Die Katze, die Lippenstift liebte - Band 9 - Lilian Jackson Braun - E-Book
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Die Katze, die Lippenstift liebte - Band 9 E-Book

Lilian Jackson Braun

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Beschreibung

Ein mörderischer Ausflug: „Die Katze, die Lippenstift liebte“ von Bestsellerautorin Lilian Jackson Braun jetzt als eBook bei dotbooks. Endlich Urlaub! Im Sommer erscheint Jim Qwilleran die Kleinstadt schrecklich langweilig. Also beschließt er, mit seinen beiden Siamkatzen Koko und Yum Yum einige Wochen am See zu verbringen. Doch die Reise ist nicht annähernd so sorglos, wie es sich der ehemalige Polizei-Reporter erhofft hatte: Kaum angekommen, wird in seinem Ferienhaus eine Leiche entdeckt – und plötzlich steht Jim unter Mordverdacht! Nun braucht er dringend die Hilfe seines schlauen Katers. Denn mit seiner feinen Spürnase hat Koko ihn schon bei manch einer Ermittlung auf die richtige Spur geführt … „Lilian Jackson Braun liefert ein Lesevergnügen vom Anfang bis zum Schluss!“ Los Angeles Times Die Krimi-Serie mit Suchtpotenzial! Der neunte Fall für Reporter Jim und Siamkater Koko – jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Katze, die Lippenstift liebte“ von Lilian Jackson Braun. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 340

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Über dieses Buch:

Endlich Urlaub! Im Sommer erscheint Jim Qwilleran die Kleinstadt schrecklich langweilig. Also beschließt er, mit seinen beiden Siamkatzen Koko und Yum Yum einige Wochen am See zu verbringen. Doch die Reise ist nicht annähernd so sorglos, wie es sich der ehemalige Polizei-Reporter erhofft hatte: Kaum angekommen, wird in seinem Ferienhaus eine Leiche entdeckt – und plötzlich steht Jim unter Mordverdacht! Nun braucht er dringend die Hilfe seines schlauen Katers. Denn mit seiner feinen Spürnase hat Koko ihn schon bei manch einer Ermittlung auf die richtige Spur geführt …

»Lilian Jackson Braun liefert ein Lesevergnügen vom Anfang bis zum Schluss!« Los Angeles Times

Über die Autorin:

Lilian Jackson Braun (1913–2011) wurde in Massachusetts geboren. Nach der Highschool arbeitete sie als Journalistin und in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihre Katzenkrimis wurden in 16 Sprachen übersetzt und standen regelmäßig auf der »New York Times«-Bestsellerliste.

Bei dotbooks erscheinen alle Bände der Erfolgsserie. Eine vollständige Übersicht finden Sie am Ende dieses eBooks.

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eBook-Neuausgabe September 2016

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1989 by Lilian Jackson Braun

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1989 unter dem Titel »The Cat Who Went Underground«.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1993 Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung:Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Forewer und KUPRYNENKO ANDRII

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-833-5

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Lilian Jackson Braun

Die Katze, die Lippenstift liebte

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Christine Pavesicz

dotbooks.

1. Kapitel

Hätte Jim Qwilleran an jenem Morgen in der Tageszeitung sein Horoskop gelesen, dann wäre das alles vielleicht nicht passiert. Doch für Astrologie hatte er sich noch nie interessiert.

Er saß in seiner Junggesellenwohnung über der Garage, trank seine dritte Tasse Kaffee und sah auf den Fußboden, der mit überregionalen Zeitungen übersät war. Er hatte die nationalen und internationalen Neuigkeiten verschlungen, die Leitartikel studiert, sich über die in den Leserbriefen vertretenen Meinungen mokiert und die Sportseiten überflogen. Wie üblich, überschlug er die Börsenberichte und die Cartoons, und er kam gar nicht auf die Idee, einen Blick auf das Horoskop zu werfen.

Die Ratschläge, die er daher nicht las, verhießen nichts Gutes. Im Daily Fluxion stand: »Die Zeit ist nicht günstig für Änderungen Ihres Lebensstils. Seien Sie zufrieden mit dem, was Sie haben.« Im Morning Rampage hieß es: »Auch wenn Sie ruhelos sind und sich vielleicht langweilen – vermeiden Sie heute spontane Entscheidungen. Sie könnten sie bereuen.«

Qwilleran befand sich also im angenehmen Zustand der Unwissenheit in bezug auf den Rat, den ihm die Sterne gaben, und machte es sich auf seinem überdimensionalen Klubsessel bequem, in der Hand eine Kaffeetasse, auf dem Schoß eine Katze, und eine zweite auf dem Bücherregal neben ihm. Sie waren ein recht ungleiches Trio. Der schwere, einsneunzig große Mann war um die Fünfzig, nachlässig gekleidet, mit graumeliertem Haar und traurigen Augen, und sein ungewöhnlich üppiger Schnurrbart mußte wieder einmal gestutzt werden. Seine Gefährten hingegen waren Siamkatzen von edlem Geblüt – elegant und schlank, mit gutgepflegtem Fell – die es als ihr königliches Vorrecht betrachteten, verwöhnt zu werden.

Aus Qwillerans abgetragenem Sweatshirt und der unaufgeräumten Wohnung hätte man niemals auf seinen beruflichen oder finanziellen Status schließen können. Er war ein altgedienter Journalist, der schon auf der ganzen Welt gearbeitet hatte, jetzt im Ruhestand war und in Pickax lebte, einer Kleinstadt im Norden; erst vor kurzem hatte er das millionen- oder milliardenschwere Klingenschoen-Vermögen geerbt – die genaue Summe hatten die Heerscharen von Buchhaltern, die von den Testamentsvollstreckern engagiert worden waren, noch nicht feststellen können.

Qwilleran hatte sich jedoch nie viel aus Geld gemacht, und seine Bedürfnisse waren bescheiden. Er war zufrieden mit seiner Wohnung über der Klingenschoen-Garage, und zum Frühstück hatte er sich an jenem Morgen mit Kaffee und einem altbackenen Krapfen begnügt. Seine Mitbewohner hatten einen wesentlich feineren Gaumen. Für sie öffnete er eine Dose Königskrabben aus Alaska, die er mit einem rohen Eidotter vermischte und mit ein paar Stückchen feinem englischem Cheddar-Käse garnierte.

»Die Spezialität des Tages: Crevettes à là tartare fromagère«, verkündete er und stellte den Teller auf den Fußboden. Zwei Nasen hielten bebend über dem Gericht inne, bevor sie es kosteten – wie Weinliebhaber, die das Bukett eines seltenen Weines genossen.

Nach dem Frühstück kauerten sich die Katzen nebeneinander hin, als warteten sie auf etwas. Qwilleran las die Zeitungen zu Ende, trank noch zwei Tassen Kaffee und verlor sich dann in Grübeleien.

»Schön, ihr beiden«, sagte er, als er sich schließlich aus seinen Koffein-Träumen riß. »Ich habe einen Entschluß gefaßt: Wir fahren zum See hinauf. Wir werden drei Monate in der Hütte am See verbringen.« Er hatte sich angewöhnt, alles mit den Katzen zu besprechen. Es war befriedigender, als laut mit sich selbst zu reden, und seine Zuhörer schienen Gefallen an einer menschlichen Stimme zu finden, die sich im Plauderton an sie wandte.

Yum Yum, das liebenswerte kleine Weibchen, schnurrte. Koko, der Kater, stieß ein durchdringendes, jedoch zweideutiges »Yau-u-u!« aus.

»Was willst du damit sagen?« fragte Qwilleran. Als Antwort erhielt er nur einen rätselhaften Blick der blauen Augen. Also glättete er seinen Schnurrbart und fuhr fort: »Es gibt drei Gründe, weshalb ich von hier weg will: Pickax ist bei warmem Wetter langweilig; Polly Duncan ist den Sommer über fort; und wir haben keine Eiswürfel mehr.«

Seit zwei Jahren wohnte er jetzt schon in Pickax – nicht aus freien Stücken, sondern weil es die Klauseln des Klingenschoen-Testaments so wollten – und die alten Steinhäuser und gepflasterten Straßen wirkten im Juni öde. Im nahen Ferienort Mooseville hingegen gab es Bäume und Sträucher, Blumen und Vögel, Sonne und blauen Himmel, einen See mit leise plätschernden Wellen, gute Luft und Horden von unbeschwerten Urlaubern.

Der zweite Grund für Qwillerans Unzufriedenheit war noch gewichtiger. Polly Duncan, die Leiterin der öffentlichen Bücherei von Pickax, um die sich sein Leben jetzt zu drehen begann, verbrachte im Rahmen eines Austauschprogrammes den Sommer in England, und er fühlte sich rastlos und unausgefüllt. Obwohl er nur wenig über die freie Natur wußte und noch weniger für das Angeln übrig hatte, nahm er an, daß eine Blockhütte auf einer einsamen Düne mit Blick auf einen riesigen blauen See ihn vielleicht von seiner Verstimmung heilen würde.

Es gab noch einen dritten Grund, der viel profaner, aber dafür triftiger war: Der Kühlschrank in seiner Wohnung war kaputt. Qwilleran erwartete, daß Geräte reibungslos funktionierten; und wenn einmal eines den Geist aufgab, reagierte er mit irrationaler Ungeduld. leider war der Kühlschrankspezialist von Pickax auf Campingurlaub ins nördliche Kanada gefahren, und der einzige andere Servicetechniker im Bezirk lag mit einem Bandscheibenvorfall im Krankenhaus.

Alles in allem schien Jim Qwilleran ein Sommer in Mooseville eine glänzende Idee zu sein.

»Ihr erinnert euch vielleicht nicht mehr an die Hütte«, sagte er zu den Katzen. »Wir waren vor ein paar Jahren einige Wochen dort, und es hat euch gefallen. Es gibt zwei mit Fliegendraht bespannte Veranden. Ihr könnt Vögel und Eichhörnchen und Käfer beobachten, ohne euch die Füße naßzumachen.«

Die fünfundsiebzig Jahre alte Blockhütte mit dem riesigen Waldgrundstück und einer halben Meile Seeufer gehörte zu den ausgedehnten Ländereien, die Qwilleran mit dem Klingenschoen-Vermögen geerbt hatte. Sie wurde von den Nachlaßverwaltern betreut, bis die im' Testament festgelegten Bedingungen erfüllt waren. Er brauchte nur den Anwälten seine Wünsche mitzuteilen, und die Leute von der Immobilienverwaltung würden Strom und Wasser aufdrehen, das Telefon wieder anschließen und die Schonbezüge von den Möbeln entfernen lassen.

»Sie brauchen sich um nichts zu kümmern!« versicherte ihm Mr. Hasselrich, der Anwalt, mit seinem grenzenlosen Optimismus. »Der Schlüssel liegt unter der Fußmatte. Schließen Sie einfach nur die Tür auf, treten Sie ein und genießen Sie einen sorglosen Sommer.«

Wie sich die Dinge entwickelten, war es nicht ganz so einfach. Der Sommerurlaub begann mit einer toten Spinne und endete mit einem toten Zimmermann, und Jim Qwilleran – der angesehene Journalist, der reichste Mann im ganzen Bezirk und allgemein als überaus netter Mensch bekannt – wurde des Mordes verdächtigt.

Doch in seiner seligen Unwissenheit hatte er dem Anwalt jedes Wort geglaubt. Für den Urlaub am See lud er ein paar leichte Kleidungsstücke in sein Auto, einen Karton mit Büchern, eine große, mit feinem Kies gefüllte Bratpfanne, die als Katzenkistchen diente, eine vollautomatische Kaffeemaschine, seine Schreibmaschine und die Katzen in ihrem Transportbehälter – einem Picknickkorb, der mit einem Daunenkissen ausgelegt war. Yum Yum hüpfte bereitwillig hinein, doch Koko zögerte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund, den wohl nur eine Katze verstand, wollte er nicht weg.

»Hab dich nicht so«, schalt ihn Qwilleran. »Spring hinein, dann fahren wir los.«

Er hätte es wissen sollen, daß man Kokos Launen ernst nehmen mußte. Der Kater schien einen sechsten Sinn für prekäre Situationen zu haben.

Ihr Aufbruch nach Mooseville – das nur dreißig Meilen entfernt lag – war aufregend wie eine Safari. Die Sonne schien, ein sanftes Junilüftchen wehte, und es war so warm, daß Qwilleran Shorts und Sandalen trug. Um dem Urlaubsverkehr auszuweichen, fuhr er auf der Sandpit Road statt auf der Hauptstraße Richtung Norden. Freundlich winkte er fremden Menschen in Pick-up-Trucks zu, freundlich hupte er die Farmer auf ihren Traktoren an. Binnen Minuten hatte er den Streß der Stadt aus Stein abgestreift, denn obwohl Pickax nur dreitausend Einwohner hatte, herrschte hier das geschäftige Treiben einer Bezirksstadt. Mit wachsender Begeisterung schmiedete er Pläne für den Sommer. Er würde viel lesen, lange Spaziergänge am Strand unternehmen und, wenn es windstill war, mit dem Paddelboot auf den See hinausfahren. Außerdem hatte er eine journalistische Verpflichtung: Er mußte für die Zeitung von Moose County jede Woche zwei Artikel schreiben, die links unten auf Seite zwei erschienen. Seine Kolumne hieß ›Aus Qwills Feder‹; es würde Spaß machen, sie zu schreiben (der Herausgeber ließ ihm völlig freie Hand), und außerdem war es eine Herausforderung für seinen schöpferischen Geist, die ihn in Schwung hielt.

»Alles in Ordnung da hinten?« rief er über die Schulter zurück, ohne jedoch eine Antwort aus dem Korb zu erhalten.

Was den bevorstehenden Sommer anlangte, bedauerte Qwilleran nur eines: Polly Duncan würde nicht hier sein, um ihn mit ihm zusammen zu erleben. Ihre Vertreterin, eine Bibliothekarin aus den englischen Midlands, war bereits in Pickax eingetroffen. Sie war jung, überheblich und mit ihrem forschen Auftreten und der abgehackten Sprechweise so ganz anders als Polly, die ein liebenswürdiges Wesen und eine sanfte, tiefe, melodische Stimme hatte. Pollys Figur war sehr fraulich, und in ihrer kunstlos geschnittenen Frisur waren bereits die ersten grauen Haare zu sehen, doch ihre Gesellschaft war anregend. Bei ihren Verabredungen zum Abendessen führten sie lebhafte Diskussionen, und an den Wochenenden in ihrem Refugium auf dem Lande fühlte er sich um zwanzig Jahre jünger.

Während Qwilleran seinen Gedanken über Pollys Abwesenheit nachhing, kam ihm aus dem Norden – weitaus schneller als erlaubt – ein Wagen entgegen. Er erkannte den Fahrer. Es war Roger MacGillivray, ein junger Reporter bei der Bezirkszeitung. Mit leiser Ironie dachte Qwilleran, daß Roger vermutlich in die Redaktion raste, um eine brandheiße Story über irgendein aufsehenerregendes Ereignis in Mooseville abzuliefern – daß irgend jemand einen riesigen Fisch gefangen oder irgend jemandes Urgroßmutter ihren fünfundneunzigsten Geburtstag gefeiert hatte. Haltet die Druckpressen an!

Roger war ein sympathischer junger Mann, und er hatte eine Schwiegermutter, die eine interessante Frau war. Sie verbrachte den Sommer immer in einem Häuschen, das etwa eine halbe Meile von der Klingenschoen-Hütte entfernt war. Mildred Hanstable unterrichtete in Pickax Hauswirtschaft und Kunst, schrieb die Haushaltsseite für die Zeitung von Moose County und war zufällig auch eine ausgezeichnete Köchin. Qwilleran konnte in den kommenden Wochen wohl ein paar Einladungen zum Abendessen erwarten. Mildred war verheiratet, doch ihr Mann war ›fort‹ und wurde nie erwähnt.

Bald lagen die Kartoffelfarmen, die Schaffarmen und Kiesgruben hinter ihm, und die Straße führte durch üppige Nadelwälder. An dem Aufruhr im Weidenkorb merkte er, daß die Katzen den See rochen, der noch eine Meile entfernt war. Qwilleran selbst bemerkte auch eine Veränderung – eine belebende Frische lag in der Luft. Das war der Zauber von Mooseville! Jeden Sommer lockte er Scharen von Touristen aus den Städten im südlichen Teil des Staates an – von den Einheimischen hier nur »der Süden untern genannt – wo die Luft verschmutzt und die Verbrechensrate hoch war.

»Jetzt dauert es nicht mehr lange«, sagte er zu seinen Passagieren.

Unvermittelt tauchte der See vor ihm auf, eine Wasserfläche von so riesigen Ausmaßen, daß das Blau des Wassers an einem unsichtbaren Punkt mit dem Blau des Himmels verschmolz. Am Straßenrand begrüßte ein Schild des Fremdenverkehrsamtes die Besucher in »Mooseville, 400 Meilen nördlich vom Rest der Welt!‹ Hier verlief die Straße entlang der Uferlinie und stieg allmählich an, bis sie den Gipfel der berühmten Dünen von Mooseville erreichte. Qwilleran runzelte die Stirn, als er sich plötzlich mit ungewöhnlichen Verhältnissen konfrontiert sah: Die Straße war voll Erde; aus dem Wald kamen Kipper; er hörte das Kreischen von Kettensägen und das scharrende Geräusch einer Baggerschaufel. Er war ganz und gar nicht begeistert von diesen Anzeichen der Bautätigkeit am Ufer des Sees, doch ihm war klar, daß sie unvermeidlich war. Dann kam der grob gezimmerte Torbogen, der die Einfahrt zur Dünensiedlung markierte, die den Sommer über von einer kleinen Gruppe von Leuten bewohnt wurde, zu denen auch Mildred Hanstable gehörte.

Nach einer halben Meile bog er in eine Schotterstraße, an deren Anfang ein Zedernholzpfosten mit dem Buchstaben K stand. Der Weidenkorb begann vor Aufregung zu hüpfen. Die Katzen wußten Bescheid! Es war jetzt zwei Jahre her, und doch erinnerten sie sich an den Duft; sie witterten die Umgebung. Die Privatzufahrt schlängelte sich durch den Wald, vorbei an wilden Kirschbäumen, die in voller Blüte standen, durch ein kleines Birkenwäldchen, die sanft ansteigenden Dünen hinauf und hinunter, die vor Äonen vom See geschaffen worden und jetzt dicht mit Rieseneichen und hoch aufragenden Kiefern mit schweren Wipfeln bewachsen waren.

Die Auffahrt endete an einer Lichtung, und da war auch die malerische Blockhütte – das Holz und das Dichtungsmaterial in den Ritzen waren vor Alter schwarz, und neben dem wuchtigen Schornstein aus Bruchstein wirkte die Hütte fast winzig.

»Da sind wir!« verkündete Qwilleran und öffnete den Deckel des Korbes. »Ihr bleibt hier, während ich mich mal umsehe.«

Während die Katzen im Auto herumhüpften und sich auf die Hinterbeine aufrichteten, um aus den Fenstern zu sehen, marschierte er an den Rand der Düne und betrachtete den ruhig daliegenden See. Sanfte Wellen schlugen lieblich plätschernd an das sandige Ufer am Fuß der Düne. Die Brise war die reinste Liebkosung. In den Kirschbäumen flatterten winzige gelbe Vögel. Und hier, in diesem stillen Paradies, würde er den ganzen Sommer verbringen!

Wie Hasselrich versprochen hatte, lag der Schlüssel auf der fliegendrahtbespannten Veranda unter der Fußmatte, und Qwilleran schloß erwartungsvoll die Tür auf. Im nächsten Moment schlug ihm eiskalte Luft ins Gesicht – der muffige Geruch einer Hütte, die den Winter über abgeschlossen gewesen war. Unwillkürlich schauderte er und machte einen Schritt zurück auf die Veranda und in die sommerliche Wärme. Irgend etwas war schiefgelaufen! Hasselrich hatte ihn im Stich gelassen! Er griff mit der Hand um den Türpfosten herum und tastete nach einem Wandschalter; das Vorzimmerlicht ging an, also wußte er, daß die Hütte Strom hatte. Und jemand war hier gewesen und hatte die Laken von den Wohnzimmermöbeln entfernt. Hastig zog sich Qwilleran auf die warme Veranda zurück, um über diesen unerwarteten Rückschlag nachzudenken.

Von seinen früheren Besuchen erinnerte er sich vage an ein Heizgerät, das unauffällig an einer Wand des Wohnzimmers angebracht war. Er holte sich eine Jacke aus dem Auto und wünschte, er hätte nicht Shorts und Sandalen angezogen. Dann trat er mutig erneut in die feuchte Kälte. Eilig schaltete er die Lichter ein und öffnete die inneren Fensterläden, die die Hütte in Dunkelheit tauchten. Der Heizkörper war in einer düsteren Ecke versteckt – ein flacher Metallkasten mit Lüftungslamellen und Knöpfen und einem Metallschildchen mit der dreisten Aufschrift Komfortheizung.

Zornig schnaubte Qwilleran in seinen Schnurrbart. Der Thermostat war auf einundzwanzig Grad eingestellt, doch das Thermometer zeigte zehn, und ihm kam es vor wie unter Null und sehr feucht. Er drehte den Thermostat auf die höchste Stufe', doch es kam keine Heißluft heraus, nicht einmal ein beruhigendes Klicken war zu hören. Er versetzte dem Heizkörper einen Tritt, eine primitive Maßnahme, die bei einer alten Dampfheizung funktionierte, jedoch auf die Komfortheizung keine Wirkung hatte.

Qwilleran hatte sein Leben in Wohnungen und Hotelzimmern zugebracht, wo man nur den Verwalter zu benachrichtigen brauchte, und ein tropfender Wasserhahn wurde repariert oder ein loser Türknopf festgeschraubt. Er hatte keine Ahnung von Heizkörpern. Eines wußte er jedoch mit Sicherheit: Er konnte die Katzen nicht dieser Eiseskälte aussetzen. Sie waren Wohnungskatzen und an eine Zentralheizung im Winter und sonnige Fensterbretter im Sommer gewöhnt.

Natürlich gab es einen Kamin, und im Holzkorb lagen Scheite, doch er konnte keine Streichhölzer finden. Automatisch griff er in seine Jackentasche, obwohl er seit einem Jahr keine Pfeife mehr rauchte. Er überprüfte die anderen Geräte und stellte fest, daß die Wasserleitung funktionierte und das Telefon das Freizeichen von sich gab. Er versetzte dem Heizkörper noch einen Tritt und verfluchte ihn, weil er so widerspenstig war.

In diesem Augenblick hörte er ein ungeduldiges Maunzen aus dem Auto.

Er gab einen passenden Kraftausdruck von sich und suchte aus dem dünnen Telefonbuch, in dem die Teilnehmer aus Mooseville eingetragen waren, eine Nummer heraus.

»Guten Morgen!« zwitscherte eine fröhliche Frauenstimme.

»Mildred, hier ist Qwill«, sagte er ohne Einleitung. »Ich bin in der Hütte, ich bin gerade mit den Katzen hier angekommen und will den Sommer hier verbringen.«

»Super!« sagte sie. »Dann können Sie morgen abend zur Strandparty kommen.«

»Vergessen Sie die Partys«, fauchte er. »Mit der verdammten Heizung stimmt irgendwas nicht! In der Hütte herrscht ein Klima wie in einer unterirdischen Höhle! Was mache ich jetzt? Wo kann ich anrufen?«

»Vielleicht ist die Zündflamme ausgegangen«, sagte sie hilfsbereit. »Haben Sie nachgesehen, ob die Zündflamme noch brennt?«

»Ich weiß ja nicht mal, wo sie ist, oder wie so was aussieht.«

»Da muß so ein kleiner Kasten an der vorderen…«

Qwilleran nieste. »Sagen Sie mir nur, wer solche Sachen repariert, Mildred. Ich stehe unmittelbar vor einer doppelseitigen Lungenentzündung.«

»Stehen Sie auf Glinkos Liste?« fragte sie.

Langsam verlor er die Geduld. »Glinko! Wer ist Glinko?«

»Hat Ihnen noch nie jemand etwas von Glinko gesagt? Sie können ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen, und er schickt Ihnen einen Klempner, einen Elektriker, jede Art von Handwerker, die Sie brauchen. Es ist sehr praktisch für …«

»Okay, geben Sie mir seine Nummer!« unterbrach er sie; er zitterte am ganzen Körper und stampfte mit den Füßen.

»Nicht so schnell, Qwill. Zuerst müssen Sie in sein Geschäft fahren, sich eintragen lassen, eine Gebühr bezahlen und ihm einen Schlüssel zu Ihrer Hütte geben.«

»Es widerstrebt mir, wahllos Schlüssel zu verteilen«, sagte er gereizt.

»Die Leute in dieser Gegend sind absolut ehrlich«, sagte sie mit sanftem Vorwurf in der Stimme. »Sie haben zu lange im Süden unten gelebt. Sie mißtrauen jedem.«

Er dankte ihr knapp, stürzte dann hinaus zum Auto und verstaute die Katzen wieder in ihrem Reisekorb. »Tut mir leid. Wir müssen noch woanders hinfahren«, sagte er zu ihnen.

Sie fuhren ins Zentrum von Mooseville, das drei Meilen westlich lag, wo das Haushaltswarengeschäft Huggins Schlüssel nachmachte.

Der Besitzer sagte: »Verbringen Sie den Sommer hier oben, Mr. Qwilleran?«

»Nur wenn ich die Kälte aus der Hütte hinausbringe, Cecil. Wo kann ich einen Handwerker finden, der mir das Heizgerät repariert?«

»Glinko hat sie alle engagiert«, sagte der Ladenbesitzer. »Gehen Sie zu Glinko.«

Mildred hatte gesagt, Glinkos Geschäft befände sich direkt hinter dem Postamt. Dort fand Qwilleran nur ein einziges Gebäude: eine Autowerkstatt – eine verdreckte, schäbige Werkstatt, deren großes Tor offenstand. Drinnen stand ein Wagen mit geöffneter Motorhaube. Unter der Motorhaube sah er zwei spindeldürre Beine in alten, zerlumpten Hosen, die ziellos herumruderten, während der Oberkörper zwischen den Ventilen, Zündkerzen und Zylindern vergraben war. Ein Kopf war nicht zu sehen.

»Entschuldigen Sie«, sagte Qwilleran zu den herumrudernden Füßen. »Wo finde ich Glinko?«

Der Oberkörper richtete sich auf, und der Kopf wurde sichtbar – das Gesicht verschwand beinahe hinter einem wilden Backenbart, struppiges Haar ragte unter einer ölverschmierten Mütze hervor, die Augen waren lebhaft und fröhlich. Der Mann sah aus wie ein Gnom. Er rutschte über den Kotflügel herunter und landete geschickte auf dem Betonfußboden. »Steht vor Ihnen«, sagte er mit einem zahnlosen Grinsen. »Und wer sin' Sie?«

»Mein Name ist Qwilleran, und ich wohne in der Klingenschoen-Hütte in der Nähe der Dünensiedlung.«

Der Gnom nickte. »Das muß dort sein, wo der Pfosten mit dem K steht.«

»Stimmt«, sagte Qwilleran. »Meine Heizung funktioniert nicht. Ich brauche einen Handwerker.«

»Reden Sie mit meiner Frau«, sagte der kleine Mann und deutete mit einer Kopfbewegung auf das Haus hinter der Garage. »Für diese Sachen ist sie zuständig.«

Qwilleran dankte ihm mit einem Brummen und bahnte sich zwischen hohem Unkraut, Betonbrocken und Autoteilen einen Weg zum Haus. Auf dem unkrautbewachsenen Flecken standen drei weitere Autos, die darauf warteten, von Glinko repariert zu werden – alles Modelle der Vierzigtausend-Dollar-Klasse.

Das Haus war nicht weniger schäbig als die Werkstatt. Die Vordertreppe war eingebrochen, und Qwilleran kletterte vorsichtig über die verbliebenen Bretter und klopfte auf die zerfledderte Fliegendrahttür. Die Frau, die in einem bauschigen, zeltartigen Kleid, unter dem ihre Leibesfülle schwabbelte, hergewatschelt kam, um ihn zu begrüßen, war ganz Lächeln und die Freundlichkeit in Person.

Er stellte sich vor und sagte: »Ich höre, Sie betreiben ein Servicenetz.«

»Ein Servicenetz!« johlte sie, wobei ihre runden Wangen vor Vergnügen bebten. »Das ist gut! Warten Sie, bis ich das Glinko erzähle. Ha ha ha! Kommen Sie herein und schreiben Sie sich ein. Woll'n Sie ein Bier?«

Er lehnte ab: »Danke, aber im Auto warten zwei Freunde auf mich.«

Sie führte ihn in ein schmuddeliges Wohnzimmer, in dem absolut nichts an ein Geschäft erinnerte. »Zweihundert beim Beitritt«, erklärte sie. »Jahresbeitrag fünfzig, oder hundert, wenn Sie Expreßservice haben wollen.«

Qwilleran fand die Gebühr maßlos überhöht, doch er gab seinen Namen und die Adresse der Hütte an und entschied sich für den Expreßservice. »Im Augenblick brauche ich dringend jemanden, der mein Heizgerät repariert. Wie schnell können Sie einen Handwerker abstellen?«

»Abstellen!« rief sie begeistert. »Das ist gut! Das muß ich mir merken!… Schauen wir mal… Einen Klempner, dringend, ja?« Sie blickte nach oben, als studiere sie auf der mit Wasserflecken übersäten Decke Karteikarten. »Ralph, der ist für 'ne Fuhre Rohre nach Pickax gefahren … Jerry, der sieht vor lauter Heuschnupfen nicht aus den Augen und kann nicht mal Auto fahren… Little Joe ist gerade in Ihrer Gegend, installiert bei den Urbanks eine neue Toilette. Ich gebe einen Funkruf durch.«

»Stellen Sie mir die Arbeit in Rechnung?« fragte Qwilleran.

»Nee. Sie zahlen Little Joe, wenn der Auftrag erledigt ist. Aber Sie müssen mir 'nen Schlüssel geben.«

Widerstrebend übergab er ihr den neuen Schlüssel. »Ich stelle Ihnen einen Scheck über dreihundert Dollar aus. Okay?«

Mrs. Glinko schüttelte den Kopf und grinste. »Ich nehme nur Bargeld.«

»In diesem Fall muß ich zur Bank gehen. Soll ich Ihnen meinen Namen und meine Adresse aufschreiben? Ich schreibe mich Q-w-i-l-l-e-r-a-n.«

»Schon notiert!« sagte sie und tippte sich an die Stirn. »Ich werde Little Joe nach dem Essen abstellen. Abstellen! Ha ha ha!«

»Erst nach dem Abendessen?« protestierte er.

»Wir sagen auch zum Mittagessen Essen. Ha ha ha!«

Nachdem er auf der Bank Bargeld für Mrs. Glinko abgehoben hatte, fuhr Qwilleran zum Parkplatz, von dem aus man auf den gemeindeeigenen Jachthafen sah. Dort ließ er die Katzen aus ihrem Korb. »Es hat noch keinen Sinn, nach Hause zu fahren«, teilte er ihnen mit. »Wir geben dem Typen Zeit, die Heizung zu reparieren. Hoffen wir, daß Glinkos System funktioniert.«

Am Imbißstand kaufte er sich einen Hot dog und Kaffee und aß hinter dem Lenkrad sitzend. Er bot den Katzen ein paar Krümel an, die sie hoheitsvoll ablehnten. Zusammen sahen sie den Booten zu, die an der Mole schaukelten: Fischerboote, die man mieten konnte, kleine Jachten und Segelschiffe mit hohen Masten. Es floß eine Menge Geld nach Mooseville, fand er. Bald würden die Bewohner reich werden und dann den Winter im Süden verbringen. In Palm Springs? In Caneel Bay?

Um zwei Uhr fuhr er langsam zur Hütte; er hatte seine Bedenken in bezug auf Mrs. Glinkos Verläßlichkeit und Tüchtigkeit. Zu seiner Erleichterung sah er, daß auf der Lichtung ein Lieferwagen stand – ein rostiges Vehikel ohne Firmenaufschrift, dessen Türen offenstanden, so daß man die Klempnerutensilen im Wagen sehen konnte.

Die Türen der Hütte standen ebenfalls offen, vorne und hinten, und warme Juniluft wehte durch das Haus. Little Joe war so klug gewesen zu lüften. Er hatte mitgedacht, das mußte Qwilleran zugeben. Warum hatte er das nicht selbst gemacht?

An der Vorderseite des Heizkörpers war eine Klappe geöffnet, und davor lag jemand lang ausgestreckt auf dem Boden. Als erstes bemerkte Qwilleran die schmutzigen Arbeitsstiefel, dann die abgewetzten Jeans. Als sein Blick auf das ausgebleichte rotkarierte Hemd fiel, wußte er, daß das kein normaler Handwerker war.

»Hallo«, sagte er unsicher. »Sind Sie der Klempner?«

Der Körper auf dem Boden drehte sich herum, und eine kräftige junge Frau mit einer Mütze auf dem mausfarbenen Haar setzte sich auf und sagte schlicht: »Die Zündflamme ist ausgegangen, weil eine tote Spinne drinnen war. Das ganze Ding ist total verdreckt. Ich mache es gerade sauber. Haben Sie einen Besen? Ich habe den Fußboden schmutzig gemacht.« Das alles sagte sie ohne jeden Ausdruck in ihrem großen, flächigen Gesicht und den stumpfen grauen Augen.

»Sie haben mich überrascht«, sagte Qwilleran. »Ich habe einen Mann namens Joe erwartet.«

»Ich bin Joanna«, sagte sie. »Mein Vater hieß Joe, also nannte man uns Big Joe und Little Joe.« Beim Sprechen senkte sie den Blick.

»War er auch Klempner?«

»Er war eher ein Zimmermann, aber er hat alles mögliche gemacht.«

Qwilleran merkte, daß sie in der Vergangenheit sprach, und witterte eine Familientragödie. »Was ist passiert, Joanna?« fragte er in mitfühlendem Ton, der zum Teil echtes Interesse und zum Teil professionelle Neugier war. Er dachte, daß ein weiblicher Klempner ein gutes Thema für seine Kolumne abgäbe.

»Mein Daddy ist bei einem Unfall ums Leben gekommen.« Sie saß noch immer mit niedergeschlagenen Augen auf dem Boden.

»Das tut mir leid – sehr leid. War es ein Autounfall?«

Traurig schüttelte sie den Kopf und sagte mit ihrer nüchternen Stimme: »Eine Heckklappe hat ihn erschlagen – die hintere Bordwand eines Kippers.«

»Schrecklich!« rief Qwilleran. »Wann ist denn das passiert?«

»Vor ein paar Monaten.«

»Mein aufrichtiges Beileid. Wie alt war er?« Joanna wirkte wie etwa fünfundzwanzig.

»Dreiundvierzig.« Sie drehte sich wieder zum Heizkörper um, als wolle sie die schmerzliche Unterhaltung beenden. Sie zündete die Zündflamme wieder an, schloß die Klappe und mühte sich hoch. »Wo ist der Besen?«

Qwilleran sah ihr beim Fegen zu und stellte fest, daß sie sehr gründlich war. Joanna war eine starke, gesund aussehende junge Frau, doch sie lächelte nie.

»Bin gleich wieder da«, sagte sie und trug einen kleinen Werkzeugkasten zu ihrem Wagen hinaus. Als sie zurückkam, murmelte sie: »Das macht dann fünfunddreißig.«

Da er annahm, daß sie – wie Mrs. Glinko – Bargeld vorzog, gab er ihr ein paar Scheine von seinem Banknotenclip und bekam dafür eine Quittung, auf der stand: »Bezahlt – Jo Trupp‹. Er fand den Preis ziemlich hoch, doch er war froh, daß die Heizung jetzt funktionierte.

Danach hielt sie ihm ein gelbes Blatt hin. »Das müssen Sie unterschreiben«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. »Das ist für Mrs. Glinko.«

Es war ein Beleg, auf dem bestätigt wurde, daß er Jo Trupp für die Reparatur des Heizkörpers bezahlt hatte – daß er ihr fünfundzwanzig Dollar gezahlt hatte. Fünfundzwanzig? Er zögerte nur einen Augenblick angesichts dieser Diskrepanz, bevor ihm klar wurde, daß es sich hierbei sozusagen um Korruption im Kleinformat handelte. Er würde das arme Mädchen nicht wegen zehn Dollar bloßstellen. Zweifellos mußte sie Glinko einen Anteil zahlen und wollte gern auch ein bißchen absahnen.

Sobald der Klempnerwagen über die lange, hügelige Abfahrt verschwunden war und sich die Zimmertemperatur in vernünftigen Bereichen bewegte, wußte Qwilleran die Hütte zu schätzen: die weißgetünchten Wände aus groben Baumstämmen, die offene Decke mit den kreuz und quer verlaufenden Balken, den gewachsten Bretterboden mit den indianischen Vorlegern, die zwei weißen Sofas vor dem offenen Kamin und die unvergleichliche Aussicht von den Fenstern nach Norden. Etwa eine Meile vom Ufer entfernt fuhren Segelboote um die Wette. Hundert Meilen entfernt lag Kanada.

Er trug den Weidenkorb in die Hütte und öffnete langsam den Deckel. Augenblicklich kamen zwei dunkelbraune Gesichtsmasken mit großen blauen Augen und darüber keck gespitzte Ohren zum Vorschein und drehten sich hin und her wie Periskope. Als sie sich vergewissert hatten, daß die Luft rein war, hüpften sie heraus: geschmeidige Körper mit hellem, sandfarbenem Fell, das durch die schlanken braunen Beine noch hervorgehoben wurde, die braunen peitschenähnlichen Schwänze und eben jene neugierigen braunen Gesichtsmasken. Qwilleran entschuldigte sich bei ihnen dafür, daß sie so lange eingesperrt gewesen waren, und für die unglaubliche Verzögerung, doch sie ignorierten ihn und marschierten schnurstracks zum Kamin, um den Platz davor abzuschnüffeln, wo im Sommer vor zwei Jahren ein weißes Bärenfell den Boden gewärmt hatte; doch dann war es so voller Blut gewesen, daß es nicht mehr sauber zu bekommen war und durch einen indianischen Teppich ersetzt werden mußte. Danach schaute Koko interessiert zu dem Elchkopf hinauf, der über dem Kaminsims an der Wand hing, und Yum Yum drückte sich ganz flach auf den Boden, um unter das Sofa zu kriechen, wo sie damals ihre Spielsachen versteckt hatte. Nach wenigen Minuten waren sie beide über seinem Kopf, sprangen von einem Balken zum anderen, landeten auf dem Kaminsims, stürzten auf das Sofa hinunter und rutschten auf den handgewebten Vorlegern über den glattpolierten Fußboden.

Qwilleran brachte sein Gepäck herein und rief rasch Mildred Hanstable an. »Mildred, ich möchte mich für meine schlechten Manieren heute morgen entschuldigen. Ich fürchte, ich war ziemlich kurz angebunden, als ich mit Ihnen sprach.«

»Ist schon in Ordnung, Qwill. Ich weiß, Sie waren verärgert. Hat alles geklappt?«

»Erstaunlich gut! Vielen Dank für den Tip. Glinko hat die Sache in null Komma nichts in Ordnung gebracht. Aber ich muß mich mit Ihnen einmal über dieses ungewöhnliche Ehepaar und ihre unorthodoxen Geschäftspraktiken unterhalten.«

Mildred lachte. »Es funktioniert, also rühren Sie nicht daran. Kommen Sie doch heute abend zum Essen herüber. Ich mache uns schnell einen Auflauf und einen Salat und taue einen Kuchen auf.«

Qwilleran nahm auf der Stelle an und fuhr extra nach Mooseville, um für Mildred eine Flasche ihres Lieblingswhiskeys und für sich eine Flasche weißen Traubensaft zu kaufen. Außerdem besorgte er einen Vorrat an Delikatessen für die Katzen.

Als er aus der Stadt zurückkam, war Koko in der Diele mit einer neuen Entdeckung beschäftigt. Der Flur diente dazu, sich den Schmutz abzuputzen; es gab einen erdfarbenen Vorleger, auf dem man sich die Füße abtreten konnte, Haken für Jacken, einen Schrank mit Reinigungsutensilien und andere nützliche Dinge. Koko hatte sich unter den Vorleger gegraben; er wand sich hin und her und gab kehlige Laute von sich.

Qwilleran schlug den Vorleger zurück. Darunter war eine etwa sechzig mal sechzig Zentimeter große Falltür, die man mit einem eingelassenen Metallring hochziehen konnte. Der Kater schnupperte höchst interessiert die Umgebung dieses Ringes ab.

Vor Qwillerans geistigem Auge tauchten unterirdische Wasserrohre und geheimnisvolle Leitungen auf, und er war genauso neugierig wie Koko. »Geh aus dem Weg, mein Junge, dann sehen wir mal nach«, sagte er. Im Schrank fand er eine Taschenlampe. Er schwang die schwere Eichentür auf. »Es ist voll Sand!

Nichts als Sand!« Koko stand schwankend am Rand des Einstiegs, drauf und dran, in das Loch hinunterzuspringen. »Nein!« donnerte Qwilleran, und der Kater zuckte zusammen, wich zurück und schlenderte davon, um sich betont nonchalant das Fell auf seiner Brust zu putzen.

Als es Zeit war, zu Mildreds Sommerhaus aufzubrechen, waren seine Gefährten gefüttert und lagen auf der fliegendrahtbespannten Veranda, von der aus man auf den See blickte. Sie hatten sich auf einem sonnenbeschienenen Flecken ausgestreckt und waren restlos zufrieden mit sich und der Welt – und warum auch nicht? Sie hatten eine Dose Lachs (ohne die dunkle Haut) und zwei Austern verzehrt. Jetzt ruhten sie sich aus; sie lagen so geruhsam da, daß Qwilleran auf Zehenspitzen zu seinem Fotoapparat ging, doch sobald sie sahen, daß er durch den Sucher schaute, begann Yum Yum ihr Ohr zu kratzen und mit ihren himmelblauen Augen wie eine Idiotin zu schielen, während sich Koko auf den Rücken drehte und sich, ein Bein himmelwärts gestreckt, mit seinem Schwanzansatz beschäftigte.

Qwilleran jagte sie von der Veranda und sperrte sie in die Hütte; dann spazierte er die halbe Meile zu Mildred. Sein Grundstück grenzte an ein einsames Stück Strand, an das träge die Wellen schlugen. Danach ragten ein paar Felsen ins Wasser, die allgemein als ›Seagull Point‹ – ›Möwensitz‹ – bekannt waren, obwohl man kaum je eine Möwe dort sah, außer, der See schwemmte einen toten Fisch an. Hinter dem ›SeagulI Point‹ standen auf dem Gipfel der Düne etwa ein Dutzend Häuschen – in einem kunterbunten Durcheinander von Stilen: Sie waren rustikal, modern, putzig oder auch einfach nur häßlich, wie der schiffsähnliche Bau, der angeblich einem pensionierten Kapitän gehörte.

Das letzte Häuschen in der Reihe war Mildreds gelbes Sommerhaus. Dahinter wurde die Düne gerade für eine neue Siedlung vorbereitet. Man sah Fundamente, und mit den Holzaufbauten war begonnen worden.

Zwanzig Holzstufen führten die Düne hinauf zu Mildreds Terrasse, auf der ein Gartentisch mit integriertem gelbem Sonnenschirm stand; dort begrüßte sie ihn. Ihre gutgepolsterte Gestalt war unter einem lose fallenden gelben Strandkleid verborgen.

»Was ist denn hier los?« rief Qwilleran und deutete auf die Baustelle.

»Appartementhäuser«, sagte sie kläglich. »Es paßt mir gar nicht, aber sie haben uns die Benutzung ihres Klubhauses und des Swimmingpools angeboten, also hat es auch positive Seiten. Der See ist ja zu kalt zum Schwimmen, also… warum nicht?«

Er reichte seiner Gastgeberin die Flaschen und erbot sich, die Drinks einzuschenken. Mildred führte ihn ins Haus und zeigte ihm, wo die Gläser und Eiswürfel waren. Ihre Stimmen klangen gedämpft, weil die Wände mit handgemachten Patchwork-Decken behängt waren – in traditionellen und extrem modernen Mustern; auf alle waren in den Ecken die Initialen M. H. gestickt.

»In diesen Decken steckt wirklich unglaublich viel Arbeit«, sagte Qwilleran. Er dachte, daß dies ein Thema für seine Kolumne sein könnte.

»Ich appliziere nur die Flicken«, sagte sie. »Die Stepparbeit machen meine Näherinnen.« Neben ihrer Lehrtätigkeit an der Schule, ihrer Spalte in der Tageszeitung und ihrem Einsatz für Spendenaktionen für das Krankenhaus leitete Mildred auch ein nicht auf Gewinn ausgerichtetes Projekt für schlechtverdienende Handarbeiterinnen.

Qwilleran sah sie bewundernd an. »Sie haben eine grenzenlose Energie, Mildred. Sie sind ständig im Einsatz!«

»Und warum kann ich dann nicht abnehmen?« wich sie dem Kompliment bescheiden aus.

»Sie sind eine gutaussehende Frau. Machen Sie sich keine Sorgen wegen ein paar Pfunden.«

»Ich koche gerne, und ich esse gerne«, erklärte sie, »und meine Tochter sagt, ich habe nicht genug Bewegung, betreibe keinen Sport. Können Sie sich mich als Joggerin vorstellen?«

»Wie gefällt Sharon die Mutterrolle?« fragte Qwilleran.

»Nun, um die Wahrheit zu sagen, jetzt, wo sie beim Baby zu Hause sein muß, ist sie ziemlich rastlos. Sie möchte wieder unterrichten. Roger findet, sie sollte noch ein Jahr warten. Was meinen Sie, Qwill?«

»Sie fragen einen kinderlosen Junggesellen, der als Ehemann versagt und seines Wissens keine Verwandte hat und keine Meinung!… Übrigens habe ich auf dem Weg von Pickax hierher Roger gesehen. Er ist wie der Blitz zurück in die Redaktion gefahren, zweifellos, um einen Artikel für die Wochenendausgabe abzuliefern.«

Mildred reichte ihm einen zischendheißen Teller mit gefüllten Pilzen und Rumaki. »Ihr Artikel über den Tierpräparator hat mir gefallen, Qwill.«

»Danke. Es war ein interessantes Thema. Ich habe erfahren, daß man präparierte Tierköpfe nicht über einem Kamin aufhängen soll; das trocknet sie aus. Vielleicht muß ich den Elchkopf noch liften lassen. Auch mit den weißgetünchten Wänden möchte ich etwas machen. Naturbelassen sähen sie besser aus.«

»Das würde es in der Hütte aber dunkler machen«, warnte ihn Mildred. »Sie können natürlich Dachfenster einbauen.«

»Sind die nicht undicht?«

»Nicht, wenn Sie einen guten Zimmermann haben.«

»Wo finde ich einen guten Zimmermann? Wahrscheinlich muß ich Glinko anrufen. Hat irgend jemand den Schwindel schon durchschaut, Mildred? Er hat eine Monopolstellung, und ich vermute Preisabsprachen, Wettbewerbsbeschränkung und Steuerhinterziehung. Sie nehmen keine Schecks, und es scheint keine schriftlichen Aufzeichnungen zu geben.«

»Mrs. Glinko hat alles im Kopf«, sagte Mildred. »Diese Frau ist ein lebender Computer.«

»Die Steuerbehörden haben etwas gegen menschliche Computer.«

»Aber Sie müssen zugeben, daß es für Leute wie uns, die im Sommer hier wohnen, ungemein praktisch ist.«

»Ich frage mich, was sie außer Klempnern und Zimmerleuten noch alles anbieten.«

»Jetzt sind Sie zynisch, Qwill. Was war denn mit Ihrem Heizkörper los?«

»Eine tote Spinne hat die Zündflamme ausgelöscht – das hat die Klempnerin jedenfalls gesagt; ich weiß nicht, ob ich es glauben soll. Glinko hat mir eine Frau geschickt, eine weibliche Klempnerin!«

Mildred nickte. »Little Joe.«

»So klein ist sie gar nicht. Kennen Sie sie?«

»Natürlich kenne ich sie!« Mildred arbeitete seit über zwanzig Jahren als Lehrerin im Bezirk, und sie kannte eine ganze Generation von Schülern sowie deren Eltern. »Sie heißt Joanna Trupp. Ihr Vater ist im Frühjahr bei einem sehr ungewöhnlichen Unfall ums Leben gekommen.«

Qwilleran sagte: »In diesem Bezirk gibt es sehr viele tödliche Unfälle. Entweder werden die Leute fünfundneunzig, oder sie sterben jung – bei Jagdunfällen, oder sie ertrinken, kommen bei Autounfällen ums Leben, oder sie überschlagen sich mit dem Traktor…«

Mildred bat ihn zum Eßtisch.

»Ist Little Joe eine gute Klempnerin?« fragte er. »Ich habe überlegt, ob ich nicht einen Artikel über ihren ungewöhnlichen Beruf schreiben soll.«

»Ich weiß nicht, was man als guter Klempner können muß«, sagte Mildred, »aber in der Schule war sie bei allem gut, wo sie mit den Händen arbeiten mußte. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum sie sich entschloß, eine Klempnerkonzession zu erwerben. Warum sollte eine Frau Toiletten und Abflüsse reparieren, ihren Kopf unter die Spüle stecken und unter das Haus kriechen wollen? Ich mache nicht mal gern das Badezimmer sauber!«

Der Auflauf war eine würzige Kombination aus Truthahn, hausgemachten Nudeln und Artischockenherzen, und er versetzte Qwilleran in eine belebende Stimmung. Der Caesar-Salat war ein Gedicht. Und nach dem Himbeerkuchen schnurrte er fast vor Zufriedenheit.

Als Mildred auf der Terrasse den Kaffee servierte, sagte sie: »Morgen abend findet auf der Düne eine Party statt. Wollen Sie nicht mit mir hingehen und die Leute, die den Sommer über hier sind, kennenlernen? Die Gastgeber sind Doc und Dottie Madley. Er ist Zahnarzt aus Pickax, wissen Sie. Sie verbringen ihre Wochenenden hier.«

»Wer kommt sonst noch?«

»Die Comptons wahrscheinlich; die kennen Sie natürlich schon … Die Urbanks, das sind Pensionisten; er ist Chemiker, ein Golfnarr und Langeweiler… John und Vicki Bushland haben ein Fotoatelier im Nachbarbezirk. Er ist begeisterter Angler. Jedermann nennt ihn ›Bushy‹, was komisch ist, weil er nicht mehr viele Haare hat… Der Anwalt aus dem Süden unten ist frisch geschieden. Ich weiß nicht, ob er diesen Sommer heraufkommt … Dann eine junge Frau, die das Dunfield-Haus gemietet hat…«

»Was ist mit dem pensionierten Kapitän?«

»Captain Phlogg geht nie auf Gesellschaften, Gott sei Dank. Er ist in mehr als einer Hinsicht ein Widerling.«

»Ich würde gerne einen Artikel über den Mann schreiben, aber er ist ein unangenehmer alter Knacker. Ich war ein paarmal in seinem Antiquitätenladen, und der ist eine Farce!«

»Er ist ein Schwindler«, sagte Mildred in vertraulichem Tonfall. »Der Mann war nie auf dem Meer! Er war nur Schiffszimmermann in der alten Werft bei Purple Point.«

»Und was macht er in einer gesellschaftlichen Enklave wie der Dünensiedlung?«

»Wollen Sie hören, was man sich so erzählt? Phlogg hat zu einem Zeitpunkt ein Ufergrundstück gekauft, als es noch für wertlos gehalten wurde. Er hat in der Schiffswerft Bauholz geklaut und das Haus mit eigenen Händen gebaut, und jetzt kostet ein Ufergrundstück bis zu sechstausend Dollar pro Quadratmeter! Noch eine Warnung, Qwill – lassen Sie ja nie Ihre Katzen hinaus. Er hat einen Hund, der auf Katzen scharf sein soll. Die Comptons haben ihn verklagt, als ihre Katze angefallen wurde.«