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In diesem Buch geht es um eine Frau, die seit ihrer Kindheit umhergeschoben wurde, Gewalt, Missbrauch und Selbstentwertung erfahren musste und aufgrund dessen schwer krank wurde. Während ihres Lebens flüchtete sie ständig vor sich selbst, dadurch gingen viele Beziehungen in der Familie und auch partnerschaftlich in Brüche. Durch Prägungen und Manipulationen, die sie in ihrer Kindheit erfahren hatte, wusste sie nicht, wer sie selbst ist. Erst als eine schwere Krankheit ihr Leben dominierte, begann sie, denn Weg zu sich selbst zu suchen. Auf diesem Weg erfuhr sie, dass nicht nur Sichtbares existiert, sondern auch Unsichtbares. Mit Erfolg, denn heute ist sie eine selbständige Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht , gesund ist und mit diesem Buch anderen eine Unterstützung an die Hand geben möchte, die ähnliches erlebt haben.
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Seitenzahl: 457
Veröffentlichungsjahr: 2025
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„Die kleine, verletzte Seele auf dem Weg zu
sich selbst!“
Von Natalie Elisabeth Rauchberger
Ausgabe 1, 2025
©/ Copyright. 2025 Natalie Rauchberger
Umschlaggestaltung, Illustration: Natalie Rauchberger
Verlag: Natalie Rauchberger
Natalie Ritzinger
Geiregg 16
8680 Mürzzuschlag
Das Werk einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohneZustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische und sonstigeVervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung
www.natalie-rauchberger.at
Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin
Kontaktadresse Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
Die Zeit davor …
Alles begann im Jahre 1973
Die Geburt der kleinen, verletzten Seele
Das Trauma
Der Missbrauch
Wer wusste von dem dunklen Geheimnis?
Die Rachefeldzüge meiner Mutter
Die „neue“ Mutter
Eisenerz
Zurück zu meinem Vater
Ein neuer Lebensabschnitt
Robby
Die Schule
Eislaufen
Der Malwettbewerb
Das neue Haus
Schulwechsel
Mein Halbbruder
Dem Himmel so nah…
Oh du Fröhliche …
… du weißt ja, wie er ist!
Eine neue Ära beginnt – wieder eine neue Schule
Der Traum vom Moped
Gabi – eine Freundschaft auf ewig
Christian
Der fatale Fehler
Mein ganzes Leben – eine Lüge
Das Praktikum
Der Weg in die Sucht
Man muss sich nur zu helfen wissen
Auf der Suche nach meiner Berufung
Meine „echte“ Mutter
Die erste Begegnung
Das Geständnis
Ein erneuter Umzug steht bevor
Der Tag X
Meine neue Heimat
Cannabis
Meine erste Autofahrt
Honda MT 5
Der Start ins Arbeitsleben
Alle guten Dinge sind 3
Letztes Mal Schule – Berufsschule
Heroin
Führerschein – die Freiheit naht? Oder nicht?
Kokain – das besondere Geburtstagsgeschenk
Mein Körper schlägt Alarm
Auf Nimmerwiedersehen
Der Umzug – zurück zu meinem Vater
Ein neues, altes Leben beginnt
Die letzten Schläge
Meine erste eigene Wohnung
Der schlimmste Selbstwertbruch meines Lebens
Der Höhepunkt meines Tiefpunkts
Meine erste richtige, aber kurze Beziehung
Die Flucht
Puppi & Tigerl
Die Babys sind da!!!
Der Hawaii Macho ist zurück
Es gibt sie doch…die unsichtbaren Beschützer
Der Beziehungstest
Die Heilerin
Umzug der …wievielte????
Der Umzug mit Rückzug
Der erlösende Anruf
Das neue Haus
Der Marathon geht in die nächste Runde …
Die Hochzeit
Auf nach Hawaii
Schlangenphobie
Ab nach Florida
Wieder zu Hause
Hormonschwankungen oder schwanger?
Unser nerviger Vermieter
Wieder ein neuer Lebensabschnitt
Ach, ist die süß…
Herzlich Willkommen im Leben, Samuel
Der Albtraum
Erste Bilder tauchen auf
Starre
Der „Dienst“ ruft
Herzlich Willkommen im Leben, Andreas!
Stress mit dem Schwiegervater
Meine Taufe
Neuer Job - Tagesmutter
Der Autounfall mit den Kindern
Der Albtraum ist zurück
Unser eigenes Haus
Er ist tot…
Ein tragischer Unfall der mein Leben veränderte
Der Marathon – ich setzte für mich ein Zeichen!
Ich wusste und ich weiß - ich kann alles schaffen
Remicade – half mir auf meinem Weg zu mir selbst
Jobs, Jobs, Jobs
Wie tief bin ich gesunken…
Ein weiterer Sturz mit Folgen…
Aufstehen – Krönchen richten – Weitermachen
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute…
Felix – der Beginn einer unendlichen Liebe
Die Entdeckung meiner wahren Berufung
Felix, das Nachgespenst
Machtkämpfe unter Mädels
Geschenkt ist noch zu teuer
Leben von Licht?
Wenn du heil sein willst, dann heile!
Outing – die kleine verletzte Seele beginnt zu sich selbst zu stehen
Ein geistig-reales Zeichen der geistigen Welt
Die Lösung fiel mir in die Hände
Der Virus – eine neue Herausforderung
Wohnungswechsel…ähm…der wievielte?
Der Neustart mit mir selbst
MEIN MANN tritt in mein LEBEN!
Happy- Die Flucht ins Ungewisse
Selbsterkenntnis
die kleine Seele hat ihre Verletzungen heilen dürfen und ist bei sich selbst angekommen
Auszeit
Meine Söhne
Mein Großvater
Nachwort
Vorwort
Ich möchte Dir, der oder die du dieses Buch in Händen hältst, danken, dass du mich auf meiner Reise begleitest.
Auch danke ich allen Beteiligten, die in meiner Lebensgeschichte ihre Rollen gespielt haben, dass alles so war, wie es war, denn nur dadurch habe ich mich auf die Reise zur mir selbst begeben dürfen, um mich als Individuum kennenzulernen, lieben und erfahren zu dürfen.
Vor allem gilt mein Dank meinen Haustieren, generell allen Tieren und meinen Unterstützern aus den unsichtbaren Bereichen, die, während dieser schwierigen Zeiten um mich waren und noch immer sind, denn ohne sie wäre diese Reise erheblich schwerer oder untragbar gewesen.
In diesem Buch habe ich mein Leben aus meiner Sichtweise geschrieben. Die Veröffentlichung meiner Lebensgeschichte dient weder dazu, Menschen aus meinem Leben zu verurteilen, noch zu beschuldigen oder Rache zu üben. Alle, die an meinem Leben beteiligt waren und sind, haben ihre eigene Sichtweise und Geschichte, sehen die Situationen anders als ich oder haben als Schutzmechanismus einiges verdrängt. Vielleicht konnten sie nicht anders handeln, haben selbst Schlimmes erlebt, wurden geprägt oder Ähnliches. Ich möchte nicht das Recht haben, über Menschen zu urteilen. Jeder hat seinen eigenen Weg und alles, was geschieht, hat seinen Sinn, so schlimm die Dinge auch sind. Ich stehe allen Personen, die in meiner Geschichte vorkommen, neutral gegenüber, denn ich sehe jetzt mein Leben mit anderen Augen. Meine Lebensgeschichte soll Menschen, die in ähnlichen Situationen sind, zeigen, dass Aufgeben keine Option ist, sondern dass jeder jederzeit die Möglichkeit hat, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken, um ein glückliches, unbeschwertes Leben in Leichtigkeit führen zu können.
Dieses Buch widme ich meinem Mann Martin, der mir seit Anbeginn unserer Beziehung in allen Bereichen ein guter Lehrmeister war. Du hast mich immer unterstützt und liebst mich so, wie ich bin.
Durch dich kann ich FRAU sein, danke, dass du dein Leben mit mir teilst! Ich liebe Dich!
Auch möchte ich unseren Freunden Hans und Martina danken, die uns gezeigt haben, wie man bedingungslose Liebe in die Welt bringt. Danke, dass ihr uns gezeigt habt, dass trotz verschiedener Ansichten und Meinungen, einem harmonischen Miteinander und einer liebevollen Gemeinschaft nichts im Wege steht. Danke für euer SEIN und für das schönste Zuhause der Welt. Mein Dank gilt ebenfalls allen Beteiligten, die eine Rolle in meinem Leben spielen oder gespielt haben.
„DANKE DASS ES EUCH GIBT!“
Einleitung
Wenn du dieses Buch, „Die kleine, verletzte Seele auf dem Weg zu sich selbst!“, in deinen Händen hältst, gratuliere ich Dir. Du hast dich auf den Weg zu Dir selbst begeben. Durch meine Reise, auf der ich dich mitnehmen werde, wird sich bei Dir als Mitreisender auch dein Leben grundlegend verändern. Ich zeige dir, wie ich es geschafft habe, mich von einem verängstigenden Kind, einer verletzten Seele in eine selbstständige, unabhängige, glückliche Frau zu entwickeln. Ich zeige Dir auch, dass du dein Leben lenken kannst und nicht umgekehrt. Du wirst einen neuen Menschen kennenlernen, nämlich DICH. So wie du wirklich bist, ohne Prägungen, Manipulationen und Beeinflussungen. Du wirst auf dieser Reise Schicht für Schicht von dem Diamanten entfernen, bis du beim Kern, beim Rohdiamanten angekommen bist.
BEI DIR!
...ich war Mitte 30, als ich am Küchentisch unseres Hauses saß, geplagt von Bauchschmerzen, Ängsten und Todessehnsucht. Ich hatte 2 kleine Söhne, einen Mann, einen Hund, ein Haus mit Garten und ein, so glaubte ich damals, glückliches Leben.
Warum war ich dann so verzweifelt und leer? Keine Lebensfreude war in mir. Alles fiel mir so schwer und ich fragte mich, was ich hier noch mache. Das war der Punkt, an dem ich die bewusste Reise zu mir selbst antrat. Psychisch und physisch am Boden zerstört und von einer schweren Krankheit gezeichnet, nahm ich ein Blatt Papier und einen Stift und fragte mich, … wer bin ich? Bin ich die Person, von der ich denke, dass ich es bin? Oder bin ich jemand anderes? Ich konnte diese Frage nicht beantworten. Mir wurde zum ersten Mal klar, dass ich mich, Natalie nicht kannte.
So startete der Teil meines Lebens, wo ich mich aus der Abwärtsspirale herauszudrehen begann. Dieser Weg aus der Spirale heraus dauerte nochmals 15 Jahre, aber dennoch, es ging wieder aufwärts. Ich lernte mein Leben selbst zu lenken, wurde dadurch gesund, fand meine Mitte und stehe seitdem für mich ein. Auch lernte ich das Leben zu genießen, zu lieben und zu leben, in Leichtigkeit und Freude. Heute kann ich sagen, dass mein Leben perfekt ist, so wie es ist, und sollte es irgendwann nicht mehr perfekt sein, dann mache ich es wieder perfekt.
Alles, was du dazu brauchst, bist DU eine Prise Urvertrauen und Abenteuerlust. Komm, reiche mir deine Hand und wir reisen zusammen durch meine und vielleicht auch deine Geschichte.
Die Zeit davor …
Wir begeben uns 50 Jahre zurück in die Zeit, als meine Mutter mit mir schwanger war. Zu diesem Zeitpunkt war sie erst 15 Jahre alt und selbst noch ein Kind. Nach dem Bruch mit ihrer eigenen Mutter wuchs sie bei ihrer Großmutter auf. Diese war jedoch nicht ihre leibliche Großmutter, sondern hatte die Mutter meiner Mutter adoptiert. Die biologische Großmutter mütterlicherseits lernte ich erst im Erwachsenenalter kennen, nachdem ich bereits meine beiden Söhne zur Welt gebracht hatte.
Damals verspürte ich den Drang, mich auf die Suche nach meiner leiblichen Großmutter mütterlicherseits zu begeben. Zu meiner Überraschung lebte sie im selben Ort, in dem ich aufgewachsen bin. Ich traf mich zweimal mit ihr, um ihre Sichtweise auf die Geschehnisse zu verstehen. Sie berichtete mir, dass sie kurz nach der Geburt meiner Mutter die Ehe mit meinem Großvater, dem Vater meiner Mutter, beendet hatte. Bald darauf lernte sie einen neuen Mann kennen, der meine Mutter nicht akzeptierte. Er stellte die Bedingung, dass er nur an einer Beziehung interessiert sei, wenn das Kind nicht mehr im Haushalt lebe. Daher entschied sich meine Großmutter gegen ihr Kind und gab sie zu ihrer Stiefmutter. Auf meine Frage hin, ob sie kein schlechtes Gewissen hatte, erwiderte sie, dass sie ihre Tochter während der Woche regelmäßig an den Nachmittagen besuchte. Außerdem half sie ihr mit den Hausaufgaben.
Meine Großmutter hat sich gegen ihr Kind entschieden und versuchte sich bei unserem ersten Treffen ständig bei mir zu rechtfertigen. Sie gab allen anderen die Schuld, dass es so kam, wie es gekommen ist. Vor allem meinem Vater. Aus diesem Grund habe ich den Kontakt zu ihr wieder abgebrochen, denn ich war nicht auf der Suche nach Schuld oder nicht schuld, sondern nach meiner Lebensgeschichte. Ich kann mir vorstellen, dass es für meine Mutter sehr schmerzhaft gewesen sein muss, von allen Seiten abgelehnt und abgeschoben zu werden. Aus diesen Erfahrungen prägte sich ihr ganzes Leben und zum Teil auch meines.
Alles begann im Jahre 1973
Meine Mutter zog schon in sehr jungen Jahren bei ihrer Stiefgroßmutter aus und lebte lieber auf der Straße, bevor sie erneut in die Wohnung dieser kaltherzigen Frau zurückkehrte. Auf ihre eigene Mutter konnte sie nach wie vor nicht zählen. In dieser Zeit lernte sie meinen Vater, der acht Jahre älter war als sie kennen.
Die Welt war noch im Flower-Power-Fieber, und dementsprechend konsumierten auch meine Eltern verschiedene pflanzliche Substanzen, die man damals im Garten anbauen konnte. Was für die beiden vielleicht amüsant war, war für mich als Ungeborenes nicht ideal. Ich denke, meine Mutter war mit ihrer Schwangerschaft überfordert und wollte diese Situation verdrängen. Vielleicht hat sie deshalb während der gesamten neun Monate ihrer Schwangerschaft keine einzige Mutter-Kind-Untersuchung durchführen lassen. Das weiß ich, weil in meinem Mutter-Kind-Pass keine einzige ärztliche Untersuchung eingetragen wurde.
Aus den wenigen Erzählungen meines Vaters ist mir bekannt, dass er mit meiner Mutter nach Deutschland geflohen ist, da niemand aus der Familie ihre Beziehung akzeptierte.
Wie lange sie in Deutschland waren und welchen Stress sie dort durchmachten, weiß ich nicht, denn meine Mutter war noch minderjährig, was die Situation für meinen Vater erschwerte. Meine Mutter war 15 Jahre alt, als sie mit mir in Deutschland schwanger wurde. Durch die Schwangerschaft wurde die Beziehung von den Erziehungsberechtigten beider Seiten wohl oder übel akzeptiert. Beide kamen wieder nach Österreich zurück und heirateten am 4. April 1974.
Die Geburt der kleinen, verletzten Seele Einen Monat später, am 5. Juni 1974, erblickte ich das Licht der Welt. Im Alter von einem Jahr, als ich gerade begonnen hatte, mich auf meinen zwei Beinen fortzubewegen, zog ich zu meinen Großeltern, den Eltern meines Vaters.
Wie es dazu kam?
Meine Mutter fühlte sich durch die Anforderungen der Kinderbetreuung stark überfordert. Mein Vater war berufstätig, während meine Mutter in Abwesenheit meines Vaters Beziehungen zu anderen Männern pflegte. Diese Situation führte schließlich dazu, dass meine Mutter häufige Affären hatte. Das bedeutete, dass ich während ihrer Abwesenheit ganz allein war. Ich bekam keine frischen Windeln noch etwas zu essen. Ich lag den ganzen Tag, bis mein Vater von der Arbeit nach Hause kam, mit meinen vollen Windeln in meinem Gitterbett und brüllte mir die Seele aus dem Leib. Zum einen aus Hunger und zum anderen vor Schmerz, denn mein ganzer Po war entzündet und eitrig, da ich lange Zeit in meinen Exkrementen lag.
Dies ging einige Monate so, bis Nachbarn meinem Vater berichteten, dass ich den ganzen Vormittag schrie und niemand zu Hause war, um mich zu beruhigen. Mein Vater kehrte eines Tages unerwartet früher von der Arbeit heim und löste dadurch zwei Probleme auf einmal. Obwohl meine Mutter an diesem Tag zu Hause war, brachte ihr das keine Bonuspunkte ein, da mein Vater sie mit dem Nachbarn im eigenen Ehebett vorfand. Zudem lag ich nebenan im Gitterbett und erlebte diese Ereignisse mit.
Wenn man sich in diese Lage hineinversetzt, kann man nachvollziehen, welchen Schmerz mein Vater durchleiden musste; dieses Trauma wirkt möglicherweise bis heute nach. Aus diesem Grund kam ich im Alter von etwa einem Jahr zu meinen Großeltern, den Eltern meines Vaters. Meine Großeltern haben sich stets sehr intensiv um mich gekümmert und behandelten mich wie ihr eigenes Kind. Sie äußerten sogar den Wunsch, mich zu adoptieren, was jedoch von meinem Vater abgelehnt wurde, da er seine Tochter nicht weggeben wollte. Da mein Vater berufstätig war, besuchte er mich regelmäßig an den Wochenenden.
Wenn ich an die Zeit bei meinen Großeltern zurückdenke, erinnere ich mich an viele schöne Erlebnisse. Meine Großmutter war eine wundervolle Person, die sich liebevoll um mich kümmerte und mir Zuneigung und Liebe schenkte. Auch mein Großvater verbrachte viel Zeit mit mir. Wir unternahmen nahezu täglich Ausflüge, häufig auch zu den Hunden in der Nachbarschaft. Schon früh entwickelte ich eine starke Zuneigung zu Tieren, die mich bis heute begleitet. Mein Großvater unterhielt sich mit den Hundebesitzern, während ich die Hunde streichelte. Darüber hinaus unternahmen wir Spaziergänge in der Natur, gingen im Winter Skifahren oder Schlittenfahren sowie Schwimmen und vieles mehr.
Meine Großeltern lebten gemeinsam in einer kleinen Wohnung in Eisenerz. Dieser Ort ist bekannt durch die Sage über den Wassermann, der den Menschen Eisenerz für immer versprach. Daher wird seitdem am Erzberg Eisenerz abgebaut.
Die Wohnung meiner Großeltern war gut aufgeteilt. Sie befand sich im 2. Stock und es wohnten 6 Parteien im Haus. Wenn man zur Tür hereinkam, sah man vor sich einen langen Vorraum. Dort befanden sich die Garderobe und ein Schrank, auf dem das Telefon stand. An der Wand hing ein Bild mit einer Stadt, darunter stand „Bartsch Sentiwan“, welches die Heimat meiner Oma war. Meine Oma stammte aus dem ehemaligen Jugoslawien und war 1945 beim Todesmarsch über den Präbichl dabei. Sie überlebte diese Zeit und wurde in ein Lager untergebracht. Kurz darauf lernte sie meinen Großvater kennen, heiratete ihn und 1950 wurde ihr erster Sohn, mein Vater, geboren. Sie sprach nicht oft über diese Zeit, da sie viele traumatische Erlebnisse hatte und häufig Albträume davon bekam.
Unmittelbar rechts von der Haustür befand sich das Badezimmer, welches mit dunkelblauen Fliesen versehen war. Links stand die Waschmaschine und dahinter befand sich eine Badewanne. Die Toilette sowie das Waschbecken mit dem alten Spiegelschrank machten das Badezimmer komplett. Eine markante Erinnerung sind die gehäkelten Toilettensitzwärmer, die meine Großmutter stets auf der Toilette platzierte. Vom Vorraum aus gelangte man links zunächst in das Wohnzimmer, das äußerst gemütlich eingerichtet war und einen weißen, elektrisch beheizten Kachelofen enthielt. Die gesamte Einrichtung bestand aus dunklem Kirschholz, was zu jener Zeit modern war. Im Wohnzimmer befand sich eine weitere Tür, die in das Schlafzimmer führte, welches aufgrund der niedrigen Temperaturen oft als "Eiskammer" bezeichnet wurde. Meine Großmutter stellte sogar Essensreste oder Eier unter das Bett im Schlafzimmer, eine Praxis, die damals bei älteren Menschen üblich war.
Nach dem Badezimmer kam man durch einen Durchgang in die schmale Küche, das Reich meiner Großmutter. Alles, was sie in dieser Küche zubereitete, schmeckte hervorragend. Kochen war zweifellos eine ihrer Stärken. Am Ende des Vorraumes befand sich das Kabinett, das für mich als Kinderzimmer umfunktioniert wurde. Darin stand ein Bett, das im zusammengeklappten Zustand wie ein gewöhnlicher Wandschrank aussah. Die Vorhänge, Tischdecken und Bilder wurden alle von meiner Großmutter selbst genäht. Sie erzählte mir oft, dass sie ihre beiden Söhne jahrelang mit selbst genähten Hosen und Hemden einkleidete, da das Geld für neue Kleidung fehlte. Die Autogarage lag etwa eine halbe Stunde Fußmarsch von der Wohnung entfernt. Mein Großvater nahm mich oft mit, wenn er das Auto aus der Garage holte. Der Weg zur Garage führte über eine Anhöhe durch ein kleines Wäldchen. Am Ende des Wäldchens, an einer bestimmten Stelle gab es weiter oben im Wald einen großen, weißen Stein. Mein Großvater erzählte mir immer, dies sei ein Zwergenhaus, und ich sollte leise sein, vielleicht würden wir die Zwerge sehen.
Wir standen einige Minuten schweigend da, ich voller Erwartung, die Zwerge zu sehen. Lange Zeit glaubte ich wirklich, dass dort Zwerge wohnen – eine schöne Erinnerung, an die ich gerne zurückdenke. Auch die Wohnung meiner Urgroßmutter, der Mutter meines Großvaters, befand sich auf dem Weg zur Garage. Sie wohnte in einem sehr alten Haus. Die Wohnung war spärlich und einfach eingerichtet, dennoch war jeder Besuch mit meinem Großvater bei ihr ein besonderes Erlebnis für mich.
Das Trauma
Während ich bei meinen Großeltern wohnte, bin ich nachts oft aus dem Bett geklettert und in der Küche unter den Tisch gekrabbelt, weil ich meine Mutter gesucht habe. Meine Oma erzählte mir, dass ich damals schon traumatisiert war, da ich von meiner Mutter und teilweise auch von meinem Vater getrennt war. Ich erinnere mich an einen Moment, als es dunkel war und ich auf allen vieren unter dem Küchentisch kroch. An meine Gedanken oder Gefühle aus dieser Zeit kann ich mich nicht mehr erinnern, da ich damals erst ein Jahr alt war. Es traten jedoch weitere Verhaltensauffälligkeiten auf, an die ich mich erinnere und die meinen Verdacht auf ein Trauma bestätigen.
Meine Großmutter brachte mich jeden Abend zu Bett. Wir sprachen gemeinsam ein Gebet und dann verließ sie das Zimmer. Nachdem ich eingeschlafen war, begann ich, mit meinem Kopf gegen das Kopfkissen zu schlagen, immer und immer wieder, bis mich entweder meine Oma weckte oder ich von selbst wach wurde. Ich kann mich auch erinnern, dass ich das auch machte, wenn ich nicht gleich einschlafen konnte. Zusätzlich knirschte ich im Schlaf mit meinen Zähnen. Heute verstehe ich, dass dies ein Ausdruck meiner inneren Belastung war, da meine Psyche die Traumata nicht verarbeiten konnte. Zu jener Zeit wurde solchen Anzeichen nicht viel Beachtung geschenkt.
Ich springe nun kurz in die Zukunft, damit du die Zusammenhänge verstehen kannst. Ich hatte mit 24 Jahren, während ich Samuel, meinen neugeborenen Sohn, stillte, plötzlich diese Bilder im Kopf. Ich wusste diese Bilder, sie sind real, ich hatte das alles erlebt, was ich gerade vor meinem inneren Auge sah. Anscheinend hat meine Seele, mein Bewusstsein, diese Erinnerungen in irgendeine Schublade gesteckt und erst wieder aufgemacht, als die Zeit dafür reif war.
Der Missbrauch
Diese Bilder zeigten eine Situation, in der ich mich in meinem Zimmer bei meinen Großeltern vor dem zusammengeklappten Bett befand. Neben mir stand der Nachbar meiner Großeltern, der gemeinsam mit seiner Frau wöchentlich zum Kartenspielen vorbeikam. An und für sich zeigte das Bild nichts Besonderes, abgesehen davon, dass er seine Hose öffnete und ich seinen Penis oral befriedigen musste.
Wie kam es dazu?
Eines Tages, als die beiden bei meinen Großeltern zum Karten spielen eingeladen waren, sagte der Nachbar Karl zu mir: „Zeig mir mal dein Zimmer.“ Ich zeigte es ihm, da ich von meiner Großmutter gelernt hatte, immer freundlich zu sein. Naiv und nichts Böses ahnend ging ich mit ihm in mein Zimmer, während die anderen sich noch im Vorraum laut unterhielten. Er sagte zu mir, dass er mir etwas zeigen werde. Daraufhin senkte er seine Hose, entblößte sein Geschlechtsteil und forderte mich auf, es oral zu befriedigen. Ich erinnere mich deutlich an die Situation, als wäre es gestern gewesen. Rasch bewegte er seine Hand in Richtung meines Kopfes und drückte ihn dann unsanft in Richtung seines Penis. Auch weiß ich noch, dass mir das Ganze etwas eigenartig vorkam und es mich geekelt hat, aber ich habe es trotzdem gemacht.
Damals war ich zwischen 4 und 5 Jahre alt und ein schüchternes, verängstigtes Kind, das vor allem Angst hatte. Der gesamte Vorgang dauerte nur ein oder zwei Minuten, da es sonst aufgefallen wäre, wenn wir so lange im Zimmer verbleiben. Er sagte daraufhin zu mir, dass wir jetzt ein Geheimnis hätten und ich es niemanden erzählen darf. Ich habe es nie jemandem erzählt, aber ich wusste, dass ich diesen Mann nicht mochte und Angst vor ihm hatte. Wie oft ich ihn befriedigen musste, weiß ich nicht, ich kann mich bewusst an dieses eine Mal erinnern.
Ein weiteres Ereignis, an das ich mich sehr gut erinnere, war unser Besuch bei Karl und seiner Frau. Dieser Besuch erfolgte nach dem Missbrauch, denn ich hatte Angst vor ihm. Als Kind hatte ich jedoch keine Möglichkeit, der Situation zu entkommen. Ich bin mir nicht sicher, ob mir jemand geglaubt hätte, wenn ich damals etwas zu meinen Großeltern gesagt hätte. Da ich während des Besuches die Toilette benutzen musste, erklärten mir Karl und seine Frau, dass ich auf keinen Fall die Tür abschließen dürfe, da das Türschloss schwer zu bedienen sei und ich möglicherweise die Tür nicht mehr öffnen könnte. Ich schloss die Tür aus Angst dennoch ab, da ich befürchtete, dass Karl mir folgen könnte. Anschließend stellte ich fest, dass es mir nicht mehr möglich war, die Tür zu öffnen. Es handelte sich um eine dieser alten Türen, die im oberen Drittel mit Milchglas versehen sind. Mein Großvater schlug das Milchglas ein und entriegelte so die Tür.
Diese Situationen und die Angst vor Karl könnten mitunter der Grund gewesen sein, warum ich nachts unruhig schlief, mit dem Kopf gegen mein Kopfkissen schlug und mit den Zähnen knirschte. Diese Situation verursachte bei mir eine kontinuierliche innere Unruhe und das Gefühl, ständig auf einer tickenden Zeitbombe zu sitzen, da ich nie wusste, wann ich Karl wiedersehen würde und was er als Nächstes mit mir vorhatte.
Wer wusste von dem dunklen Geheimnis? Ich habe mich als Erwachsene oft gefragt, ob von diesem Missbrauch irgendjemand wusste. Mit 37 Jahren habe ich im Rahmen eines familiären Treffens das Thema angesprochen, und die Reaktionen waren recht ungewöhnlich. Mein Großvater war sehr schockiert und entrüstet. Er sagte, dass er davon wusste, dass dieser Mann sich stets an anderen Frauen erfreute, aber die Tatsache, dass er auch vor Kindern keine Grenzen setzte, schockierte ihn. Ich bin mir sicher, dass er nichts davon wusste, denn er fragte, warum ich nie etwas gesagt habe. Dann hätte er es sofort gestoppt. Ich erklärte ihm, dass mir diese Bilder und Filme erst wieder bewusst geworden sind, als ich 24 Jahre alt war, nachdem ich meinen ersten Sohn Samuel geboren hatte. Ich fragte ihn: „Hättest du mir geglaubt, wenn ich dir davon mit 4 Jahren erzählt hätte?“ Er wusste nicht, was er antworten sollte, ich denke, er wusste selbst nicht, ob er mir geglaubt hätte oder nicht. Wobei ich mir mit 4 oder 5 Jahren so ein Erlebnis nicht zusammenreimen konnte, da ich von solchen sexuellen Vorgängen weder etwas gesehen noch gehört hatte.
Meine Großmutter meinte, ich solle nicht so einen Unsinn reden. Das ließ in mir Zweifel aufkommen. Wusste sie davon? Diese Frage bleibt ungeklärt, ist aber mittlerweile nicht mehr wichtig, da ich keine Schuldzuweisungen machen möchte. Da meine Oma sich immer sehr um mich gekümmert hat, muss es einen guten Grund gegeben haben, falls sie es wusste und nichts sagte.
Hinsichtlich meines Vaters herrscht bis heute Unklarheit. Einerseits erscheint es mir schwer vorstellbar, dass er so etwas zugelassen hätte, andererseits war er dankbar, dass seine Eltern sich um meine Erziehung kümmerten. Möglicherweise wollte er keine Unruhe stiften. Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine Aufdeckung dieser Geschichte gehabt hätte. Jedenfalls hat er sich dazu nicht geäußert.
Die Rachefeldzüge meiner Mutter Nach der Scheidung von meinem Vater erhielt meine Mutter vom Gericht ein 14-tägiges Besuchsrecht und mein Vater das Sorgerecht. Meine Mutter nahm das Besuchsrecht wahr, aber nicht aus dem Wunsch heraus, mich zu sehen, da sie kein Gefühl der Mutterliebe kannte. Ihr Motiv war vielmehr ein anderes: Sie wollte sich an meinem Vater rächen. Es wäre zwar verständlicher gewesen, wenn die Racheabsicht von meinem Vater ausgegangen wäre, jedoch ist der Grund für ihren Groll bis heute unklar. Möglicherweise war ihr Stolz verletzt, und es bleibt ungewiss, was sonst noch geschehen ist, von dem ich nichts weiß.
Meine Mutter sagte zu meinem Vater: „Ich werde dich dort treffen, wo es am meisten schmerzt“. Sie wusste, dass er mich über alles liebte. Wenn sie mir etwas antun würde, wäre sein Leben zerstört. An einem Tag kurz nach der Scheidung besuchte meine Mutter mich bei meinen Großeltern. Meine Oma spürte, dass meine Mutter etwas im Schilde führte und bat daher meinen Opa, uns nie aus den Augen zu lassen. Am Nachmittag beschloss meine Mutter, mich zu baden, und ging mit mir ins Badezimmer meiner Großeltern. Nachdem die Wanne mit Wasser gefüllt war, setzte sie mich in das Bad und hielt meinen Kopf unter Wasser, um mich zu ertränken. Genau zu diesem Zeitpunkt betrat mein Großvater das Badezimmer. Sie hob mich schnell aus dem Wasser und meinte, ich sei ihr aus ihren Händen entglitten.
Der nächste Plan meiner Mutter beinhaltete, mit mir einen Spaziergang zu unternehmen. Dies tat sie, jedoch nicht allein. Meine Großmutter schickte meinen Großvater mit uns, da sie vermutete, dass meine Mutter wieder etwas im Schilde führte. Ihr Vorhaben scheiterte somit, denn sie beabsichtigte, mich zu entführen, um meinem Vater Schaden zuzufügen. Was genau ihre Absichten gewesen wären, weiß ich nicht, und es spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Sie gab nicht auf und war so entschlossen gegen meinen Vater eingestellt, dass sie mir eines Tages vor der Schule auflauerte. Ich war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alt. Ihr Plan scheiterte jedoch erneut, da ich nie allein von der Schule nach Hause ging und stets andere Kinder um mich waren.
Meine Großmutter erzählte mir, dass ich mich als kleines Kind immer hinter ihr versteckt und gefragt hätte, wer die Person sei, wenn meine Mutter zu Besuch kam. Ich erkannte meine Mutter schon als Kleinkind nicht mehr und konnte mich auch später nie an sie erinnern. Weder hatte ich Bilder von meiner Mutter im Kopf noch sonstige Erinnerungen an sie. Meine Seele hat wahrscheinlich meine Mutter und die Erinnerungen an sie verdrängt, um weitere Traumata zu vermeiden.
Die „neue“ Mutter
Während meiner Kindheit bei meinen Großeltern lernte mein Vater seine zweite Ehefrau kennen, meine Stiefmutter. Bis zu meinem 16. Lebensjahr ging ich davon aus, dass sie meine leibliche Mutter sei, da ich keine anderen Erinnerungen hatte. Es war für mich selbstverständlich, bei meinen Großeltern aufzuwachsen und mit sechs Jahren zu meinem Vater und dieser Frau zu ziehen, die ich für meine Mutter hielt. Erst ein Geschirrtuch, das mir in die Hände fiel, weckte Zweifel in mir, aber dazu später mehr.
Mein Vater ist ein guter Mensch, der mit einer Vielzahl emotionaler Themen zu kämpfen hat. Er ist schwer zugänglich, da er seine Trauer, seinen Schmerz und seine Gefühle nicht nach außen zeigt. Die wiederholten Untreuevorfälle meiner Mutter haben ihn stark belastet. Es ist anzunehmen, dass diese Erfahrungen zu Gefühlen der Wertlosigkeit, Ablehnung und Täuschung geführt haben. Er wurde selbst sehr streng erzogen und von seinem Vater häufig durch Schläge diszipliniert. Diese Erziehungsmethode führte dazu, dass er auch mich schlug, wenn er sich überfordert fühlte. Diese Gewaltanwendungen begannen während meiner Pubertät, einer Zeit des Übergangs vom Kind zur Frau, in der man seine eigene Persönlichkeit entwickelt. Leider wurde diese Entwicklung durch die wiederholten Schläge unterdrückt, sodass ich meine Schüchternheit und meine Lebensangst nicht überwinden konnte.
Als mein Vater 18 Jahre alt war, entschied er sich, nach Deutschland zu gehen und dortzubleiben. Er lebte in Hamburg zusammen mit einigen anderen Personen, die ebenfalls geflüchtet waren oder aus unterschiedlichen Gründen dort verweilten. Mein Vater arbeitete als Tagelöhner im Hafen und erzählte mir oft von der Zeit, in der er täglich Lebensmittel, die gerade im Hafen verladen wurden, für seine Mitbewohner mitnahm, damit sie etwas zu essen hatten. Er berichtete davon, dass es Tage gab, an denen sie nur Bananen zu essen hatten, und andere Tage, an denen sie Schokoladenhasen verzehrten, wie etwa zur Osterzeit. Es war ihnen jedoch gleichgültig und sie nahmen dankbar alles an, was sie kostenlos erhalten konnten. Nachdem meine Großeltern alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hatten, um ihren Sohn ausfindig zu machen, reisten sie nach Hamburg. Das alles spielte sich in den 1970er-Jahren ab, als die Infrastruktur der Straßen sowie die Qualität der Fahrzeuge noch nicht den heutigen Standards entsprachen. Die Strecke nach Hamburg betrug zudem etwa 1000 Kilometer. Nachdem sie ihn gefunden hatten, fanden vermutlich einige klärende Gespräche statt, woraufhin mein Vater zurückkehrte. Kurz darauf lernte er meine Mutter kennen und lieben, woraufhin er zusammen mit ihr erneut nach Deutschland ging und kurz darauf wieder nach Österreich zurückkehrte, da meine Mutter mit mir schwanger war. Den weiteren Verlauf der Geschichte kennst Du bereits.
Obwohl mein Vater danach wieder nach Deutschland zurückwollte, entschied er sich jedoch, wegen der Schwangerschaft meiner Mutter, in Österreich zu bleiben. Ich habe den Eindruck, dass er glaubt, dadurch etwas im Leben verpasst zu haben. Dennoch übernahm er die Verantwortung und blieb bei seiner schwangeren Frau. Wie bereits bekannt, entwickelte sich die anfängliche große Liebe später zu einer schwierigen Situation.
Eisenerz
Ich verbrachte die ersten sechs Lebensjahre bei meinen Großeltern und besuchte dort den Kindergarten. Hauptsächlich bestand mein Kontakt zu Erwachsenen und daher hatte ich wenig Gelegenheit, Anschluss bei anderen Kindern zu finden. Mein Großvater arbeitete als Elektriker am Erzberg und nutzte täglich die Erzbergbahn, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu gelangen. Die Erzbergbahn diente als Transportmittel für die Arbeiter am Berg und erinnerte an eine Geisterbahn aus den 1980er-Jahren. In den Waggons befanden sich Holzbänke zum Sitzen. Im Winter war das Fahren mit dieser Bahn eine erhebliche Herausforderung, da es an vielen Stellen zog. Ich erinnere mich daran, dass meine Großmutter meinem Großvater stets ein Sitzkissen mitgab, damit er nicht auf der kalten Bank sitzen musste. Wenn er nach Hause kam, ging ich zur Station, wo die Bahn ankam, um ihn abzuholen. Gemeinsam gingen wir dann nach Hause, wo meine Oma bereits ein schmackhaftes Essen zubereitet hatte.
Durch meinen Großvater lernte ich, die Schönheit der Berge zu schätzen. In Eisenerz gibt es einen See namens Leopoldsteinersee, der aufgrund seiner abgelegenen Lage und natürlichen Schönheit besonders sehenswert ist. Im Sommer besuchten wir diesen See häufig zum Schwimmen. Meine Großmutter tadelte meinen Großvater oft, da er mit mir im See schwamm, obwohl das Wasser auch im Sommer recht kalt war. Sie äußerte stets ihre Besorgnis mit den Worten: "Das Kind holt sich noch den Tod." Glücklicherweise hat sich diese Befürchtung nie bewahrheitet. Wenn wir mit dem Fahrrad unterwegs waren, fuhr auch meine Großmutter gelegentlich mit. Zu dritt fuhren wir in die Seeau, eine naturbelassene Landschaft, wenn man beim See die Straße weiterfuhr. Dort machte mein Großvater ein Lagerfeuer und wir steckten Würstchen auf kleine Ästchen und grillten sie über dem Feuer.
Ich erinnere mich noch an mein erstes Fahrrad, obwohl es schon 45 Jahre her ist. Es war rot mit einer gelben Hupe. Mein zweites Fahrrad war ebenfalls rot. Wenn ich genau nachdenke, hatte ich immer rote Fahrräder.
Zurück zu meinem Vater
Eines Tages stand ich vor einer wichtigen Entscheidung, die mein zukünftiges Leben beeinflussen würde, obwohl mir das mit meinen sechs Jahren noch nicht bewusst war. An einem Wochenende besuchten wir meinen Vater und meine Stiefmutter, die ich damals für meine Mutter hielt. Ich erinnere mich genau, dass meine Großmutter mich fragte, wo ich zur Schule gehen möchte – ob ich in Eisenerz bleiben oder zu meinem Vater ziehen möchte. Ohne zu zögern, sagte ich, dass ich zu meinem Vater ziehen möchte. Schon immer habe ich eine starke Bindung zu meinem Vater gehabt.
Für meine Großeltern war diese Antwort überraschend, da sie gehofft hatten, dass ich bei ihnen bleibe. In diesen fünf Jahren war ich ihnen sehr ans Herz gewachsen, und sie betrachteten mich als ihr eigenes Kind. Ich liebte meine Großeltern und es war auch nicht gegen sie gerichtet, aber ich wollte zu meinem Vater. Möglicherweise auch unbewusst, um dem perversen Nachbarn zu entkommen. So zog ich im Alter von sechs Jahren wieder zu meinem Vater, verbrachte aber die Ferien weiterhin bei meinen Großeltern in Eisenerz. Auch heute kehre ich immer wieder nach Eisenerz zurück, trotz der vielen Veränderungen, die dort stattgefunden haben.
Ein neuer Lebensabschnitt
Mein Vater wohnte in Kapfenberg in einer Werkswohnung, welche er zuvor gemeinsam mit meiner Mutter bewohnt hatte. Da ich regelmäßig die Wochenenden bei meinem Vater verbrachte, war mir diese Wohnung gut bekannt. Auch meine Stiefmutter war mir bekannt, die seit meiner frühesten Erinnerung immer präsent war. Obwohl ich mich an viele Ereignisse meiner Kindheit erinnern kann, bleibt der genaue Zeitpunkt, an dem die Frau, die meine Stiefmutter wurde, in mein Leben trat, unklar. Ebenso erinnere ich mich nicht an die Zeit mit meiner leiblichen Mutter. Daher erschien es mir selbstverständlich, dass meine Stiefmutter immer da war.
Wir wohnten in einer 2-Zimmer-Wohnung, die Toilette befand sich im Hausflur, draußen neben der Eingangstüre. Dort war es im Winter so kalt, dass ich es oft vermied, auf das Klo zu gehen. Die Toilette wurde nicht beheizt und die Wände reichten nur bis knapp über die Mitte der Raum-höhe, wodurch kalte Luft eingedrungen ist. In der Wohnung befand sich direkt neben der Küche ein Waschbecken, das als einzige Waschmöglichkeit diente. Es war für mich vollkommen gewöhnlich, mich dort zu waschen. Ich erinnere mich daran, dass ich einen roten Hocker benutzte, um das Waschbecken zu erreichen. Über dem Waschbecken hing ein Spiegel, es war der einzige Spiegel in der gesamten Wohnung. Obwohl ich bei meiner Großmutter ein eigenes Zimmer und eine Badewanne zur Verfügung hatte, empfand ich die neue Situation nicht störend. Aufgrund des häufigen Wechsels zwischen verschiedenen Wohnorten hatte ich offensichtlich eine hohe Anpassungsfähigkeit entwickelt, was mir ermöglichte, mich rasch an neue Gegebenheiten zu gewöhnen. Außerdem bin ich mir sicher, dass Kinder viel anpassungsfähiger sind als Erwachsene, da für sie ein hoher Standard nicht wichtig ist. Diese Wohnung vermittelte mir ein angenehmes Wohngefühl. Sie bestand aus einem Schlafzimmer, in dem mein Bett in einer kleinen Ecke untergebracht war, sowie einer Wohnküche.
Beim Betreten der Wohnung durch die alte, weiß gestrichene Holztür befand sich auf der linken Seite eine Kommode mit buntem Bezug, die als Schubkasten diente. Daneben war unmittelbar die Garderobe. Dahinter folgte die Sitzecke, bestehend aus einem Tisch mit einer Eckbank und zwei Sesseln. Rechts befanden sich die Waschmaschine, der Kühlschrank und das Waschbecken. Gleich um die Ecke befand sich die Küchenzeile, und dort führte eine Tür ins Schlafzimmer. Danach kam Papas Bereich, den er mit Kommoden etwas abgetrennt hatte. Dort befand sich seine Musikanlage. Er hörte gerne Musik und hat meiner Meinung auch heute noch einen guten Musikgeschmack. Dort gab es bunte Lichter, ein blaues und ein rotes, die im Takt der Musik flackerten. An der Decke hing ein braunes Gestell, das mit grünen Pflanzen umrankt war. Im Schlafzimmer über meinem Bett hingen zwei große Bilder. Eines davon zeigte einen Hush-Puppy. Es war ein Plastikbild, bei dem sich der Hund nach vorwölbte. Ich betrachtete dieses Bild oft, da es für mich wie ein Freund war, dem ich alles erzählen konnte. Daneben hing ein schwarzes Stoffbild mit einem großen Schiff und einem Sonnenuntergang. Teile des Schiffs und die Sonne waren aus Kunststoff. Dieses Bild faszinierte mich, aber das große Schiff und die Dunkelheit wirkten auf mich etwas beängstigend. Auch heute empfinde ich Unbehagen, wenn ich mit einer Fähre oder einem Schiff über das Meer fahre, insbesondere bei Dunkelheit. Mir ist bewusst, dass dieses Gefühl möglicherweise auf ein Muster, ein Trauma oder eine Erfahrung aus einem früheren Leben zurückzuführen ist.
In dieser Zeit begannen auch meine Probleme mit dem Darm, jedoch wurde darauf keine Aufmerksamkeit gelenkt. Ich hatte häufig starke Bauchkrämpfe, die mitten in der Nacht auftraten. Mein Vater stand nachts auf, machte mir Tee und massierte meinen Bauch, bis die Krämpfe wieder nachließen. Es fiel mir damals auf, dass immer mein Vater aufstand, während meine Stiefmutter im Bett liegen blieb und weiterschlief. Dies trug dazu bei, dass ich zu ihr nie eine enge Beziehung aufbauen konnte. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass sie nicht meine leibliche Mutter war. Beide waren berufstätig, wobei mein Vater Frühschicht hatte und um 5 Uhr morgens aufstehen musste. Meine Stiefmutter arbeitete als Verkäuferin in einem Modegeschäft und musste deshalb nicht so früh aufstehen.
Meine Eltern heirateten am 12. Juli 1980. Meine Stiefmutter trug ein türkisfarbenes, figurbetontes Kleid. Mein Vater trug ein Sakko mit passender Hose und Hemd, während ich ein Kleid trug, das meine Großmutter handgefertigt hatte. Nähen war ihr Hobby und so nähte sie für mich Kleider. Als ich jedoch in die Hauptschule kam, empfand ich es als unangenehm, diese selbst genähten Kleider zu tragen. Schließlich hörte ich auf, sie anzuziehen.
Robby
Ein bedeutendes Erlebnis war, als ich eine kleine Katze von dem Bauernhof auswählen durfte, auf dem meine Stiefmutter aufgewachsen ist. Wir besuchten fast jeden Samstag meine Großeltern, die nicht mit mir verwandt waren, was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste. Samstags trafen sich dort alle Geschwister meiner Stiefmutter, es wurde gefeiert, geredet, Karten gespielt und gegessen. Meine Leidenschaft galt immer schon den Tieren. Es gab einen Stall, in dem vier bis fünf Kühe, zwei Schweine, Kälber und Hühner untergebracht waren. Zudem befanden sich dort zahlreiche Katzen sowie der Hund Rolfi. Wenn ich nachdenke, fällt mir auf, dass alle nachfolgenden Hunde ebenfalls den Namen Rolfi erhielten. Den gesamten Samstag verbrachte ich damit, mich um alle Tiere zu kümmern. Ich bemühte mich, dass ich mit jedem Tier gleich viel Zeit verbrachte und sie gleichmäßig streichelte, sodass keines bevorzugt oder benachteiligt wurde. Die Zeit im Stall half mir, meine Gedanken abzuschalten, deshalb war ich sehr dankbar für die Tiere, die damals um mich waren. Rolfi musste auch im Winter draußen in der Hundehütte schlafen. Oftmals saß ich bei ihm, streichelte ihn und bemitleidete ihn. Wenn mir kalt wurde, ging ich kurz ins Haus, um mich aufzuwärmen, und kehrte dann zu ihm zurück, um weiterhin bei ihm zu sein.
An jenem Samstag gab es neuen Katzennachwuchs, und ich durfte mir ein Kätzchen aussuchen. Ich erinnere mich noch genau an die Heimfahrt mit unserem beigen Opel Kadett, als ich auf der Rückbank neben „Robby“ saß. Zuhause hatten wir einen Nachbarsjungen namens Robert. Da mir dieser Name gefiel, wollte ich auch unseren Kater Robert nennen. Meine Stiefmutter jedoch meinte: „Robby klingt besser als Robert.“ Dieser Vorschlag war für mich akzeptabel, sodass Robby in mein Leben trat. Robby war ein grau getigerter Kater. Er war mein Anker, ihm konnte ich alles anvertrauen und ich spürte, dass er mich verstand. Sein Platz befand sich selbstverständlich in meinem Bett, wo ich sein Schnurren genoss, und das wohltuende Gefühl aufnahm, das von diesem Kater ausging. Robby und ich entwickelten eine enge Bindung, und er war das erste Haustier, das ich bewusst wahrnahm.
Es existieren Fotos von mir in meinem Gitterbettchen, auf denen sowohl Katzen als auch Hunde abgebildet sind, die damals im Haushalt lebten, nur kann ich mich an diese Tiere nicht mehr erinnern. Die Tierliebe wurde mir von meinem Vater übertragen, der ebenfalls eine Liebe zu Tieren hat. Somit gab es bereits Haustiere, als ich noch ein Säugling war. Robby wuchs zu einem beeindruckenden Kater heran, der durch sein grau getigertes Fell und seinen langen Haaren eine Schönheit war. Es war ein Samstag, als wir zu meinen „Großeltern“ auf den Bauernhof fuhren, um den Tag mit der Familie zu verbringen. Es war schon spät abends, als wir wieder nach Hause kamen und ich ging sofort ins Schlafzimmer, um nach Robby zu sehen. Als ich das Schlafzimmer betrat und in Richtung meines Bettes blickte, sah ich zu meiner Überraschung, dass Robby dort gesund und wohlauf, zusammen mit drei kleinen Katzenbabys lag. Keiner von uns hatte bemerkt, dass Robby ein weibliches Tier und trächtig gewesen war. Wir waren alle sehr überrascht, da keiner damit gerechnet hatte. Nie werde diese Überraschung vergessen, als Robby ihre Jungen in meinem Bett bekam. Ich war glücklich und freute mich über den Nachwuchs. Robby sorgte gut für ihre Jungen und brachte ihnen Mäuse, doch die liefen bald in der ganzen Wohnung herum.
Zur gleichen Zeit entschied sich mein Vater, umzuziehen und eine größere Wohnung zu mieten. Da alles mit Parteibüchern verknüpft war und mein Vater sich nicht manipulieren lassen wollte, verzichtete er auf die Wohnung und kaufte ein Grundstück, um ein Haus zu bauen. Das Grundstück befand sich in einer ausgezeichneten Lage, entfernt von Verkehr und städtischem Trubel. Mein Vater begann mit dem Bau, und fortan pendelten wir regelmäßig zwischen dem Baugrundstück und unserer Wohnung, wobei wir selbstverständlich Robby und die Jungen mitnahmen. Als die drei Kätzchen älter wurden, kam der Zeitpunkt, Abschied zu nehmen. Dies fiel mir besonders schwer, aber es gab keine Alternative. Ein kleiner Trost war, dass wir alle neuen Besitzer unserer drei Schützlinge kannten und somit wussten, dass es Ihnen gut gehen würde.
Eines Tages kehrte Robby nicht nach Hause zurück. Robby war eine Freigängerin und wir lebten noch in der Siedlung, in unserer Wohnung. Robby blieb verschwunden. Mein Vater und ich suchten täglich nach Robby und riefen nach ihr, doch es gab keine Spur. Es brach mir das Herz. Was mochte wohl mit ihr geschehen sein? Die Ungewissheit nagte an uns und ich war so traurig wie nie zuvor. Drei Wochen waren vergangen und die Hoffnung, Robby jemals wiederzusehen, schwand von Tag zu Tag mehr. Jeden Morgen weckte mich meine Stiefmutter, um mich auf die Schule vorzubereiten. Anfangs erkundigte ich mich stets nach dem Aufwachen, ob Robby da sei. Mit der Zeit gab ich diese Frage auf, da es schmerzlich war; diese Katze hatte eine große Bedeutung für mich. An diesem Tag weckte sie mich und fragte: „Weißt du, wer in der Küche auf dem Stuhl schläft?“. Sofort war ich hellwach, stand auf und lief in die Küche. Es konnte nur Robby sein und tatsächlich war es so. Robby schlief ruhig auf dem Stuhl, als ob die letzten drei Wochen nicht gewesen wären. Sie ist wieder da. Mit Tränen in den Augen fühlte es sich an, als würde eine enorme Last von meinem Herzen genommen. Da lag sie, etwas abgemagert, aber unversehrt und blickte mich verschlafen an. „Bitte tu mir das nie wieder an“, sagte ich zu ihr, „nie wieder, das ertrage ich nicht.“ Ich war erleichtert, sodass es mir an diesem Tag auch nichts ausmachte, in die Schule zu gehen. Denn die Schule stellte erneut eine Herausforderung dar, die mich an meine Grenzen führte.
Die Schule
Nachdem ich von meinen Großeltern zu meinem Vater und meiner Stiefmutter zog, kam ich bald darauf in die Schule. Dort fand ich keine Freunde, da ich mit selbst genähten Klamotten von meiner Oma herumlief, eine Brille trug und dadurch eine Außenseiterin war. In unserer Siedlung wohnten einige Kinder aus meiner Klasse, mit denen ich keinen Kontakt hatte. Nebenan wohnte ein Junge namens Christian, den ich von Anfang an nicht mochte. Zwei Brüder, die in ärmlichen Verhältnissen lebten, wohnten ein paar Häuser weiter. Sie benahmen sich ungehobelt und laut, was mir Angst machte. Ich fürchtete immer, ihnen auf dem Schulweg zu begegnen. Meistens trafen sich Christian und die Brüder, um gemeinsam Lärm zu machen, was mich zusätzlich ängstigte. Diese Angst war sicherlich durch meine bisherigen Lebenserfahrungen geprägt. Eines Tages auf dem Heimweg, packte mich Christian plötzlich von hinten und hielt mich fest. Ich kann nicht mehr sagen, wer die anderen Jungs waren, die noch anwesend waren, denn ich verfiel in Angst und Panik. Was wollten die jetzt von mir?
Während er mich festhielt, fasste er mir in die Unterhose. Ich war den Tränen nah, hatte Angst und war ausgeliefert. Wieder erwischte es mich, wieder ein sexueller Übergriff auf mich im Alter von 6 Jahren von einem Schulkameraden. Der Übergriff dauerte einige Minuten, es fühlte sich aber wie Stunden der Angst an. Festgehalten zu werden, ausgeliefert zu sein, sich nicht wehren können, nicht wissen, was auf mich zukommt – all diese Gefühle und Emotionen kamen in diesen Minuten hoch. Er ließ mich los und ich lief weinend nach Hause.
Zitternd schloss ich die Haustüre auf und schloss sie gleich hinter mir wieder zu. Wenn ich nach der Schule nach Hause kam, war ich meistens allein. Mein Vater kam erst um 14 Uhr von der Arbeit nach Hause und meine Stiefmutter arbeitete bis am Abend. Meist dauerte es eine Stunde, je nachdem, wann die Schule aus war, bis mein Vater heimkam. Ich verschloss die Tür, da Christian manchmal vorbeikam, um nach den Hausaufgaben zu fragen, weil er oft unaufmerksam war. Ich wollte ihn jedoch nicht sehen oder in die Wohnung lassen. Robby war anwesend, und ich vertraute ihr meine tiefsten Gedanken an. Die Katze war die Einzige, die mich verstand, der ich alles erzählte und die mir in gewisser Weise Trost und Schutz bot. Es ist schwer zu beschreiben, aber in ihrer Gegenwart hatte ich das Gefühl, nicht allein zu sein, obwohl ich dies häufig fühlte.
Ich hatte niemals den Eindruck, dass mich jemand unterstützte oder dass ich mich jemandem anvertrauen konnte. Mein Vater und meine Stiefmutter waren immer gestresst und nahmen mich sowieso nicht ernst, außerdem war es ein Tabu-Thema in unserer Familie über Probleme zu sprechen. Zu meinen Großeltern hatte ich mehr Bezug, aber auch mit ihnen konnte ich über solche Probleme nicht sprechen. Es war mir außerdem peinlich, den Vorfall zu erzählen. Nach diesem Vorfall schloss ich mich auf dem Heimweg von der Schule anderen Mädchen an. Das funktionierte gut und ich freundete mich mit Monika und Bibiane an, die in meine Klasse gingen und aus meiner Siedlung kamen.
Wochen nach diesem sexuellen Übergriff ging ich mit Monika nach Hause, als uns ein paar Jungs aus einer höheren Schulstufe begegneten. Sie blockierten unseren Weg und forderten uns auf, ab sofort jeden Tag in die Trafik, die am Schulweg liegt zu gehen, um Gegenstände zu stehlen und bei ihnen abzuliefern. Sollten wir dies nicht tun, würden sie uns in das weiße Zelt neben der Mürz bringen und dort Schreckliches mit uns machen. Das weiße Zelt neben der Mürz existierte tatsächlich. Die Mürz ist ein Fluss, der einen Bogen um die Siedlung macht, und das weiße Zelt habe ich schon aus der Ferne gesehen. Ich habe mich bis jetzt davor gehütet, auch nur in die Nähe des Zeltes zu kommen, da ich von diesen Geschichten, die in diesem Zelt geschehen, gehört hatte. Die Angst saß uns in allen Gliedern und so stimmten wir zu, da wir gar keine andere Wahl hatten. Auf dem Nachhauseweg waren wir geschockt vom Auftreten der Jungs, aber es blieb uns nichts anderes übrig, als einen Plan zu schmieden. Sagen wir es unseren Eltern? Oder machten wir das, was die Jungs von uns verlangten? Wir sagten beide nichts zu unseren Eltern, denn wir wussten, dass sich nicht wirklich viel zu unserem Vorteil verändern würde, wir aber trotzdem weiter in die Schule müssten, und dann würde sich die Drohung der Jungs bewahrheiten. Davor hatten wir extreme Angst. Tags darauf, früh morgens auf dem Weg zur Schule, gingen wir in die Trafik und warteten, bis wir unbeobachtet waren. Dann stahlen wir alles Mögliche, angefangen von Postkarten über Kulis, Feuerzeuge, alles, was wir in die Finger bekamen.
Für mich war es der absolute Horror. Ich funktionierte wie ein Roboter, mir war heiß und kalt zugleich, und ich hörte schon im Geiste die Polizeisirene. Wären wir aufgeflogen, wäre alles vorbei gewesen – die Polizei hätte mich eingesperrt und mein Vater hätte mich erschlagen. Diese Momente in der Trafik waren für mich ein Albtraum, da ich vorher und nachher nie wieder etwas gestohlen habe. Die Angst, erwischt zu werden und die Angst in das weiße Zelt verschleppt zu werden, überwogen alles.
Wie oft wir die Trafik beraubten, kann ich nicht mehr genau sagen, aber es waren einige Male und wir beide waren schon ziemlich am Ende mit unseren Nerven. Die Angst machte uns zu Dieben, darum sollte man nie Vorurteile gegenüber einem Menschen mit einer dunklen Vergangenheit haben. Frag dich zuerst nach dem WARUM. Was ist diesem Menschen widerfahren, dass er gewisse Handlungen durchgeführt hat? Dann kannst du einen Menschen besser verstehen, denn die weltlichen Einflüsse und Prägungen vom Außen haben ihn zu dem gemacht, der er ist. Geboren werden wir alle mit einem reinen Herzen, ob wir uns dann zum Monster oder zu einem liebevollen Menschen weiterentwickeln, liegt an uns selbst. Wollen wir raus aus diesen Prägungen und Abhängigkeiten? Oder schwimmen wir weiter mit dem Strom und unterdrücken unser ICH? Durch dieses jahrelange Unterdrücken des eigenen SEINS kann es dazu kommen, dass ein Mensch gewalttätig wird, denn irgendwo muss der Druck raus. Leider ist das der falsche Weg, um zu sich zu finden.
Ich dachte stets, dass ich das schwächste Kind auf der Welt sei, dass labil, emotional und von Ängsten erfüllt ist. Doch Monika schwächelte zuerst, sie erzählte alles ihrer Mutter. Sie konnte dem Druck nicht mehr standhalten und insgeheim war ich froh darüber, andererseits hatte ich extreme Angst, vor allem, was jetzt auf mich zukam. Am nächsten Tag erzählte mir Monika, dass wir mit unseren Eltern wegen dieses Vorfalls mit den Jugendlichen und den Diebstählen zur Direktorin müssen. Du kannst dir vorstellen, wie ich mich fühlte, ich dachte, mein Leben sei vorbei. Mein Vater hat mich bisher nie geschlagen, aber er war sehr streng. Ich war mir bewusst, dass es Konsequenzen hätte, wenn er herausfinden würde, dass seine Tochter im Alter von 7 Jahren gestohlen hat. Das wäre mein Ende.
Ich weinte nur selten, jedoch an diesem Tag lief ich weinend von der Schule nach Hause. Meine Stiefmutter war an diesem Tag bereits zu Hause und fragte mich, was los sei. Ich stand so unter Druck, dass ich ihr einfach alles erzählte. Das erste Mal überhaupt vertraute ich mich ihr an. Ich war so verzweifelt und wusste nicht mehr weiter. Alles, was sie sagte, war: „Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir von hier weg“. Es handelte sich tatsächlich nur mehr um einige Tage, bis wir ins Haus übersiedelten. Ich denke, sie hat meinem Vater davon nie etwas erzählt und ich weiß auch nicht, ob sie in der Schule bei der Direktorin war. Auf jeden Fall sah und hörte ich weder von den Jungs noch von dem gesamten Vorfall etwas.
Ich konnte diese Erlebnisse dich ich hier mit den Nachbarjungen und den Jugendlichen erlebt hatte, endlich hinter mir lassen, da wir in das neue Haus zogen, weg von hier. Erneut hatte ich das Gefühl, von oben geleitet und beschützt zu werden, und heute bin ich mir dessen sicher.
Eislaufen
Eine weitere Angst, welche ich in meiner Volksschulzeit ertragen musste, war Eislaufen. Diese Sportart mochte ich nicht und beherrschte sie auch nicht. Ich hatte Angst davor, mit so dünnen Kufen auf so einer großen Eisfläche zu stehen, wo alle in Höchstgeschwindigkeit um mich herum flitzten. Mir war nicht klar, wie man auf so dünnen Kufen stehen konnte, geschweige denn damit laufen konnte. Es gab keinen Ausweg für mich, ich musste mitkommen. Neben dem Eislaufplatz gab es einen Eislaufschuhverleih und ich musste mir immer diese alten, hässlichen, weißen Ledereislaufschuhe ausleihen. Während der Eislaufstunde klebte ich an der Bande des Eislaufplatzes und stand Todesängste aus, bis ich mich wieder am Ende der Stunde irgendwie zurück zum Eingang navigierte.
Es kam die Faschingszeit und in der Schule sollten wir uns wie jedes Jahr verkleiden. An diesem Tag, ich war als Biene Maja verkleidet, ging es wieder auf den Eislaufplatz. Jetzt musste ich auch noch mit diesem blöden Kostüm aufs Eis. Weniger ging es mir darum, wie ich aussah, sondern eher darum, dass ich mich dadurch nicht frei bewegen konnte. Als ich wieder am Rand des Platzes an der Bande klebte, hieß es plötzlich, dass wir alle in die Mitte des Platzes kommen sollten, da ein Gruppenfoto gemacht wird. Für mich wieder der blanke Horror. Nun musste ich von der sicheren Bande weg in die Mitte des Platzes, wo ich mich nirgendwo anhalten konnte und etwa 20 Kinder auf einem Fleck herumwuselten. Aufgrund meiner Unsicherheit auf dem Eis erhielt ich Unterstützung von einem älteren Herrn, den ich zuvor bereits mehrmals auf der Eislaufbahn gesehen hatte, um in die Mitte zu gelangen. Herr Christian nannten ihn alle und er zeigte mir, wie ich mir leichter tat am Eis. Das Foto wurde geschossen und alle Kinder stürmten wieder auseinander. Ich kann nicht mehr sagen, ob ich geschubst wurde oder einfach hingefallen bin, jedenfalls lag ich plötzlich auf dem Eis und hatte Schmerzen in meiner rechten Hand, die, wie sich im Krankenhaus herausstellte, gebrochen war. Im Krankenhaus waren alle sehr freundlich zu mir und meine Hand wurde in Gips gelegt, so konnte ich einige Tage von der Schule fernbleiben.
Heute weiß ich, dass mir meine Seele eine Auszeit von der Schule gegönnt hatte, da die Schule für mich kaum mehr tragbar war. Auch kann ich mich noch an den Papa-Schlumpf erinnern, den mir mein Vater auf die Gips-Hand malte. Mein Vater ist Naturtalent, er konnte so wunderschön zeichnen, leider hat er sein Talent nicht gefördert und zeichnet gar nicht mehr. Als meine Hand wieder funktionstüchtig und einsatzbereit war, wurde der Gips entfernt. Ich bat darum, den Gips mit nach Hause nehmen zu dürfen, da der Papa Schlumpf, den mein Vater auf den Gips gemalt hatte, drauf war. Aber leider bekam ich den Gips nicht und das machte mich ziemlich traurig.
Zumindest war ich zu dieser Zeit das Highlight der Klasse gewesen und hatte durch den Gips meine Ruhe von jeglichen Mobbingattacken.
Der Malwettbewerb
In der dritten Klasse fand ein Malwettbewerb statt, an dem alle 8 Klassen, also die gesamte Schule daran teilnahm. Ich malte mit Ölkreide einen Skifahrer, der ins Ziel fuhr, ein Bild wie ein 8-jähriges Mädchen eben malt nichts Besonderes, denn das Talent meines Vaters habe ich leider nicht vererbt bekommen. An dem Tag, als die Lehrerin mit einem Brief in die Klasse kam, mich ansah und sagte: „Du hast Post“, änderte sich mein Status in der Klasse. Mein Gesicht wurde knallrot, da sich alle zu mir umdrehten. Ich schämte mich und hasste es, im Mittelpunkt zu stehen. Außerdem war mir unklar, welchen Brief ich bekommen würde, ich ahnte Schlimmes.