Die Katze, die rosa Pillen nahm - Band 14 - Lilian Jackson Braun - E-Book
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Die Katze, die rosa Pillen nahm - Band 14 E-Book

Lilian Jackson Braun

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Beschreibung

Samtpfoten zur Rettung! „Die Katze, die rosa Pillen nahm“ von Bestsellerautorin Lilian Jackson Braun jetzt als eBook bei dotbooks. Jim Qwilleran ohne seine Katzen? Undenkbar! Aber als seine Freundin Polly ihn zu einer Schottlandreise einlädt, kann Jim nicht Nein sagen. Doch kaum sind sie angekommen, bricht das Chaos los: Zuerst verschwindet teurer Schmuck, dann ihr Busfahrer und schließlich wird auch noch die Reiseleiterin tot aufgefunden. Ohne den besonderen Spürsinn seines Siamkaters Koko ist dieser Fall für Jim unlösbar. Er eilt nach Hause – und stellt erstaunt fest, dass der kluge Kater in seiner Abwesenheit nicht untätig war. Aber wie ist es möglich, dass Koko schon jetzt mehr über den Fall zu wissen scheint als Jim? „Absolut entzückend – ein pures Lesevergnügen“ Detroit Free Press Die Krimi-Serie mit Suchtpotenzial! Der vierzehnte Fall für Reporter Jim und Siamkater Koko – jetzt als eBook kaufen und genießen: „Die Katze, die rosa Pillen nahm“ von Lilian Jackson Braun. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 357

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Über dieses Buch:

Jim Qwilleran ohne seine Katzen? Undenkbar! Aber als seine Freundin Polly ihn zu einer Schottlandreise einlädt, kann Jim nicht Nein sagen. Doch kaum sind sie angekommen, bricht das Chaos los: Zuerst verschwindet teurer Schmuck, dann ihr Busfahrer und schließlich wird auch noch die Reiseleiterin tot aufgefunden. Ohne den besonderen Spürsinn seines Siamkaters Koko ist dieser Fall für Jim unlösbar. Er eilt nach Hause – und stellt erstaunt fest, dass der kluge Kater in seiner Abwesenheit nicht untätig war. Aber wie ist es möglich, dass Koko schon jetzt mehr über den Fall zu wissen scheint als Jim?

»Absolut entzückend – ein pures Lesevergnügen« Detroit Free Press

Über die Autorin:

Lilian Jackson Braun (1913–2011) wurde in Massachusetts geboren. Nach der Highschool arbeitete sie als Journalistin und in der Werbebranche, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihre Katzenkrimis wurden in 16 Sprachen übersetzt und standen regelmäßig auf der »New York Times«-Bestsellerliste.

Bei dotbooks erscheinen alle Bände der Erfolgsserie. Eine vollständige Übersicht finden Sie am Ende dieses eBooks.

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eBook-Neuausgabe Oktober 2016

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1992 »Lilian Jackson Braun«

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel The Cat who wasn’t there.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1994 Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Forewer, MicroOne und bioraven

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-856-4

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Lilian Jackson Braun

Die Katze, die rosa Pillen nahm

Kriminalroman

Aus dem Amerikanischen von Christine Pavesicz

dotbooks.

Kapitel 1

Ende August fuhren sechzehn Bewohner von Moose County, einem entlegenen Teil der Vereinigten Staaten (vierhundert Meilen nördlich vom Rest der Welt), nach Schottland. Sie unternahmen eine Rundreise, auf der sie die Inseln an der Westküste und die Highlands besichtigten, die ›Lochs‹ und ›Moors‹, die Burgen und Pachthöfe, die Flußmündungen und -täler, die Bäche und Hänge, die ›Fens‹ und ›Bens‹ und ›Glens‹. Nur fünfzehn von ihnen kehrten lebend nach Hause zurück – in den verschiedensten Stadien von Schock und Verwirrung.

Unter den Teilnehmern an der Bonnie Scots Tour befanden sich etliche prominente Einwohner von Pickax City, der Bezirksstadt: der Besitzer des Kaufhauses, der Schulrat, eine junge Ärztin aus einer angesehenen Familie, der Verleger der lokalen Tageszeitung, die Leiterin der öffentlichen Bücherei und ein gutaussehender Mann mittleren Alters mit stattlicher Figur, einem üppigen graumelierten Schnurrbart und schweren Augenlidern, der zufällig auch der reichste Junggeselle von Moose County war – eigentlich vom gesamten Nordosten des zentralen Tieflands der Vereinigten Staaten.

Jim Qwilleran hatte seinen Reichtum nicht selbst erarbeitet, sondern durch eine glückliche Fügung geerbt. Als Journalist war er für Großstadtzeitungen im Süden unten (wie die Leute in Pickax das städtische Gebiet südlich von Moose County nannten) Stories hinterhergejagt, hatte Artikel produziert und versucht, sie rechtzeitig vor Redaktionsschluß abzuliefern und war dabei ganz zufrieden gewesen. Dann führte ihn das Schicksal nach Pickax City (3.000 Einwohner) und machte ihn zum Erben des Klingenschoen-Vermögens. Das war mehr Geld, als er eigentlich wollte. Die zahllosen Millionen hingen über seinem Kopf wie eine dunkle Wolke, bis er den Klingenschoen-Fonds ins Leben rief, der das Vermögen für philanthropische Zwecke ausgab; so war er entlastet und konnte so leben, wie es ihm Spaß machte: in einer Scheune wohnen, eine Kolumne für den Moose County Dingsbums schreiben, seine zwei Siamkatzen füttern und bürsten und angenehme Wochenenden mit Polly Duncan verbringen, der Leiterin der öffentlichen Bücherei von Pickax.

Als die Idee mit der Reise nach Schottland geboren wurde, waren Qwilleran und seine beiden Katzen gerade von einem kurzen Aufenthalt in den Bergen zurückgekehrt; sie hatten ihren Urlaub aufgrund von beunruhigenden Nachrichten aus Pickax vorzeitig abgebrochen. Polly Duncan war nach Einbruch der Dunkelheit auf der Heimfahrt von einem Mann in einem Auto ohne Licht verfolgt worden und ihm mit knapper Not entkommen. Als Qwilleran das hörte, hatte er den entsetzlichen Verdacht, daß das ein Entführungsversuch war; seine Beziehung zu Polly war im ganzen Bezirk bekannt, und mit seinen Millionen war er ein gutes Opfer für Lösegeldforderungen.

Auf der Stelle rief er den Polizeichef von Pickax an und bat um Polizeischutz für Polly. Dann brach er den restlichen Urlaub ab und machte sich auf die lange Heimreise nach Moose County. Er fuhr mit einem Tempo, das seinen beiden maunzenden Passagieren auf dem Rücksitz gar nicht paßte und die Verkehrspolizei von vier Staaten auf ihn aufmerksam machte. Montag mittag kam er zu Hause an, brachte die Katzen und ihre Wasserschüssel ins Haus und eilte sofort in die öffentliche Bücherei von Pickax.

Er ging zu Fuß und nahm eine Abkürzung durch den Wald, auf der er sich der Bücherei von der Rückseite her näherte. Auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude erkannte er Pollys kleines, graues zweitüriges Auto und den uralten marineblauen viertürigen Wagen einer älteren Bekannten. Außerdem stand noch ein kastanienbraunes Auto mit einem Kennzeichen aus Massachusetts da, bei dessen Anblick ihn einen Moment lang ein unbehagliches Gefühl beschlich; er hatte nicht den Wunsch, Dr. Melinda Goodwinter zu begegnen, die zum Begräbnis ihres Vaters aus Boston hergekommen war. Er sprang nicht gerade würdevoll die Treppe hinauf und trat in den Hauptsaal, wo es von aufgeregten kleinen Kindern wimmelte. Von Melinda Goodwinter war nichts zu sehen. Die Kleinen kreischten und plapperten und schleppten Bilderbücher zum Ausleihschalter, auf dem ein etwa ein Meter hohes, rundliches Ding stand, das aussah wie ein Ei mit zersprungener Schale. Mit seinen einsachtundachtzig schob Qwilleran sich durch eine Horde von Wichten, die ihm bis an die Knie reichten, lief, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe zum Mezzanin hinauf und preschte durch den Lesesaal zu dem von Glaswänden abgetrennten Büro der Leiterin in der Bücherei. Wie er mit Erleichterung feststellte, war die junge Ärztin aus Boston nicht unter den Leuten an den Lesetischen. Früher oder später mußte er ihr gegenübertreten, und er war unschlüssig, wie er dieses Wiedersehen über die Bühne bringen sollte. Mit kühler Höflichkeit? Mit halbherziger Freude? Mit scherzhafter Lässigkeit?

Die Bibliothekarin war eine Frau in seinem Alter, die Würde ausstrahlte und ein nettes Gesicht hatte. Sie saß an ihrem Schreibtisch und aß gerade ihr Mittagessen, und der Duft von Thunfisch verlieh der gelehrten Atmosphäre des Büros etwas Erdhaftes. Schweigend streckte sie ihm die Hand über den Schreibtisch entgegen und schaffte es, erfreut und überrascht zu lächeln, während sie ein Karottenstückchen kaute. Ein langer, leidenschaftlicher Händedruck war die liebevollste Begrüßung, die sie wagten, da das Büro in etwa die Privatsphäre eines Aquariums besaß und die Menschen in Pickax einen Hang zum Klatschen hatten. Ihre Blicke sagten alles.

»Du bist wieder da!« murmelte sie mit ihrer sanften Stimme, nachdem sie den Bissen hinuntergeschluckt hatte.

»Ja, ich habe es geschafft!« Dieser Dialog war Pollys Intelligenz und Qwillerans Schlagfertigkeit nicht würdig, doch unter den gegebenen Umständen zu entschuldigen. Er ließ sich auf einen lackierten Eichenstuhl fallen, wobei die Schlüssel in seiner hinteren Hosentasche klirrend gegen den harten Sitz schlugen. »Ist alles in Ordnung?« fragte er besorgt. »Noch irgendwelche beängstigenden Vorfälle?«

»Gar nichts«, sagte sie ruhig.

»Hat sich niemand mehr in der Umgebung des Hauses herumgetrieben?«

Sie schüttelte den Kopf.

Einen unbehaglichen Augenblick lang flüsterte ihm sein stets wachsames Mißtrauen zu, daß sie den Vorfall mit dem Mann vor ihrem Haus vielleicht erfunden hatte, um ihn dazu zu bewegen, früher nach Hause zu kommen; sie war etwas besitzergreifend. Er verbannte den Gedanken jedoch sofort aus seinem Kopf; Polly war eine ehrliche und liebevolle Freundin. Mochte sie auch eifersüchtig sein auf Frauen, die jünger und dünner waren als sie – sie war absolut integer, dessen war er sicher.

»Erzähl mir noch einmal genau, was passiert ist«, forderte Qwilleran sie auf. »Am Telefon hat deine Stimme so gezittert.«

»Nun, wie ich dir gesagt habe, kam ich vom Bankett der Bücherei zurück, und es war schon dunkel«, begann sie ruhig in ihrer klaren, überlegten Sprechweise. »Als ich auf den Goodwinter Boulevard fuhr – wo Parkverbot ist, wie du weißt –, fiel mir ein Auto auf, das verkehrt herum vor dem Gage-Herrenhaus stand, und ich sah, daß jemand hinter dem Lenkrad saß – ein Mann mit einem Vollbart. Ich fand das seltsam. Mrs. Gage war noch in Florida, und das Haupthaus war unbewohnt. Ich beschloß, die Polizei anzurufen, sobald ich in meiner Wohnung war.«

»Hast du dich da schon persönlich bedroht gefühlt?«

»Eigentlich nicht. Ich bog in die Seiteneinfahrt des Herrenhauses ein und fuhr nach hinten zum Kutschenhaus, als ich merkte, daß mir das Auto mit ausgeschalteten Scheinwerfern folgte! Und da – da bekam ich Angst! Ich fuhr schneller und blieb direkt vor der Eingangstür stehen und richtete die Scheinwerfer auf das Schlüsselloch. Als ich aus dem Auto sprang, blickte ich nach links. Er stieg ebenfalls aus seinem Wagen aus. Ich schaffte es, hineinzukommen und die Tür zuzuwerfen, bevor er mich erwischte.«

Mit besorgter Miene klopfte sich Qwilleran auf den Schnurrbart. »Hast du noch einen Blick auf ihn werfen können?«

»Das wollte die Polizei auch wissen. Ich hatte den Eindruck, daß er von mittlerer Statur war, und als ich in die Einfahrt einbog, erhellten meine Scheinwerfer ein bärtiges Gesicht am Steuer seines Wagens. Mehr kann ich dir nicht sagen.«

»Damit reduziert sich die Zahl der Verdächtigen auf vierzig Prozent der hiesigen Männer«, sagte Qwilleran. In Moose County waren Bärte sehr beliebt – Kartoffelfarmer, Jäger, Schafzüchter, Fischer, Bauarbeiter und Zeitungsreporter trugen Bärte.

»Es war ein sehr buschiger Bart, würde ich sagen«, fügte sie hinzu.

»Hat dir Brodie Polizeischutz gegeben, wie ich ihn gebeten habe?«

»Er erbot sich, mich zur Arbeit und nach Hause zu bringen, aber, ehrlich gesagt, Qwill, bei Tageslicht kam mir das so unnötig vor.«

»Hm«, murmelte er und sank tief nachdenklich auf seinem Stuhl zusammen. War es falscher Alarm? Oder war Polly wirklich in Gefahr? Um sie nicht übertrieben zu beunruhigen, wechselte er das Thema. »Was soll dieses absurde Ei auf dem Kassentisch?«

»Hast du Humpty Dumpty nicht erkannt? Er steht im Mittelpunkt unserer Sommer-Lese-Aktion«, erklärte sie geduldig. »Die Kinder setzen ihn wieder zusammen, indem sie Bücher ausleihen. Wenn sie eine bestimmte Anzahl ausgeliehen haben, wird er wieder gesund und munter sein, und dann veranstalten wir eine Party… Du bist auch eingeladen«, fügte sie boshaft hinzu, da sie wußte, daß er kleine Kinder tunlichst mied.

»Woher willst du wissen, daß die Kinder die Bücher auch lesen, wenn sie sie ausgeliehen haben? Woher willst du wissen, ob sie sie auch nur aufschlagen?«

»Liebster Qwill, du bist so zynisch!« tadelte sie ihn. »Dein Aufenthalt in den Bergen hat dich nicht im geringsten milder gestimmt… übrigens, hast du unseren Aufzug schon gesehen? Wir sind dem Klingenschoen-Fonds sehr dankbar. Jetzt können auch die älteren und gebrechlichen Leute den Lesesaal benutzen.«

»Ihr solltet den Klingenschoen-Fonds um ein paar Stühle mit gepolsterten Sitzen bitten«, schlug er vor und rutschte auf der unbequemen Sitzfläche herum. »Gibt es – abgesehen von Humpty Dumptys schwerem Sturz – noch irgendwelche weltbewegenden Neuigkeiten in Moose County?«

»Wir sind noch immer traurig über Dr. Halifax Goodwinters Selbstmord. Dr. Melinda Goodwinter ist zum Begräbnis ihres Vaters gekommen und hat beschlossen, hierzubleiben. Alle sind sehr erfreut darüber.« In Pickax herrschte die kleinstädtische Sitte, Söhne und Töchter der Stadt, die einen Titel erworben hatten, mit diesem zu nennen.

Melinda Goodwinter war Pollys Vorgängerin in Qwillerans Gunst gewesen – wie jedermann in Pickax wußte –, und er bemühte sich bewußt, keine erkennbare Reaktion zu zeigen. Beiläufig fragte er: »Wird sie Dr. Halifax’ Patienten übernehmen?«

»Ja, sie hat bereits Anzeigen verschickt.« Polly sprach betont sachlich über Melinda.

»Was hältst du davon, heute abend in die Old Stone Mill essen zu gehen?« fragte er; er wechselte das Thema, um zu verbergen, daß er persönlich von Melindas Heimkehr betroffen war.

»Ich habe gehofft, daß du das vorschlagen würdest. Ich muß etwas Aufregendes mit dir besprechen.«

»Was denn?«

Sie lächelte geheimnisvoll. »Das kann ich dir im Moment noch nicht sagen. Es ist eine wunderbare Überraschung!«

»Wo soll ich dich abholen? Und wann?«

»Sagen wir, um sieben?« schlug Polly vor. »Ich würde vorher gerne nach Hause gehen und mich umziehen und Bootsie füttern.«

»Also dann um sieben.«

»Bist du auch sicher nicht zu müde nach der langen Fahrt?«

»Ich brauche nur eine Tasse starken Kaffee, dann schwinge ich mich schon wieder von den Kronleuchtern.«

»Du hast mir gefehlt, Liebster. Ich bin so froh, daß du wieder da bist«, sagte sie leise.

»Du hast mir auch gefehlt, Polly.« Er ging aus ihrem Büro und blieb auf der Türschwelle stehen, von wo aus die Lesetische zu sehen waren. Er sah eine weißhaarige Frau, die mit ihren arthritischen Händen mühsam strickte; ein älterer Mann saß über einen Stapel Bücher gebeugt; ein jüngerer mit einem struppigen Bart blätterte in einer Zeitschrift. »Wer ist der Typ mit dem Bart?« murmelte Qwilleran hinter der vorgehaltenen Hand, mit der er sich über den Schnurrbart strich.

»Ich weiß nicht. Die Frau ist Mrs. Crawbanks; ihre Enkeltochter setzt sie immer hier ab, während sie Besorgungen macht. Jetzt, wo wir einen Aufzug haben, sind wir wohl ein Tagesheim für Großeltern geworden. Homer Tibbitt – aber den kennst du ja – betreibt Recherchen für die Historische Gesellschaft. Den jüngeren Mann kenne ich nicht.«

Qwilleran marschierte durch den Lesesaal, um mit dem dünnen, knochigen Mr. Tibbitt zu sprechen, der über neunzig und noch immer sehr aktiv war, trotz seiner knarrenden Gelenke. »Ich habe gehört, Sie wühlen in der schaurigen Geschichte von Moose County, Homer.«

Der pensionierte Schuldirektor richtete sich auf, wobei sein spindeldürrer Körper an diversen Stellen klickende Geräusche von sich gab. »Muß die alten Gehirnzellen auf Trab halten«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Es hat noch niemand die Geschichte der Goodwinters aufgeschrieben, obwohl sie vor hundertfünfzig Jahren Pickax gegründet haben. Es gab vier Zweige in der Familie, ein paar mit gutem Blut und ein paar mit schlechtem, wie ich leider sagen muß. Aber jetzt stirbt der Clan in dieser Gegend aus. Amanda ist die letzte der trinkfesten Goodwinters. Dr. Halifax hatte zwei Kinder, doch der Junge kam vor ein paar Jahren bei einem Unfall ums Leben, und wenn Dr. Melinda heiratet und Söhne bekommt, dann führen sie den Familiennamen nicht fort. Natürlich«, fuhr er nach kurzem Nachdenken fort, »könnte sie auch etwas Unkonventionelles machen; man kann nie wissen, was den jungen Leuten heutzutage einfällt. Aber im Augenblick ist Junior Goodwinter die einzige Hoffnung. Bis jetzt hat er einen Sohn gezeugt…«

Mr. Tibbitt hätte noch weitergeplappert, doch Qwilleran sah, daß der bärtige Mann den Lesesaal verlassen hatte, und er wollte ihm folgen. Er entschuldigte sich, sauste die Treppe hinunter und aus dem Gebäude hinaus, wobei er den Kindern im Vorschulalter auswich, doch das Auto mit dem Kennzeichen aus Massachusetts fuhr bereits vom Parkplatz weg.

Von der Bücherei ging er durch eine Seitenstraße zur Polizeistation; er hoffte, hier keine Bekannten zu treffen, die ihn über seine vorzeitige Rückkehr aus den Bergen ausfragen würden. Andrew Brodie, der schwere, breitschultrige Polizeichef, saß über einen Computer gebeugt und hackte sichtlich mißtrauisch auf die Tasten ein.

»Wer hat diese verdammten Dinger bloß erfunden?« knurrte Brodie. »Bringen mehr Arger als Nutzen!« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Nun, mein Freund, Sie sind ja recht schnell wieder nach Pickax zurückgezischt! Wie haben Sie das geschafft?«

»Im Tiefflug, und indem ich Polizisten bestochen und einen falschen Namen angegeben habe.« Qwilleran wußte, daß Brodie diese Art von Geplänkel mochte. »Wie läuft’s, Andy? Haben Sie noch Meldungen über irgendwelche Typen bekommen, die sich hier herum treiben?«

»Nicht eine einzige! Aus dem Vorfall am Goodwinter Boulevard werde ich nicht recht schlau. Mit Ihrer Theorie stimme ich nicht ganz überein, Qwill. Wir hatten hier noch nie einen Fall von Kidnapping, außer einmal, als ein Vater nach einem Streit über das Sorgerecht sein Kind entführt hat.«

»Vor ein paar Minuten hat im Lesesaal vor Pollys Büro ein Fremder herumgelungert, ein jüngerer Mann mit einem struppigen Bart und einem grauen Sweatshirt. Er fuhr ein Auto mit einem Kennzeichen aus Massachusetts, aber er ist vom Parkplatz weggefahren, bevor ich die Nummer lesen konnte.«

»Könnte das Dr. Melindas Auto sein? Sie ist wieder da.«

»Es war ein altes Modell und verdreckt. Ich bin sicher, sie fährt einen neuen Wagen, der vollkommen keimfrei aussieht.«

»Wenn Sie ihn Wiedersehen, schreiben Sie sich die Nummer auf, und wir überprüfen einfach mal, auf wen er gemeldet ist. Können Sie ihn beschreiben?«

»Ich kann Ihnen nur sagen, daß es ein matt kastanienbrauner Mittelklassewagen ist und daß er aussieht, als wäre er erst vor kurzem auf Schotterstraßen gefahren.«

»Die sind in dieser Gegend nicht selten.«

Qwilleran warf einen Blick über Brodies Schulter auf die Kaffeemaschine. »Können die Steuerzahler eine Tasse für einen müden Reisenden erübrigen?«

»Bedienen Sie sich, aber erwarten Sie nicht so ein Gebräu wie den flüssigen Teer, den Sie produzieren!«

Qwilleran stieß die Schwingtür auf und trat in das abgegrenzte Areal, schenkte sich eine Tasse schwachen Kaffee ein und setzte sich auf einen weiteren harten Eichenstuhl einer öffentlichen Einrichtung. »Haben Sie bei Dr. Halifax’ Begräbnis Dudelsack gespielt, Andy?«

Der Polizeichef nickte ernst. »Die Leute waren vollkommen fertig! Männer, Frauen, Kinder – alle waren in Tränen aufgelöst! Es gibt nichts Traurigeres als ein Trauerlied auf einem Dudelsack. Dr. Melinda hat darum gebeten. Sie sagte, ihr Vater mochte den Klang von Dudelsäcken.« In vertraulichem Tonfall fuhr er fort: »Sie glaubt, sie kann seine Patienten übernehmen, aber die Männer hier werden sich mit der Vorstellung, sich vor einer Ärztin auszuziehen und von einer Frau untersuchen zu lassen, nicht anfreunden können. Ich bin in der Hinsicht selbst etwas zimperlich. Ich suche mir einen Mann als Arzt, und wenn ich nach Lockmaster fahren muß. Wie steht’s mit Ihnen?«

»Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es soweit ist«, sagte Qwilleran sorglos, obwohl er wußte, daß in seinem Fall die Situation schwierig sein würde. »Wenn das Klingenschoen-Gebäude fertig ist, wird unser Gesundheitswesen besser werden. Dann werden wir ein paar Spezialisten aus dem Süden herauflocken können. Schließlich ist das eine gute Gegend für Familien mit Kindern; das haben Sie selbst gesagt.« Sein Versuch, vom Thema Melinda abzulenken, scheiterte.

Brodie sah ihn scharf an. »Sie waren mal ziemlich eng mit ihr befreundet, habe ich gehört, als sie noch hier wohnte.«

»Sie war die erste Frau, die ich traf, als ich nach Moose County kam, Andy, aber das ist lange vorbei.«

»Ich weiß nicht, warum Sie und Polly nicht heiraten. Das ist die einzig richtige Art zu leben, meiner Meinung nach.«

»Das kommt daher, daß Sie mit Leib und Seele ein Familienmensch sind. Versuchen Sie doch mal zu begreifen, daß einige von uns einfach miserable Ehemänner abgeben. Ich bin leider auf die harte Tour zu dieser Erkenntnis gelangt. Ich habe dadurch einige Jahre meines Lebens verloren – und dabei noch ein weiteres Leben ruiniert.«

»Aber Polly ist eine gute Frau. Ein Jammer, zu sehen, wie sie ihr Leben vergeudet.«

»Vergeudet! Wenn sie wüßte, daß Sie sagen, ihr Leben ist vergeudet, würde sie Ihre Büchereikarte zerreißen! Polly führt ein nützliches und erfülltes Leben. Mit ihr steht und fällt die Bücherei. Und sie möchte unabhängig sein. Sie hat ihre Freundinnen und beobachtet Vögel, sie hat eine gemütliche Wohnung voller Familienerbstücke…«

Und sie hat Bootsie! dachte Qwilleran, als er von der Polizeistation zur Zeitungsredaktion ging. Er schnaubte in seinen Schnurrbart. Er hatte den Eindruck, daß Polly den zweijährigen Siamkater mit viel zu viel gefühlsduseliger Liebe überschüttete. Als Bootsie ein Baby war, hatte sie ihn schon übertrieben in Watte gepackt, doch jetzt war er den verspielten Babytagen entwachsen, und sie flüsterte ihm noch immer eine Menge unsinniges Zeug ins Ohr. In Qwillerans Haushalt waren die Siamkatzen kultivierte Gefährten, die er als gleichberechtigte Partner behandelte, und sie behandelten ihn ebenso. Er führte intelligente Gespräche mit ihnen, und sie antworteten mit ausdrucksvollem Zirpen und Maunzen. Wenn er in ihrer Gegenwart Probleme wälzte, spürte er ihre Anteilnahme. Er las ihnen regelmäßig laut aus anspruchsvollen Büchern vor, aus Nachrichtenmagazinen und – sonntags – aus der New York Times.

Kao K’o Kung, der Kater (der auch auf den praktischen Rufnamen Koko hörte), war ein sehr begabtes Tier, das mit hochentwickelten Sinnen ausgestattet war, die weit über die der Menschen oder anderer Katzen hinausgingen. Yum Yum, das Weibchen, verbarg ihre katzenhaften Listen hinter zärtlichem Schmusen, Schnurren und Kuscheln und faßte oft mit ihrer Pfote an Qwillerans Schnurrbart.

Es war nur ein kurzer Fußmarsch von der Polizeistation zur Redaktion des Moose County Dingsbums, wie die lokale Tageszeitung hieß. (In Pickax, das nur eine Quadratmeile groß war, war alles nur einen kurzen Fußmarsch entfernt.) Die Redaktion befand sich in einem neuen Gebäude, das durch die finanzielle Unterstützung des Klingenschoen-Fonds ermöglicht worden war, und der Herausgeber und Verleger war Qwillerans langjähriger Freund aus dem Süden, Arch Riker. In der Eingangshalle gab es keine Sicherheitsbeamten oder versteckten Kameras wie in den Redaktionsgebäuden der Großstadtzeitungen, für die Qwilleran gearbeitet hatte. Er ging den Korridor zu Rikers Büro hinunter. Die Tür stand offen, der Schreibtisch war leer.

Aus dem Büro des Chefredakteurs auf der anderen Seite des Ganges rief ihm Junior Goodwinter zu: »Arch ist zu einer Verlegerkonferenz nach Minneapolis gefahren. Er kommt morgen zurück. Komm herein! Setz dich. Leg die Füße hoch. Ich nehme nicht an, daß du eine Tasse Kaffee willst.«

Qwilleran dachte an das herkömmliche Gebräu, das er gerade getrunken hatte, und erwiderte: »Ich habe mein Publizistikstudium als Koffeinexperte abgeschlossen. Mach mir einen Kaffee – schwarz und heiß.«

Juniors jungenhafte Gestalt, das jungenhafte Gesicht und sein jungenhafter Enthusiasmus wurden seit kurzem durch einen Vollbart gemildert. »Wie gefällt er dir?« fragte er und strich sich über das Kinn. »Macht er mich älter?«

»Du siehst aus wie ein junger Kartoffelfarmer. Was sagt deine Frau dazu?«

»Ihr gefällt er. Sie sagt, ich sehe damit aus wie ein fröhlicher Kobold. Warum bist du so schnell wieder nach Hause gekommen?« fragte er und reichte ihm eine dampfende Tasse.

»Polly ist von einem Mann erschreckt worden, der sich auf dem Goodwinter Boulevard herumtrieb. Das gefällt mir gar nicht.«

»Wieso haben wir nichts davon gehört?«

»Sie hat es gemeldet, aber es gab keinen weiteren Vorfall mehr, soviel bekannt ist.«

»Ganz im Ernst, mit dem Goodwinter Boulevard muß etwas geschehen«, sagte Junior. »Das war mal die beste Straße in der ganzen Stadt. Und jetzt, mit den leeren Herrenhäusern, die aussehen wie Spukschlösser, wird sie richtig beklemmend. Das, in dem Alex und Penelope gewohnt haben, steht seit Jahren zum Verkauf! Und das Haus, das VanBrook gemietet hatte, steht wieder leer und findet keinen Käufer. Wer will heutzutage schon fünfzehn oder zwanzig Zimmer?«

»Die Straße muß neu belebt werden«, sagte Qwilleran. »Wohnungen, Büros, gute Restaurants, gehobene Pflegeheime und dergleichen sollten entstehen. Warum schreibst du nicht einen Leitartikel darüber?«

»Man würde mir vorwerfen, daß ich eigene Interessen verfolge«, vermutete Junior.

»Wieso denn das?«

»Grandma Gage hat sich in Florida eine Eigentumswohnung gekauft und möchte mir das Herrenhaus noch zu ihren Lebzeiten überschreiben lassen. Was soll ich mit fünfzehn Zimmern anfangen? Denk an die Heizkosten und die Steuern und die vielen Fenster, die geputzt werden müssen! Ich werde nur Besitzer eines weiteren unnützen Kolosses auf dem Goodwinter Boulevard werden!«

Qwillerans Augen, deren melancholischer Ausdruck und schwere Lider weithin bekannt waren, blickten auf das Durcheinander auf dem Schreibtisch des Chefredakteurs, die zerknüllten Blätter, die neben dem Papierkorb gelandet waren, die halb offenen Laden mit Aktenmappen, die Stapel mit auswärtigen Zeitungen. Aber er schaute nicht wirklich hin; er dachte nach. Er dachte, daß das Gage-Herrenhaus auf dem Grundstück vor Pollys Kutschenhaus stand. Würde er dort wohnen, könnte er immer ein wachsames Auge auf sie werfen. Außerdem wäre es auch für andere Zwecke praktisch; zum Beispiel könnte er öfter mal zum Abendessen bei ihr vorbeikommen. Zufrieden glättete er seinen Schnurrbart und sagte zu Junior: »Ich könnte ein Winterhaus in der Stadt brauchen. Meine Scheune ist schwer zu heizen, und es muß viel zu viel Schnee geräumt werden. Warum miete ich nicht dein Haus?«

»He, das wäre toll!« rief der junge Chefredakteur.

»Aber ich finde trotzdem, daß du diesen Leitartikel bringen solltest.«

»Die Stadtverwaltung wird die Straße niemals ändern. In Pickax haben Traditionen ein langes Leben.«

»Was ist mit Stephanies Restaurant im alten Lanspeak-Haus? Das ist vor ein paar Jahren eröffnet worden, als ich hierher zog.«

»Das war das erste Haus auf dem Boulevard«, erklärte Junior. »Der Eingang ist auf der Hauptstraße, daher konnte es für kommerzielle Zwecke verwendet werden. Ein Jammer, daß es geschlossen wurde; das Haus steht noch immer leer… Nein, Qwill, es gibt noch immer einflußreiche Familien auf dem Boulevard, die sich wie die Löwen gegen eine Kommerzialisierung wehren werden. Wir werden warten müssen, bis noch ein paar von ihnen weggestorben sind. Dr. Halifax hat auch auf dem Boulevard gewohnt, wie du weißt.«

»Glaubst du, daß Melinda das Haus behalten wird?«

»Auf keinen Fall! Sie hat eine Wohnung und beabsichtigt, das Haus und die ganze Einrichtung zu verkaufen. Ganz unter uns, ihr Vater hat ihr nicht viel hinterlassen. Er war ein altmodischer Landarzt, hat Patienten, die nicht zahlen konnten, gratis behandelt und nie die Versicherungen beschummelt. Und vergiß nicht die Kosten für die Pflegerinnen, die seine Frau all die Jahre rund um die Uhr betreut haben! Melinda hat mehr Probleme als Vermögen geerbt… Hast du sie schon gesehen?« fragte Junior und sah ihn forschend an. Er wußte, daß Melinda einmal hinter dem begehrtesten Junggesellen im ganzen Bezirk hergewesen war. Sie war Juniors Cousine. Alle Goodwinters waren in irgendeiner Form miteinander verwandt. »Sie hat sich irgendwie verändert«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie ich es genau ausdrücken soll.«

»Drei Jahre als Ärztin in einem Krankenhaus in Boston können sich schon so auswirken«, sagte Qwilleran.

»Ja, sie haben sie wohl ganz schön rangenommen. Nun, ist ja egal. Können wir diese Woche mit einem Beitrag von dir rechnen? Oder bist du zu erledigt?«

»Ich werde sehen, was ich tun kann.«

Als er nach Hause ging, dachte Qwilleran an seine frühere Beziehung zu Dr. Melinda Goodwinter. Damals war er neu in Moose County gewesen und hatte von giftigem Efeu einen starken Ausschlag bekommen. Sie hatte den Ausschlag erfolgreich behandelt und bot ihm dann ihre Freundschaft an, schlagfertige Unterhaltung und ihre Jugend. Sie war zwanzig Jahre jünger als er, hatte grüne Augen mit langen Wimpern und ging so frei und offen mit Sex um, wie das typisch für ihre Generation war. Als Ärztin hatte sie ihn dazu gebracht, das Rauchen aufzugeben und mehr Sport zu betreiben. Als Frau war sie für Qwillerans Geschmack allzu aggressiv gewesen, und ihr Versuch, ihn mit Gewalt in eine Ehe zu treiben, endete für sie beide peinlich. Danach war sie nach Boston gegangen und hatte allen erzählt, sie habe nicht den Wunsch, Landärztin zu werden.

Als er Polly kennenlernte, war er der Jäger gewesen – eine Rollenverteilung, die mehr nach seinem Geschmack war. Sie war nicht so schlank wie Melinda, und ihre Wimpern waren nicht so lang, aber sie war eine kongeniale Freundin und eine gute Köchin, die seine literarischen Interessen teilte. Zum Beispiel setzten sie sich gerne zusammen und lasen Shakespeare. Sie stellte keine unannehmbaren Forderungen, und Qwilleran merkte, daß Polly seine Gedanken immer mehr beschäftigte.

Auf dem Heimweg ging er in Toodles Supermarkt, um den Katzen etwas zu fressen zu kaufen – immer ein Problem, weil sie einen unberechenbaren Gaumen hatten. Ihre Vorlieben änderten sich gerade so oft, daß er immer auf Trab gehalten wurde. Nur etwas änderte sich nie: Sie fraßen kein Katzenfutter! Als könnten sie Etiketten lesen, straften sie jedes Produkt, das für Vierbeiner hergestellt worden war, mit kalter Verachtung. Manchmal gaben sie sich mit rotem Lachs aus der Dose, garniert mit einer geräucherten Auster oder einem Tupfer Kaviar (vorzugsweise Stör) zufrieden. Dann wieder waren sie ganz versessen auf Truthahn – doch er konnte nie sicher sein. In Toodles Supermarkt überlegte er, ob er vom Delikatessenstand eine Scheibe Roastbeef oder etwas Hühnerleberpastete kaufen sollte. Noch besser wären hundert Gramm Rinderfilet vom Metzger, au tartare serviert, doch das müßte er selbst kleinschneiden, an maschinell gehacktem Fleisch stießen sie sich aus irgendeinem Grund. Er entschied sich für die Leberpastete.

Danach nahm er – nur um etwas Bewegung zu bekommen – den längeren Weg nach Hause. Er stapfte eine Seitenstraße entlang und bog dann auf einen Kiesweg ein, der durch einen alten Obstgarten führte. Dreißig Meter von der Apfelscheune entfernt hörte er bereits das lautstarke Maunzen, das zu seiner Begrüßung angestimmt wurde. Die Scheune stammte aus dem neunzehnten Jahrhundert und war ein achteckiges, vier Stockwerke hohes Gebäude mit großen Fenstern in verschiedenen Etagen. Drinnen konnte er zwei Pelztierchen herumsausen sehen, die ihn zuerst von einem Fenster und dann von einem anderen aus beobachteten. Sie erwarteten ihn an der Tür, wo sie mit hocherhobenem Schwanz herumtänzelten. Bei diesem Ritual hüpfte sein Herz vor Freude, wenngleich seine Begrüßung eher unsentimental war. »Was habt ihr zwei Racker denn getan, seit ihr wieder zu Hause seid?«

Mit bebenden Schnurrhaaren witterten sie die Leberpastete. Aufgeregt und erwartungsvoll rasten sie die Rampe hinauf, die spiralenförmig um die Innenwand der Scheune verlief und die drei Galerien miteinander verband, um dann als schmale Laufstege unter dem Dach zu enden. Oben angekommen, polterten sie kunterbunt durcheinander auf die erste Galerie hinunter, von wo sie wie Eichhörnchen hinuntersprangen und auf der gepolsterten Sitzgarnitur im Erdgeschoß landeten. Dort putzten sie sich vor dem Essen die Pfoten und die Schnurrhaare.

Qwilleran strich die Pastete auf einen Teller, stellte ihn auf den Boden und sah ihnen dann fasziniert beim Fressen zu. Ihre Formschönheit war atemberaubend; seidig glänzende, sandfarbene Körper auf langen, braunen Beinen; dunkelbraune Gesichtsmasken mit unglaublich blauen Augen; ausdrucksvolle braune Schwänze, die am Ende spitz zuliefen. Qwilleran fand, daß sie viel eleganter waren als Bootsie, der zum Ausgleich für sein einsames Leben überfüttert wurde.

Um sieben Uhr holte er Polly in ihrer Wohnung im Kutschenhaus hinter dem Gage-Herrenhaus ab. Als er die schmale Treppe hinaufstieg, erwartete ihn am oberen Ende Bootsie mit angelegten Ohren und gebleckten Fangzähnen.

»Ich grüße dich, du Zierde der Tierwelt«, sagte Qwilleran. Er dachte, daß eine Shakespeare'sche Phrase Polly erfreuen würde.

Bootsie fauchte.

»Du mußt ihm verzeihen«, sagte sie entschuldigend. »Als sich dieser Mann da draußen herumtrieb, hat er die Gefahr gespürt, und seither ist er nervös.«

Nach einer herzlichen, wortlosen, aber innigen Umarmung, die die Besucher der Bücherei in Erstaunen und die Klatschbörse von Pickax in Aufruhr versetzt hätte, überreichte Qwilleran Polly ein in Küchenpapier gewickeltes Paket. »Tut mir leid, daß es nicht in Geschenkpapier verpackt ist«, sagte er. »Ich habe es aus den Bergen mitgebracht. Es hat ausgesehen wie dein Lieblingsblau.«

Polly war begeistert. »Es ist ein Cape mit Fledermausärmeln! Handgewebt! Wer hat es denn gewebt?«

»Jemand von den Bergbewohnern.« Er tat die Frage mit einem Achselzucken ab. »In den Bergen sind alle Leute Weber und Töpfer und Holzschnitzer.« Er erwähnte nicht, daß die Weberin eine interessante junge Frau war, die er zum Abendessen ausgeführt hatte und die ihn zweimal gerettet hatte, als er auf Bergpässen in Schwierigkeiten geraten war.

Polly hatte das langweilige Kostüm abgelegt, das sie in der Bücherei trug, und ein Sommerkleid mit verschieden großen Tupfen angezogen – rot auf weiß und weiß auf rot –, in dem sie sehr fröhlich wirkte. »Und du findest wirklich nicht, daß es zu gewagt für mich ist?« fragte sie, als ihr Qwilleran ein Kompliment machte. »Irma Hasselrich hat mir beim Aussuchen geholfen.«

Sie fuhren in dem Mietwagen, mit dem er aus den Bergen zurückgefahren war, ins Restaurant. »Mein eigenes Auto ist kaputtgegangen«, erklärte er, »und ich habe es dortgelassen.« Das stimmte auch so ungefähr; der Wagen war im Schlamm steckengeblieben, und er hatte ihn der jungen Frau aus den Bergen geschenkt, die ihn sicher mit ihrem Schlamm-Buggy herausziehen konnte.

Das Restaurant namens Old Stone Mill befand sich in einer alten Getreidemühle. In Pickax gab es genug Geld – und genug kultivierte Gaumen –, um die Existenz eines erstklassigen Restaurants zu gewährleisten. Es gehörte einem Syndikat von Geschäftsleuten, die aus steuerlichen Gründen ein unrentables Unternehmen brauchten. Die Küchenchefs waren gutbezahlt, und die Speisekarte war kosmopolitisch genug für einheimische Gäste, die schon in San Francisco, New Orleans und Paris gespeist hatten.

Qwilleran und Polly wurden begrüßt und an ihren üblichen Tisch geführt, und dann kam ein zwei Meter großer Hilfskellner, der die Gäste und das Personal gleichermaßen um Haupteslänge überragte, mit einem Wasserkrug und einem Korb mit Knoblauchtoast an ihren Tisch geschlurft. Er hieß Derek Cuttlebrink. »Hallo, Mr. Qwilleran«, sagte er freundlich. »Ich dachte, Sie wollten den Sommer über wegfahren.«

»Ich bin zurückgekommen«, erklärte Qwilleran knapp.

»Ich nehme mir im August zwei Wochen frei für einen Campingurlaub.«

»Schön für Sie!«

»Ja, ich hab’ da so ein Mädchen kennengelernt, und sie hat ein Zelt. Es ist aus blauem Nylon, zweimal zweieinhalb Meter, mit Aluminiumrahmen. Ist in fünf Minuten aufgestellt.«

»Nehmen Sie viel Insektenspray mit«, riet ihm Qwilleran. »Gehen Sie giftigem Efeu aus dem Weg. Nehmen Sie sich vor Zecken in acht.«

Polly fragte: »Hast du noch mal über das College nachgedacht, Derek?«

»Nun, Sie wissen ja, wie das ist, Mrs. Duncan. Ich habe beschlossen, in der Gastronomie zu bleiben. Ende des Monats werde ich zum Küchendienst befördert – ich werde für Pommes frites und Knoblauchtoast zuständig sein.«

»Herzlichen Glückwunsch!« sagte Qwilleran.

Als der Hilfskellner davonschlenderte, meinte Polly: »Glaubst du, daß aus Derek noch mal was wird?«

»Gib die Hoffnung nicht auf«, meinte Qwilleran. »Eines Tages wird er das richtige Mädchen kennenlernen, und dann wird er noch ein berühmter Gehirnchirurg. Alles schon dagewesen.«

Er bestellte für Polly trockenen Sherry und für sich selbst eine Spezialität des Bezirks namens Squunk-Wasser – es stammte aus einer Quelle in Squunk Corners. Er trank es immer mit Eis und einer Zitronenscheibe.

Polly hob ihr Glas. »Slainte!«

»Gleichfalls«, sagte Qwilleran. »Was bedeutet das?«

»Genau weiß ich es auch nicht. Es ist ein gälischer Trinkspruch, den Irma Hasselrich immer ausbringt.« Polly zitierte ihre neue Freundin häufig.

Qwilleran hatte seine Zweifel in Bezug auf Irma Hasselrich. Sie war Mitte vierzig und wohnte noch immer bei ihren Eltern. Ihr Vater war der Seniorpartner der Anwaltskanzlei Hasselrich, Bennett & Barter. Sie war die Leiterin der freiwilligen Helfer im Pflegeheim, und Qwilleran hatte sie kennengelernt, als er eine alte Patientin interviewte. Damals hatte er gefunden, daß sie eine gutaussehende Frau war. Sie hatte eine stattliche Figur, ein gepflegtes Äußeres und ein charmantes Auftreten. Da Polly den Sommer über in England gewesen war, hatte er versucht, Irma zum Abendessen auszuführen, doch sie war seiner Einladung deutlich ausgewichen. Er war es nicht gewohnt, einen Korb zu bekommen und reagierte entschieden negativ darauf.

In letzter Zeit hatten die beiden Frauen ein gemeinsames Hobby entdeckt; sie beobachteten häufig – mit Ferngläsern und Notizheften ausgestattet – Vögel am Ufer des Ittibittiwassee-Flusses oder in dem Feuchtgebiet in der Nähe von Purple Point. Überdies animierte die gepflegte, gutgekleidete Irma Polly, leuchtendere Farben zu tragen und ihre Haare, die grau zu werden begannen, zu tönen.

»Du siehst heute abend besonders jung und attraktiv aus«, bemerkte er, als sie ihre Aperitifs tranken. »Bald wirst du beim Theaterclub mitmachen und die junge Naive spielen.«

»Sehr unwahrscheinlich«, sagte sie mit ihrem melodiösen Lachen. »Aber hast du gehört, daß der Club im September Macbeth aufführt?«

»Das ist aber eine Überraschung!«

»Warum? Es ist ein sehr dramatisches Stück mit Hexen, Geistern, Fechtszenen, einer Schlafwandlerin und ein paar gräßlichen Morden, und es hat uns eine Menge zu sagen – über Versuchung, menschliches Versagen, die Kraft böser Gedanken und zwanghaften Ehrgeiz.«

»Aber es gibt einen Aberglauben, der besagt, daß das Stück dem Ensemble, das es aufführt, Unglück bringt.«

»Das weiß hier keiner, also binde es ihnen nicht auf die Nase«, riet ihm Polly. »Natürlich ist fast sicher, daß Larry die Titelrolle spielen wird.«

»Dann muß er sich wieder einen Bart wachsen lassen. Das wird ihm nicht gefallen. Wer führt Regie?«

»Ein Mann, der neu in der Stadt ist, Dwight Somers. Er arbeitet bei XYZ-Enterprises. Er hat Theatererfahrung und soll sehr nett sein. Er hat schon einen Termin für das Vorsprechen festgesetzt, und es wird gemunkelt, daß sich Dr. Melinda um die Rolle der Lady Macbeth bewerben wird.« Die Bücherei von Pickax war eine wichtige Zweigstelle der hiesigen Klatschbörse.

Qwilleran wollte fragen: Hast du Melinda gesehen? … Wie sieht sie aus? … Es heißt, sie hat sich sehr verändert. Er hielt es jedoch für klüger, nicht so viel Interesse zu bekunden, daher fragte er beiläufig: »Wäre sie denn gut für die Rolle?«

»Möglicherweise ja. Ich habe sie bei Dr. Halifax’ Begräbnis gesehen, und sie wirkte… viel älter. Das lange, schmale Goodwinter-Gesicht – du weißt schon – sieht leicht verhärmt aus. Es altert nicht gut.«

Sie bestellten geeiste klare Brunnenkressesuppe und gegrillten Schwertfisch mit Ananas-Chili-Sauce, und Qwilleran fragte: »Was ist das für eine Überraschung, die du heute abend für mich hast?«

»Also!« begann sie mit sichtlichem Genuß. »Während du weg warst, waren Irma und ich einmal gemeinsam essen, und wir sprachen über Schottland. Sie hat dort die Kunstschule besucht und noch immer Kontakt mit Leuten dort, die sie häufig besucht. Ich erwähnte, daß ich schon immer das Land von Macbeth sehen wollte, und dann hat eins zum anderen geführt, und wir überlegten: Warum organisieren wir nicht eine Gruppenreise zu den schottischen Inseln und in die Highlands? Ein bestimmter Prozentsatz der Reisekosten könnte als Spende an das Pflegeheim gehen und damit steuerlich abgesetzt werden.«

»Klingt gut. Wer würde das in die Hand nehmen?«

»Irma plant die Reiseroute, übernimmt die Buchungen und wird als Reiseleiterin fungieren.«

»Hat sie Erfahrung mit Gruppenreisen?«

»Nein, aber sie leitet das Programm mit den freiwilligen Helfern im Pflegeheim, und sie hat echte Führungsqualitäten, Organisationstalent und weiß auf jeden Fall eine Menge über Schottland, besonders über die Inseln an der Westküste und die Highlands.«

»Wie werdet ihr in Schottland reisen?«

»Mit einem gemieteten Minibus. Die Lanspeaks und die Comptons haben sich schon angemeldet, und Irma und ich nehmen zusammen ein Zimmer. Der Preis ist auf Doppelzimmer-Basis, aber es gibt auch Einbettzimmer.«

Qwilleran sagte sich: Gut, wenn Polly aus dem Land ist, bis die Gefahr mit dem Typen, der sich hier herumtreibt, vorbei ist. »Die Highlands werden dir gefallen. Ich habe meine Flitterwochen dort verbracht. Soweit ich mich erinnere, war das Essen nicht sehr gut, aber das ist schon ziemlich lange her, und wenn man frisch verheiratet ist, wen interessiert da das Essen? … Soll ich Bootsie füttern, während du weg bist?«

Sie sah ihn hoffnungsvoll an. »Wir haben gedacht… daß du vielleicht… mitfährst.«

Dieser Vorschlag traf ihn vollkommen unvorbereitet, und er starrte ein paar Augenblicke ins Leere, bevor er antwortete: »Wie lange dauert die Reise? Ich habe die Katzen nie mehr als ein paar Tage alleingelassen. Wer würde sich um sie kümmern?«

»Gibt es jemanden, dem du so vertraust, daß er zwei Wochen in die Scheune einzieht? Meine Schwägerin bleibt bei Bootsie.«

Unsicher strich sich Qwilleran über den Schnurrbart. »Ich weiß nicht. Ich muß darüber nachdenken. Aber wie immer ich mich entscheide, der Klingenschoen-Fonds wird die Spende, die ihr für das Pflegeheim aufbringen könnt, auf jeden Fall verdoppeln. Werdet ihr es öffentlich ankündigen?«

»Irma meint, es ist besser, die Leute gezielt einzuladen, damit sich die Teilnehmer untereinander verstehen. Wir fahren Ende August, wenn das Heidekraut blüht. Die Reise beginnt in Glasgow und endet in Edinburgh.«

»Glasgow?« wiederholte Qwilleran interessiert. »Ich habe gelesen, daß Charles Rennie Mackintosh in Glasgow eine neue Blüte erlebt. Meine Mutter war eine Mackintosh, weißt du.«

Polly wußte es, da sie es schon Hunderte Male gehört hatte, doch sie fragte liebenswürdig: »Glaubst du, daß du vielleicht mit ihm verwandt bist?«

»Ich weiß nichts über meine Vorfahren mütterlicherseits, außer, daß einer von ihnen entweder ein Postkutschenfahrer war, der von einem Wegelagerer ermordet wurde, oder ein Wegelagerer, der für den Mord an einem Postkutschenfahrer gehängt wurde. Was Charles Rennie Mackintosh anbelangt, weiß ich nur, daß er sich vor hundert Jahren als Pionier des modernen Designs einen Namen gemacht hat, und er scheint ein interessanter Mann gewesen zu sein.«

»Wenn du länger in Glasgow bleiben willst, kannst du das ohne weiteres tun«, ermunterte ihn Polly. »Carol und Larry fahren früher los, um sich in London ein paar Theaterstücke anzusehen.«

»Okay, melde mich für ein Einbettzimmer an«, sagte er. »Ich werde schon einen Katzensitter finden. Lori Bamba wäre am besten geeignet, aber sie hat Kinder, und die würden von den Galerien herunterpurzeln. Die Scheune wurde für Katzen und Erwachsene geplant.«

Die Suppe wurde serviert, und sie aßen sie schweigend und dachten dabei über das Abenteuer nach, das vor ihnen lag. Als der Schwertfisch gebracht wurde, sagte Qwilleran: »Ich habe ein Gerücht über Irma Hasselrich gehört, wenn auch nicht von sehr verläßlicher Seite. Vielleicht kannst du es richtigstellen.«

Polly erstarrte sichtlich. »Was hast du gehört? Und von wem?«

»Ich gebe meine Informanten nicht preis«, sagte er, »aber es heißt, daß sie vor über zwanzig Jahren einen Mann erschossen hat und des Mordes angeklagt wurde, die Hasselrichs aber den Richter bestochen haben, damit er das Verfahren einstellt.«

Fassungslos holte Polly Luft und erwiderte: »Wie die meisten Gerüchte in Pickax, stimmt es nur zu zehn Prozent. Sie hat ihren Freund umgebracht, weil er sie bei einem Rendezvous vergewaltigt hat. Hasselrich hat seine Tochter vor Gericht brillant verteidigt. Die Geschworenen haben sie des Totschlags für schuldig befunden, aber für Milde plädiert, und der Richter war verständnisvoller als die meisten Juristen damals; er hat sie auf Bewährung freigelassen mit der Auflage, drei Jahre im Dienste der Gemeinde zu arbeiten… Beantwortet das deine Frage?«

Er entdeckte einen verärgerten Unterton in ihrer knappen Erklärung und sagte: »Tut mir leid. Ich habe nur wiederholt, was ich gehört habe.«

Etwas sanfter sagte Polly: »Nachdem sie diesen Arbeitsdienst abgeleistet hat, widmete Irma auch ihr weiteres Leben der Arbeit als freiwillige Helferin. Für einen wohltätigen Zweck würde sie alles tun! Sie hat schon Unsummen für wohltätige Zwecke aufgetrieben.«

»Sehr bewundernswert«, murmelte Qwilleran, doch ihm kam der Gedanke, daß alles ein starkes und verdächtiges Wort war.

Er bestellte Erdbeerkuchen als Dessert, und Polly spielte mit einer kleinen Portion Limonensorbet herum. Sie hatte von allem nur die Hälfte gegessen. »Ich bemühe mich, weniger zu essen«, erklärte sie. »Ich habe schon ein paar Pfund abgenommen. Sieht man es?«

»Du siehst gesund und schön aus«, erwiderte er. »Werd nicht zu dünn.«

Nach dem Dessert gingen sie in ihre Wohnung, um Kaffee zu trinken und ein wenig zu lesen. Sie lasen zwei Auszüge aus Macbeth, während Bootsie angewidert Qwillerans Hosenbeine abschnüffelte.