Glimmer Gossip (3). Drei Freundinnen und ein klitzekleiner Skandal - Emma Flint - E-Book

Glimmer Gossip (3). Drei Freundinnen und ein klitzekleiner Skandal E-Book

Emma Flint

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Beschreibung

Jede Menge Peinlichkeiten, Gefühlschaos, Gossip und ein rätselhafter Geheimclub auf Schlossinternat Sandsgarden! Wo herrscht Chaos jetzt und immer? Ist doch klar: bei Lexi Glimmer! Fiese Gerüchte am Eliteinternat Sandsgarden? Interessieren Lexi nicht mehr. Ein Geheimbund, der Springbrunnenmassaker veranstaltet? Lexi egal. Sie muss sich um die wichtigen Fragen kümmern. Wie zum Beispiel, ob Schulschwarm Jack wirklich in sie verliebt ist oder nicht. Aber dann nimmt Buzz XX Lexi persönlich ins Visier. Und der Geheimclub lässt auch nicht locker. Es hilft nix! Dann steht neben der Suche nach dem Verfasser der Gossip-Nachrichten also ab jetzt auch noch "Einschleichen in einen Geheimclub" auf Lexis Stundenplan. Dumm nur, dass sie dazu die Hilfe von Ekelpaket Enno braucht. Und noch dümmer, dass es auf einmal aussieht, als wäre sie an Enno interessiert. Dabei führt ihr Herz doch nur für einen aufgeregte Trommelwirbel auf … In Emma Flints Serie Glimmer Gossip geht es megaspannend weiter! Wenn du auf witzig-spritzige Internats- und Freundschaftsgeschichten mit jeder Menge Chaos und Peinlichkeiten stehst, bist du hier genau richtig! Exklusive Einblicke in Lexi Glimmers Tagebuch und in streng geheime Protokolle … füralle ab 10 Jahren Weitere Titel von Erfolgsautorin Emma Flint: Mein Leben ist ganz großes Kino (nur leider bin ich im falschen Film) Knalltütenwunder. Was nicht ist, kann ja noch peinlich werden! Für mein Leben seh ich kunterbunt (wenn ich nur erst den Durchblick hab) Ich glaub, es glitzert! Jedes Chaos fängt mal klein an Mein Leben voller Feenstaub und Konfetti (schön wär's!) Jungs verstehen das nicht! Glimmer Gossip (Bd. 1): Ein Geheimnis und ein perfektes Desaster Glimmer Gossip (Bd. 2): Zwei Verliebte und ein brillanterBetrug

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Seitenzahl: 406

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Emma Flint,

geboren 1975, arbeitete schon als Hausbotin, als Bademeisterin, als Basketballtrainerin, als Regaleinräumerin im Supermarkt und als Fernseh- und Radioreporterin, bevor sie anfing, Bücher zu schreiben. Wobei ihr Letzteres eindeutig am meisten Spaß macht. Flint lebt mit ihrer Familie in Köln.

Weitere Bücher von Emma Flint im Arena Verlag:

Jungs verstehen das nicht!

Mein Leben voller Feenstaub und Konfetti

Ich glaub, es glitzert!

Für mein Leben seh ich kunterbunt

Knalltütenwunder

Mein Leben ist ganz großes Kino

Glimmer Gossip (1):Ein Geheimnis und ein perfektes Desaster

Glimmer Gossip (2):Zwei Verliebte und ein brillanter Betrug

Ein Verlag in der Westermann Gruppe

1. Auflage 2024

© 2024 Arena Verlag GmbH

Rottendorfer Str. 16, 97074 Würzburg

Alle Rechte vorbehalten.

Der Verlag behält sich eine Nutzung des Werkes fürText und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

Cover und Innenvignetten: Eva Schöffmann-Davidov

Umschlaggestaltung: Juliane Lindemann

Lektorat: Eva Hierteis

Layout und Satz: Malte Ritter

E-Book-ISBN 978-3-401-81090-4

Besuche uns auf:

www.arena-verlag.de

@arena_verlag

@arena_verlag_kids

Lexi Glimmers gute Vorsätze fürs neue Jahr:

–Mit

Joggen

anfangen

–Mehr Gemüse und Obst essen

–Im Unterricht

und

im Privatleben nur noch UNGLAUBLICH QUALIFIZIERTE BEMERKUNGEN von mir geben und einen Ruf als

Musterschülerin

und

kompetente Ratgeberin

aufbauen

–Beim Berufspraktikum Ende Januar den Grundstein für eine fette Karriere legen

–Nicht mehr lange grübeln, sondern entschlossen die richtige Entscheidung treffen

–Keine Nachforschungen, die nur Ärger einbringen, sondern Konzentration auf die WICHTIGSTE MISSION:

Jacks

mysteriöses Verhalten aufklären.

Warum er mit unserer Deutschlehrerin im Auto rumfährt, zum Beispiel. Und ob er wirklich in mich verliebt ist, wie

Holly

behauptet.

–Zweitwichtigste Mission:

Mein mysteriöses Verhalten aufklären.

(Herausfinden, ob ich wirklich in

Jack

verliebt bin, wie

Holly

auch behauptet.)

–Mission außer Betrieb:

Buzz

XX

. Solange ich nicht wieder selbst verdächtigt werde, verschwende ich keine Zeit mehr mit der Suche nach diesem miesen kleinen Gerüchteschreiber.

–Keine Recherchen zur Bruderschaft der Henker von Tugend und Moral! Ob sie wirklich für das Springbrunnenmassaker an Nikolaus verantwortlich ist, können andere aufklären. Meinetwegen auch

Creepy

-Enno, der so versessen ist darauf!

Von dem halte ich mich auch fern!

–Das Orakel von Silvester entschlüsseln. (Die Interpretationen des Klumpens, den ich beim Wachsgießen aus dem kalten Wasser gefischt habe, schwanken zwischen »schöner Laib Brot« (Wirklich, Tante Kirsten? Wirklich?), »pakistanische Kakerlake ohne Beine« (Mama, nach einem Pfund Marzipankartoffeln und drei Gläsern Sekt), »Eclair-Unfall« (Ferndiagnose von

Holly

, haha), »Flummi in der Mikrowelle« (

Jack

per Textnachricht aus dem Skiurlaub) und »Kussmund« (Ophelia, lächerlich). Wie soll ich denn aus diesen widersprüchlichen Auslegungen ablesen, was die Zukunft für mich bereithält?

–Das Chaos endgültig hinter mir lassen!

Silvester, 1. Januar (seit genau 48 Minuten), Norderney

OMG! Das neue Jahr fängt SPEKTAKULÄR an.

1.Ich habe gute Vorsätze gemacht. Gute Vorsätze sind ein Zeichen von innerer Reife und Erwachsensein. (Behaupte ich einfach und wer will mir widersprechen in meinem eigenen Tagebuch!)

2.Meine guten Vorsätze sind

richtig gut

. (Könnten von mir sein, haha.)

3.Aber das ALLERBESTE ist: Ich habe schon EINEN GUTEN VORSATZ in die Tat umgesetzt!!!

(Nein, es ist nicht das Gemüse und auch nicht das Joggen, sondern …)

… meine Hand zittert ein bisschen, weil ich so aufgeregt bin und mein Herz auch so komische Hüpfer macht und …

Beruhig dich, Lexi, und schreib es einfach. Okay. Hier kommt’s:

Ich weiß jetzt hundertprozentig, dass Jack Sainsbury in mich verliebt ist.

Es ist nicht länger nur Hollys Meinung. Nein, es ist offiziell.Jack hat mir nämlich eine Nachricht geschickt! Eine richtige echte Liebeserklärung. Sie kam eben mit den anderen Neujahrswünschen. Dauernd pingte mein Handy, als die ganzen Texte und lustigen Fotos von meinen Freundinnen eintrudelten. Und mittendrin die Liebesbotschaft von Jack! Schon gestern Nachmittag hatte ich ein Selfie von ihm beim Kaiserschmarrn-Essen in der Skihütte bekommen. Und eben kam das hier:

I love you, Babe! Kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen!

Ich fühle mich, als wäre ein Chinakracher in meinem Kopf explodiert. Weil: Holly hat behauptet, dass ich auch in Jack verliebt wäre. Und ich glaube langsam, sie hat recht damit!

Aber wenn er in mich verliebt ist und ich wirklich in ihn, dann könnte es ja sein … dann wäre es möglich … haarsträubend zwar … und vermutlich extrem gefährlich … aber eigentlich ja auch der Sinn der Sache, wenn zwei ineinander verliebt sind, und irgendwie normal, auch wenn es mir überhaupt kein bisschen normal erscheint, wenn am Ende dabei rauskommt, dass wir beide wirklich vielleicht auf einmal EIN PAAR wären.

Hier hätte ich schon merken müssen, dass es keine gute Idee ist, eine Anderthalb-Liter-Flasche Cola alleine zu trinken.

Vor lauter Aufregung bekomme ich Schnappkichern. Das ist wie Schnappatmung in lustig. OMG! Das neue Jahr wird fantastisch und Jack und ich vielleicht ein Paar! Soll ich ihm antworten? Und wenn ja, was soll ich ihm schreiben? Etwa, dass ich ihn auch liebe? Schluck! Das macht mir ein bisschen Angst. Was heißt ein bisschen? Es macht mir Stochastik-binomische-Formel-Mathearbeits-ANGST!

Ich im Jack-Sainsbury-Fanclub?Vielleicht sogar erste Vorsitzende?Wie PEINLICH wäre das denn?

Immer noch Silvester, 1. Januar (seit einer Stunde und elf Minuten)

Ich habe mir vorgenommen, mich zu einer kompetenten Ratgeberin zu entwickeln. Also fange ich gleich mal damit an, mir selbst kompetente Ratschläge zu geben:

1.Eine Liebeserklärung ist kein Grund zur Panik!

2.Denk in Ruhe nach, ob du wirklich in

Jack

verliebt bist!

3.Trink Cola, dann bleibst du länger wach und kannst

länger

besser nachdenken!

4.Und nimm auch noch ein paar Flips, das schmeckt super zusammen.

Okay. In Ruhe nachdenken. Mach ich. Cola trinken. Mach ich auch. Flips futtern. Check. Falls hier Fettflecken draufkommen, ich war’s nicht. Die Flips waren’s. Hihi.

Zurück zu Jack. Fakt ist: Ich war noch nie verliebt. Keine Ahnung, wie sich das anfühlt. Aber: Jack und ich hatten viel Spaß beim Detektivspielen und ich mag seinen Sonnenmilchurlaubsduft und seinen Teddybärenblick, manchmal jedenfalls. Natürlich war es zwischendurch nervig und kompliziert und manchmal wollte ich Jack den Hals umdrehen. Aber in letzter Zeit war mir mehr danach, seinen Duft zu schnuppern und meine Hand auf seinen Arm zu legen und ihm in die schokoladenbraunen Augen zu schauen. Was ich nur nicht getan habe, weil es ja wohl nichts Peinlicheres gibt, als jemanden öffentlich anzuhimmeln. Erstaunlicherweise kriegen das manche gut auf die Reihe. Finkman und Rose zum Beispiel. Die sind jetzt zusammen. Sie halten Händchen, Finkman labert über Kupferspiegelenten und Schneekraniche und Rose kichert bewundernd und bastelt Schwäne aus Büroklammern. Und obwohl das alles ziemlich schräg ist, sind sie echt süß zusammen. Und ich könnte natürlich ewig grübeln über Jacks seltsames Verhalten und meine zahlreichen Macken, aber das will ich gar nicht. Wenn Finkman und Rose das schaffen, können Jack und ich das auch! Holly war schon vor den Weihnachtsferien so überzeugt davon, dass Jack in mich verliebt ist und ich in ihn, das muss doch stimmen!

Ich starre noch mal auf Jacks Nachricht.

I love you, Babe! Kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen!

Schade, dass er kein Profilbild hat, sondern nur diesen grauweißen Platzhalter. Ein Foto von ihm neben dieser tollen Liebeserklärung wäre noch besser. Und dann das Babe. So hat er mich noch nie genannt! Mein King of Kosename. Ich sehe ihn vor mir, wie er die Haare aus der Stirn streicht, und es prickelt richtig in mir. Oh, Jack, Jack, Jack. Ich könnte seinen Namen hier eine Million Mal schreiben. Ich bin auch NULL müde. Sondern eher aufgekratzt. Total aufgeputscht bin ich! Voller Energie und sprudelnder Freude! Und das sagt mir, dass Holly WIRKLICH recht hat:

Ich bin in Jack verliebt.

Und weil ich im neuen Jahr das Zaudern ablegen und Entscheidungen entschlossen treffen möchte, werde ich Jack jetzt antworten. Zumindest probiere ich aus, wie eine Antwort aussehen könnte, und tippe versuchsweise: Ich liebe dich auch, Babe. Ich schicke das aber natürlich nicht sofort … ups.

Gute Vorsätze zum Jahresbeginn sind Schwachsinn. Wenn man was anders machen will, soll man es einfach in die Tat umsetzen. Und es sich nicht umständlich vornehmen und am besten noch rumposaunen, was man alles Tolles tun will. Wenn das nicht klappt, steht man richtig blöd da. UNNÖTIGER FRUST!

Ich habe jedenfalls für das neue Jahr kein anderes Ziel als bisher: auf Sandsgarden bleiben. Dafür muss ich die Voraussetzung für das Stipendium erfüllen, das mir die Iris-Mecklenburg-Stiftung verliehen hat. Und dafür muss ich

1.unter die drei Jahrgangsbesten kommen,

2.mich an die Schulregeln halten.

Zu Punkt 1: Läuft nach Plan. Ich habe alles nachgearbeitet, was ich auf meiner alten Schule nicht durchgenommen hatte. Zum Halbjahreszeugnis möchte ich auf einen 1,3-Schnitt kommen, bis zum Schuljahresende auf 1,0. Dann wäre ich total safe.

Zu Punkt 2: Keine Frage, dass ich mich an die Schulregeln halte. Das Problem ist, dass andere das nicht immer machen und mich mit reinziehen. Damit das nicht mehr passiert, werde ich mich von allen Schwierigkeiten fernhalten. Besonders von Leuten, die bekanntermaßen Stress bedeuten. Auf meiner schwarzen Liste der Stressmacher stehen derzeit zwei Personen: Arjen (oder wie ihn meine Freundinnen nennen: Arjen Dewitz, zukünftiger Graf von Hagebronn). Obwohl er mit Oberzicke Chloé van Cleef zusammen ist, hat er eine fast unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich. Ihm muss ich aus dem Weg gehen. Genau wie meiner großen Schwester. Zum Glück ist Marina wieder aus Sandsgarden verschwunden. Denn: Wenn es eine Universität für Stressmacher gäbe – Marina könnte sie leiten.

Solange es also nicht wieder unvorhergesehene Überraschungen gibt, kann ich mich auf meine Noten konzentrieren. Dafür lerne ich an den Wochenenden und in den Ferien und meinetwegen auch nachts. Nur heute habe ich mir freigegeben, denn es ist Silvester. Ich bin im Schloss, in unserem Apartment. Ich finde es super, dass wir auch in der schulfreien Zeit im Internat wohnen dürfen. Diese Regelung ist zwar für die vielen internationalen Schüler eingerichtet worden, die nicht in ihre Heimatländer fliegen können, aber ich bin darüber auch sehr froh. Ich wollte nicht in unsere enge Wohnung zurück. Da gibt es kaum Platz zum Lernen, weil sie so klein und vollgestopft ist. In Sandsgarden dagegen habe ich einen großen Schreibtisch, meine Bücher, eine Bibliothek – und Ruhe. Meine drei Mitbewohnerinnen sind nämlich weg, im Urlaub oder bei ihren Familien. Obwohl ich sie auch ein bisschen vermisse, ist es schön, eine Zeit lang auf das typische Lexi-Holly-Ophelia-Chaos zu verzichten. Jetzt sind die einzigen Geräusche in unserem Gemeinschaftsraum das Gurgeln der Kaffeemaschine und das Brummen des Kühlschranks. Genau richtig zum Lernen und Fernsehen in den Pausen. Ophelia hat unseren Gemeinschaftsraum mit einem Flachbildschirm ausgestattet und ein Sofa anschleppen lassen, auf das ich mich kuschele, zusammen mit Pfefferminzschokolade und einem großen Milchkaffee. Opi hat auch diverse Streamingdienste abonniert. Da wir zu Hause so was nie hatten, staune ich über die gigantische Auswahl. Erst wollte ich eine Krimiserie gucken, aber dann bin ich bei einer Familiengeschichte hängen geblieben. Die Serie dreht sich um eine Familie mit drei Kindern, von denen eins adoptiert ist – ein schwarzer Junge in einer weißen Familie. Jeder in der Familie hat seine eigenen Probleme, aber trotz vieler Dramen halten sie am Ende immer zusammen. Ich weiß nicht, warum mich das so fasziniert. Vielleicht, weil ich so ein Familienleben nicht kenne, wo die Eltern sich lieben und der Vater mit den Kindern zum Campen fährt und die Mutter Kuchen backt und Schlaflieder singt. Am Ende der Folge eben musste ich sogar heulen. Das sieht mir gar nicht ähnlich! Ich bin sofort ins Bad gegangen und hab mich im Spiegel betrachtet, ob ich mich noch wiedererkennen konnte. Ob ich noch ich war! Aber außer dass mein Pony so lang geworden ist, dass er mir fast in die hellgrauen Augen hing, sah ich aus wie immer: schwarze, schulterlange Haare, etwas weit auseinanderstehende Augenbrauen, herzförmiger Mund. Und obwohl ich jeden zweiten Tag laufen gehe: ziemlich blasse Haut. Ich musste grinsen, als mir einfiel, wie Ophelia das ausgedrückt hatte: Mit meinen schwarzen Haaren und dem Porzellanteint hätte ich so eine Schneewittchen-Ausstrahlung. Schneewittchen! Meine beste Freundin Trix lacht sich kaputt, wenn sie das hört. So redet bei uns zu Hause keiner. Schneewittchen, my ass.

Ich schnappte mir die Schere und schnitt mir den Pony, sodass er nur noch bis zu den Augenbrauen reichte, und dachte über Veränderungen nach. Das neue Jahr brach in zwei Stunden an und wenn alles gut lief, würde ich es hier verbringen, genau wie die nächsten zweieinhalb bis zum Abitur. Würde Sandsgarden mich zu einem anderen Menschen machen? Jetzt schon merkte ich, dass ich mich verändert habe. Mich an meine Umgebung angepasst habe. Ich denke nicht mehr jeden Tag darüber nach, wie anders Sandsgarden ist als mein altes Zuhause. Und ich kann mittlerweile gut schlafen und die nächtliche Stille, die sich am Anfang so verdächtig angehört hat, stört mich nicht mehr.

Noch vor dem Spiegel überlegte ich, ob ich mir eine weitere Folge This is us gönnen sollte, auf die Gefahr hin, dass ich wieder emotional werden würde.H E U L E NB E I MF E R N S E H E N !Also echt. Was kommt als Nächstes, Juna Eichinger? Erzählst du deinen Freundinnen alle deine Geheimnisse? Wirst du anfangen, dich mit Schminke zuzuspachteln? Oder irgendwann dein sauer verdientes Geld für Klamotten auszugeben oder für sauteure Cremes wie Ophelia? Ich musste ein bisschen lachen bei der Vorstellung.

Entschlossen schnitt ich noch einen Fingerbreit von meinem Pony ab, sodass er jetzt in der Mitte der Stirn endete. Einfach darum. Während ich die letzten Millimeter kürzte, klingelte mein Handy. Es war Marinas Klingelton, Hypnotize von Notorious B.I.G. Vor Schreck rutschte ich mit der Schere ab und säbelte eine Strähne weg, die ich eigentlich gut hätte gebrauchen können. So für die Symmetrie.

Ich ließ die Schere sinken. Drangehen oder nicht?

Ich wollte am liebsten gar nichts von ihr hören, weil sie bestimmt wieder mit irgendeiner unsinnigen Idee kommen würde. Wie in die Grafenvilla der Hagebronns einzubrechen, zum Beispiel. Hatte sie mich ernsthaft schon gefragt! Ein Vorschlag, wie ihn nur Marina Eichinger machen konnte. Ich seufzte. Besser mit ihr sprechen, um sie auf Abstand zu halten. Also drückte ich auf den grünen Button, doch bevor ich überhaupt was sagen konnte, keuchte sie schon: »Mach die Tür auf. Schnell. Diese verdammte Zwischentür zu eurem Stock ist abgeschlossen.« Fuck. Sie war hier! Im Schloss. Bitte nicht! Der Albtraum ging von vorne los!

Immer noch Silvester, 1. Januar (seit einer Stunde und 37 Minuten), Norderney

Ich habe Jack also geschrieben, dass ich ihn auch liebe. Das war richtig. Vielleicht ein bisschen übereilt, aber richtig. Weil ich ja wirklich in ihn verliebt bin. Ganz sicher. Tausendpro. Das neue Jahr wird fantastisch. Mein Herz klopft ganz doll vor lauter Freude. Die Flips sind alle, die Colaflasche auch. Mein Bauch ist voll. OMG. Ich merk jetzt erst, wie voll der ist. Ich glaub, so voll war er noch nie. Am besten gehe ich ins Bett. Und morgen beginnt das neue Jahr dann so richtig. Ich freu mich drauf!

Immer noch Silvester, 1. Januar (seit zwei Stunden und 13 Minuten), Norderney

Ich muss zwar gähnen wie ein Nilpferd mit Maulsperre, aber ich kann kein bisschen schlafen und wälze mich in meinem Bett hin und her. Mein Bauch gluckert. Wie viel Koffein hat eigentlich so eine Riesenpulle Cola? Vermutlich genug, um eine Elefantenherde zum Sambatanzen zu bringen. Kein Wunder, dass ich eben so einen schnellen Finger hatte beim Abschicken der Nachricht. Was mich jetzt, je länger ich darüber nachdenke, noch unruhiger macht. Soll ich meine Liebeserklärung besser wieder löschen? Hm. Die Nachricht ist noch als ungelesen angezeigt. Aber vielleicht hat er sie schon in der Vorschau gesehen und dann wäre es erst recht peinlich, sie zu löschen.

Oh! Auf einmal fällt mir was auf. Über der Nachricht steht gar nicht der AccountnameCapt’n Jack, wie ich ihn abgespeichert habe. Ich hab eben nur auf das leere Profilbild geachtet, weil Jack der einzige von meinen Kontakten ist, der kein Foto von sich eingestellt hat. Hm. Aber jetzt sehe ich, dass über dem Account nur eine Nummer steht und kein Name. Und die Nummer hat zwar die gleiche Vorwahl wie Jack, ist aber eine andere. Ähhhhh … das würde aber bedeuten: Die Liebeserklärung wurde gar nicht von Jacks Telefon geschickt. Sondern von einem anderen. Häääää? Wieso hat Jack das denn gemacht? Oder – und jetzt bekomme ich wirklich Schnappatmung – oder hat Jack mir gar nicht geschrieben, sondern etwa … jemand ganz anderes?????

Immer noch Silvester, 1. Januar (seit zwei Stunden und 44 Minuten), Norderney

Ich hab jetzt eine halbe Stunde aus dem offenen Fenster meiner Dachkammer auf die Dünen gestarrt, die in der Dunkelheit nur große Schatten sind. Aber ich weiß ja, dass sie da sind. Die kühle Meeresluft hat mir gutgetan. Bin schon etwas ruhiger geworden. Auch wenn es verhext ist! Das Jahr ist noch keinen Tag alt und schon warten neue Rätsel auf mich. Dieses Rätsel heißt: Wer hat mir die Liebeserklärung geschickt? Und wem hab ich mit einer Liebeserklärung geantwortet?

War es Jack, der sich ein zweites Telefon zugelegt hat? Holly war es jedenfalls nicht, die war noch wach. Opi hab ich nicht erreicht, die ist in New York unterwegs. Jack hat sein Capt’n-Jack-Handy ausgeschaltet, was ich gemerkt habe, als ich ihm eben auf dieser Nummer eine neue Nachricht geschickt habe. Da hab ich natürlich nichts von Liebe geschrieben und nicht mal irgendwelche Herz- oder Kuss-Emojis benutzt. Ich hab ihm einfach ein frohes neues Jahr gewünscht unter einem Foto von dem Krabbenbrötchen, das ich gestern zum Mittag hatte. Krabbenbrötchen-Fotos gehören definitiv zu den harmlosesten Nachrichten. Daraus lassen sich keine peinlichen emotionalen Verwicklungen ablesen! Weil von Gefühlsverwirrung hab ich jetzt erst mal genug. Die unbekannte Nummer hat sich noch nicht wieder gemeldet. Von draußen höre ich die Wellen rauschen. Sie rauschen immer, egal, was an Land und in meinem Leben passiert. Sie werden auch morgen noch rauschen und übermorgen und in tausend Jahren. Irgendwie beruhigt mich diese Vorstellung. Ich schalte jetzt mein Handy aus und schlafe endlich. Im neuen Jahr wird sich alles aufklären.

Marina war also wieder da! Schon einmal hatte sie mich mit ihrem unangekündigten Auftauchen in Sandsgarden geschockt. Vor zwei Monaten hatte sie sich als Hausmädchen in der Grafenvilla eingeschlichen, mit gefälschten Arbeitszeugnissen und unter einem anderen Namen. Maria Fritsch anstatt Marina Eichinger. Das konnte nichts Gutes bedeuten, das ahnte ich sofort. Und ich hatte leider recht! Anfang Dezember musste sieH A L SÜ B E RK O P Fabhauen, nachdem sie in der Grafenvilla ein wertvolles Gemälde geklaut hatte. Außerdem hat sie das Diadem meiner Zimmergenossin Ophelia gestohlen. Wobei ich wohl schreiben müsste: Sie hat mutmaßlich diese Diebstähle begangen, so heißt es doch, wenn man zwar weiß, wer es war, aber noch kein Richter das Urteil gesprochen hat – und die Beschuldigte die Tat hartnäckig leugnet. Im Zweifel für den Angeklagten, einer der wichtigsten Grundsätze der Rechtsprechung. Den sich nur Leute ausgedacht haben können, die Marina nicht kennen.

Auf dem Weg bis zur Zwischentür überlegte ich fieberhaft, wie ich sie abwimmeln konnte. In einem Internat mit dreihundert Bewohnern konnte immer jemand auftauchen. Und ich konnte es mir nicht leisten, dass Marina hier gesehen wurde. Ich öffnete die Tür, die von außen mit einem Code-System gesichert war. »Marina«, setzte ich an, »das geht …«

… nicht, wollte ich sagen, da drängte sie sich schon an mir vorbei. Mit ihrem Motorradhelm und einer Reisetasche. Ich spürte die Dezemberkälte, die an ihr haftete.

»Marina«, rief ich ihr hinterher, aber sie steuerte auf unser Apartment zu, das sie ja von ihrem letzten Besuch kannte. »Du kannst nicht hierbleiben!«, rief ich, als ich ihr hineingefolgt war.

»Ja, auch schön, dich zu sehen, Schwesterchen.« Marina ließ ihre Tasche und den Helm fallen. »Hast du was zu essen? Ich sterbe vor Hunger. Am besten Suppe. Oder was anderes Warmes.« Ihre Zähne klapperten, als sie zum Kühlschrank ging und ihn öffnete. Als wäre sie hier zu Hause! Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht loszubrüllen. »Setz dich«, knurrte ich, »ich mach dir ein Butterbrot und dann musst du gehen.«

»Und einen Tee zum Auftauen. Bevor ich mich in einen Eiszapfen verwandele.« Sie zog sich die Stiefel aus und massierte ihre Füße, wobei sie ihre Handschuhe anbehielt.

»Von wo kommst du denn jetzt?«, fragte ich mürrisch, während ich Wasser aufsetzte.

»Von zu Hause. Ich musste bei Defne raus und wollte zu Mama, aber da stand ein Polizeiauto vor dem Haus und da bin ich weitergefahren. Und dachte, meine kleine Schwester will ganz bestimmt nicht, dass ich erwischt werde, also statte ich ihr einen Besuch ab und wir feiern zusammen Silvester.«

»Du bist den ganzen Weg mit deinem Motorroller gefahren?«, fragte ich.

»Nee, ich hab den Rolls Royce genommen«, gab Marina sarkastisch zurück. »Natürlich mit dem Roller, womit sonst?«

Ich goss einen Roibusch-Vanille-Tee auf, steckte zwei Toasts in den Toaster und versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben.

»Freust du dich gar nicht, mich zu sehen?«, beschwerte sie sich, als ich ihr die dampfende Tasse hinstellte. Sie schaute mich mit ihren braunen Augen und den geröteten Wangen an. Ihr blondes Haar war vom Fahrtwind zerzaust. Sie sah aus, als könnte sie keiner Fliege was zuleide tun.

Ich seufzte. »Du weißt, dass es nicht so einfach ist, sich über deinen Besuch zu freuen, Marina. Nach allem, was passiert ist.«

Besser hätte ich sagen sollen: Nach allem, was du angestellt hast. Aber sie verstand mich auch so.

»Ich war das nicht!« Sie lockerte den grün-blau-geringelten Schal um ihren Hals. »Ich hab weder dieses blöde Bild gestohlen noch das Diadem von deiner Freundin. Das habe ich dir hundertmal gesagt.«

»Ja, und wenn du nicht schon eine Million Mal gelogen hättest, würde ich dir vielleicht glauben.«

»Diesmal stimmt es wirklich!« Marina nippte an dem Tee und verbrannte sich die Zunge. »Aua … Ich hab es dir doch erklärt! Dieser Onkel war es, Richard, der Bruder der Gräfin. Er hat das Bild heimlich genommen, um es zu verkaufen. Und er hat den Diebstahl mir in die Schuhe geschoben, dieser verdammte Mistkerl.«

»Tja«, sagte ich spitz, »wenn du bei deiner Bewerbung als Hausmädchen dort nicht gelogen hättest, könntest du vielleicht deine Unschuld beweisen. Aber wenn man schon bei seinem Namen nicht die Wahrheit sagt, hat man es eben schwer.«

»Das hab ich doch nur für dich getan!« Sie setzte ihre beste Unschuldsmiene auf. »Damit sie nicht auf die Idee kommen, so ein Brainy wie du hätte so eine Schwester wie mich. Gut aussehend und clever, aber eben nur die Putzfee.«

Ich schnaubte vorE M P Ö R U N G.Als ob ich was gegen irgendeinen ehrlichen Beruf hätte! Wütend schmierte ich Butter und Marmelade auf die beiden Toasts. »Es ist mir völlig egal, womit du deinen Lebensunterhalt verdienst. Solange du niemanden betrügst oder bestiehlst oder anlügst!«, brummte ich und stellte ihr den Teller auf den Tisch.

»Manchmal muss man eben lügen, um das Richtige zu tun«, widersprach Marina und schlang den ersten Toast so schnell herunter, dass ich ihr direkt zwei neue machte. Ich betrachtete, wie die Glühdrähte des Toasters sich orange färbten. Natürlich wäre mir am liebsten, wenn Marinas Unschuld bewiesen würde. Dann müsste ich auch keine Angst mehr haben, dass die Grafenfamilie herausfindet, dass sie meine Schwester ist. Aber wie sollte das gehen, wo sie doch mit großer Wahrscheinlichkeit schuldig war!

Arjen hatte mir gesagt, dass die Familie Hagebronn einen Privatdetektiv eingeschaltet hatte. Angeblich auf Anraten von Richard, der überzeugt gewesen war, dass ein Detektiv schneller Erfolge erzielen würde. Ob die Familie auch die Polizei verständigt hatte, wusste ich nicht. Immerhin hatte es bisher keine offiziellen Ermittlungen im Internat gegeben. Soweit ich wusste, jedenfalls.

»Das Bild ist hundertpro noch in der Villa«, sagte Marina, als ob sie meine Gedanken erahnen konnte. »Ich würde an Richards Stelle auch mit dem Verkauf warten, bis die Polizei oder der Detektiv sich anderen Fällen zuwenden.«

Sie hatte bereits kurz nach ihrem Verschwinden aus Sandsgarden die irrsinnige Idee geäußert, das Bild auf eigene Faust wiederzubeschaffen. Indem sie es zurückklaut und so Richard überführt.

»Ich breche nicht in die Villa ein, Marina, das hab ich dir schon mal gesagt. Ein Verbrechen kann man nicht durch ein weiteres Verbrechen aufklären.«

»Dann mache ich es eben allein«, sagte Marina patzig. »Trix ist auf dem Rückweg von Spanien. Sobald sie mir hilft, die Alarmanlage auszuschalten, ziehe ich das durch.«

Auch das noch. Ich meine, natürlich freute ich mich, wenn Trix wieder da wäre. Aber dass Trix ihr nicht helfen konnte, war für Marina bisher der Grund gewesen, den Einbruch nicht durchzuziehen. Und da Trix nicht gerne Nein sagte und Marina sehr überzeugend sein konnte, wusste ich nicht, ob Trix ihr lange widerstehen konnte. Verdammt. Das neue Jahr hatte noch nicht angefangen und die Probleme tanzten schon wieder an.

Marina trank den letzten Schluck Tee und stand auf. Da sie immer noch ihre Jacke trug, hatte ich für einen kurzen Moment die Hoffnung, sie würde von allein einsehen, dass sie nicht hierbleiben konnte. Aber dann fragte sie: »Ist da das Bad?« Bevor ich antworten konnte, war sie schon darin verschwunden.

Ich ließ mich am Tisch nieder und vergrub den Kopf in den Händen. Obwohl ich ihr nicht glaubte, streifte mich kurz der Gedanke, dass sie doch die Wahrheit sagen könnte. Das wäre zwar etwas ganz Neues, aber vielleicht war sie wirklich reingelegt worden. Und wenn das tatsächlich so war, müsste es eine Möglichkeit geben, das zu beweisen. Ohne Einbruch oder sonstige kriminelle Aktivitäten. Vielleicht hatte Trix eine Idee und konnte mit ihren Computerkenntnissen helfen, wenn sie wieder da war. Blieb die Frage, was ich mit Marina machen sollte. Heute konnte ich sie nicht vor die Tür setzen. In einer Stunde war Mitternacht, es war eiskalt draußen, also würde sie hier schlafen und morgen könnte ich weitersehen. Immerhin waren wir allein, dachte ich erleichtert – als es an der Tür zu unserem Apartment klopfte.

Montag, 1. Januar (aber jetzt richtig), Norderney

Hab eine Ewigkeit geschlafen und meine Eltern haben mich auch nicht geweckt fürs Frühstück. Jetzt sind sie am Strand und ich hab mir ein Butterhörnchen, ein Schokocroissant und ein Glas Orangensaft mit in mein Zimmer genommen. Eine Handvoll Kirschtomaten hab ich direkt in der Küche gegessen, weil ich mich natürlich an meine guten Vorsätze halte, selbst an die, die mit Gemüse zu tun haben. Es ist supergemütlich, hier oben in dem Sessel vor dem Dachfenster zu sitzen, auf die Dünen zu schauen und dabei zu futtern. Allerdings sollte man dazu nicht auch noch Tagebuch schreiben. Multitasking wird schnell zu Multiflecking! Das rechts ist ein Fettfleck von dem Hörnchen, da unten ist ein bisschen Schokolade (verziert mit ein paar Sonnenstrahlen – Die Schokosonne scheint für jedermann! ) und ein bisschen O-Saft hab ich auch noch dazugetropft. Moderne Frühstückskunst! Und das so früh am Tag Nachmittag.

Ich bin sehr gut gelaunt. Nachdem ich eben mit Holly telefoniert habe, weiß ich, alles ist total in Ordnung. Jack hat mir keine Liebeserklärung geschickt. Und ich ihm auch nicht. Zwischen uns ist alles so wie vorher – irgendwie in der Schwebe. Aber Schwebe ist gut. Schwebe bedeutet: keine Peinlichkeiten, keine Katastrophe! Tausendmal besser jedenfalls als irgendwelche übereilten Geständnisse, für die man sich hinterher schämt!

Und dass mir irgendjemand anders so eine Nachricht mit Absicht schickt, glaube ich nicht. Am wahrscheinlichsten ist, dass sich jemand verwählt hat. Passiert dauernd! Besonders an Silvester. Da schwirren rund um den Erdball Milliarden Nachrichten. Da geht das ganz schnell, dass man mal eine falsche Nachricht bekommt. Das bedeutet, dass es gar kein Rätsel gibt. Sondern nur ein Versehen.

Im schlimmsten Fall, meinte Holly, ist es ein Betrüger. Es gibt Leute, die schreiben irgendwelche Nummern an und geben sich als Verwandter oder Freund aus, um Geld zu erpressen. Oder Nacktfotos zu bekommen. Uargh! Ich sollte auf keinen Fall irgendwelche persönlichen Informationen preisgeben und am besten die Nummer blockieren und löschen, hat Holly gesagt. Das mache ich auch. Aber erst warte ich, ob sich der Absender überhaupt noch mal meldet. Und wenn es ein Betrüger ist, blockiere ich die Nummer und sage es meinen Eltern.

So, nach dieser ersten Aufregung des Jahres kann ich mich also jetzt wieder total entspannen und mich in Ruhe mit meiner emotionalen Verfassung beschäftigen. Dazu ist Urlaub ja da, dass man einen klaren Kopf bekommt. Weit weg von allen Leuten, von Jack und Sandsgarden. Vor den Weihnachtsferien hatte ich nämlich überhaupt keine Gelegenheit, mich ernsthaft mit Hollys Theorie auseinanderzusetzen. Da hatten wir jede Menge Arbeiten und Tests und Präsentationen, da blieb keine Zeit für Gefühlsanalysen. Oder für ein klärendes Gespräch mit Jack! Ich hätte sowieso nicht gewusst, was ich ihm sagen soll.

Jack

, ich muss ein ernstes Wörtchen mit dir reden. Es kann sein, dass ich dem

Jack

-

Sainsbury

-

Fanclub

beigetreten bin, dabei wollte ich das gar nicht. Was fällt dir eigentlich ein?!

–Bist du etwa im

Lexi

-Glimmer-

Fanclub

? Hahahaha, das war eine Fangfrage, weil den gibt es ja gar nicht.

–Es ist etwas Schlimmes passiert,

Jack

, es kann sein, dass ich mich in dich verliebt habe. Um das zu überprüfen, müsste ich dich küssen, sagt Opi. Huaaargh!

Einmal war ich kurz davor, mich bei Jack zu verplappern. Ich bin nach der Englischarbeit aus dem Klassenzimmer gewankt, wobei mir ungefähr 194 richtigere Antworten auf die letzte Frage einfielen. Mit gesenktem Blick und dem Kopf voller verspäteter Geistesblitze wäre ich beinahe in einen Dschungel reingerannt. Er entpuppte sich als Jacks Hemd. Als ich von dem Papagei in der Palme nach oben schaute, waren da Jacks Grübchen und sein Teddybärenblick und der Sonnenmilchduft und ich fühlte mich augenblicklich, als hätte ich zu lange am Strand gelegen: überhitzt und glücklich. Mein Mund öffnete sich. »Ich bin in dich …«

… verliebt, Jack Sainsbury, was sagt man dazu?, wollte ich völlig hirnlos verkünden, da tauchte unser Mathelehrer Herr Nouri im Flur auf und winkte mir zu und da setzte mein gesunder (?) Menschenverstand wieder ein.

»… äh … in dich fast reingerannt«, haspelte ich.

»Kein Problem, Kiddo«, antwortete Jack. »Du darfst gerne jederzeit in mich reinrennen.« Er grinste mich an.

Und ich so (in Gedanken): Hä?

Mein Hirn brodelte. (Klarer Fall von Sonnenstichalarm!)Was soll das bedeuten? Was will er mir damit sagen? Und warum ist mir so heiß????

Herr Nouri wedelte mit einer Visitenkarte und ich sagte zu Jack: »Ich muss jetzt Oboe spielen.« Und ließ ihn stehen, um die Telefonnummer einer Musiklehrerin entgegenzunehmen, die ich garantiert NIEMALS anrufen werde, weil ich Herrn Nouri ja nur als Ausrede erzählt hatte, dass ich Oboe lernen möchte.

Aber die Oboen-Notlüge hatte mich gerade schon zum zweiten Mal vor einer Blamage gerettet.

Man denke nur an all die PEINLICHKEITEN, die sich aus so einer Liebeserklärung ergeben können! Angefangen damit, dass der andere (in dem Fall Jack) vielleicht die Flucht ergreift oder sich kaputtlacht oder beides. Und selbst wenn der andere (in dem Fall Jack) das nicht tut, was dann?

Sollten wir uns dann bei unserer nächsten Begegnung etwa KÜSSEN? Am besten noch in aller ÖFFENTLICHKEIT????

Wenn ich nur daran denke, wird mir flau. Was für ein Glück, dass es nicht Jacks Nummer war! Ich bin soooo erleichtert!

Von daher ist mein Plan:

1.Erst mal rausfinden, ob ich wirklich verliebt bin.

2.Selbst wenn ich verliebt bin, einfach weitermachen wie bisher und es nicht zu erkennen geben. Weil – das kann nur in einem Desaster de luxe enden, wenn ich und Jack und … also, wenn ich ihm sagen würde, was mit mir nicht stimmt. Und mit ihm.

Zu Punkt 1 von meinem Plan habe ich eine Liste mit Indizien für Verliebtsein von Holly bekommen. Dazu muss ich folgende Fragen beantworten:

–Wie oft denkst du an ihn?

–Wie oft sprichst du von ihm?

–Wie oft stalkst du ihn im Internet/guckst dir Fotos von ihm an?

–Wie oft schreibst du ihm?

Hm. Für den besseren Überblick, wie es um mich (und Jack) steht, hier die gesammelten Ergebnisse:

Aktivität

Häufigkeit

An Jack gedacht

Bei 23 aufgehört zu zählen

Jacks Instagram-Profil studiert

1 (aber dafür ungefähr eine Stunde)

Nachrichten an Jack geschrieben

4 (hab mich zurückgehalten)

Handy gecheckt, ob ich vielleicht den Eingang einer Nachricht von ihm verpasst habe

36

Geärgert, weil er sich nicht gemeldet hat

17

Von Jack gesprochen

0-mal!

Von Jack erzähle ich lieber nichts, weil Mama mich sowieso so aufmerksam anschaut, wenn ich nach meinem Handy greife. Sie hat mich schon gefragt, von wem ich denn dauernd Nachrichten bekomme. Was heißt hier dauernd?

Jack hat seit Ferienbeginn insgesamt 24 geschickt. 24 Nachrichten in 13 Tagen, das sind 1,8461 pro Tag. Lächerlich eigentlich. Manchmal schicke ich 24 Nachrichten in fünf Minuten an Holly! Aber gut, Jack ist einfach nicht so der Textnachrichtenschreiber und 1,88461 Nachrichten pro Tag sind vermutlich schon viel für ihn. Außerdem war er erst in London bei seiner Mutter und jetzt ist er in Österreich im Skiurlaub mit seinem Vater, wo er auch anderes zu tun hat, Skifahren zum Beispiel. Und vermutlich noch eine Menge anderer Dinge. Da kommt er gar nicht zum Texten. Gestern kam nur das Kaiserschmarrn-Selfie, seitdem noch keine einzige Nachricht! Nicht mal eine Antwort auf meine Krabbenbrötchen-Neujahrswünsche! Um ihn daran zu erinnern, hab ich ihm noch ein Foto vom Ausblick aus meinem Dachfenster geschickt und eines von dem Mülleimer am Parkplatz, auf dem eine Möwe hockt. Aber nix von ihm! Was fällt dem eigentlich ein, nicht zu antworten? Wenn ich eines hasse, dann Textnachrichtenungleichheit.Schreib ich dir, schreibst du mir. So läuft doch das Spiel. Grummel, grummel, gäääääääähhhhn.

Oh, die Antwort an die unbekannte Nummer ist gerade als gelesen gekennzeichnet worden. Und es erscheint die Meldung, dass der Absender schreibt. Aha! Hier scheint sich einer an die Regeln zu halten, dass man auf eine Nachricht auch antwortet. Könnte sich Jack mal ein Beispiel daran nehmen. Jetzt bin ich aber mal gespannt, was kommt! Ich hoffe, es ist kein Betrüger, der Nacktfotos haben will. Wenn irgendjemand denkt, ich bin so blöd, hat er sich jedenfalls geschnitten.

Nach der erstenS C H R E C K S E K U N D Efiel mir nur eine Person ein, die um diese Uhrzeit vorbeikommen konnte. Weswegen ich auch durch den Türspalt spähte. Richtig vermutet. Es war Lionel. Er stutzte kurz, als er meinen abgesäbelten Pony bemerkte, nickte mit anerkennendem Grinsen und präsentierte mir eine Thermoskanne, in der sicher sein Spezial-Ingwer-Limetten-Punsch drin war, und eine Wunderkerze. »Auch wenn du behauptest, dass du nie allein bist, solange du deine Bücher hast, kann ich dich Silvester nicht diesen langweiligen Gestellen überlassen«, sagte er mit seinem charmanten amerikanischen Akzent. »Gestellen, ist das richtig?«

Ich grinste. »Gesellen«, korrigierte ich. »Gesellen ist richtig. Langweilig ist falsch. Ich hab keine langweiligen Bücher.«

»Gesprochen wie eine echte Bücherwurm«, antwortete er. »Aber du kannst mir nicht widerstehen, oder? Ich bin aufregender als jedes Buch.«

Da musste ich lachen.Lionel war ebenfalls in Sandsgarden geblieben, weil sein Vater derzeit mit der US-Armee in Südkorea stationiert ist und seine Mutter ihn über Weihnachten dort besucht. Lionel ist der Star der U-18-Hockeymannschaft und hat mir in den letzten Wochen ein paarmal Extratraining gegeben. Dabei haben wir uns angefreundet. Er ist ein bisschen so, wie ich mir einen großen Bruder vorstelle: lustig und unkompliziert. Mit ihm Zeit zu verbringen, fühlt sich ganz selbstverständlich an. Im Gegensatz zu jeder Begegnung mit Arjen, wo die Atmosphäre immer angespannt ist.

Dennoch konnte ich Lionel nicht reinlassen. Er sollte nicht mitkriegen, dass ich Besuch hatte. Deswegen musste ich mich beeilen und ihn loswerden. Doch auf einmal hörte ich die Dusche angehen. Na toll. Marina fühlte sich offensichtlich wie zu Hause! Auch Lionel blinzelte verwirrt.

»Meine Mitbewohnerin ist schon wieder da«, erklärte ich schnell. »Aber sie ist nicht in Feierstimmung. Ich komme raus.«

Ich holte meine Jacke und nahm zur Sicherheit dieK U S C H E L D E C K Emit, die mir Mama zu Weihnachten geschenkt hatte. Schnell schrieb ich Marina eine Nachricht, dass ich kurz weg wäre. Als ich zu Lionel auf den Flur trat, bemerkte ich, dass seine Augen an dem Motorradhelm hängen geblieben waren, der auf dem Stuhl lag.

Die Bedeutung des Wortes Nachtruhe habe ich zum ersten Mal in Sandsgarden richtig begriffen. Der Park, der See und die Felder liegen immer so still und friedlich da, wie zugedeckt von der Dunkelheit. Bei uns zu Hause in der Stadt ebbt der Verkehrslärm nie ab und die Straßenlaternen leuchten die ganze Nacht und man hat Glück, wenn man zwischen den Hochhäusern mal einen Stern sieht. In Sandsgarden kommt das einzige Licht vom Mond und den Sternen, sobald man sich weit genug vom Schloss entfernt hat. So schön! Und irgendwie verführerisch. Schon einmal hat mich die Nacht in Sandsgarden dazu verleitet, eine Dummheit zu begehen. Ich hatte Arjen geküsst. Er war mir bei der Halloween-Party am Seeufer auf dem Trampelpfad durchs Schilf begegnet. Und weil es sich so angefühlt hatte, als ob die Welt – und damit auch alle Probleme – ganz weit weg wäre, hatte ich mein Alarmsystem ausgeschaltet und war einfach meinen Gefühlen gefolgt. Und jetzt, in dieser Silvesternacht, war ich wieder draußen in der Dunkelheit, allein mit einem Jungen. Und schon wieder habe ich mich zu etwas sehr Unvernünftigem hinreißen lassen. Die Frage, ob Sandsgarden mich verändert, kann ich jetzt schon beantworten: Ja, tut es. Fragt sich nur, wie viel. Und ob es gute Veränderungen sind oder nicht.

Wir schlugen den Weg zum See ein. Weit entfernt wurden schon die ersten Raketen gezündet, irgendwo bei den Unterkünften der Jüngeren grölten ein paar Leute.

»Da hast du ja die neueste Pyrotechnik mitgebracht.« Ich deutete auf Lionels Wunderkerze. »Das wird ja eine Wahnsinnsshow.«

Er lachte, aber dann sagte er ernst: »Ich mag kein Feuerwerk. Wenn es bei uns zu Hause knallt, kommt der Rettungswagen.«

Lionel stammt aus einem Vorort von Portland. Er ist auch nur mit einem Stipendium nach Sandsgarden gekommen. Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut.

Wir erreichten den Bootsanleger, der mit einer Schranke gesichert war. Lionel stieg einfach darüber, weil er so groß ist. Ich musste mich hochstemmen, die Beine rüberschwingen und auf der anderen Seite auf den Boden springen. Der Anleger ist etwa fünf Meter breit und normalerweise liegen an beiden Seiten Segelboote. Jetzt waren fast alle Liegeplätze frei. Die Holzplanken waren feucht und glitschig, deswegen gingen wir vorsichtig zu der Bank am Ende des Stegs. In der Kiste, die im Sommer immer mit Handtüchern und den Schwimmwesten gefüllt ist, fanden wir zwei alte Schwimmbretter aus Styropor, die wir auf der eisigen Bank als Unterlage benutzten. Die Decke legten wir uns gemeinsam über die Beine. Oma-Style, aber gemütlich. Lionel holte zwei Becher aus seiner Jackentasche und schenkte uns von seinem Spezialtee ein. Eine Weile saßen wir mit unseren dampfenden Getränken einfach so da. Auch das gefällt mir an Lionel. Man kann mit ihm schweigen, ohne dass es sich komisch anfühlt.

Der See lag spiegelglatt vor uns, eine anthrazitfarbene Scheibe, in der sich die bunten Raketen spiegelten, die auf der anderen Seite des Ufers in unregelmäßigen Abständen abgeschossen wurden. So weit draußen auf dem Wasser, nur das Geländer vor uns wie eine Reling, fühlte ich mich fast wie auf einem Schiff. Auf einmal sagte ich: »Meine Schwester.« Schwups, war die Wahrheit schon raus, bevor ich darüber nachdenken konnte. »Der Helm gehört meiner Schwester. Sie ist eben aufgetaucht. Das macht mir Sorgen. Ich meine, ich mag meine Schwester. Aber sie ist ein Störenfried, kennst du den Ausdruck? Ein echter Stressmacher.«

» E I NT R O U B L E M A K E R . «

»Genau. Ein Troublemaker. Nicht nur das. Die Präsidentin der Troublemaker.« Ich erklärte ihm, dass ich sie loswerden wollte, so schnell wie möglich, aber dass sie ein paar Probleme hätte und ich mich leider verpflichtet fühle, ihr zu helfen.

»Verstehe ich«, sagte Lionel. »Familie eben. Always complicated!«

Ich sagte ihm noch, dass eine der Komplikationen mit meiner Schwester wäre, dass niemand davon erfahren dürfte, dass sie hier ist.

»Meine Lippen sind ein Siegel«, versprach Lionel.

»Versiegelt«, korrigierte ich grinsend, »aber das Lippen-Siegel nehme ich auch.«

Ich fragte ihn, ob er Geschwister hätte, und er erzählte von seinem älteren Bruder, der gerade in den Polizeidienst eingetreten ist. »Er hat die Hoffnung, dass es bei uns irgendwann besser wird mit der Polizeigewalt gegen Schwarze. Er möchte jedenfalls seinen Teil dazu beitragen.« Er schilderte, wie es sich in seiner Heimat anfühlt, in eine Polizeikontrolle zu geraten. Wie viel Angst er dabei hatte. Wie viel Angst jeder mit seiner Hautfarbe hatte. Während wir uns darüber unterhielten, dachte ich darüber nach, wie unterschiedlich das Leben sein kann. Und wie sehr die Umgebung dabei eine Rolle spielt. Das, was für mich hier in Sandsgarden als RIESENPROBLEM erscheint, ist für andere Menschen woanders nur eine Randnotiz. Weil manche immer mit Schwierigkeiten rechnen müssen, egal, wo sie sind, egal, wie anständig sie sich benehmen, allein wegen ihrer Hautfarbe.

»Und ich rege mich auf wegen meiner Troublemaker-Sister«, sagte ich zerknirscht zu Lionel.

»Hey, das ist deine B A U S T E L L E«, antwortete er grinsend. »Und als Erstes arbeitet man immer auf seiner eigenen Baustelle. Aber wenn ich dir helfen kann, sag Bescheid.«

Ich lehnte mich zum Dank kurz gegen seine breiten Schultern. »Und wenn du eine Baustelle hast, sag mir Bescheid. Dann helfe ich dir auch«, versprach ich und stieß mit ihm mit einem neuen Becher heißem Tee an. Irgendwo zog eine Gruppe Leute singend durch den Park. Das Feuerwerk auf der anderen Seite des Sees ging richtig los und ich meinte, von weit entfernt Kirchenglocken zu hören. Aber dann entpuppte sich das als Musik, die aus Lionels Jackentasche kam.

»Happy new year!«, rief er.

Wir standen auf, vermutlich gerade noch rechtzeitig, bevor wir an der Bank festgefroren wären, Lionel machte die Musik lauter und fing an, auf dem Steg zu tanzen und mitzusingen.

Ich musste echt lachen. Und plötzlich dachte ich, ja, natürlich wird es auch im neuen Jahr Probleme geben. Schwierigkeiten, mit denen ich nicht rechnen werde, Hindernisse, die sich vor mir auftürmen. Aber auf einmal war ich davon überzeugt, dass ich für alles eine Lösung finden würde. Ich hatte meine Freundinnen, ich hatte Lionel, ich hatte mich. Egal, was passieren würde, ich würde es schaffen. Alles wird gut, dachte ich. Das neue Jahr wird gut werden.

Immer noch Montag, 1. Januar, Norderney

Hehe

Das ist die Nachricht der unbekannten Nummer, die gerade reingekommen ist. Hehe! Was soll das denn? Ich meine, das ist doch eine Frechheit!

Erstens ist Hehe eine ganz bescheuerte Lache. Hihi ist normal. Haha auch. Meinetwegen auch Höhö.

Aber Hehe?

Das ist was für arrogante Idioten – und für Lehrer, die sich über Wissenslücken von Schülern freuen. Kein normaler Mensch lacht eine E-Lache. Das ist schlimmer als jede Grunzlache! Weil für eine Grunzlache kann man nichts, die kommt über einen und dann muss man damit leben, ob man will oder nicht. Aber Hehe, das ist mit Absicht, und zwar mit keiner guten. Egal, wer der Absender ist, ich hasse ihn jetzt schon.

Und hier noch eine qualifizierte Bemerkung: Wenn das ein Betrüger ist, muss er sein Handwerk noch lernen. Bei Hehe weiß man direkt, dass man verarscht wird. Ich sollte die Nummer blockieren. Und zwar sofort. Und wenn es kein Betrüger ist, sondern nur ein Schwachkopf, sollte ich die Nummer erst recht blockieren.

Ja, das sollte ich. Und das mache ich auch.

Sobald ich weiß, wer dahintersteckt.

Also schreibe ich:

Wenn du mir nicht sagst, wer du bist, blockiere ich dich!

Immer noch Montag, 1. Januar, Norderney

Keine Antwort, schon seit einer halben Stunde nicht. Wie soll man eine vernünftige Unterhaltung führen, wenn einer nicht antwortet? Aber ich finde schon noch raus, wer da so hehe-doof ist. Schließlich hat das Detektivbüro Glimmer schon etliche Erfolge vorzuweisen. Also einen jedenfalls. Das Geheimnis um das antike Wählscheibentelefon in der Redaktion der Schulzeitung ist gelöst!

Jack und ich haben herausgefunden, dass es unter der alten Telefonnummer des Sekretariats zu erreichen ist. Die steinalte (und etwas verwirrte) Mutter der Gräfin von Hagebronn hatte gedacht, sie würde im Sekretariat anrufen, wo ihre Freundin Alexandra Heidenreich arbeiten würde. (Weswegen sie mich auch immer mit Alexandra angesprochen hat, was ich ziemlich gruselig fand, weil mich niemand so nennt, nur mein Pass.) Aber jetzt ist das mit dem Gruseln vorbei, weil ich weiß, wer mich in der Redaktion mit der Krächzstimme heimgesucht hat: die Großgräfin, die mich mit der Sekretärin verwechselt hat. Dabei ist Alexandra Heidenreich schon vor einer Ewigkeit in Rente gegangen und mittlerweile gestorben. Das hat uns die Gräfin erzählt, als wir nach der ehemaligen Sekretärin gefahndet haben, um sie wegen des ausgefallenen Sommernachtsballs 1996 zu befragen. Wir machen für unsere Schulzeitung, den Sandmann, nämlich eine Artikelserie über die Geschichte des Sommernachtsballs. Und dabei haben wir rausgefunden, dass er in über fünfzig Jahren nur ein einziges Mal ausgefallen ist, nämlich 1996. Und obwohl das eine Ewigkeit her ist, wollten wir wissen, was der Grund dafür war. Dazu gab es zwei unterschiedliche Erklärungen: Meine Mutter, die auch auf Sandsgarden zur Schule gegangen ist, meinte, es hätte damals einen Todesfall in der Grafenfamilie gegeben. Die Gräfin hat uns dagegen gesagt, ein Wasserschaden hätte den Ball verhindert. Aber der Haustechniker, den Jack und ich im Heizungskeller besucht haben, hat uns versichert, dass es keinen Wasserrohrbruch im Festsaal gegeben hätte. Also hat die Gräfin sich falsch erinnert. (Sag ich jetzt mal so. Weil: Warum sollte sie absichtlich lügen?) Na ja – mal sehen, ob wir das mit dem ausgefallenen Sommernachtsball überhaupt noch weiterverfolgen. Ist eigentlich nicht so wichtig. Und ich schreib das hier auch nur auf, um ein bisschen Zeit zu schinden. Weil ich immer noch keine Antwort bekommen habe von der unbekannten Nummer.Und von Jack auch nicht. Immerhin Holly antwortet mir. Sie schreibt mir angesichts meiner Indizienliste, von der ich ihr einen Screenshot geschickt habe: eindeutig verliebt! Und ich soll der Tatsache ins Auge sehen. Aber nachdem ich gestern Nacht vorschnell eine Liebeserklärung abgeschickt habe, werde ich mir jetzt sehr viel Zeit damit lassen, irgendwelchen Tatsachen ins Auge zu schauen. Und das Ganze außerdem systematisch angehen und nicht irgendwelchen bescheuerten Hirngespinsten von mir glauben.

Norderney, Dienstag, 2. Januar

Hier die Ausbeute meiner heutigen Jack-Aktivitäten:

Aktivität

Häufigkeit

An Jack gedacht

Höchstens 6-mal, aber dafür ganz kurz

Jacks Instagram-Profil studiert

0!!!

Die Instagram-Profile von Jacks Insta-Freunden gecheckt

43 (Da sind echt viele Mädchen drunter! Grmpf!)

Handy gecheckt, ob ich vielleicht den Eingang einer Nachricht von ihm verpasst habe

19 (Quote halbiert! Noch ein Triumph!)

Geärgert, weil er sich nicht gemeldet hat

45 (nicht so triumphal)

Überlegt, wie viele Nachrichten er wohl diesen Insta-Freundinnen schreibt

7

Mir überlegt, mir auch Insta-Freunde zuzulegen, damit Jack sich ärgern kann

1

Nachrichten an Jack geschrieben

0 (Triumph2)

Mein Handy extra nicht aufgeladen, damit es ausgeht und damit vielleicht auch diese besessene Beschäftigung mit Jack aufhört!

1

Zum Glück hab ich mein Handy ganz schnell wieder ans Kabel gehängt. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, dass Jack geschrieben hat! Und Fotos geschickt! Er am Skilift und vor dem Hotel mit einem gigantischen Schneemann! Ich war so happy, dass ich ihm auch wieder Bilder geschickt habe. Natürlich habe ich ihn erst total lang zappeln lassen, damit er merkt, wie blöd das ist, wenn einer nicht sofort antwortet. GANZE 14 MINUTEN hab ich gewartet! Vermutlich bin ich wegen dieser langen Wartezeit ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen mit der Auswahl der Motive: Möwen. Sandburg. Dünen. Ich am Strand mit dem alten Einhorn-Drachen. Kaum hatte ich auf Senden getippt, wurde mir heiß. Schon wieder mehr NACHRICHTEN geschickt als er!

Dabei meinte Opi, die oberste Grundregel in Sachen Verliebtsein wäre: Niemals öfter melden, als er sich meldet. Offenbar hab ich überhaupt KEIN TALENT FÜRS VERLIEBTSEIN!

Andererseits – es ist ein Tipp von Opi!