Mein Leben ist ganz großes Kino (nur leider bin ich im falschen Film) - Emma Flint - E-Book

Mein Leben ist ganz großes Kino (nur leider bin ich im falschen Film) E-Book

Emma Flint

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Beschreibung

Die neue lustige Freundschaftsgeschichte ab 10 mit Kicher-Garantie und mitten aus dem Leben - von Erfolgsautorin Emma Flint! Frida ist Profi im Chillen. Sport oder anderes sinnloses Gehampel? Nur was für ihre hyperaktiven Geschwister. Zickereien in der Schule? Ohne sie. Und der anstehende Wanderurlaub in Tirol? Never ever! Sie will lieber zu Hause mit ihrer besten Freundin Celine abhängen. Aber seit Frida ein Nickerchen im Sessel des Schulleiters gemacht hat, hat sie dauernd Zoff. Dabei will Frida nur ihre Ruhe - doch keine Chance! Die Eltern verdonnern sie zu einem Feriencamp, in dem sie Verantwortung lernen soll. Aber Fridas Plan, sich aus allem rauszuhalten, scheitert an ihren verrückten Mitbewohnerinnen. Sie fühlt sich wie im falschen Film - und steckt auf einmal wider Willen mitten in einem Abenteuer … Das perfekte Geschenk für beste Freund*innen! Diese warmherzige Freundschaftsgeschichte von Erfolgsautorin Emma Flint hat 100%ige Kicher-Garantie und emotionalen Tiefgang. Das Buch ist genau das richtige für alle, die lustige und chaotische Geschichten lieben. In kurzen Kapiteln im Tagebuch-Stil geschrieben und mit süßen Vignetten und einem tollen Glitzer-Cover von Eva-Schöffmann-Davidov. Emma Flint - Für mehr Konfetti in deinem Leben!

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Seitenzahl: 292

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Emma Flint,

geboren 1975, arbeitete schon als Hausbotin, als

Bademeisterin, als Basketballtrainerin, als Regaleinräumerin

im Supermarkt und als Fernseh- und Radioreporterin,

bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Wobei ihr Letzteres

eindeutig am meisten Spaß macht. Nach mehreren

Romanen für Erwachsene schreibt sie nun auch für ein

jüngeres Publikum. Flint lebt mit ihrer Familie in Köln.

Weitere Bücher von Emma Flint im Arena Verlag:

Jungs verstehen das nicht!

Mein Leben voller Feenstaub und Konfetti (schön wärʼs)

Ich glaub, es glitzert! Jedes Chaos fängt mal klein an

Für mein Leben seh ich kunterbunt

(wenn ich nur erst den Durchblick hab)

Knalltütenwunder –

Was nicht ist, kann ja noch peinlich werden!

1. Auflage 2022

© 2022 Arena Verlag GmbH

Rottendorfer Str. 16, 97074 Würzburg

Alle Rechte vorbehalten

Cover und Innenvignetten: Eva Schöffmann-Davidov

Umschlag- und Vorsatzgestaltung: Svenja Kuhn

Lektorat: Antonia Thiel

E-Book ISBN 978-3-401-81017-1

Besuche uns auf:

www.arena-verlag.de

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Mittwoch, 23. März, 15.11 Uhr

Es gibt Kinder, die können super Quadratwurzeln ausrechnen oder Klarinette spielen oder Hürden laufen und werden dafür bejubelt und beklatscht und die Lehrer überschlagen sich mit Lob, und die Eltern geben mit ihnen an und alle sind sich einig, dass sie es im Leben sehr weit bringen werden.

Zu diesen Kindern gehöre ich nicht.

Was ich ziemlich ungerecht finde, weil ich auch tolle Talente hab! Nur leider keine, für die man Pokale und Medaillen gewinnen kann. Ich sag nur: Sahnedekoration. Wenn ich mir Sahne auf ein Stück Kuchen sprühe, wird es ein superschöner Klecks. Man kann eine Kirsche oder ein Schokoröllchen in die Mitte setzen und es sieht aus wie vom Profi.

Aber werde ich dafür gelobt wie meine große Schwester Jenna, wenn sie Spagat macht oder anfängt, über Politik zu reden, als wollte sie sich als Bundeskanzlerin bewerben? Nein! Selbst wenn ich auf meine Leistung hinweise und rufe: »Schaut mal, meine schöne Dekoration!«, nützt es nichts. Mama nickt nur flüchtig und lacht dann über meinen großen Bruder Laurenz, der sich so viel Sahne auf seinen Teller klatscht, bis sein Kuchen komplett darunter verschwunden ist. Und Papa sagt so was wie: »Sahne schmeckt in jeder Form gleich.« Dabei stimmt das gar nicht. Schöne Sahnekleckse sind vieeeel leckerer!

Auch meine anderen Talente sind irgendwie nicht besonders ANGESAGT. Bei meinen Eltern jedenfalls kann ich mehr Eindruck schinden mit einer Drei in einem Vokabeltest als mit Platz 2 der Bestenliste auf der Rutsche im Freibad. Und dass ich eine beliebte Hundekraulerin bin, bewundert auch nur Texas, der Bobtail meines Onkels.

Und was mein WIRKLICH herausragendes Talent angeht – das ist wirklich die Krönung der Ungerechtigkeit –, dafür bekomme ich sogar STRESS mit Mama und Papa! Sie kapieren überhaupt nicht, dass es eine sehr wichtige und nützliche Begabung ist, wenn man super chillen kann: relaxen, ausruhen, entspannen. Das ist das, was ich am besten kann. Was erstaunlich ist. Weil meine ganze Familie überhaupt nicht ruhig ist, sondern ständig in Bewegung. Aber davon lasse ich mich nicht aus dem Konzept

Mittwoch, 23. März, 15.38 Uhr

Schock! Bin mit meinem Stift ausgerutscht, weil Mama in letzter Zeit an meine Tür hämmert wie ein Spezialkommando, das einen Bombenleger überraschen will, und sofort reinplatzt, bevor ich auch nur »Piep« sagen kann. Echt, ich weiß gar nicht, warum sie überhaupt noch klopft, wenn sie sowieso reinstürmt und mich zu Tode erschreckt. Ich warte nur darauf, dass sie mit einer Kanone rumfuchtelt und schreit: »Hände hoch! Keine Bewegung.« Aber das macht sie nicht. Wäre auch überflüssig. Ich bewege mich ja eh nicht. Haha. Was Mama ziemlich aufregt. (Nicht nur, dass ich nicht gelobt werde – nein, ich werde für mein Talent sogar angemotzt! Das herzzerreißende Schicksal der unerkannten Genies!)

Eben hat sie immerhin nicht gemeckert, dass ich endlich aufstehen und produktiv werden soll. Aufgeregt war sie trotzdem. Weil: Die Schule hat ihr auf Band gesprochen und um Rückruf gebeten.

»Was war denn jetzt schon wieder los?«, hat Mama atemlos gefragt.

Also bitte – meine Eltern müssen immer dramatisieren. Schon wieder ist völlig übertrieben! Aber noch bevor ich Mama darauf hinweisen konnte, hat sie hinzugefügt: »Bist du wieder eingeschlafen?«

»Wie oft soll ich es denn noch sagen?«, hab ich erwidert. »Ich hab in Reli nicht geschlafen, sondern meditiert. Wir haben nämlich Buddhismus durchgenommen und Buddha hat auch unheimlich viel medit…«

»Und was war also heute?«, hat sie ungeduldig unterbrochen.

»Gut«, hab ich gesagt, »es kann sein, dass ich heute tatsächlich ein kleines Nickerchen gemacht hab.«

Mama hat gestöhnt und die Augen verdreht.

»Aber nur in der Theater-AG«, hab ich sie beruhigt. »Bei Mathe, Deutsch, Bio und sogar in Erdkunde war ich hellwach.«

Sie hat gestutzt. Aber anstatt lobend anzuerkennen, dass ich in den meisten Schulstunden nicht geschlafen hab, hat sie tief Luft geholt: »Frida, das ist …«

»Und es war nur die Generalprobe«, hab ich schnell unterbrochen. »Ist also nichts Schlimmes passiert.«

Leider ist Mama grundsätzlich nicht leicht zu beruhigen. Sie hat irgendwas Unverständliches gebrabbelt und ist wieder rausgestürmt, um den Schmidthuber zurückzurufen, diese alte Petze.

Mittwoch, 23. März, 16.12 Uhr

Mama ist nicht wieder aufgetaucht. Entweder sie hat den Schmidthuber noch nicht erreicht. Oder sie hat ihn erreicht und sitzt jetzt im Meine-Tochter-die-Totalversagerin-Schock auf der Küchenbank. Der Schmidthuber konnte mich noch nie leiden und ich wette, er hat die Story total aufgebauscht.

Celine dagegen war heute gar nicht sauer, obwohl ich ihr mit meinem Nickerchen das Finale des Theaterstücks versaut hab. Und sie ist die Hauptdarstellerin! (In dem Stück und als beste Freundin auch in meinem Leben, hihi.)

Sie versteht mich, glaub ich, als Einzige auf der ganzen Welt wirklich. Celine hat etwas erkannt, womit ich zu 100 Prozent einverstanden bin: nämlich, dass mein Seelentier das Faultier ist. (Und nicht die Napfschnecke, wie Jenna behauptet, weil ich mich angeblich an meinem Bett festsauge wie die Napfschnecke an ihrem Felsen. Jenna hat ja wohl überhaupt keine Ahnung! Ich meine, Napfschnecken haben nicht mal ein Gesicht. Und ein Seelentier ohne Gesicht geht ja wohl gar nicht! Deswegen hier noch mal offiziell: Mein Seelentier ist das Faultier.)

Aber leider ist die Welt total unfair. Denn obwohl Faultiere total beliebt sind und es Fußmatten und T-Shirts und Tassen mit Faultieren gibt, wird das Faultierdasein seltsamerweise beim Menschen (oder zumindest bei Kindern) gar nicht so bewundert. Jedenfalls nicht von Mama und Papa.

Ich weiß natürlich, dass die denken: »Pah, das ist ja auch nichts Besonderes, abhängen kann doch jeder.« Eben nicht!

Meine Familie jedenfalls überhaupt nicht. Die sind totale Nieten in Sachen Chillen! Mama ist immer gestresst. Ihre berühmt-berüchtigte To-do-Liste ist ungefähr acht Kilometer lang und besteht mindestens zur Hälfte aus völlig unwichtigen Sachen. Und wenn sie nach der Arbeit einmal nicht putzt oder aufräumt oder Besteck sortiert oder Post bearbeitet, geht sie joggen. Kein Wunder, dass sie dauernd stöhnt, dass sie so viel zu tun hat. Papa arbeitet oft sogar am Wochenende. Ich weiß, dass er wegen seiner neuen Selbstständigkeit erst einen Kundenstamm aufbauen muss. Aber trotzdem muss er sich doch auch mal entspannen!

Und was meine Geschwister Jenna und Laurenz an Sport machen, das ist meiner Meinung nach überhaupt nicht gesund. Jenna meint zwar, der Sport sei super und wichtig, weil sie sich bei ihrem Tennis- und Hip-Hop-Training so richtig auspowern kann. Aber ehrlich: funktioniert kein bisschen. Sie hat zu Hause für meinen Geschmack immer noch viel zu viel Energie. Jennas Seelentier ist eindeutig der weiße Hai. Der muss immer in Bewegung sein, um nicht zu ersticken. Er schwimmt sogar beim Schlafen! Genau wie Jenna. (Also, sie schwimmt nachts natürlich nicht, sondern wälzt sich hin und her.)

Meine ganze Familie ist also immer in Action. Manchmal komme ich mir vor wie ein Felsen inmitten von Stromschnellen. Alles sprudelt und schäumt und zischt um mich herum, nur ich bleibe ruhig. Selbstverständlich wäre ich sofort bereit, meiner Familie beizubringen, wie man relaxt. Ich bin zwar erst zwölf, aber darin schon ein echter Profi. Ich kenne sämtliche Tricks des Abhängens. Nur leider, leider interessiert das hier keinen.

Im Gegenteil. Meine Eltern wollen mich sogar zwingen, AKTIV zu werden. Sie scheuen nicht mal in den Ferien davor zurück. SKANDAL! In den Osterferien müssen wir WANDERN gehen. Und zwar nicht einfach nur so im Wald, sondern richtig AUF BERGE. Ist das zu fassen? Das gefährdet nicht nur meine Chill-Karriere massiv, sondern macht vor allem überhaupt keinen Spaß. Wir müssen in Tirol sogar den WECKER stellen, damit wir spätestens um neun »auf der Piste« sind. So was darf doch eigentlich gar nicht URLAUB heißen. Im Urlaub ist es zwingend notwendig, total abzuschlaffen. Und am Pool zu liegen. Oder am Strand. Oder eben in meinem Bet

Mittwoch, 23. März, 16.37 Uhr

Muss mich endlich daran gewöhnen, wie die Mitglieder meiner Familie ein Zimmer betreten: mit der Knallpeng-Reinrausch-Methode, bei der ich mich immer erschrecke. Diesmal war es Jenna, die vom Hip-Hop-Training zurückgekommen ist. Meine Schwester ist dreizehndreiviertel und eigentlich ganz in Ordnung.

Wenn sie schläft.

Was leider viel zu selten der Fall ist. Ich kann das beurteilen, denn ich muss mir mit ihr ein Zimmer teilen. Weswegen sie natürlich ohne Klopfen reinkommt. Aber sie öffnet die Tür auch nicht normal, sondern reißt sie auf wie eine Sturmbö und wirbelt herein. Dann fliegen sofort die ersten Sachen, weil Jenna sich nicht die Mühe macht, irgendwas abzulegen. Sie pfeffert alles durch die Gegend. Schleudert ihren Rucksack unter den Schreibtisch, kickt ihre Schuhe im hohen Bogen weg, lässt sich mit Anlauf auf ihren Drehstuhl fallen, der nach hinten wegrollt und gegen das Fensterbrett stößt, wo dann irgendwas klirrt oder zu Boden kracht. Ein Wirbelsturm ist nichts dagegen. (Weswegen ich sie übrigens auch Tornado-Jen nenne!)

Immerhin hat sie oft keinen Bock, mit mir zu reden. Was gut ist, weil, wenn sie einmal damit anfängt, textet sie mich gerne komplett zu. Aber gerade hat sie mich nicht beachtet. Kaum ist sie drin, hängt sie am Handy und checkt ihre Nachrichten. Oh, es klopft schon

Mittwoch, 23. März, 17.06 Uhr

Heute ist offensichtlich Tag der offenen aufgerissenen Tür. Wir sollten sie besser gleich offen stehen lassen. Diesmal war es mein Bruder. Laurenz ist fast sechzehn und fühlt sich wie Yoda. Weswegen er Jenna und mich eigentlich so gut wie gar nicht mehr beachtet und auch nie zu uns rüberkommt. Aber eben hat er uns mit seiner Anwesenheit beehrt. Er ist an mein Bett herangetreten, hat auf mich runtergeglotzt und fassungslos gefragt: »Du hast einen Mittagsschlaf gemacht auf dem neuen Sessel vom Schuldirektor?« (Eigentlich war es mehr eine Feststellung als eine Frage.)

Jenna hat vor Schreck fast ihr Handy fallen lassen. »Oh mein Gott. Das hast du nicht, Frida. Sag, dass du das nicht gemacht hast.«

»Regt euch ab«, hab ich gesagt, »war keine große Sache.«

Die beiden haben sich angesehen, die Köpfe geschüttelt und losgeprustet.

»Sag das mal Mama, die springt gerade im Dreieck.« Laurenz hat noch mal gelacht und ist wieder raus.

Jenna hat mich von ihrer Zimmerseite aus weiter angestarrt. »Du liegst zu Hause nur im Bett und dann pennst du auch noch in der Schule? Und ausgerechnet auf dem Sessel vom Rademacher? Was ist eigentlich mit dir los?«

»Nix«, hab ich gesagt, »was soll mit mir los sein?«

»Du bist doch nicht mehr normal.«

»Definiere normal, Tornado-Jen.« Ich hab sie herausfordernd angeguckt und nur darauf gewartet, dass sie

Mittwoch, 23. März, 17.29 Uhr

Das war noch mal Mama. Sie hat mein Handy einkassiert und gesagt, ich solle jetzt bitte nachdenken, was heute passiert ist, und ihr das dann noch mal in Ruhe erklären.

»Das ist ganz einfach«, hab ich gesagt. Und dass ich da gar nicht lange zu überlegen brauche.

Wir hatten Theaterprobe. Das Stück heißt Regenbogenschlagen und ist meiner Meinung nach genauso bescheuert wie der Titel. Ich mache bei der AG eh nur mit wegen Celine, die Schauspielerin werden will. Selbstverständlich hab ich keine Rolle übernommen, wo man ohne Ende Text auswendig lernen muss, sondern mich von Anfang an für die Requisiten gemeldet. (Gleich nachdem die Regisseurin verkündet hat, sie will das Bühnenbild minimalistisch halten.)

Das Aufwendigste ist das Finale, wo zweihundert bunte Luftballons auf die Bühne regnen. Willi, Farideh und ich haben wie die Bekloppten Luftballons aufgepumpt und zugeknotet. Der Hausmeister hat uns mit dem Netz geholfen, das über die Bühne gespannt wird. Darin liegen die Luftballons. Zum richtigen Zeitpunkt wird die Befestigung gelöst und das Netz gibt die Luftballons auf die Bühne frei.

Ich hatte heute in der Generalprobe Luftballondienst und hab hinter der Bühne, wo das Seil von dem Netz festgehakt war, auf das Zeichen gewartet. Ganz pflichtbewusst hab ich rumgelungert, bis Akt drei zu Ende geht.

Was kann ich bitte schön dafür, dass der Hausmeister dort diesen schicken Wahnsinnssessel abgestellt hatte? Aus rotem Leder mit bombastischer Fußstütze. Er sah megagemütlich aus. Ich hatte sofort den Verdacht, dass es eines dieser genialen Teile mit Wippfunktion war. Das hatte ich mal in einer Werbung gesehen und mir seitdem gewünscht, einmal in so einem Relaxsessel zu sitzen und vor mich hin zu wippen und zu dösen. Und auf einmal stand er da einfach vor mir, verführerisch und rot und ganz neu. Das Leder roch auch sehr gut und sah ganz weich aus. Und weil die vorne auf der Bühne noch nicht fertig waren, hab ich gedacht, ein kleines Probesitzen wäre ja wohl nicht verboten. Ich meine, das ist ja die Aufgabe eines Sessels. Dafür ist er schließlich gemacht worden: dass man sich auf ihn setzt!

Also hab ich mich nur ganz kurz mal darauf niedergelassen. Und mein Profi-Chiller-Blick hatte mich nicht getäuscht: Das war ein ultragemütlicher Sessel. Das Leder war megaweich und er wippte tatsächlich sanft nach hinten. So bequem, wie wenn man auf einer Luftmatratze im Pool dümpelt! Ich lag also gemütlich hinter der Bühne, während vorne irgendetwas schieflief und Azra (Nebenrolle) und Celine (Hauptrolle) sich wegen einer Kleinigkeit angezickt haben. Jedenfalls gab es eine Pause. Ich hab gehört, wie vorne diskutiert wurde.

Tja, und als ich wach geworden bin, stand Lenja vor mir, die Regisseurin, und hat mich angekreischt. Und dann kam auch schon der Schmidthuber und hat losgepoltert. Alte Latsche! Ich hatte keine Stinkbombe gezündet, sondern nur ein paar Luftballons vergessen. Was kann ich dafür, dass dieser Sessel irgendwie Einschlafzwang auslöst?

Celine, die am Ende des Stücks in der Mitte der Bühne im Luftballonregen tanzt, fand es gar nicht schlimm. Sie hat gelacht. Sie meinte, wenn die Generalprobe schiefgeht, wäre das ein gutes Zeichen für die Premiere. Na also: Hab ich sogar alles richtig gemacht!

Natürlich hab ich versprochen, dass bei der Premiere alles klargehen wird und die Luftballons genau zum richtigen Zeitpunkt runterregnen. Damit war die Sache erledigt.

Das hab ich Mama alles erklärt. Aber sie war irgendwie gar nicht zufrieden. Sie meinte, meine nachlässige Art würde mich noch mal richtig in Schwierigkeiten bringen und ich müsste mehr Verantwortung für meine Fehler übernehmen. Auf ihrer Stirn war die Ich-mein-es-total-ernst-und-besser-keinen-Widerspruch-Falte. Weswegen ich ihr natürlich sofort recht gegeben hab.

Profi-Chill-Trick Nr. 12: Verständnis äußern, auch wenn man nicht unbedingt einverstanden ist. Das sorgt für schnelle Entspannung beim anderen und er/sie geht einem nicht mehr so auf die Nerven.

Obwohl ich ihr doch alles ganz genau erklärt hab, hat sie mein Handy noch behalten. Damit ich besser über mein Leben oder meine Sünden oder irgend so was in der Art (hab nicht mehr genau zugehört) nachdenken kann.

Mittwoch, 23. März, 18.54 Uhr

Ich hab jetzt tatsächlich länger darüber nachgedacht, warum sich alle so aufregen (außer Celine), und mich gefragt, ob ich mich auch aufregen sollte. Aber nur weil sich andere aufregen, muss man nicht mitmachen, oder? Ich meine, es gibt doch keinen gesetzlich festgeschriebenen Aufregungs-Zwang. Außerdem würde sich ja dadurch an der Sache nichts ändern.

Ja. Ich hab ein Nickerchen auf dem Sessel vom Rademacher gemacht.

Ja. Das war vielleicht keine so blendende Idee.

Nein. Ich kann es nicht mehr ändern. Ob ich mich jetzt darüber aufrege oder nicht. Es ist passiert.

Abgesehen davon muss ich noch mal betonen: Es war ein Sessel. Ich hab es mir nicht auf seinem Schreibtisch gemütlich gemacht. Oder auf seinem Lunchpaket. Ich habe ihm also nicht seine Butterbrote platt gedrückt (und vielleicht noch einen Windbeutel mit Kirschen und Sahne, den er sich für die große Pause aufgehoben hat).

Und falls Mama Angst hat, dass ich noch mal auf dem Sessel des Direktors einschlafe, kann ich ihr versichern: wird nicht mehr vorkommen. Ich hab aus meinem Fehler gelernt. (Außerdem steht der Sessel jetzt sowieso in seinem Büro. Und da würde ich niemals freiwillig reingehen!)

Also. Alles easy. Aufregung sinnlos. Kann ich mir sparen. Da hab ich auch gleich viel mehr Energie. Um zum Beispiel meine Fische zu beobachten, die im Aquarium neben meinem Bett schwimmen.

Aqua-TV immer auf Sendung! Alle Fische haben Namen. Da sind Isodora und Iron Fish, Dr. Klotz und Mister Biggle und die kleinen Haie, die natürlich keine Haie sind, sondern Neon-Reisfische. Sie flitzen durch das Becken und verstecken sich in dem Schiffswrack am Boden, wo sie den Schatz des einäugigen Piratenkönigs suchen. Und wenn Iron Fish und Dr. Klotz sich mal wieder Auge in Auge gegenüberstehen (also, schwimmend natürlich), wird es richtig spannend. Dr. Klotz (genialer Erfinder) will nämlich seine neuesten Unterwasserblitzgranaten nicht rausrücken, obwohl Iron Fish (Superhelden-Fisch) damit gegen den schwarzen Kraken kämpfen will. Deswegen geraten die beiden ständig aneinander. Wobei sie sich nur Glotzduelle liefern und nicht handgreiflich werden. (Was bei Fischen ja wohl auch schwierig ist. Sie könnten höchstens flossengreiflich werden. Hahahaha.)

Aber wenn mich Mama sieht, wie ich auf dem Bauch liege und den dramatischen Geschehnissen in meinem Aquarium folge, denkt sie immer, ich würde gar nichts tun. Und kommt sofort mit bescheuerten Vorschlägen wie: »Willst du nicht lieber mal Hausaufgaben machen?« Oder: »Jetzt räum dein Zimmer auf.«

Daran sieht man, wie wenig sie über das Chillen weiß! Und offensichtlich auch über mich. Darüber könnte ich mich dann vielleicht sogar doch ein bisschen aufregen.

Donnerstag, 24. März, 6.51 Uhr

Donnerstag ist ein guter Tag, weil er schon fast Freitag ist. Wenn man nach Hause kommt, kann man sagen: Nur noch einmal Schule, dann ist Wochenende! Und das Ende ist ja wohl eindeutig das Beste der ganzen Woche.

Leider liegen noch sieben Stunden Unterricht zwischen mir und Freitag!

Sieben!

S. I. E. B. E. N.

Die Hälfte wäre schon mehr als genug, wenn man mich fragt. Aber mich fragt ja leider keiner. Wenn ich die oberste Schulchefin wäre, würde ich die Schulzeit auf die Hälfte reduzieren. Damit könnte ich nicht nur die Schüler glücklich machen, sondern auch einen wertvollen Beitrag zum Weltfrieden leisten. Zumindest in unserer Klasse, wo es unglaublich viel Zoff gibt. Wenn die Leute nämlich nur halb so lange in die Schule gehen müssten, würde es auch nur halb so viel Streit geben. Und wenn es nur halb so viel Streit gäbe, wären alle viel entspannter. Und wenn man entspannter ist, ist man noch weniger auf Streit aus. Fast alles wäre friedlich. Ist doch wohl voll logisch.

Aber hört irgendjemand auf mich?

HALLO, ihr Leute, die sich diese bescheuert langen Schulzeiten ausgedacht haben, hört ihr mich??

Nein. Offensichtlich leider nicht.

Donnerstag, 24. März, 15.13 Uhr

Hihi. Hab heute sehr gelacht. Celine meinte, in unserer Klasse wäre eine unsichtbare Idiotenbombe geplatzt und hätte alle verstrahlt. Interessante Theorie! Könnte was dran sein.

Im Unterricht: Gebrüll von Lionel (Aggro-King), Gehampel von Lorena (ADHS), Showeinlagen von Karim (Klassenclown) und dazwischen dauernd spöttische Bemerkungen von Letizia (Bitch) und Chiara-Sophie (Oberbitch). Die Lehrer sind genervt und schreien auch nur noch rum.

In den Pausen ist genauso viel los, besonders bei den Mädchen. Irgendjemand hat immer Streit. Da blickt keiner mehr richtig durch. Ich jedenfalls nicht. (Ich geb mir damit aber auch, ehrlich gesagt, keine große Mühe, weil die Anlässe für die meisten Streits sind ungefähr so wichtig wie ein Sturzhelm für einen Geier.)

Es ist noch schlimmer geworden seit dieser blöden Klassenfahrt vor ein paar Wochen, zu der wir verdonnert worden sind, weil es in unserer Klasse so viele Konflikte gibt. Da mussten wir Klettertraining machen, bei dem man sich gegenseitig über Seile und durch riesige Spinnennetze aus Schnüren heben musste. Teambuilding im Hochseilgarten sollte das werden. Ich frage mich, wer sich das ausgedacht hat. Hat in unserer Klasse auch null funktioniert.

Vorher gab es dauernd Streit ohne Grund (wenn man mich fragt), aber seit der Klassenfahrt gibt es tausend Gründe. Jeder ist auf irgendwen sauer, weil der oder die bei den Teamwork-Challenges nicht gut genug mitgemacht, andere gemobbt, irgendwen im Stich gelassen oder ausgelacht hat. Das ist so ein Gezicke und Gezanke – voll überflüssig! Sogar zwischen meinen Freundinnen gibt es Ärger, was ich total blöd finde.

Ich meine, klar ist Celine meine beste Freundin, aber Azra und Mira mag ich auch. Bisher hatten sich die drei auch gut verstanden.

Aber seit der Klassenfahrt stichelt Celine gegen Azra, weil sie meint, Azra hätte ihr bei der Abseilübung den schönen schwarzen Helm weggeschnappt, obwohl der Heini, der uns alles erklärt hat, ihr den Helm angereicht hätte. »Aber dann ist Azra angeschossen gekommen und hat ihm den Helm aus der Hand gerissen und ich musste diesen angeranzten rosafarbenen Helm nehmen, der nach Schweiß gestunken hat.«

Eigentlich wäre die Sache schon längst vergessen, aber leider gibt es ein Klassenfoto, auf dem Celine den rosa Helm trägt. Das Foto steht in der Klassengruppe. Da seit der Klassenfahrt aber schon ungefähr 9.439.872 neue Nachrichten gekommen sind, ist das Foto so weit nach oben gerutscht, dass es niemand mehr beachtet. Außer Celine. Die guckt sich das Foto immer noch jeden Tag an, als ob sich in der Zwischenzeit was geändert hätte. Und obwohl Celine sehr hübsch ist, wie ich finde, mit ihren langen braunen Haaren und dem breiten Lächeln und den Sommersprossen, stöhnt sie jedes Mal, dass sie mit dem Helm wirklich aussieht wie Peppa Wutz. Weil der blöde Lionel das nämlich zu ihr gesagt hat. Celine findet deswegen also, Azra hätte sie lächerlich gemacht.

Das hat sie heute auch wieder zu mir gesagt.

»Eigentlich war es ja Lionel, dieser Depp«, hab ich noch mal versucht, ihren Ärger umzulenken. »Er hat das mit Peppa Wutz gesagt. Aber auf den achtet doch keiner, weil er immer Unsinn labert und …«

»Aber Artur und Felix haben es mitbekommen«, hat Celine mich unterbrochen. »Sie haben gelacht. Das hab ich genau gesehen.«

»Vielleicht haben sie sich nur einen Witz erzählt«, hab ich vorgeschlagen.

Celine hat geschnaubt. »Nein. Sie haben mich ausgelacht. Weil: Jeder lacht mich aus wegen diesem dämlichen Wutz-Helm.« (Übertreiben ist eines von Celines Hobbys.)

»Blödsinn. Erstens denkt keiner mehr da dran. Zweitens siehst du immer schön …«

»Und alles wegen dieser doofen Azra!« In dem Moment hat Celine Azra auf der anderen Seite vom Schulhof entdeckt. »Da!«, hat sie gekeucht. »Hast du gesehen, wie arrogant sie mich angeguckt hat?«

Ich fand ja, dass Azra ganz normal zu uns geguckt hat. Aber Celine hat mir einen Vortrag über arrogante Blicke gehalten: dass das was mit den Augenbrauen und den Mundwinkeln, aber vor allem mit den ätzenden Strahlen zu tun hat, die dabei aus den Augen kommen würden. Während sie geredet hat, hab ich versucht, das nachzumachen und eisige Blitze aus den Augen zu schießen, bis Celine angefangen hat zu lachen. Sie meinte, ich wäre in Sachen arrogante Blicke ein hoffnungsloser Fall. Mit meinen braunen Augen und den Grübchen in den Wangen könnte ich maximal so hochnäsig gucken wie ein Goldhamster, der sich für Batman hält. Hihi!

Vielleicht hätte Azra ja auch gar nicht arrogant geguckt, hab ich darauf zu Celine gesagt, und das mit dem Helm nicht mit Absicht gemacht. Und ich hab vorgeschlagen, dass sie sich doch wieder mit ihr vertragen soll. Aber Celine hat nur »Pff!« gemacht. »Auf keinen Fall! Nicht mit der blöden Kuh.«

Dann hab ich Celine zum Kiosk geschleppt, um uns Kakao zu holen. Dabei bin ich auf die Idee gekommen, eine Hitliste für die besten Bettsnacks aufzustellen. (Wichtiges Basiswissen für Profi-Chiller wie mich!) Weswegen ich mir auf dem Rückweg von der Schule noch schnell ein paar Sachen gekauft habe, die ich jetzt testen werde.

Donnerstag, 24. März, 16.02 Uhr

Kekse

Nein. Zu krümelig.

Saure Zungen

Auf gar keinen Fall. Die Zuckerumhüllung bröselt total und fühlt sich im Bett an wie spitze Sandkörnchen.

Mini-Schokoküsse

Besser, weil man die mit einem Happs

Donnerstag, 24. März, 16.17 Uhr

Das war mal wieder das Mama-Sondereinsatzkommando, das mitten in meiner wichtigen Versuchsreihe reingeschossen kam. Aber ich konnte sie geschickt mit einem Profi-Chill-Trick abwimmel

Donnerstag, 24. März, 16.29 Uhr

Jump-Scare, die zweite: Mama ist SCHON wieder reingesprungen (diesmal sogar ohne Donnerklopfen!) und hat sofort losgepoltert, dass sie gewusst hätte, dass ich noch im Bett liege.

Ich befürchte, dass sie den einen oder anderen von meinen Tricks durchschaut hat. Aber anstatt sich ein gutes Beispiel an mir zu nehmen und sich selbst mal was auszuruhen, hat sie mir mal wieder Befehle erteilt. Sie meinte, ich solle AUFSTEHEN, DEN MÜLL WEGBRINGEN und mich danach direkt FERTIG MACHEN FÜR DAS GEBURTSTAGSESSEN BEI OMA UND OPA.

»Wieso jetzt schon? Wir fahren doch erst um halb sieben«, hab ich versucht, sie zu bremsen. Aber bei Mama ist es leider so: Je chilliger ich bin, desto nervöser wird sie. Deswegen war auch nichts mit Bremsen.

»Eben«, hat Mama geantwortet. »Erfahrungsgemäß müssen wir dich noch mindestens zweimal zurückschicken, bevor du auch wirklich ordentlich gekämmt und angezogen bist. Außerdem will Jenna nach ihrem Training noch duschen. Also, husch, husch, ab mit dir ins Bad.«

Donnerstag, 24. März, 16.46 Uhr

So. Habe jetzt den Müll weggebracht, damit Mama nicht gleich schon wieder die Tür aufreißt und mir noch mal der Stift aus der Hand rutscht. Bevor ich mich aber fertig mache für Opas Geburtstag, muss ich noch die ganze Situation von eben aufschreiben, wozu ich wegen dem Mama-Sondereinsatzkommando nicht gekommen bin. Damit auch klar wird, unter welch extremen Bedingungen ich hier chillen muss.

Als Mama vorhin das erste Mal (noch während meines Bettsnack-Tests) reinkam, hat sie tatsächlich behauptet, ich würde »meine Jugend verplempern«. Sogar was von »die beste Zeit meines Lebens vergeuden« hat sie gebrabbelt.

Wenn mein Kissen nicht gerade in der perfekt-gemütlichen Position gewesen wäre, hätte ich herzhaft gelacht. (Kissen-in-die-richtige-Position-Bringen ist eine ausgeklügelte Technik, die gelernt sein will. Chill-Anfänger unterschätzen manchmal, wie wichtig das ist.) Mama hat weiter gemeckert: »Anstatt was zu erleben oder sinnvolle Sachen zu machen, liegst du den ganzen Tag nur im Bett.«

Auf so einen Spruch hatte ich nur gewartet. Weil ich ja wusste, dass Mama nicht aufgeben würde, mich zu bescheuerten Freizeitaktivitäten zu überreden, hab ich mich nämlich genau auf dieses Gespräch vorbereitet. Früher hab ich mich immer damit verteidigt, dass ich am Nachmittag relaxen will, weil ich schon den ganzen Vormittag in der Schule rumrenne. Leider zieht das bei ihr nicht mehr. Deswegen hab ich recherchiert über erfolgreiche Leute, die berühmt dafür waren, im Bett zu bleiben. Berühmte alte Leute, die Mama vielleicht kennt.

Ich hab mich auf den Ellenbogen aufgestützt und eingeleitet mit: »Die Annahme, dass ich nichts erlebe oder keine sinnvollen Sachen mache, beweist, dass du keine Ahnung hast.«

Mama hat die Augenbrauen hochgezogen und ihr Jetzt-bin-ich-aber-mal-gespannt-was-kommt-Gesicht gemacht.

»Nehmen wir nur mal den berühmten Schriftsteller Marcel Proust«, hab ich weitergeredet und den französischen Nachnamen sogar richtig ausgesprochen, so wie es mir das Internet beigebracht hat: Pruust.

Mama hat richtig gestutzt, weil ich so mit Angeberwissen auftrumpfen konnte.

»Der hat Auf der Suche nach der verlorenen Zeit im Bett geschrieben«, hab ich erklärt. »Und Frida Kahlo hat fast alle ihre Selbstportraits im Bett gemalt. Gut, sie konnte nach einem Unfall auch lange Zeit nicht laufen, aber trotzdem zeigt das, dass man sogar im Bett sinnvolle Sachen machen kann.«

»Hm«, hat Mama gesagt, weil sie die Bilder von Frida Kahlo mag und mir ja nun auch den gleichen Vornamen gegeben hat. Trotzdem hat sie nicht so leicht aufgegeben. »Und an was arbeitest du gerade, Frida Marlene Bruck?«

»Ich hab Hausaufgaben gemacht, Tagebuch geschrieben und für eine wichtige Sache recherchiert.« Anstatt dass sie mich nach der wichtigen Sache (Bettsnacks) fragt, hat sie nur »Aha« gemacht.

Da wusste ich, dass sie schon wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgeht. Mamas Hobby ist nämlich, nach Sachen Ausschau zu halten, die erledigt werden müssen. Wie der Ausguck auf einem Piratenschiff. Nur dass sie nicht nach feindlichen Schiffen fahndet, sondern nach irgendwas zu tun. Sie meint zwar immer, sie sucht die Arbeit nicht, sondern die Arbeit findet sie. Aber wenn man mich fragt, ist Mama total arbeitsfixiert. Sie kann überhaupt nicht NICHTS tun. Sie kann noch nicht mal nur EINE Sache machen, mindestens zwei Sachen gleichzeitig müssen es schon sein. Besser noch drei bis sieben! Wenn sie fernsieht, strickt sie oder flickt Strümpfe und schreibt nebenbei auf einen Zettel, was sie einkaufen oder putzen oder bezahlen oder vorbereiten muss. Und dann kann es sein, dass sie mitten im Film aufspringt, um ihre Orchideen zu wässern oder das Backofenblech zu reinigen.

Das Dumme ist, dass Mama nicht nur Sachen findet, die sie erledigen muss, sondern auch jede Menge Zeug, das wir erledigen sollen. SUPERNERVIG!!! Besonders, wenn es um mein Zimmer geht.

Diesmal hat sie sich auf die Sachen fixiert, die auf dem Boden vor meinem Bett liegen – und die ich unbedingt brauche: Schulbücher, Stifte, Wasserflaschen, Lippenpflegestifte, Aufladekabel, die Ananas-Sonnenbrille (für Selfie-Nachrichten an Celine), das Erdnuss-Anzuchtset, das ich letztes Jahr zum Geburtstag bekommen hab und bald unbedingt ausprobieren will, und die coole Stinkewinkekatze (Winkekatze mit Stinkefinger), die mir Azra geschenkt hat. Sogar die leeren Verpackungen von den Süßigkeiten brauche ich, weil ich ja gerade an einer Liste der besten Bettsnacks arbeite. Aber Mama meinte natürlich, alle diese wichtigen Sachen wären UNORDNUNG. Zum Glück war ich auch auf diese Attacke vorbereitet. »Mama«, hab ich sie korrigiert, »das ist keine Unordnung, das ist eine Kunstinstallation.«

Da hat sie mich ziemlich verdutzt angeglotzt.

»Das ungemachte Bett der Künstlerin Tracey Emin ist vor ein paar Jahren für 3,2 Millionen Euro versteigert worden«, hab ich erklärt. »Und da waren sogar Schnapsflaschen und benutzte Kondome drin.«

»Ach du meine Güte«, hat Mama gestöhnt und den Kopf geschüttelt. »Kind, du treibst mich in den Wahnsinn.«

»Nein, in den Reichtum treibe ich euch. Ich werde von meinem ungemachten Bett Fotos machen und als Kunstobjekt auf eBay versteigern und einen Haufen Geld verdienen.«

Das hat Mama komischerweise gar nicht überzeugt. »Du räumst jetzt auf«, hat sie mit ihrer Schluss-mit-lustig-Stimme gesagt.

Und da wurde es Zeit für einen Profi-Chill-Trick. »Klar, Mama, natürlich räum ich den Müll auf«, hab ich sie beruhigt.

Profi-Chill-Trick Nr. 18: Wenn dich jemand zu irgendeiner lästigen Pflicht auffordert, kannst du mit Antäuschen von Aktivität einen Zeitaufschub rausholen. Manchmal kannst du die lästige Person und/oder unangenehme Pflicht damit auch komplett loswerden.

Ich hab so getan, als würde ich aufstehen, und gleichzeitig eine Hand nach der Verpackung von den Schokoküssen ausgestreckt.

Mama hat zufrieden aufgeatmet und ist raus. Ich hab mich schnell zurück in meine Kissen fallen lassen – aber diese Frau (auch genannt Mama) kennt mich offensichtlich besser, als ich geahnt hab. Und sie ist viel durchtriebener, als ich geahnt hab!!! Denn sie hat das Rausgehen auch nur ANGETÄUSCHT! Und ist nur ein paar Sekunden später schon wieder reingesprungen, um mir 1.000 Befehle zu geben. Okay. Es waren vielleicht nur drei (Müll aufräumen, aufstehen, fertigm-) … oh, schon fast halb sechs! Ich sollte wahrscheinlich besser aufstehen. Sonst flippt Mama gleich wieder aus, weil ich nicht ordentlich frisiert bin.

Ist das zu fassen, wie viel Lebenszeit man mit Haare kämmen und waschen und föhnen verschwendet? Meine Haare sind schulterlang und ziemlich dick und ich brauche eine Ewigkeit, um sie zu trocknen und zu kämm… Oh Mann! Hab auf einmal einen Geistesblitz. Ich hab doch da neulich diesen Clip gesehen über diese extrem praktische Choppy-Cut-Frisur.

Donnerstag, 24. März, 17.57 Uhr

Ich liege wieder im Bett, aber mir klingeln noch die Ohren von dem Geschrei. Dabei wachsen Haare doch nach!

Ist ja nicht so, dass ich mir einen Finger abgeschnitten hätte. Als Mama mir die Schere entrissen hatte, hab ich auch versucht, ganz vernünftig mit ihr zu reden. Wie praktisch eine Kurzhaarfrisur ist und dass ich alles genau nach dem super Tutorial geschnitten hätte, was ich neulich gesehen hätte. Wobei ich mich natürlich viel besser an die Anleitung hätte halten können, wenn ich mein Handy gehabt hätte. (Da sieht sie mal, welche Folgen Handy-Entzug haben kann. Darüber sollten Eltern mal nachdenken!) Aber Mama hat überhaupt nicht zugehört, sondern nur auf den Berg Haare auf dem Boden gestarrt und unzusammenhängendes Zeug gebrabbelt, von wegen »das darf nicht wahr sein«.

Dabei war es doch Mamas Idee, dass ich produktiver werden soll. Außerdem bin ich jetzt viel schneller fertig mit Frisieren, hab ich betont. »Und es ist toll geworden, findest du nich

Donnerstag, 24. März, 18.46 Uhr

Nein. Mama fand nicht, dass es toll geworden ist. Ich sitze jetzt im Auto auf dem Weg zu Oma und Opa.

Mama stöhnt, dass wir zu spät dran sind, und wirft biestige Blicke nach hinten. Aber ich halte mich an Profi-Chill-Trick Nr. 3: Sich über die schlechte Laune von anderen nicht aufregen.

Deswegen hab ich ihr einfach geraten, sich zu beruhigen, weil Tante Monika mit Sicherheit auch zu spät kommt und Oma und Opa das sowieso gewohnt sind. Mama hat noch ein paar Mal gestresst geatmet, guckt aber wenigstens nicht mehr wütend. Dabei ist es sowieso ihre Schuld, dass wir zu spät losgefahren sind. Sie wollte ja unbedingt noch mit mir zum Friseur!

Weil sie meinte, ich könnte so auf keinen Fall mit zu Oma und Opa gehen und auch nicht in die Schule.

Ich würde aussehen, als ob ich einen Unfall mit einer Heckenschere gehabt hätte, hat sie gemeint.

Pah! Mama hat keine Ahnung von neuesten Haartrends.

Das hab ich ihr zwar nicht gesagt, aber versucht, sie von der Friseuridee abzubringen. Weil: Natürlich kann ich so zur Schule gehen. Aber Mama wusste es mal wieder besser und hat keine Widerrede geduldet und mich zum Friseur um die Ecke geschleppt, wo Laurenz und Papa sich die Haare schneiden lassen.

»Notfall, Selim«, hat Mama gestöhnt. »Frida hat eben beschlossen, sich im Alleingang eine neue Frisur zu verpassen.« Sie hat das so gesagt, als hätte ich ein Verbrechen begangen.

Selim hat mich angelächelt. »Aahh, du bist das also.«

Was soll das denn heißen und was haben Mama, Papa oder Laurenz alles über mich erzählt, wollte ich fragen, aber da hat Selim schon erklärt:

»Du schlenderst immer so entspannt über den Bürgersteig. Das ist mir aufgefallen.« Er hat mir einen schwarzen Umhang umgehängt.

»Kriegst du das hin?«, hat Mama flehend gefragt.

»Sie hat einfach mit der Schere …«

Selim ist mit dem Kamm durch meine Haare, was sich total seltsam angefühlt hat, weil sie so kurz sind.

»Na klar«, hat er gesagt. »Die Vorarbeit war schon sehr gut. Und den Rest schaffen wir auch noch.«

Während Selim geschnitten hat, hat Mama alle paar Sekunden auf die Uhr geschielt. Aber Selim hat sich nicht hetzen lassen. Das war mir natürlich sympathisch! Denn: Profi-Chill-Trick Nr. 1: Sich nicht hetzen lassen. Von niemandem!

Ich muss zugeben, Selim hat meine Frisur noch besser gemacht. Ich hab jetzt auf der rechten Seite einen Undercut, da sind die Haare richtig kurz rasiert. Links sind die Haare etwas länger und ich kann sie entweder glatt zur Seite kämmen oder auch wuschelig frisieren. Sieht super aus, finde ich!

Selim hat mir noch eine Dose Haarpuder geschenkt.

Für den Out-of-bed-Look. Wie für mich gemacht!