Die Jungsversteherin. Ich krieg alles gebacken (außer mein Leben) - Emma Flint - E-Book

Die Jungsversteherin. Ich krieg alles gebacken (außer mein Leben) E-Book

Emma Flint

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Beschreibung

Hinfallen, aufstehen, Zuckerguss drauf, weitermachen Zoe schwebt im siebten Tortenhimmel: Sie darf bei der Backshow Cake Kids mitmachen! Blöd nur, dass sie gewettet hat, dass ihr das nie und nimmer gelingt. Jetzt muss sie den Wetteinsatz einlösen und ihren Schwarm Kian ansprechen. Obwohl das kolossal schiefgeht, denken auf einmal alle, sie wäre mit Kian zusammen. Die Kirsche auf der Torte: Die anderen Mädchen halten Zoe auf einmal für eine Jungsversteherin und fragen sie um Rat! Und das ist noch lange nicht alles: Ihre beste Freundin Camille hat plötzlich lauter seltsame Ideen, ihre vier Brüder stiften sowieso nur Chaos und ein Erzfeind auf vier Hufen versetzt Zoe in Angst und Schrecken. Zoes Leben ist eine einzige Pannenshow. Zum Glück weiß sie, wie man Kuchenunfälle mit Zuckerguss und Schokoglasur klebt. Da wäre es doch gelacht, wenn sie diesen Wirrwarr nicht auch gebacken kriegen könnte. Oder? Von der Erfolgsautorin Emma Flint: der neue Tagebuchroman mit Kicher-Garantie – so zuckersüß wie eine Schokotorte, so witzig und frech wie ein Scherzkeks und so funkelschön wie ein Muffin mit Glitzerstreuseln. Für alle ab 10 Jahren, die Chaos, Freundschaftsgeschichten und Kuchen lieben! Mit zauberhaften Bildern von Eva Schöffmann-Davidov! Weitere Titel von Bestsellerautorin Emma Flint: Mein Leben ist ganz großes Kino (nur leider bin ich im falschen Film) Knalltütenwunder. Was nicht ist, kann ja noch peinlich werden! Für mein Leben seh ich kunterbunt (wenn ich nur erst den Durchblick hab) Ich glaub, es glitzert! Jedes Chaos fängt mal klein an Mein Leben voller Feenstaub und Konfetti (schön wär's!)

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Seitenzahl: 289

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Emma Flint,geboren 1975, arbeitete schon als Hausbotin, als Bademeisterin, als Basketballtrainerin, als Regaleinräumerin im Supermarkt und als Fernseh- und Radioreporterin, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Wobei ihr Letzteres eindeutig am meisten Spaß macht. Flint lebt mit ihrer Familie in Köln.

Weitere Bücher von Emma Flint im Arena Verlag:

Jungs verstehen das nicht!

Mein Leben voller Feenstaub und Konfetti

Ich glaub, es glitzert!

Für mein Leben seh ich kunterbunt

Knalltütenwunder

Mein Leben ist ganz großes Kino

Glimmer Gossip (1):Ein Geheimnis und ein perfektes Desaster

Glimmer Gossip (2):Zwei Verliebte und ein brillanter Betrug

Glimmer Gossip (3):Drei Freundinnen und ein klitzekleiner Skandal

Ein Verlag in der Westermann Gruppe

1. Auflage 2025

© 2025 Arena Verlag GmbH

Rottendorfer Str. 16, 97074 Würzburg

Alle Rechte vorbehalten.

Der Verlag behält sich eine Nutzung des Werkes fürText und Data Mining im Sinne von §44b UrhG vor.

Cover und Innenvignetten: Eva Schöffmann-Davidov

Umschlaggestaltung: Juliane Lindemann

Lektorat: Eva Hierteis

Layout und Satz: Malte Ritter

E-Book-ISBN 978-3-401-81091-1

Besuche uns auf:www.arena-verlag.de

@arena_verlag

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Dienstag, 9. April, 11:29 Uhr

Eigentlich sollten in dieses Buch nur Ideen für Kuchen mit lustigen Verzierungen rein, sodass ich beim Aufschlagen sofort gute Laune bekomme, aber jetzt muss ich Protokoll führen. In Sport! Sitze auf der Bank, weil mir auf einmal schlecht geworden ist. Was kein Wunder ist angesichts des Horrorfilms in der Turnhalle! Und jetzt soll ich notieren, was wir in der Stunde machen, hat der Kracht gesagt.

Aber gerne doch!

Es wird ein Zeugnis des Schreckens.

Und der endgültige Beweis, dass das Sprungbrett ein Folterinstrument ist und aus dem Sportunterricht verbannt gehört. Das ist jedenfalls meine Meinung. Und ich bin froh, dass ich mich endlich mal offiziell dazu äußern darf. Weil mich dieses Thema schon seit Jahren beschäftigt. Besser gesagt: in ANGST UND SCHRECKEN versetzt.

Und nicht nur mich, sondern ganze Schulklassen!

Wie der Name BRETT schon erahnen lässt, ist das Sprungbrett aus Holz. Oben Holz, unten Holz, in der Mitte Holz. Da sieht man doch den Fehler auf Anhieb: Holz ist – im Gegensatz zu einem wundervollen Trampolin – NICHT WEICH!!!!

Wie soll man damit genug Schwung bekommen, um über den meterweiten Abstand dahinter und dazu noch über den gigantischen Kasten (auch aus HOLZ!!!) zu springen, der dahinter aufragt und so hoch ist wie der Mount Everest?

Die Hilfestellung, die angeblich für Sicherheit sorgen soll, kann man auch vergessen. Nayla und Lucas stehen links und rechts vom Kasten, um im Fall des Falles zuzupacken. Lucas hat gerade in der Nase gebohrt und ich frage mich, hat er Popel an den Fingern und an wem schmiert er die gleich ab????

Nayla glotzt abwesend auf den Boden und ich weiß genau, dass sie die aufgemalten Linien zählt. Sie zählt immer. Kacheln, Minuten, Stifte, die Haare, die hinten aus dem Sportshirt von Herrn Kracht rauswachsen. Ich würde ihr zutrauen, die Zahl von Bohnen in einem Glas auf Anhieb richtig zu schätzen. Aber als die Person, die mich vor einem Sturz bewahren soll, würde ich sie niemals auswählen! Und Lucas auch nicht.

Jetzt schiebt der Kracht das Sprungbrett noch ein bisschen weiter weg vom Kasten. Der Abstand beträgt ungefähr einen Kilometer. Er erteilt das Kommando »Hocksprung«. Fehlt nur noch, dass er wie so ein General in die Trillerpfeife bläst, die er um seinen Hals baumeln hat. Aber richtig frech ist: Er macht es nicht vor! Er erklärt es nicht mal! Als ob wir die Technik des Hocksprungs im Schlaf beherrschen.

Aus irgendeinem Grund springen trotzdem sehr viele über den Kasten. Galoppieren wie die Irren, stampfen auf das Sprungbrett und fliegen über den Kasten – mit vorgestreckten Armen. Superman ist nichts dagegen! Bei einigen sieht es sogar ganz leicht aus, was bei mir die Frage aufwirft, ob das echte Menschen sind oder Vampire. Oder sonst irgendeine Spezies mit übernatürlichen Kräften.

Unter den normalen Menschen gibt es Verletzte. Als Erstes Nayla, die die vorüberzischenden Fersen von Tim an den Oberarm bekommt. Als Zweites Ida, die im Flug den Sprung abbricht und gegen den Kasten knallt, Knie angeschlagen. Dann Adam, der so viel Schwung hat, dass er das obere Element des Kastens mitnimmt. Es donnert Lucas auf den Fuß und er jault wie ein Wolf bei Vollmond.

Dass die Stunde heute wehtun wird, hab ich vorhergesehen. Schon bei der Aufforderung, das Sprungbrett rauszuholen, hab ich reagiert und mich krankgemeldet. Aber jetzt erfasst eine mysteriöse Krankheitswelle die restlichen Schüler. Die Bank füllt sich. Mist. Das sind zu viele Verweigerer!!! Ich ahne, was kommt. Und da passiert es auch schon. Der Kracht baut sich vor uns auf, mit seiner viel zu kurzen (und knallengen) Radlerhose, guckt uns biestig an und brüllt: »Drücken gilt nicht! Wer jetzt nicht springt, muss es beim nächsten Mal machen.«

Dieser gemeine Typ! Soll er doch selbst springen, wenn er es so toll findet. Ich starte jedenfalls eine Petition gegen das Sprungbrett im Sport! Und gegen zu kurze Radlerhosen.

Ende des Protokolls von Zoe Freitag, Klasse 7b

Immer noch Dienstag, 9. April, 15:07 Uhr

Schon wieder protokolliere ich! DIESMAL freiwillig. Und diesmal vielleicht etwas UNGLAUBLICH TOLLES! Bin wieder zu Hause. Es ist ein Brief gekommen! Für mich!!! Er lag auf dem Küchentisch und hat mich von dort angelacht. Also, natürlich kann der Brief nicht lachen, aber ich musste voll strahlen, als ich ihn gesehen habe.

Auf dem wattierten Umschlag sind bunte Muffins und Cupcakes abgebildet und der Absender lautet:

Sahneschnitte Media GmbH.

Ich bin soooo aufgeregt. Ist sie es?

Die Einladung zu meiner ABSOLUTEN LIEBLINGSSENDUNG Cake Kids?

Die schaue ich schon seit Jahren und träume davon, einmal dabei mitzumachen. (Weswegen ich mir ja auch ein Kuchen-Skizzenbuch zugelegt hab, das jetzt zum Tagebuch erweitert wurde.) Mit der Konfettitorte für Paps und dem Kuchen für den 17. Geburtstag von meinem großen Bruder Sam in Form eines Schlagzeugs hatte ich endlich genug Beispielbilder von meinen Backwerken für eine Bewerbung.

Ob ich angenommen worden bin? Gleich werde ich es erfahren!!! Ich warte nur noch auf Camille. Wir haben gemeinsam die Bewerbung zusammengestellt (samt kleinem Clip, in dem ich mich vorstelle), also muss sie auch dabei sein, wenn ich die Antwort aufmache!

Immer noch Dienstag, 9. April, 15:23 Uhr

Wenn sie mich nehmen, backe ich für die Sendung eine Aquariumstorte, habe ich gerade beschlossen. Mit einem Überzug aus blauem Wackelpudding und essbaren Fischen und Schildkröten und Algen als Verzierung. Das wird genial!

Kneten fand ich schon als kleines Kind toll. Zum fünften Geburtstag hab ich ein Knetset Eisdiele bekommen. Damit konnte man super Sachen formen: Eiskugeln, Eisbecher, Waffeln, Softeis. Weil alles so lecker aussah, musste ich davon naschen! Hier eine Weisheit aus meinem dreizehnjährigen Erfahrungsschatz:

Nicht alles, was lecker aussieht, ist auch lecker!

Aber es war auch nicht ganz furchtbar. Jedenfalls schmeckt Knete lange nicht so scheußlich wie Wirsing oder Sellerie!

Ich hab also das gesamte Sortiment meiner Knet-Eisdiele probiert.Peinlich, aber wahr! Und es wäre noch peinlicher, wenn meine vier Brüder nicht auch ihre Geschmacksverirrungs-Ausfälle gehabt hätten. Milo hat beim Ausflug in den Wildpark mal Wildschweinfutter gemampft. Tom hat im Urlaub in Frankreich eine Auster geschlürft, die wie Rotze aussah. Sam hat wegen einer Wette eine höllenscharfe Chilischote verdrückt und war kurz vor dem Kreislaufkollaps und mein kleinster Bruder Levi hat mal aus derselben Pfütze getrunken wie unser Hund Panda und war zwei Tage krank. Also, dann doch lieber Knet-Kuchen!

Jedenfalls: Mein Paps ist mir auf die Schliche gekommen und hat mir daraufhin Fondant zum Spielen gegeben, eine Zuckermasse, die für Tortendeko benutzt wird. Es gibt sie in verschiedenen Farben und man kann sie fast wie Knete bearbeiten und vor allem ganz offiziell essen! Was für eine geniale Erfindung, oder? Und Backen fand ich auch schon immer toll. Angefangen hat es mit Weihnachtsplätzchen, später waren es Muffins, Rosinenbrötchen und Kuchen. Das Verzieren ist dabei das Allerbeste! Camille sagt, ich bin ein Deko-holic. (Haha! Dabei liebt sie selbst Dekoration! Allerdings futtert sie die auf, bevor die überhaupt auf dem Kuchen landet, wenn man nicht aufpasst!!!! Sie ist da wie ein Staubsauger, schwups, ist alles weg!)

Dabei hat Kuchen doch zwei Aufgaben:

1. Er muss schmecken.

2. Er muss schön aussehen.

Und dazu braucht man eben Streusel und Smarties und Sahnekringel und Zuckerperlen und Zuckerguss und Zuckerschrift und lustige Figuren aus Fondant oder Marzipan oder Modellierschokolade. Je bunter und toller ein Kuchen aussieht, umso mehr gute Laune verbreitet er schließlich. Ganz einfache Rechnung. Und wenn man die Chance hat, gute Laune zu verbreiten, soll man sie ergreifen. Das ist jedenfalls mein Motto.

Immer noch Dienstag, 9. April, 15:48 Uhr

Wo bleibt Camille denn? Linse aus dem Küchenfenster in den Garten. Hinter unserem Trampolin kommt direkt der Zaun der Pferdeweide und das kleine Törchen, das rüber in den Garten von Kesslers führt. Noch immer keine Spur von meiner besten Freundin. Dafür sehe ich Tom, meinen zweitjüngsten Bruder, der gerade versucht, Panda Walzertanzen beizubringen. Er hält die Vorderpfoten von Panda hoch und wiegt sich nach links und rechts.

»Hey, Tom, das ist ein Spanischer Wasserhund«, rufe ich aus dem Fenster. »Kein Tanzbär!«

»Noch nicht, Zoe, noch nicht«, kontert Tom. »Warte ab, bis die Tanzausbildung fertig ist!« Er will unseren Hund um seine eigene Achse drehen. Klappt aber nicht, weil Panda lieber Toms Gesicht ableckt. Haha!

Langsam, aber sicher werde ich richtig HIBBELIG! Ich befühle noch mal den Umschlag. Es knistert darin. Wenn es eine Ausladung wäre, würde ich doch nicht so einen dicken Brief bekommen, oder? Wie cool wäre das, wenn ich bei der Sendung mitmachen würde! Richtig im Studio stehen und der Moderatorin Jolanda meine mitgebrachte Aquariumstorte präsentieren. Sie würde die Hände vor ihrer bunten Schürze zusammenschlagen, mit ihrem hellblonden Dutt wackeln, der oben auf ihrem Kopf sitzt wie eine Krone, und rufen: »Das ist aber ein Prachtstück! Wie hast du das denn hinbekommen?«

Jolanda ist furchtbar nett und sogar, wenn jemand die Windbeutel oder Zimtschnecken verpatzt, klingt ihre Kritik liebenswürdig. Sie würde mir einen der großen Edelstahltische zuweisen, wo ich was backen müsste. Zum Beispiel Biskuitrolle. Das kann passieren bei Cake Kids, da muss man auf Kommando backen, was die Moderatorin bestimmt. Sogar Biskuitrolle. Die ist mir noch nie gelungen. (Hab ich aber auch erst ein Mal gemacht. Beim Rollen ist mir der Teig zerbrochen und es war mehr eine Biskuit-Collage, die ich mit haufenweise Zuckerguss zusammengeklebt habe.) Bei so einem Anblick würde sogar Jolanda um eine aufmunternde Bemerkung ringen … Und ihr Co-Moderator Pitti würde garantiert einen frechlustigen Spruch machen und fragen, wie es sein kann, dass sich eine so UNBEGABTE Bäckerin überhaupt in die Sendung verirrt hat! Und dann lachen die anderen Teilnehmer und das Publikum buht mich aus. Das ist zwar noch nie vorgekommen bei Cake Kids, aber irgendwann ist immer das erste Mal, wie meine Mama immer sagt.

O mein Gott.

Ich bekomme gerade so ein merkwürdiges Zittern. Und auf einmal denke ich: Auweia, ich will da gar nicht hingehen!Vielleicht sollte ich den Brief einfach in die Tonne treten und die hirnrissige Idee, bei der Show mitzumachen, gleich mit.

Ahhh! Wo bleibt Camille nur? Sie ist nicht nur meine beste Freundin, sondern irgendwie auch meine »bessere Hälfte«. Sie ist immer für mich da und wir ergänzen uns super, und wenn ich mal wieder Megabammel kriege, beruhigt sie mich allein durch ihre Anwesenheit. Sie ist das Ommmmm in meinem Leben.

Oh, da kommt das Ommm! Jetzt wird es spannend.

Immer noch Dienstag, 9. April, 16:31 Uhr

Offizielle Bekanntmachung: Ich habe eine neue Adresse!

Zoe Freitag

Glücksallee 123

55555 Jippiehausen

Happygolucky Galaxie

Ich bin offiziell am Ziel meiner Träume. Auch wenn Camille meint, man ist nie am Ziel seiner Träume, weil nach dem Traum ist vor dem Traum. Aber dieses eine Mal hat sie unrecht.

ICH BIN SO WAS VON AM ZIEL MEINER TRÄUME:

Ich mache beiCake Kidsmit!!!!

In vier Wochen werde ich im Fernsehstudio stehen, meine mitgebrachte Torte vorzeigen und mich damit hoffentlich für die Show qualifizieren, die direkt im Anschluss aufgezeichnet wird!

Camille hat sich riesig gefreut und mich gedrückt (fast ZERdrückt, um genau zu sein). Dann hat sie mich so ganz lustig ernst angesehen und gesagt, wie stolz sie auf mich ist und dass sie voll froh ist, die beste Freundin von so einer GENIALEN Tortenbäckerin zu sein, die sogar im FERNSEHEN auftritt!

Auweia! Ich mache da wirklich mit!!! Aber bevor ich einen akuten Anfall von Lampenfieber und allgemeinem Bammel bekomme, gucken Camille und ich jetzt ein paar alte Folgen von Cake Kids und stopfen uns mit Keksen voll. Für mich als Ablenkung von meiner Nervosität. Und für sie als Ablenkung von der Wette, die wir beim Abschicken der Bewerbung abgeschlossen haben. Ich kann nur hoffen, dass Camille die längst vergessen … Mist.

Immer noch Dienstag, 9. April, 19:05 Uhr

Sie hat die Wette natürlich nicht vergessen. Camille Elefantengedächtnis Kessler! Wobei ich sie ja auch nicht vergessen hatte – und zwar ganz ohne Elefantengedächtnis. Aber wie könnte ich das auch vergessen??

Denn jetzt muss ich etwas UNGLAUBLICH FURCHTERREGENDES machen!!!

Noch viel furchterregender, als vor Publikum Biskuitrolle zu backen, auf dem Burgfest mit diesem grässlichen Magenverdreher-Karussell namens Breakdance zu fahren (würg, keuch!) oder von Camilles biestigem, größenwahnsinnigem Pony Applepie verfolgt zu werden. Sogar ein Hocksprung über den Kasten erscheint mir auf einmal nicht mehr als der Top-Horror!!!!

Wieso hab ich mich nur auf diese blödsinnige Wette eingelassen? WIESOOOOO????

Auch so eine seltsame Sache: sich selbst Fragen zu stellen, die man ganz einfach beantworten kann. Natürlich weiß ich, wie es zu der Wette kam. Beim Abschicken meiner Bewerbung hat sich nämlich folgender Dialog abgespielt:

Ich:Das klappt sowieso nicht. Die nehmen mich nie!

Camille:Die nehmen dich auf jeden Fall, du bist mit einem Schneebesen und einer Tortenspachtel in der Hand geboren worden.

Ich: Aber der letzte Sieger hat das Empire State Building gebacken.

Camille: Egal, du bist ein Konditoren-Wunderkind. Die nehmen dich. 100 Pro!

Ich:Das EMPIRE STATE BUILDING!!!

Camille: Wetten, dass sie dich nehmen?

Und weil ich so überzeugt war, dass da sowieso nie was draus wird, hab ich ohne zögern in die Wette eingewilligt.

Tja, und jetzt hab ich also gleichzeitig gewonnen (eine Einladung zur Sendung) und verloren (die Wette).

»Blödsinn«, hat Camille widersprochen.

Manchmal hat sie wirklich seltsame Ansichten. Sie findet zum Beispiel, dass Pferde die besseren Menschen sind und dass Eisbaden und Marschtrommeln Spaß macht. Aber vor allem ist sie der verrückten Überzeugung: Es kann nichts schiefgehen. Selbst wenn irgendwas schiefgeht, wird am Ende alles gut.

Und normalerweise finde ich es total super, wenn sie das sagt, weil ich mir dann nicht mehr ganz so viele Sorgen mache.

Aber gerade im Moment kann sie optimistisch bekloppt daherreden, wie sie will. Denn ich weiß einfach, dass es schiefgehen wird! Als Camille mich daran erinnert hat, was ich jetzt machen muss, hab ich natürlich alles gegeben, um davonzukommen. Hab auf unzurechnungsfähig plädiert und gesagt, ich hätte bei der Wette nicht richtig nachgedacht. Hab versucht, sie damit zu bestechen, dass ich ihr ein Jahr lang jedes Wochenende Muffins und Schoko-Nuss-Brownies backe.

Aber sie hat nur den Kopf geschüttelt, dass ihr kinnlanger Bob hin- und hergeflogen ist. »Wettschulden sind Ehrenschulden«, hat sie gesagt und mich mit ihren braun-blau gesprenkelten Augen beschwörend angesehen.

Und jetzt muss ich also Kian fragen, ob er mit mir zum Burgfest geht.Waaaah!!!

Ich meine, ich habe ein paarmal erwähnt, dass ich das machen möchte. Aber kann man denn nicht mal ein bisschen vor sich hin plappern???? Ich hab das doch nicht ernst gemeint!Camille dagegen schon. Jedenfalls hatte sie das als Wetteinsatz gefordert. Und ich Depp hab eingeschlagen.

Wie konnte ich nur so blöd sein? (Wieder so eine sinnlose Frage! Ich meine, die Antwort ist doch sonnenklar: nämlich, weil ich offensichtlich blöd bin!)

»Es ist Kian«, versuchte Camille, mich aufzuheitern. »Kein zweiköpfiger Drache! Was soll da schon passieren?«

Ich klappte den Mund auf, wusste aber gar nicht, wo ich ANFANGEN sollte mit all den Sachen, die schiefgehen können, wenn ich Kian nach einem DATE auf dem Burgfest frage.

Als sie mein bedröppeltes Gesicht sah, seufzte sie: »Zoe, hör doch mal auf, dir so viele Sorgen zu machen. Das ist Quatsch!«

Da musste ich schlucken. »Stimmt, du hast voll recht. Das ist echt nicht mehr normal, dass ich mir so viele Sorgen mache. Oder?«

»Ernsthaft?« Camille stopfte sich einen Keks rein. »Jetzt fängst du auch noch an, dir Sorgen darüber zu machen, dass du dir Sorgen machst? Das muss aufhören, beste Freundin aller besten Freundinnen!«

»Ich weiß«, murmelte ich.

Sie stupste mich sanft an und hielt mir den Teller mit Keksen hin und dann lachten wir über Pitti, den tollpatschigen Co-Moderator bei Cake Kids, der sich die Probierhäppchen immer mit dem Suppenlöffel reinschaufelt und auch sonst allerhand Unfug macht.

So, und jetzt stürze ich mich, statt zu grübeln, lieber direkt in die Vorbereitung auf die Sendung und plane die Torte, die ich mitbringe und die mir hoffentlich so viele Punkte beschert, dass ich in die zweite Runde komme. Hm, welchen Teig soll ich als Basis machen? Einfach einen Rührkuchen oder lieber einen Vanillebiskuitteig? Egal, ich fang erst mal mit den Dekofiguren an.

Ein bisschen Glück steckt in jedem Keks.

Immer noch Dienstag, 9. April, 21.25 Uhr

Meine erste Wasserschildkröte sieht super aus! Auch wenn Tom meinte, die Proportionen würden nicht stimmen, der Kopf wäre viel zu groß. Wusste gar nicht, dass er auf einmal ein Schildkröten-Experte ist!

Aber bei vier Brüdern verliert man schon mal den Überblick. Selbst ich. Und ich kenn die Brüder, haha. Ich hab 2 ältere und 2 jüngere. Fangen wir mit Tom an:

Tom Freitag

Vor Kurzem 12 geworden (Schachbrettgeburtstagskuchen). Zweitjüngster Bruder

Spitzname: Keule

Dabei ist er das Gegenteil von einer Keule. Er ist lang und dünn. Aber er kann trotzdem ordentlich zuschlagen – mit Worten. Er liest gerne Fantasybücher, spielt Querflöte und ist in der Drama-AG. Seine dunkelblonden Haare, die ihm fast bis auf die Schultern reichen, sind ihm unglaublich wichtig und er kämmt sie andauernd. Aber Achtung! Wenn einer darüber Witze macht, schießt er sofort einen zurück. Auch wenn man über seine heiß geliebten Crop Tops oder schnallenbesetzten Gothic-Stiefel lacht. Tom lässt sich echt nichts bieten. Wenn wir sein tipptopp aufgeräumtes Zimmer bestaunen, das mit Lichterketten und Plakaten von Justin Bieber dekoriert ist, wundern wir uns, dass er auch ein Freitag ist.

»Musst du nicht irgendwo staubwischen?«, hab ich zu ihm gesagt, als er seinen völlig unqualifizierten Kommentar über meine Schildkröte abgegeben hat.

»Nein«, hat er geantwortet und ist zum Glück trotzdem abgedampft, denn er hatte Tischdeck-Dienst fürs Abendessen.

Paps hatte gekocht. Es gab eines meiner Lieblingsgerichte: Spinatlasagne. Ich weiß, Spinat. Hat nicht viele Fans. Aber so, wie Paps die Lasagne macht, schmeckt sogar der! Also der Spinat, nicht Paps.

Cake Kids war natürlich das Thema. Alle haben mir gratuliert. Jeder auf seine Weise.

»Wenn man die Chance hat, sich vor Millionen Leuten zu blamieren, sollte man die ergreifen«, sagte Sam, mein ältester Bruder und von Sternzeichen Scherzkeks.

»Sam, verunsichere sie nicht«, warf Paps ein.

Und Sam fügte versöhnlich hinzu: »Bin stolz auf dich, Schwesterherz!«

»Da musst du sicher viel üben. Wir stehen dir jedenfalls liebend gern als Testesser zur Verfügung«, meinte Milo, mein zweitältester Bruder. »Was immer du auch backst!«

»Solange es nicht aus Knete ist«, hat Sam eingeworfen. Ha. Ha!

Nur Levi stöhnte: »Backen! Das ist doch was für Omas!« Wie Levi gerade wieder bewiesen hatte. Aber ich beschloss, weise und erwachsen zu reagieren und ihm keine Spinatlasagne an den Kopf zu werfen. »Backen macht einfach Spaß«, sagte ich freundlich.

Levi Freitag

Neun Jahre und der Jüngste von uns.

Auch genannt »Die Landplage« (von mir). Besonders landplagig ist er, wenn er mit Olek zusammen ist. Und er ist fast immer mit Olek zusammen, denn der ist Camilles Stiefbruder und wohnt also auch gleich nebenan. Eines von Levis Hobbys ist, andere zu erschrecken.

Seine wuscheligen Haare sind nie gekämmt und es finden sich darin oft irgendwelche Krümel, Kletten, Papierschnipsel und anderes Zeug. Keine Ahnung, wie er das anstellt. Angeblich ist Levi hochbegabt (behauptet Mama), deswegen hat er auch in der Schule so viel Blödsinn im Kopf. Ich glaub, das ist eine Ausrede. Weil so doof kann man doch gar nicht sein, wenn man hochbegabt ist!!!

»Macht es gar nicht!«, widersprach der hochbegabte Idiot.

»Jeder mag das, was er gerne mag«, ging Paps dazwischen. »Darüber kann man nicht diskutieren.«

In dem Moment kam Mama reingehetzt. »Die alte Frau Dahmen hatte wieder geschwollene Beine und sie fährt ja nicht mehr Auto, deswegen musste ich noch schnell zu ihr«, sagte sie, ließ sich auf einen Stuhl fallen und schaufelte sich Lasagne auf den Teller.

Mama (oder Dr. Mom, wie wir sie auch nennen) heißt als Einzige von uns nicht Freitag mit Nachnamen. Dr. Bernadette Santoni steht auf dem Schild ihrer Arztpraxis. Sie kommt ursprünglich aus Frankreich, lebt seit ihrem Medizinstudium in Deutschland und ist jetzt Landärztin. Ihre Praxis ist in einem Anbau neben unserem Haus. Obwohl sie direkt nebenan arbeitet, sehen wir sie tagsüber selten, weil sie so viel zu tun hat. Sie spricht fast fehlerfrei Deutsch, hat aber einen Akzent, was sich sehr schön anhört. Und sie hat für uns jede Menge verschiedene Spitznamen auf Französisch. Ich mag es besonders, wenn sie mich mon chouchou nennt, das heißt »mein kleiner Liebling«.

Mama hat sich natürlich auch sehr über meine Einladung zu Cake Kids gefreut und meinte, die Produzenten hätten eben gesehen, wie begabt ich bin.

Puh, muss gerade eine kurze Pause machen vom Schreiben und meine Hand ausschütteln. Protokoll vom Abendbrot der Familie Freitag ist ziemlich ausführlich.

Immer noch Dienstag, 9. April, 21:48 Uhr

So, hier noch schnell der Rest vom Abendessensbericht. Bisschen unspektakulär, aber das Leben ist ja auch nicht immer DISCO.

Es ploppten wieder die typischen Themen auf: zum Beispiel Sams zukünftiges Zimmer im Keller.

Sam stelle ich auch noch mal richtig vor:

Sam Freitag, 17 Jahre

Schlagzeuger der BandKlassenkonferenz

Mountainbikefahrer

Zweiter Torwart bei der U18 vom FC Finsenich

Er hat als Einziger von uns richtige Locken, die sich über seiner Stirn kräuseln. Sam mag seinen Bizeps, den er mit Hanteln in Form hält. (Tom hat ihm deswegen den Dinosaurier-Spitznamen Bizepseratops verpasst.) Sam macht gerne blöde Sprüche (Sternzeichen Scherzkeks halt) und hat sich in letzter Zeit so einen federnden Gang angewöhnt, der wohl besonders cool wirken soll. Er hat eine Freundin namens Lene.

Lene bekommen wir aber nicht oft zu Gesicht. Was auch daran liegt, dass Sam und Milo sich ein großes Zimmer im ersten Stock teilen, in dem sie mit Schränken eine Art Wand gebaut haben. Aber das reicht nicht für die Privatsphäre, beschwert sich Sam seit Monaten. Papa hat deswegen versprochen, den Vorratskeller in ein tolles Zimmer für ihn umzubauen. Das ist aber ziemlich aufwendig, unter anderem, weil da ein neues Fenster reinmuss. Und Papa kann zwar jede Menge handwerkliche Sachen, aber Fenster einbauen gehört nicht dazu.

»Rado kann Fenster einbauen«, hat Sam eben beim Abendessen gesagt. Ich wusste sofort, dass das Ärger gibt.

Paps’ Miene hat sich verdüstert. »Natürlich kann er das«, hat er mit so komischer Stimme gesagt. »Radomil kann bekanntlich alles. Und nicht nur das, er kann auch alles am besten!«

Rado ist unser Nachbar, genauer gesagt, der Stiefvater von Camille. Vor anderthalb Jahren ist er mit seinem Sohn Olek nebenan eingezogen. Kurz danach haben Rado und Paps den Zaun zwischen der Pferdeweide und unserem Garten ausgebessert. Paps nennt Rado seitdem nur noch »den Besserwisser« und für Rado ist Paps»der Meckerfritze«. Sie können sich überhaupt nicht leiden. Deswegen ist es immer ein bisschen gefährlich, Rado im Beisein von Papa zu erwähnen. Aber Sam will unbedingt sein eigenes Zimmer, was ich verstehen kann. Deswegen hat er nicht lockergelassen.

»Zoes Zimmer hast du auch ganz schnell gebaut«, hat er erinnert.

Das stimmt. Paps hat den Speicher in ein total gemütliches Zimmer verwandelt. In meinen Prinzessinnenturm, wie er es nennt. Weil er Installateur ist, hat er mir sogar ein kleines Badezimmer eingerichtet. Und das ist bei vier Brüdern GOLD wert!!!!

»Ja genau, warum hat Zoe eigentlich das schönste Zimmer?«, hat Tom sich plötzlich aufgeregt. »Mit eigenem BAD!«

»Sie ist ein Mädchen und braucht eben ihren Bereich!«, hat Paps gesagt.

»Das ist total voreingenommener Genderquatsch«, hat sich Tom beschwert. »Als ob Jungen keine Privatsphäre brauchen!«

»Reg dich ab, Keule«, hat Milo gesagt. »Du hast doch dein eigenes Zimmer!«

Darf ich jetzt noch mal richtig vorstellen: Milo Freitag, vierzehneindrittel. Er ist mein Lieblingsbruder. Obwohl ich meine anderen Brüder natürlich auch lieb habe – mit Milo verstehe ich mich am besten. Wir sind vom Alter her am nächsten beieinander. Er ist nur ein knappes Jahr älter. Milo ist großzügig und verlässlich und lustig. Er ist der beste Mittelstürmer vom FC Finsenich, hat viele Freunde, sieht super aus und alle Mädchen starren ihn an wie eine Art Fabelwesen. Aber das Beste ist: Auf all das bildet sich Milo nichts ein.

»Ja, aber mein Zimmer hat kein eigenes Bad«, hat Tom weiter gemeckert.

»Sei froh, sonst würdest du noch mehr Zeit da drin verbringen«, hat Sam eingeworfen.

»Schminkst du dich jetzt eigentlich?«, wollte Levi von Tom wissen. »Da lag so ein komischer Stift rum.«

An diesem Punkt kippte die Stimmung.

»Kümmer dich um deine Sachen und geh irgendwo eine Mülltonne anzünden, du kleiner Scheißer«, hat Tom geantwortet.

»Hey«, mahnte Mama. »Hört auf zu streiten!«

»Und nicht solche Wörter!«, hat Paps zu Tom gesagt und schnell das Thema gewechselt. »Was ist eigentlich mit dem Talentscout von Borussia Mönchengladbach? Kommt der zum Turnier?«, fragte er. Milo nickte mit vollem Mund. Paps lobte mal wieder Milos Trainer, der die Mannschaft so nach vorne gebracht hatte, dass sie mittlerweile sogar zu überregionalen Turnieren eingeladen wurde. Und dass dadurch der FC Finsenich überhaupt erst aufgefallen wäre – und Milo als bester Spieler eben besonders. Paps gab Milo Tipps, wie er sich am besten präsentiert, und hat ihm wieder eine grandiose Karriere in der Bundesliga prophezeit. Ich glaube das auch. Wenn Milo das möchte, kann er alles schaffen!

Hm … gibt es eigentlich eine Back-Bundesliga? Lustige Vorstellung. Dann würde ich jedenfalls viel mehr Sport machen. Hihi!

Immer noch Dienstag, 9. April, 22:23 Uhr

Bin irgendwie noch gar nicht müde. So viele Bilder und Gedanken sausen durch meinen Kopf. Schildkröten. Fische. Aquariumstorten. Milo im Fußballdress. Jolanda von Cake Kids.

Und Kian.

Natürlich denke ich auch an Kian. Hab ich mir irgendwie ein bisschen angewöhnt in letzter Zeit. Und ich hab mir schon oft vorgestellt, mit ihm zu sprechen. Aber immer nur in der Das-wird-niemals-in-echt-passieren-Sicherheit. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, ihn wirklich anzusprechen!!!!

Kian ist in meiner Parallelklasse. Er ist groß und ziemlich dünn und seine Augen haben die Farbe von Zartbitterglasur. Sein Haar reicht ein ganzes Stück über die Ohren und ist dunkelbraun. Morgens hat er es zur Seite gekämmt. Aber spätestens in der zweiten Pause ist der Scheitel verschwunden und seine Haare sind verwuschelt. Das liegt bestimmt daran, dass sie so dicht, wellig und störrisch sind. Oder irgendjemand hat sie ihm durcheinandergebracht. Würde ich nicht ausschließen! Irgendwie hat er so was an sich, dass man ihm durch die Haare streichen möchte. Weil er auch immer ein bisschen vornübergebeugt geht, als ob er eine schwere Last auf seinen Schultern spürt. Vielleicht liegt das aber nur an der vollgestopften Umhängetasche aus Leder, die ihn in diese schiefe Haltung zwingt. Ich finde, er sieht aus wie ein Schriftsteller, der sich viele Gedanken macht. Er guckt immer so ernst. Aber wenn er lächelt, ist es so, als ob die Sonne aufgeht. Einmal hat er mich angelächelt und da ist mir jedenfalls richtig warm geworden. Ich weiß zwar bis heute nicht, ob er mich angelächelt hat oder ihm nur gerade eine Idee für eine Geschichte eingefallen ist oder er eine Eins im Vokabeltest gefeiert hat – aber seitdem beobachte ich ihn heimlich, wenn er über den Schulhof geht.

Wenn ich ihn sehe, stelle ich mir vor, dass man ihm gerne zuhört, weil er nur kluge Sachen von sich gibt. Aber ich glaube, er redet nicht so viel. Jedenfalls habe ich ihn noch nie sprechen hören. Das gefällt mir. Weil ich ja auch eher zurückhaltend bin. Und einerseits möchte ich unbedingt mit ihm reden, andererseits will ich ihn lieber einfach nur aus der Ferne anhimmeln. Noch so eine Sache, die ich unbedingt will, aber gleichzeitig unbedingt NICHT! Komisch, oder? Ich finde das total verwirrend.

Jupp starrt mich gerade an, als ob er sagen will: Lass das mal meine Sorge sein. Jupp ist der Chef von meiner Sorgenfresser-Bande. Das sind Stofffiguren mit einem Reißverschluss als Mund, wo man Zettel reinstopfen kann, auf die man irgendwas draufschreibt, was einem gerade Probleme bereitet. Den ersten (Falco) hab ich von meiner Oma zur Einschulung bekommen und im Laufe der Jahre sind noch Lola, Lilli, Odilo und natürlich Schneemann Jupp dazugekommen. Den hat Camilles Mama aus weißem Filz selbst genäht. Camille hat mitgeholfen. Sie hat ihm fünf dicke blaue Gummihaare auf den Kopf genäht, ihm eine orangefarbene Nase verpasst und ein T-Shirt, auf dem Ommm steht. Jupp sitzt mit den anderen auf dem Bord über meinem Bett, bereit, alle Sorgen aufzumampfen und schlechte Träume auch. (Klar weiß ich mittlerweile, dass das nicht funktioniert. Aber mir egal. Ich mag sie immer noch.) Gute Nacht! Ommm!

Mittwoch, 10. April, 7:25 Uhr

Nix mit Ommm bei mir heute Morgen. Bin im Bus auf dem Weg zur Schule (deshalb auch die etwas krakelige Schrift) und mir geht’s gar nicht gut.

»Was hast du denn?«, würde Dr. Mom fragen.

Schwitzige Hände, Magenstechen, Gereiztheit und den Drang, aus dem Bus auszusteigen und eine schöne Wanderung in die nächste Konditorei zu machen.

»Und woran könnte das liegen?«, wäre Dr. Moms nächste Frage.

Ist doch klar, woran das liegt!

Ich muss mit Kian sprechen!!!! Und ich will das nicht. Es geht schief. Ich hab das im Gefühl und möchte die Sache abblasen.

Aber sieht Camille das ein?

Nein!

Ich muss die Sache überdenken, dass sie meine beste Freundin auf der ganzen Welt ist. Im Moment bin ich nämlich kolossal genervt von ihr. Sie sitzt neben mir und lächelt total zufrieden. Sie ist ein Jahr älter als ich und eine Klasse höher. Vielleicht ist sie deswegen der Meinung, dass sie ALLES BESSER weiß!!!

Auweia. Höre mich schon an wie Paps, wenn er über Rado schimpft. Aber das liegt nur an meiner NERVOSITÄT!!! Denn eigentlich bin ich gar nicht wirklich sauer auf Camille, sondern auf mich. Oder doch auf Camille? Egal: ICH HAB GRUMMELLAUNE!!!!

Schon als wir uns auf unsere Bank gesetzt haben, die fast immer frei ist, weil wir an einer der ersten Haltestellen einsteigen und den weitesten Weg zum Schulzentrum haben, ging es los. Mit dem Spiel, das Camille letzte Woche angefangen hat. Es heißt Drei Dinge, die dir durch den Kopf gehen.

Man muss ganz spontan antworten und darf nicht nachdenken. Sie hat das also gefragt und aus mir ist rausgeplatzt:

1. Ich will nicht mit

Kian

reden.

2. Die Simmerath wird mich garantiert heute bei den Hausaufgaben drannehmen und ich wette, die sind alle falsch.

3. Wetten ist doof und gehört verboten.

Camille hat gelacht, ihre Butterbrotdose aufgeklappt und mir ein Fleischwurstbrot angeboten.

Aber ich hab den Kopf geschüttelt. »Camille«, hab ich ganz ernst zu ihr gesagt und dabei auf die lustigen roten Kirschen auf ihrer weißen Bluse gestarrt. »Ich kann nicht mit Kian reden, mir ist schlecht.«

»Du bist nur wieder ein kleines Panikkaninchen«, hat sie geantwortet. »Aber das ist gleich vorbei. Ich helfe dir nämlich, dass sich das ganz schnell ändert.«

»Danke«, hab ich erleichtert gesagt, »ich wusste, dass du das einsiehst. Wir vergessen einfach die Wette und ich rede nicht mit …«

»Natürlich redest du mit Kian«, hat sie mich unterbrochen. »Weil, wenn du nicht mit ihm redest, gewinnt die Angst.« Camille hat sich zu mir gedreht und mich mit großen Augen angesehen. »Willst du, dass die Angst gewinnt, Zoe?«

»Ähm, ich weiß nicht. Vermutlich nicht.« Ich lachte unsicher.

»Du willst natürlich NICHT, dass die Angst gewinnt«, sagte Camille entschieden. »Weil die Angst ist ein schlechter Sieger. Die lacht dich hinterher aus und sagt: ›Ätsch, du Loser, ab jetzt bin ich der Bestimmer.‹ Und dann wirst du sie nicht mehr los.«

So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Es hörte sich zwar crazy an, aber was, wenn Camille recht hat?

»Aber, wie werde ich die Angst denn los?«, fragte ich zaghaft.

»Ganz einfach«, antwortete Camille. »Du musst Angst üben.« In meinem Magen brach ein Gewitter los (ich schwöre, Blitz und Donner in meinem Bauch!!!!) und ich fühlte mich ganz elend. »Angst ÜBEN????? Wie soll das denn gehen?« Ich schnappte nach Luft. »Ich meine, das ist doch kein Sport! Jetzt üben wir Handstand und danach Angst.«

Und obwohl ich wusste, dass meine beste Freundin mir helfen wollte, wurde ich auf einmal wütend auf Camille. Sie war ja schon so schlimm wie der Kracht mit seiner blöden Trillerpfeife und seiner grässlichen Radlerhose, schoss es mir durch den Kopf.

Echter Panikkaninchen-Modus! Dabei sieht sie natürlich kein bisschen so verkniffen aus wie der Kracht, mit ihrem hübschen Gesicht und ihrer lustigen Kirschen-Bluse.

Und sie wurde auch gar nicht sauer, obwohl ich so motzte, sondern blieb ganz freundlich. »Weißt du noch, als wir das erste Mal vom Dreier gesprungen sind? Da hatten wir beide voll Schiss. Beim zweiten Mal schon nicht mehr so. Und beim dritten Mal haben wir gar nicht gezögert, sondern sind sofort runter.«

Das stimmt zwar, aber ich wollte es nicht zugeben.

»Je öfter man Angst hat, desto weniger Angst hat man«, redete Camille weiter, als wäre sie auf einmal die totale Expertin. »Weil sowieso nichts Schlimmes passiert. Und wenn nichts Schlimmes passiert, merkst du, dass es völlig unnötig war, sich Sorgen zu machen. Und am Ende hast du keine Angst mehr.«

»Du meinst, ich muss Angst haben, um keine Angst mehr zu haben?«, hab ich ungläubig zusammengefasst und mir wurde schon wieder superschlecht.

Camille hat genickt. »Du hast es erfasst.«

»Aber Angst ist vernünftig und schützt vor Gefahren«, stieß ich hervor. »Mein kleiner Bruder Levi zum Beispiel. Keine Angst vor nichts und dauernd irgendwas aufgeschrammt oder gebrochen.«

»Du brichst dir garantiert nichts, wenn du mit Kian redest«, hat Camille fröhlich gesagt. »Und du ziehst dir auch keine Platzwunde zu.«

»Weißt du gar nicht«, hab ich gebrummt und erst mal mein Tagebuch genommen, um nicht weiter mit ihr reden zu müssen. Dauernd hat sie gute Argumente gegen alles, was ich sage. Das nervt mich gerade total! Ich meine, ich hab doch schon meine Angst besiegt und die Bewerbung abgeschickt für Cake Kids. Und was hab ich jetzt davon?