG‘.
Camenisch Marco (1952 -?)
Verurteilter Öko-Terrorist.
Coaz Johann Wilhelm Fortunat (1822-1918)
Begründer der modernen Forstwirtschaft.
Eberli Michael
Vorsitzender der Arbeitsgruppe ‚Langsamverkehr Vorderdorfstrasse‘ der Gemeinde Dorfkirchen.
Geering Samuel
Götti von Roland Bernegger und SVP-Kantonalpolitiker.
Hamilton Jacob
Jugend- und Studienfreund von Alan Bernegger. Entstammt einer alteingesessenen englischen Handelsfamilie und ist Mitglied der Liberalen Partei Englands.
Hedinger Heidi
Wuchs mit drei Brüdern in einem bürgerlich orientierten Haushalt auf, ist Mitglied der FDP und engagiert sich als Studentin im Abstimmungskampf um die Beschaffung neuer Kampf-Jets.
Holenstein Max
Stadtparlamentarier mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Stammt aus einer Politikerfamilie, die ihrem obersten Credo eines uneigennützigen Einsatzes für die Öffentlichkeit nachlebt.
Huwyler Anita
Vertreterin der Grünen im kantonalen Parlament mit einem eigenwilligen Charakter.
Kübler Lukas
Präsident des Vereins ‚Alternative Politik - Jetzt (APJ)‘
Meierhofer Walter
Grossrat der Grünen Partei im kantonalen Parlament und Sprecher von deren Dreier-Vertretung während der Debatte über das Waldsterben. Beruflich ist er ausgebildeter Ökonom und führt zusammen mit einem Studienkolleg eine KMU für IT-Beratungen.
Muir John (1838-1914)
Gilt in den USA als ‚Vater des Naturschutzes‘ und hat schottische Wurzeln.
Robert Leni (1936 -?)
FDP-Mitglied, Mitbegründerin der ‚Freien Liste‘ im Kanton Bern und erste grüne Regierungsrätin der Schweiz.
Sedleger Katharina
Gymnasiastin. Marschiert an vorderster Front von Extinction Rebellion.
Schlegel Karl
Notar im Bezirkshauptort Dorfkirchen und dortiger Gemeinderat. Als Grüner wurde er in einem intensiven, sehr emotionalen Wahlkampf in die Exekutive gewählt.
Vornrüti Marlies
Nachbarin von Karl Schlegel. Initiantin der Einzelinitiative ‚Verkehrsberuhigung Dorfkirchen‘.
Winiger Egon
Gemeindepräsident von Dorfkirchen.
„Gooooolll!“. Obwohl nur wenige Zuschauer anwesend sind, schallt der Jubel der wenigen Supporterinnen und Supporter des FC Grossrat weit herum. Walti Meierhofer, stämmig, dunkelblond und hundertachtzig Zentimeter gross, war in seinen jungen Jahren ein Erstligaspieler. Gerade hat sein zweites Tor erzielt. Dieses Mal war es ein prächtiges Kopfballtor in die lange hohe Ecke. Obwohl er über keine ausgeprägte Grundschnelligkeit verfügt, kurvte er elegant um den gegnerischen Verteidiger herum und erzielte mit einem perfekten Timing dieses Klassetor. Das jährliche Fussballtreffen der Vertreter der Kantonslegislative mit dem Team des Parlaments der Kantonshauptstadt scheint dieses Mal mit einem Sieg der Grossräte zu enden. Tatsächlich konnten die Städter den Zwei-Tore-Rückstand in den restlichen zwanzig Minuten nicht mehr aufholen. Über alle politischen Differenzen haben die Grossräte ein gutes Zusammenspiel gezeigt und verdient gewonnen. Beim anschliessenden gemeinsamen Nachtessen erntet Walti für seine zwei Goals allseits Schulterklopfen – auch von Fussballkollegen der gegnerischen Mannschaft. Dessen Kapitän frotzelt mit Blick auf den Torschützen: „Das nächste Jahr bringen wir dann auch einen ‚Profi-Fussballer‘ und ihr werdet jämmerlich eingehen!“
So locker solche Sprüche sind und die politischen Differenzen als zweitrangig erscheinen lassen, so unbestritten ist gerade in diesen Zeiten des sogenannten Waldsterbens die hohe Emotionalität, die trotz gemeinsamem Sport allseits präsent ist. Anlässlich der letzten Grossratssitzung wurde der Sprecher der kleinen, erstmals gewählten Vertretung der Grünen Partei, bestehend aus zwei Männern und einer Frau, die bei den Wahlen vor drei Monaten ins kantonale Parlament einzogen, ausgepfiffen. Ein Umstand, der sogar den bürgerlichen Ratsvorsitzenden zwang, seine Kollegen zur Ordnung zu rufen.
Grund dieser Empörung war das Votum von Walter Meierhofer als Sprecher der Grünen, der die serbelnden Wälder und den grassierenden Borkenkäfer zum Anlass nahm, als Quintessenz seines Votums einen Verzicht auf den Christbaum in den Stuben der Bevölkerung während den nahenden Weihnachtstage ans Herz zu legen. Auch wenn damals im Spätherbst 1983 die genauen Ursachen für die Vitalitätsverluste des Waldes unklar waren, wurden Meierhofers Einschätzung und seine Forderung nach besserer Luftqualität gar nicht gehört oder man wollte davon gar nichts hören. Die wutschnaubende Ratsrechte bezichtigte die Grünen, Weltuntergangsstimmung und Hysterie zu verbreiten. Vertreter der bürgerlichen Parteien hatten das Votum missverstanden und der Hinweis, auf das Weihnachtsbäumchen zu verzichten, mit ‚Hysterie‘ quittiert. Dass der Verzicht auf das Schlagen der Weihnachtsbäume überhaupt keinen Beitrag gegen das Waldsterben leisten konnte, war auch den Grünen klar. Die Begründung jedoch, auf etwas Etabliertes zu verzichten und dies als Anlass zu nehmen, im Kreise der Familie darüber zu diskutieren, dass offensichtlich in unserem Umfeld etwas aus dem Gleichgewicht geraten sei, haben sie gar nicht gehört – nicht hören wollen.
Auch wenn die Waldsterbensdebatte noch allseits präsent ist, verabschiedet man sich nach dem gemeinsamen Nachtessen sportlich-kollegial. Niemand ahnt, dass dieses Fussballspiel noch schlimme Konsequenzen zeitigen wird.
Alan Bernegger erzählt seiner Tochter Corina diese Geschichte, die er aus den schriftlichen Hinterlassenschaften seines Grossvaters herausliest. Seine Mutter hatte ihn seinerzeit gebeten, den unvollendeten Roman ihres Vaters zur Aufbewahrung zu übernehmen. Zu welchem Zweck konnte sie auch nicht sagen und hatte ergänzt, es sei schade, diese Arbeiten Ihres Vaters einfach wegzuwerfen. Alan wollte sich dem Wunsch seiner Mutter nicht widersetzen und archivierte die Skripte und Dokumente in einer Holztrue in seinem Untergeschoss. Über Jahre versperrten sie ihm einen Teil seines nicht allzu grossen Kellers. Aber aus Respekt vor seiner Mutter - und auch vor seinem Grossvater und ganz speziell seiner Grossmutter, mit denen er insbesondere während seiner Vorschulzeit unzählige Tage verbrachte -, wollte er diese Schachtel aufbewahren. Die Idee seiner Tochter, eine Masterarbeit über die Charakterprofile einzelner Exponenten und Exponentinnen mit ökologischer Gesinnung darzustellen, unterstützte er. Mit einer solchen Zielsetzung, verbunden auch mit einem zeitlichen Engagement seinerseits, wurde es ganz unverhofft möglich, den alten Dokumenten seines Grossvaters einen späten Sinn zu geben.
„Ich danke dir Dad, dass du mir bei meiner Masterarbeit hilfst, Grundlagen darzustellen auf denen ich aufbauen kann. Da du wenig Zeit hast, weil du ja sehr häufig zwischen London und Berlin hin- und herreist, schätze ich deine Unterstützung umso mehr.“
Gestützt auf die archivierten Aufzeichnungen setzt Alan die begonnene Geschichte fort.
„Ruf schnell die Nummer 117!“ Die Stimme von Meierhofers Frau Anna vibriert. Mitten in der Nacht wurde sie durch einen grellen Schrei des neben ihr liegenden Ehemanns aufgeschreckt. Zuerst dachte sie, sie träume, aber der sich verkrampfende Körper zeigte ihr unmissverständlich die dramatische Situation. Durch das Schreien des Vaters wurden auch die drei Kinder aufgeschreckt und stürmten ins elterliche Schlafzimmer. Bewusstlos und den Mund zugekniffen lag ihr Vater, schweissgebadet, leicht vibrierend und nicht ansprechbar in seinem Bett. Innerhalb einer halben Stunde traf die Ambulanz ein und Anna begleitete den Transport neben ihrem Mann sitzend und hielt die Hände des sich sichtlich beruhigenden Patienten.
Der Arztbericht zeigte einen sogenannten ‚Grand Mal‘, einen epileptischen Anfall. Die Diagnose mit einem Computertomographen zeitigte eine kleine Blutung in der linken Schädelseite. Anschliessende neurologische Untersuchungen wiesen auf motorische Ausfälle hin. Nach einem kurzen stationären Spitalaufenthalt wurde Walter Meierhofer entlassen mit der Auflage, der Arbeit für 3 Monate fernzubleiben, sich zu schonen, auf jeglichen Alkohol zu verzichten und während den nächsten zwei Jahren ein Medikament einzunehmen, das eine Stärkung der Gefäßmuskulatur bewirkt und die Blutzirkulation verbessert.
Walter Meierhofer kann sich an diese Nacht nicht mehr erinnern. Auch der Transport ins Spital und die direkt anschliessende dortige Befragung durch den diensthabenden Arzt sind nicht in seinem Gedächtnis verblieben. Konsterniert muss er zur Kenntnis nehmen, dass er einen Epi-Anfall hatte. Die Ursache kann er nur in Zusammenhang bringen mit seinem Kopfballtor. Es war sehr heiss an diesem Sommernachmittag. Hat der Kopfball-Schlag ein Blutgefäss in seinem Kopf zum Platzen gebracht?
Anschliessende neurologische Untersuchungen über einen Zeitraum von drei Monaten zeigten glücklicherweise sukzessive ein Wiedereinstellen der bisherigen motorischen und kognitiven Fähigkeiten. Die Erfahrungen bei Hirnblutungen lassen sich vereinfacht in folgendes Resultatmuster zusammenfassen: ein Drittel der Patienten stirbt sofort. Bei einem weiteren Drittel müssen bleibende Schäden wie Hemiplegie (Halbseitenlähmung), andere motorische Beeinträchtigungen und geringere kognitive Leistungsfähigkeiten akzeptiert werden. Das letzte Drittel – die Glücklichen - kommt ohne Schaden davon.
Im Laufe der folgenden Monate und Jahre ist er als Firmeninhaber und als IT-Spezialist voll leistungsfähig. Dies wird ihm allseits auch bestätigt. Seine körperliche Fitness und sein Wille, wieder vollständig gesund zu werden, haben sicherlich zu dieser Erholung beigetragen. Seine Familie hat sich wieder an sein Normalverhalten gewöhnt, seine Arbeitskolleginnen und Kollegen attestieren ihm volle Leistungsfähigkeit und Aussenstehende, die von seiner erlittenen Hirnblutung nichts wussten, wären nie auf den Gedanken eines solchen Ereignisses gekommen.
Wenn er aber zu sich ehrlich ist, dann muss er sich eingestehen, dass es - sehr selten – unkontrollierte Unbeherrschtheit seinerseits gegeben hatte. Dies bei Meinungsverschiedenheiten mit seiner Frau, vor allem wenn er sich seiner Meinung nach ungerechtfertigt angegriffen oder kritisiert fühlte. Im Betriebsleben kann er sich nur an einen Fall mit einer Sekretärin erinnern, als er urplötzlich sehr heftig-kritisch bei einer Terminkollision reagierte. Da er dieses Extremverhalten vor der Hirnblutung nicht kannte, führt er seine Reaktion nach eingehender Selbstanalyse auf diesen Krankheitsfall zurück. Anlässlich der mit seiner Frau Anna gelegentlich engagierten Diskussionen über verschiedene Themen fiel ihr aber offensichtlich nicht auf, dass ihr Mann nach der Hirnblutung im Streitfall heftiger reagierte als vor diesem Krankheitsfall. Dies kann einerseits so interpretiert werden, dass Streitereien selten waren und anderseits, dass sich die ‚Amplitude‘ der verbalen Auseinandersetzungen in der Wahrnehmung von Anna nicht veränderte. Walters Einschätzung ist aber eine andere, sensiblere. Er weiss jeweils im Nachhinein, dass er zu heftig reagiert hatte – und er führt sein impulsiveres Verhalten und die im konkreten Fall mangelnde Frustrationstoleranz auf die Hirnblutung zurück. Er ist sich im Nachhinein bewusst, dass er die Kontrolle verloren hatte und ausgerastet war. Ein weiteres Element spielt seiner Meinung nach ebenfalls eine Rolle, ist aber nicht auf die Hirnblutung zurückzuführen: Mit dem Älterwerden hat er festgestellt, dass er bei Kritik empfindlicher reagiert. Dieses Verhaltensmuster gilt seiner Meinung nach nicht nur für ihn, sondern auch bei anderen Menschen über sechzig stellt er des Öfteren solche Empfindlichkeiten fest.
Walter ist sich bewusst, dass die ‚Theorie‘, ein Drittel der Patienten mit einer Hirnblutung komme ohne jeglichen Schaden davon, nicht stimmt. Dass sein Umfeld dies offensichtlich nicht so erlebt, ist auf seine Disziplin zurückzuführen. Er weiss um diese Schwäche und versucht, sie ‚eisern‘ im Griff zu halten. Dies gelingt ihm sehr häufig, aber es gibt halt doch immer wieder Fälle, in denen die unkontrollierte, spontane Impulsivität durchschlägt.