Die LEGO-Story - Jens Andersen - E-Book

Die LEGO-Story E-Book

Jens Andersen

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Beschreibung

»Die fesselnde Kulturgeschichte des dänischen Unternehmens, das Spielzeuge für Groß und Klein revolutioniert hat.« New York Times
• 100 Jahre LEGO: Wie der Spielehersteller die Welt eroberte
• Zum ersten Mal öffnet LEGO seine Archive
• Vom LEGO-Stein bis zum LEGO-Movie: Die bewegte Geschichte der Weltmarke


LEGO ist Kult. Die bunten Bausteine haben längst den Globus erobert, sind aus Kinderzimmern ebenso wenig wegzudenken, wie aus den Erinnerungen von Generationen. Doch so beliebt und weitverbreitet LEGO heute auch ist, blieb die faszinierende Geschichte der Weltmarke und der Familie, die sie schuf, bislang im Dunkeln.

Erstmals hat LEGO nun seine Archive geöffnet: Reich bebildert, mitreißend und faszinierend schildert »Die LEGO-Story« zehn Dekaden voller Erfolge und Rückschläge, Überraschungen und echter Schicksalsentscheidungen. Eine Familien- und Firmengeschichte, in der Jens Andersen und Kjeld Kirk Kristiansen, LEGO-Chef in dritter Generation, nachzeichnen, wie LEGO spielend zum weltweiten Phänomen wurde.

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Seitenzahl: 573

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100 Jahre LEGO: Vom dänischen Tischlerschuppen zur beliebtesten Spielzeugmarke weltweit

LEGO ist Kult. Die bunten Bausteine des dänischen Spieleherstellers haben längst den ganzen Globus erobert, sind aus Kinderzimmern ebenso wenig wegzudenken, wie aus den Erinnerungen von Generationen, deren Liebe für sie oft bis ins Erwachsenenalter reicht. Doch so beliebt und weitverbreitet LEGO heute auch ist, waren die Anfänge der Weltmarke weit bescheidener: Als Ole Kristiansen 1915 sein erstes Holzwarengeschäft im verschlafenen Billund eröffnet, ahnt er noch nicht, wie stark LEGO sein Leben und die der drei nachfolgenden Generationen prägen wird. Reich bebildert, mitreißend und faszinierend schildert »Die LEGO-Story« zehn Dekaden voller Erfolge und Rückschläge, Überraschungen und echter Schicksalsentscheidungen. Eine Familien- und Firmengeschichte, in der Jens Andersen und der heutige LEGO-Chef Kjeld Kirk Kristiansen nachzeichnen, wie LEGO spielend zum weltweiten Phänomen wurde.

Jens Andersen, geboren 1955, hat sein Studium der Nordistik an der Universität von Kopenhagen mit einer Promotion abgeschlossen, arbeitete viele Jahre als Literaturkritiker für große dänische Zeitungen und lebt nun als Schriftsteller in Kopenhagen. Seit 1990 veröffentlicht er Biografien skandinavischer Persönlichkeiten, u. a. 2012 über Königin Margrethe II.; 2005 erschien auf Deutsch sein viel beachtetes Buch »Hans Christian Andersen«, für das er mehrfach ausgezeichnet wurde. Jens Andersen erhielt u. a. den Georg-Brandes-Preis, den Søren-Gyldendal-Preis und den Preis des dänischen Schriftstellerverbands. »Astrid Lindgren. Ihr Leben« wurde in Dänemark 2015 zum »Sachbuch des Jahres« gekürt und erhielt den renommierten Politikens Litteraturpris; das Buch wurde in Dänemark und Schweden zum Bestseller.

»Die fesselnde Kulturgeschichte des dänischen Unternehmens, das Spielzeuge für Groß und Klein revolutioniert hat.« New York Times

Besuchen Sie uns auf www.dva.de

JENS ANDERSEN

DIE LEGO-STORY

Wie der Spielehersteller zur Weltmarke wurde – Eine Familiengeschichte

Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg

Deutsche Verlags-Anstalt

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel Et liv med LEGO. En slægtshistorie bei Politikens Forlag, Kopenhagen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe Jens Andersen and Politikens Forlag 2021 in agreement with Politiken Literary Agency

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2023

by Deutsche Verlags-Anstalt, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenLektorat: Margret Trebbe-Plath

Fotos: siehe Bildnachweis; falls dort nicht anders vermerkt, © The LEGO Group

Umschlaggestaltung: Jorge Schmidt, München

Umschlagabbildungen: © The Lego Group (Strichzeichnung, Fotografien auf der Rückseite); © Nanni Schiffl-Deiler

Autorenfoto: © Les Kaner

Satz: Uhl + Massopust GmbH, Aalen

ISBN 978-3-641-29746-6V001

www.dva.de

You may say I’m a dreamerBut I’m not the only oneI hope someday you’ll join usAnd the world will be as oneJohn Lennon

Inhalt

Stammbaum

Vorwort

Holzarbeit – Die 1920er-Jahre

Glaube – Die 1930er-Jahre

Krieg – Die 1940er-Jahre

System – Die 1950er-Jahre

Expansion – Die 1960er-Jahre

Wandel – Die 1970er-Jahre

Spiel – Die 1980er-Jahre

Trägheit – Die 1990er-Jahre

Wende – Die 2000er-Jahre

Erbe – Die 2010er-Jahre

Namensregister

Literatur

Dank

Stammbaum

Vorwort

Man kann davon ausgehen, dass jedes Jahr achtzig bis neunzig Millionen Kinder auf der Welt eine Schachtel LEGO geschenkt bekommen und rund zehn Millionen Erwachsene ein LEGO-Set für sich selbst kaufen. Doch LEGO ist sehr viel mehr als nur eine schwindelerregende Anzahl von Packungen mit Plastiksteinen, die sich in unzähligen Varianten zusammenbauen und kombinieren lassen. LEGO ist auch eine Vision über die Bedeutung des Spielens für den Menschen.

Dieses Buch ist die Geschichte einer global agierenden Firma und einer dänischen Familie, die neunzig Jahre lang das Recht des Kindes, zu spielen, verteidigt hat und bis heute daran glaubt, dass auch Erwachsene dem Kind in sich einen Platz bewahren sollten.

Seit Anfang der 1930er-Jahre produziert LEGO Spielzeug und verschafft kleinen wie großen Kindern immer neue Erlebnisse, quer durch alle sozialen und kulturellen Schichten und immer mit den gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt haltend. Von der Wirtschaftskrise zum Wohlfahrtsstaat über den Bruch mit der patriarchalischen Familie mit dem Vater am Kopfende des Tisches bis hin zum Einzug der Frauen auf dem Arbeitsmarkt – mit den veränderten Geschlechterrollen und Familienstrukturen entstanden auch neue Formen des Spielens. Früher war das Spielen von Mädchen und Jungen eine rein physische Aktivität, heute findet es in ebenso hohem Maße digital statt. LEGO hat diese Entwicklung von Anfang an begleitet.

Die Idee zu Die LEGO-Story hatte ich im Herbst 2019. Es geht dabei nicht um eine traditionelle Firmengeschichte, sondern eher um eine Kulturgeschichte und eine biografische Chronik der drei Generationen der Familie Kirk Kristiansen, die LEGO entwickelten und zu dem werden ließen, was es heute ist: der weltgrößte Spielzeugproduzent und eine der beliebtesten Marken der Welt. Die vierte Generation bereitet sich darauf vor, diesen Weg fortzusetzen.

Dieses Buch basiert auf Material aus den Archiven von LEGO in Billund, zu denen ich Zugang bekam, und den monatlichen Gesprächen, die ich über anderthalb Jahre hinweg mit Kjeld Kirk Kristiansen geführt habe, der 1947 praktisch in die Firma hineingeboren wurde und LEGOs Entwicklung seit fast fünfzig Jahren prägt. Im Buch wird er auf eigenen Wunsch allein »Kjeld« genannt, denn nicht nur in Billund ist er unter diesem Namen bekannt, sondern auch bei den weltweit 20000 Beschäftigten von LEGO und den fünfmal so vielen registrierten erwachsenen Fans, für die LEGO Leidenschaft und Lebensstil ist.

Apropos Namen. Der Nachname der Familie hat in der Vergangenheit für einige Verwirrung gesorgt. An dem Mittelnamen »Kirk« gibt es keinen Zweifel, aber folgt dann »Kristiansen« oder »Christiansen«? Laut den alten Kirchenbüchern und Taufscheinen der Familie müssten sie Kristiansen mit K heißen, aber aus unerfindlichen Gründen beschloss der Firmengründer Ole Kirk, sich Christiansen zu nennen, als er sich 1916 als junger Tischlergeselle in Billund niederließ. Mit wenigen Ausnahmen behielt er diese Schreibweise bis zu seinem Tod bei, und so wurde sein Name auch in den Grabstein gemeißelt, der auf dem Friedhof von Grene etwas außerhalb von Billund steht.

Ole Kirks Sohn Godtfred schrieb seinen Nachnamen ebenfalls mit Ch anstatt mit K, und als junger ambitionierter Fabrikleiter fing er in den 1940er-Jahren an, die Initialen G.K.C. zu benutzen. Dies behielt er sein Leben lang bei, das Kürzel wurde sein Rufname bei den Mitarbeitern von LEGO, bei Geschäftskontakten, den Menschen in Billund und guten Freunden. GKCs Sohn Kjeld – die Hauptperson dieses Buches – beschloss hingegen als junger Mann, sich an die Schreibweise des Taufscheins zu halten, und nennt sich seither immer Kjeld Kirk Kristiansen.

Ich habe mich entschieden, die Wahl der Nach- und Rufnamen der einzelnen Familienmitglieder zu respektieren, die man so auch im Stammbaum findet. Daher heißt der Gründer von LEGO auf den folgenden Seiten entweder »Ole Kirk« oder »Christiansen«, sein Sohn Godtfred »GKC«, während der Vertreter der dritten Generation der Familie ganz einfach »Kjeld« genannt wird.

Vielleicht werden sich einige Leser und Leserinnen darüber wundern, dass ich in dem gesamten Buch LEGO und andere Firmen des LEGO-Konzerns – wie etwa KIRKBI – in Versalien schreibe. Ich fand es angebracht, hier der gängigen Schreibweise des Unternehmens zu folgen. Wer bei LEGO beschäftigt ist oder eine engere Verbindung zu dem Unternehmen hat, wird bemerken, dass ich von den firmeninternen orthografischen Regeln abweiche. Zum einen lasse ich aus Gründen der Lesbarkeit die Registered Trade Mark nach LEGO® weg, zum anderen benutze ich einen Bindestrich, wenn es um LEGO-Steine, LEGO-Mitarbeiter oder LEGO-Elemente geht.

So wie zwei klassische Achtersteine auf mindestens vierundzwanzig verschiedene Weisen zusammengesetzt werden können, gibt es viele Möglichkeiten, die Geschichte von LEGO zu erzählen. Ich habe mich für die breite, erzählende Form ohne Quellenverzeichnis und Anmerkungsapparat entschieden.

Am Ende des Buches findet sich eine ausführliche Literaturliste, ein Namensregister sowie ein Dank an all diejenigen, die dieses Buch ermöglicht haben. An dieser Stelle möchte ich jedoch festhalten, dass ich dieses Projekt niemals unbeschadet überstanden hätte ohne die Hilfe von Jette Orduna, der Geschäftsführerin des LEGO Idea House, der Archivarin Tine Froberg Mortensen, der gesamten Familie Kirk Kristiansen, Niels B. Christiansen von LEGO A/S, Jørgen Vig Knudstorp, Ulla Lundhus und Søren Thorup Sørensen von KIRKBI A/S sowie Kim Hundevadt und Ulla Mervild vom Politikens Verlag.

Zum Schluss geht ein besonders herzlicher Dank an Kjeld, der mir Einblick in eine märchenhafte Episode der dänischen Geschichte gewährt hat. Mit einer Variation der Worte »Leg godt« – »Spiel gut« –, die in den 1930er-Jahren zu LEGO verkürzt wurden, bleibt mir nur noch zu sagen: Lies gut!

Jens Andersen, Juli 2021

Ole Kirks Werkzeug.

Holzarbeit Die 1920er-Jahre

A long time ago in a galaxy far, far away …

So fängt eine berühmte Saga aus dem äußeren Weltraum an, die eine Rolle in der Geschichte spielen wird, die hier erzählt werden soll. Sie beginnt im Herbst 1915 in Dänemark, weit draußen auf dem Land, als ein junger Handwerker in Westjütland von einer Tischlerwerkstatt hört, die in dem kleinen Bahnhofsstädtchen Billund zum Verkauf steht.

Wie seine Verlobte ist der junge Handwerker in der kargen Heidelandschaft unter Tagelöhnern und kleinen Leuten aufgewachsen. Als Junge hat er Schafe und Kühe gehütet und gelernt, auf Kreuzottern achtzugeben und Mergelgruben auszuheben – und wenn ein Unwetter drohte, konnte er Höhlen bauen wie kein Zweiter in der Gegend.

Jetzt ist er ein Tischlergeselle auf der Walz, der von einem festen Dach über dem Kopf träumt und von Ehe und einer eigenen Werkstatt spricht. Durch Unterstützung seiner Geschwister kann er sich 10000 Kronen1 bei der Bank leihen und übernimmt im Februar 1916 ein kleines weißes Haus mit Werkstatt am Rande von Billund. Mit Gottes Hilfe – und der Varde Bank – wird es schon gehen. An seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag im April 1916 heiratet Ole Kirk Christiansen Hansine Kristine Sørensen, ein Jahr später wird der erste ihrer vier Söhne geboren.

Kjeld: »Mein Großvater wurde 1891 in Blåhøj geboren, einem Ort zwanzig Kilometer nördlich von Billund. Er wuchs in einer Familie mit sechs Jungen und fünf Mädchen auf, die alle einen Mittelnamen erhielten, den mein Urgroßvater sich ausdachte. Das heißt, die Mädchen bekamen keinen Mittelnamen, denn sie würden ja ohnehin ihre Namen ändern, wenn sie irgendwann heirateten. Einer der Söhne hieß Randbæk (Randbach), ein anderer Kamp (Kampf), ein dritter Bonde (Bauer). Mein Großvater erhielt seinen Vor- und Mittelnamen – Ole Kirk (Kirche) – nach einem braven westjütländischen Bauern und Mitglied der Ständeversammlung, bei dem mein Großvater als Knecht gearbeitet hatte und den er bewunderte. Bereits als Sechsjähriger wurde Großvater Hütejunge und arbeitete auf verschiedenen Höfen, bis er schließlich eine Lehre als Tischler bei einem seiner älteren Brüder begann. Wie andere Handwerksgesellen ging auch er auf die Walz, kehrte aber schon bald nach Hause zurück, um seinem älteren Bruder zu helfen, das Postamt von Grindsted zu bauen. 1916 tauchte er dann hier in Billund auf.«

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wohnen knapp hundert Menschen in dem kleinen Ort an der Bahnlinie zwischen Vejle und Grindsted. Neben dem Bahnhofsgebäude, das auch als Postamt dient, besteht Billund 1916 aus vier, fünf größeren Höfen, mehreren Häusern, die als Altenteil dienen, einer Schule, einer Genossenschaftsmolkerei, einem Konsum-Geschäft, einem Missionshaus und einer Gaststätte, die schon bald ihre Alkoholkonzession verliert und als Hotel für Abstinenzler wiedereröffnet wird. Alles in allem liegen rund dreißig Häuser an den tiefen Straßengräben der mit Schotter bedeckten Landstraße. Will man zur Straße gehen, ist man gezwungen, die Gräben auf ein paar Brettern zu überwinden.

Ole Kirks und Kristines Haus mit dem Werkstattgebäude ist das letzte Anwesen an der Ausfallstraße von Billund. Es folgen ein paar bestellte Felder und dann Heide, so weit das Auge reicht – Kilometer um Kilometer bräunliches Heidekraut an der sandigen Landstraße in Richtung Westen.

Es heißt, ein reicher Mann aus Kolding sei einst durch den Gemeindebezirk von Grene gereist und habe Billund einen »gottverlassenen Ort« genannt. Tatsächlich ist Billund in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nicht sonderlich attraktiv, an Leben mangelt es in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg dennoch nicht. Und schon gar nicht, was Gott und den Heiligen Geist anbelangt.

Das junge Paar lässt sich zu einem Zeitpunkt der dänischen Geschichte in Billund nieder, als sich auf dem Land religiöse Bewegungen ausbreiten. Neben den Gewerkschaften in den Großstädten ist die Innere Mission die Vereinigung Dänemarks mit dem größten Zulauf. Überall errichten genügsame, gottesfürchtige Bauern Missionshäuser, und um 1920 sind mehr als 300000 Menschen – vor allem einfache Leute aus der Unterschicht – Mitglied in einer der kleinen lokalen Gemeinden der Inneren Mission. Die Vereinigung ist keine Sekte, sondern vielmehr ein weit verzweigtes kirchliches Netzwerk, das ein eigenes frommes christliches Leben innerhalb der dänischen Volkskirche führt, auch wenn viele Pastoren der Volkskirche Mitgliedern der Inneren Mission den Zutritt zu den Gotteshäusern verweigern.

Mehrere Erweckungswellen sind seit den 1880er-Jahren über die Gemeinde Grene hinweggegangen. Viele verschiedene religiöse Stimmen haben sich Gehör verschafft, von katholischen Priestern und protestantischen Pastoren, Pietisten und Herrnhutern bis zu Mitgliedern der Inneren Mission und den sogenannten »Grundtvigianern«, die sich von den Gedanken des dänischen Dichters, Pastors und Begründers der Volkshochschulbewegung Nikolai Frederik Severin Grundtvig über Christentum, Kultur, Kirche und Vaterland leiten lassen. Die Mitglieder der Inneren Mission glauben fest daran, dass der Mensch von Natur aus sündig ist und nur durch ein Leben in Demut und mit Gottes Hilfe und Verständnis erlöst werden kann. Daran glauben auch der neue Tischler der Stadt und seine Ehefrau, obwohl es bei den Christiansens häufig fröhlicher zugeht als bei vielen anderen Anhängern der Inneren Mission in ihrer Gemeinde.

Kjeld: »Die Einwohner von Billund waren damals in zwei Gruppen geteilt. Die Anhänger der Inneren Mission hielt man für Strenggläubige, die in ihrem Missionshaus blieben, während es von den Grundtvigianern hieß, sie seien in ihrem Verhältnis zu Gott volkstümlicher. Sie trafen sich vor allem im Versammlungshaus. Wie meine Großeltern waren auch die meisten Einwohner hier in der Stadt Anhänger der Mission, aber für beide kirchlichen Gruppierungen galt, dass man mit ›den anderen‹ nur so viel Kontakt wie unbedingt nötig hatte. So war das tatsächlich noch in den 1950er-Jahren, in denen ich aufwuchs. Meine beiden Schwestern und ich wussten genau, wer zur Mission gehörte und wer Grundtvigianer war. Meine Großeltern waren sehr religiös, aber von meinem Großvater heißt es auch, er sei ein fröhlicher Mann gewesen, ›naiv‹ im besten Sinn des Wortes. Er war sehr offen und ehrlich in seinem Glauben und schrieb gern ›so Gott will‹ in Briefen, in denen es um seinen Betrieb ging. Aber er hat ganz sicher nicht versucht, andere über Gott und Jesus zu belehren, auch wenn er selbst in seinem Glauben unerschütterlich war. Großvater war bis zu seinem Tod davon überzeugt, dass er ohne Gottes Hilfe nie zum Spielzeug gefunden und LEGO gegründet hätte.«

»Billund Maschinenschreinerei & Tischlerwerkstatt« steht oben auf den Rechnungen des neuen Handwerkers im Städtchen. Obwohl die meisten Leute in Billund nur Gutes über Ole Kirk sagen können, wenn es um die handwerklichen Fähigkeiten des Mannes, seinen guten Willen und seinen festen Glauben geht, erwirtschaftet der Betrieb auch nach ein paar Jahren nicht den Ertrag, den Ole Kirk und seine Frau sich erhofft haben.

1 Nach heutigem Wert etwa 54000 Euro.

An Ole Kirks fünfundzwanzigstem Geburtstag am 7. April 1916 findet die Hochzeit mit Kristine statt. In Billund kümmern sich vor allem Karen und Peter Urmager, die beide zum Vorstand der Inneren Mission gehören, um die jungen Zugezogenen. Es entwickelt sich eine herzliche Freundschaft. Als Karen nach dem Tod ihres Mannes krank wird, nimmt Ole Kirk sie in seine Familie auf. Karen darf in seinem Bett liegen, bis sie wieder gesund ist.

Eigentlich hatte es vielversprechend begonnen. Wie in vielen anderen Regionen des Landes profitierten die Bauern von der Neutralität Dänemarks während des Ersten Weltkriegs; sie verkauften Getreide und Fleisch an die kriegsführenden Nationen, und mit der Torfproduktion wurde ein zusätzlicher Verdienst generiert. Man konnte es sich also leisten, seinen Hof zu renovieren, umzubauen oder zu erweitern, und so gab es in den Jahren von 1916 bis 1918 für den jungen, fleißigen Tischler- und Zimmermeister genug zu tun. Nach Kriegsende traf die weltweite Wirtschaftskrise jedoch auch Dänemark, und plötzlich saß bei den Bauern das Geld nicht mehr so locker – zumal sie es in Billund und Umgebung mit einem ausgesprochen mageren, sandigen Boden zu tun hatten, der wenig Ertrag bringt.

Doch gute Zimmerleute werden immer gebraucht, Ole Kirk ist zuversichtlich. Er hat einen Gesellen und einen Lehrling, und bei größeren Bauaufträgen stellt er zusätzlich einen oder mehrere fahrende Zimmerleute ein. Er ist als freundlicher und umgänglicher Meister bekannt, der von seinen Mitarbeitern allerdings sorgfältige Arbeit und verantwortungsbewussten Einsatz verlangt. Eines der Lieblingsschimpfworte des Meisters ist »Schlappschwanz« – neigt jemand zur Faulheit, behält er seinen Job bei Christiansen nicht sehr lange. Ist jemand dagegen bereit, sich wirklich Mühe zu geben, ist er bei ihm in guten und fürsorglichen Händen. Ole Kirk schimpft nur selten mit seinen Angestellten, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Er vertritt die Ansicht, »daraus könne man doch nur lernen«.

Einer der Handwerker, der viele Jahre eng mit Ole Kirk und seiner Familie zusammengearbeitet hat, ist »Schreiner Viggo«, der eigentlich Viggo Jørgensen heißt. 1917 tritt er seine Lehre in der Billund Maschinenschreinerei & Tischlerwerkstatt an und bleibt dort acht Jahre. Diese Zeit hat für den jungen Mann eine große Bedeutung, denn er lernt in den Jahren nicht nur sein Handwerk, sondern auch viel über sich selbst, andere Menschen und das Leben im Allgemeinen.

Wie Ole Kirks vier Söhne begreift Viggo, der in einem Kinderheim der Inneren Mission in der Nähe von Vejle aufwuchs, dass das Leben nicht nur eine Gabe ist, sondern auch eine Aufgabe. Als Mensch hat man die Pflicht, sich um das, was einem anvertraut wurde, so gut wie möglich zu kümmern. Dieses Gebot vergisst Schreiner Viggo niemals, und er pocht auch immer wieder darauf in seinen handgeschriebenen Erinnerungen über die Zeit bei der Familie Christiansen, die er viele Jahre später den Söhnen des Meisters schickt.

An einem Tag im Frühjahr 1917 kommt Viggo mit dem Zug aus Vejle in Billund an. So gut wie alles, was der 14-Jährige besitzt, passt in seinen kleinen Koffer. In der Tasche hat er sein gesamtes Vermögen, 1 Krone und 82 Øre. Ole Kirk holt den Jungen vom Bahnhof ab, auf dem Weg nach Hause und zur Werkstatt schiebt er sein Fahrrad. Das Anwesen der Christiansens liegt gegenüber des Konsum-Geschäfts, in dem viel zu viele Einwohner von Billund auf Pump kaufen – in den Rechnungsbüchern des Inhabers und seiner Frau herrscht ein gewaltiges Durcheinander. Ole Kirk stellt sein Fahrrad auf dem kleinen Platz hinter dem Haus ab und zeigt dem schüchternen Jungen den Raum über der Werkstatt, in dem er wohnen wird.

»Das ist dein Zimmer, Viggo, du hast doch keine Angst, allein auf dem Dachboden zu schlafen?«

»Nein«, antwortet Viggo tapfer, obwohl es für den Jungen aus dem Kinderheim neu und überwältigend ist, ein eigenes Zimmer mit Bett, Tisch und Stuhl zu haben. Im Wohnzimmer begrüßt er die Frau des Meisters, die ihn eingehend betrachtet:

»Er sieht mir ein wenig schmächtig aus, Ole.«

»Ja, aber das Problem werden wir schon lösen«, erwidert der Meister.

Viggo lebt sich rasch ein. Er ist nicht länger einer unter fünfzig, sechzig Waisen im Kinderheim von Bredballe, er lebt bei einer Familie, in der jede Mahlzeit mit einem Gebet und dem innigen Dank an Gott beginnt. Wenn Gäste kommen, werden Kirchenlieder gesungen. Viggo ist Teil der Gemeinschaft und hat seinen festen Platz unter den Handwerkern. Zeitweilig sind sechs, sieben Beschäftigte um den Esstisch versammelt, mit dem Meister am Kopfende. Häufig liest Ole Kirk ein wenig aus dem »Häuslichen Andachtskalender der Brüdergemeinde« und endet mit ein paar Strophen aus dem Gesangbuch, die ihm besonders gefallen.

»Gruß aus Billund«. Postkarte aus den 1910er-Jahren. Billund von Westen her gesehen, mit Heidekraut neben der geschotterten Landstraße. Bei den weißen Gebäuden links handelt es sich um das Haus und die Werkstatt, die Ole Kirk 1916 kauft. Lokalhistorisk Arkiv for Grene Sogn.

Wie alle anderen Lehrlinge im damaligen Dänemark bekommt Viggo in den vier Jahren seiner Lehrzeit keinen Lohn, sondern ausschließlich Kost und Logis. Dafür erlaubt Ole Kirk ihm aber, in der Werkstatt Holzspäne zu sammeln und als Anzündholz für 10 Øre pro Sack zu verkaufen. Und Viggo kann sich auch etwas dazuverdienen, wenn Ole Kirk und seine Frau abends ins Missionshaus gehen oder Gemeindemitglieder zum Kaffee besuchen und er auf die Kinder aufpasst. Sobald Viggo mit dem Werkzeug umgehen kann, erlaubt ihm Ole Kirk, nach der Arbeitszeit die Werkstatt zu nutzen. Viggo schreinert Schemel, Hutablagen, kleine Bücherregale, Puppenmöbel und Spielsachen, die er im Städtchen verkauft.

»Aber denk daran, das Material ordentlich abzurechnen, Viggo!«, ermahnt ihn Christiansen. »Und achte darauf, dass du für das, was du verkaufst, auch bezahlt wirst.« Und das kann durchaus zur Herausforderung werden in der Gemeinde Grene jener Zeit. Häufig ist nur wenig Bargeld im Umlauf, der Tauschhandel floriert. Selbst wenn es um Kleinigkeiten wie die Reparatur eines Fensters oder den Austausch von Teilen einer alten Tür geht, erwarten die Bauern von Ole Kirk, dass er eine Bezahlung in Naturalien akzeptiert oder einen Preisnachlass gewährt.

So ist es auch beim Bau der Kirche in Skjoldbjerg, einem Ort südlich von Billund, in den Jahren 1919 bis 1921. Der gefragte Zimmermeister aus Billund hat kurz zuvor die neue Empore der Kirche in Grene durch einen Platz für die Orgel und zusätzliche Sitzbänke erweitert. Die Kirche in Skjoldbjerg ist Ole Kirks bisher größter Auftrag. Er ist verantwortlich für sämtliche tragenden Teile aus Holz, die große Eingangstür mit den schmiedeeisernen Beschlägen, die Kirchenbänke, die Kanzel und die Altartafel. Ein von außerhalb kommender Holzschnitzer ist für die Gestaltung der zwölf Apostel zuständig, die Schreiner Viggo in den kleinen Vertiefungen der Altartafel befestigt, wobei ihm ein Vergolder zusieht, der die Jünger Jesu mit Blattgold verzieren soll.

Wegen des Handels mit Torf, Mergel und Dünger wurde der 1914 fertiggestellte Bahnhof von Billund einer der meistfrequentierten Bahnhöfe an der Strecke von Vejle nach Grindsted. Viggo Jørgensen (Abbildung rechts), der dort 1917 mit dem Zug ankam, schrieb in seinen Aufzeichnungen: »Noch immer erinnere ich mich an zwei Menschen, Christiansen und seine Frau, die sich des heimatlosen Jungen annahmen, ihm zu einer guten handwerklichen Ausbildung verhalfen und ihn lehrten, wie man sich im Leben zu betragen habe.« Lokalhistorisk Arkiv for Grene Sogn.

Als der Ausbau der Kirche in Skjoldbjerg beendet ist, erhält Ole Kirk nur einen Teil des vereinbarten Lohns und muss sich, wie er später erzählt, damit begnügen, »dass es einem guten Zweck diente« und man es mit Blick auf Gott als eine gute Investition betrachten könne.

Die Geschichte über die Verantwortlichen in Skjoldbjerg, die mit ihrem Kirchenbau deutlich billiger davonkommen, zeigt jedoch auch, dass der Zimmermeister mit seinen eigenen Rechnungen bei Weitem nicht so sorgfältig ist wie bei seinem Handwerk. Immer wieder erlebt Schreiner Viggo in der ersten Hälfte der 1920er-Jahre finanzielle Krisen bei Christiansen. Wenn das Geschäft ernsthaft in Gefahr ist und Gott – trotz der Gebete des Meisters – nichts unternimmt, wird Viggo mit dem Fahrrad zur Bank nach Grindsted geschickt.

Es sind jeweils fünfzehn Kilometer Weg auf der Schotterpiste, und auf der Hinfahrt hat er zusätzlich mit scharfem Westwind zu kämpfen. In der Tasche des Lehrlings steckt ein Umschlag mit Geld, das die Gläubiger zumindest kurzfristig befriedigen soll.

»Hoffen wir, dass du keinen Platten bekommst, Viggo, denn du musst bis 15 Uhr auf der Bank sein, sonst nehmen sie uns das Haus und die Werkstatt weg«, lautet Christiansens ernste Anweisung – während sich sogleich ein schelmisches Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitet.

Schreiner Viggo erinnert sich: »Es brauchte schon weit mehr, um dem Meister die Laune zu verderben.«

Ole Kirk zählt zu den Gläubigen, die Vilhelm Beck, der Begründer der Inneren Mission, als »Männer mit einem helleren Blick und einem freieren Umgang mit ihrem Glauben« beschreibt. Neben der festen Überzeugung, dass der Mensch ein Kind Gottes ist, das für seine sündige Natur Vergebung durch die Taufe erlangt, steckt in Ole Kirk aber auch ein verspieltes Kind, das anderen gern Streiche spielt. Manchmal kann sein Humor ausgesprochen derb sein, zum Beispiel, wenn er Silvester den Menschen Kanonenschläge zwischen die Beine wirft oder als Großvater sein Enkelkind auffordert, Hund zu spielen und in den Kofferraum des Autos zu springen.

Kjeld: »Ich erinnere mich an ihn als einen fröhlichen, lächelnden und sehr sanften Mann, der es sich nicht verkneifen konnte, mit den Leuten im Ort und in der Fabrik seine Späße zu treiben. Einmal schloss er mich in den Kofferraum seines Opel Kapitän ein, weil er meinte, ich sollte sehen, wie es ist, dort zu liegen, so wie der Hund meiner Großeltern, wenn sie irgendwo hinfuhren. Es war nicht besonders komisch, denn plötzlich kam jemand, um mit ihm zu reden, und er vergaß, mich wieder herauszulassen. Ich lag dort ziemlich lange, bevor jemand mein Klopfen hörte und mich befreite.«

Humor und Übermut gehören sein Leben lang zu Ole Kirks Persönlichkeit ebenso wie seine vorbehaltlose religiöse Überzeugung. In diesem scheinbaren Gegensatz liegt eine mögliche Erklärung für die Sorglosigkeit, mit der der Zimmermeister und Familienvater mit Schulden, fälligen Rückzahlungen und sogar Konkursverfahren umgeht. Häufig lösen sich selbst die dunkelsten Wolken über Ole Kirks Betrieb auf, weil er zu den Inkassobevollmächtigten und Anwälten, die ihm seine vielen Gläubiger auf den Hals hetzen, ein lockeres, freundschaftliches Verhältnis pflegt. Sogar der königliche Gerichtsvollzieher verlässt Billund unverrichteter Dinge, allerdings mit einer Menge schöner Holzwaren für die Familie unter dem Arm.

Im November 1921 beendet Schreiner Viggo seine Lehre, doch in diesem Teil Jütlands gibt es keine feste Arbeit für ihn.

»Was hast du jetzt vor, Viggo, weißt du denn, wohin du willst?«, erkundigt sich Christiansen. Viggo weiß es nicht.

»Nun gut, ich habe einen Vorschlag, den du annehmen oder ablehnen kannst, wir bleiben trotzdem gute Freunde.«

Der Meister bietet Viggo Kost und Logis sowie 10 Kronen Lohn in der Woche an, wenn er ihm bei den großen Aufträgen hilft, die ihm, so Gott will, schon bald angeboten werden. »Und glaub jetzt nicht, dass ich nur auf eine billige Arbeitskraft aus bin, weil ich ja beinahe ebenso knapp bei Kasse bin wie du, ich möchte nur, dass bei deiner Lehrzeit etwas Gutes herauskommt. Du hast das Können, Viggo, es fehlt bloß die Arbeit.«

Viggo nimmt natürlich dankend an. Er ist jetzt seit vier Jahre bei Christiansen in Billund und weiß, wie das Leben eines Handwerkers aussieht. Wenn größere Zimmerarbeiten auf sich warten lassen, erledigt man kleinere Tischleraufträge in der Werkstatt. In einem Raum stehen die Maschinen – die Bandsäge, die Bohrmaschine, das Schleifgerät und die Fräse –, die alle über lange Treibriemen mit einer Antriebswelle unter der Decke verbunden sind. In dem anderen Raum, in dem überall Holzwolle und Späne herumliegen, stehen die Hobelbänke und der Ofen, den man zum Erhitzen des Tischlerleims benötigt. Hier werden die einzeln gearbeiteten Holzteile zusammengesetzt, die zu Türen, Fensterrahmen, Kücheninventar, Särgen, Kästen für Arbeitswagen sowie Kleiderschränken und Kommoden für Knechte und Mägde werden, wenn diese ihren Dienst antreten.

1923 ist ein so erfolgreiches Jahr für die Billund Maschinenschreinerei & Tischlerwerkstatt, dass Ole Kirk ein Dachgeschoss auf die Maschinenwerkstatt baut. Hinter dem Fenster im Giebel (rechts) befindet sich eine weitere Werkstatt mit Hobelbänken, Werkzeugschränken und Leimofen, darüber hat ein Geselle sein Zimmer.

Viggo konzentriert sich auf die Schreinerarbeiten in der Werkstatt, und es vergehen nur wenige Wochen, bis sämtliche Aufträge von den Höfen der Umgebung erledigt sind. Umgehend sorgt Christiansen dafür, dass Viggo seinen rechtmäßigen Gesellenlohn von 1 Krone und 18 Øre in der Stunde bekommt.

Kjeld: »Was meinen Großvater in all den Jahren antrieb, sowohl als Zimmermeister wie auch als Fabrikant, waren nicht nur Perfektion und Qualität, sondern auch Regelmäßigkeit und Ordnung, die nicht zuletzt in dem guten Verhältnis zu seinen Angestellten zum Ausdruck kamen. Er hatte ein soziales Gewissen, das mit seinem Respekt vor gut ausgeführter Arbeit zusammenhing. Alles sollte ja von bester und ordentlichster Qualität sein. Es ging nicht darum, an der Stelle über den Zaun zu springen, wo er am niedrigsten war.

Das wurde meinem Vater schon vermittelt, als er noch klein war. Eines Tages in den 1930er-Jahren, als sie bereits Spielzeug produzierten, lieferte mein Vater eine Ladung Holzenten deutlich schneller aus als gewöhnlich. Er glaubte, er würde von Großvater dafür gelobt werden, dass die Enten nur mit zwei statt der üblichen drei Schichten lackiert worden waren. Auf diese Weise hatte er der Firma doch Zeit und Geld gespart, oder? Großvater sah meinen Vater sehr ernst an und forderte ihn auf, die komplette Lieferung vom Bahnhof zurückzuholen, damit sämtliche Holzenten eine weitere gute und gründlich aufgetragene Schicht Lack erhielten. Die Qualität des Produkts, und damit die Zufriedenheit des Verbrauchers, bedeutete meinem Großvater alles.«

Ole Kirks und Kristines Familie wird rasch größer. 1917 kommt Johannes zu Welt, 1919 Karl Georg, 1920 Godtfred (Kjelds Vater) und 1926 schließlich Gerhardt. Daher beschließt Ole Kirk 1923, das Werkstattgebäude um eine Etage aufzustocken und eine Wohnung auf dem Dachboden einzurichten. Außerdem kann man im Parterre ein Zimmer vermieten. Jede Form der Einnahme ist willkommen.

An einem Sonntag Ende April 1924, als alle Mittagsschlaf halten, hört man auf der Straße plötzlich laute Schreie. »Es brennt!« Die Werkstatt steht in Flammen, das Feuer breitet sich rasch bis zum Wohnhaus aus. Innerhalb weniger Stunden brennt das gesamte Anwesen bis auf die Grundmauern nieder.

Es stellt sich heraus, dass der fünfjährige Karl Georg und der vierjährige Godtfred – der später zum dynamischen Direktor von LEGO werden sollte – in die Werkstatt geschlichen waren, um zu spielen und Puppenmöbel für die Nachbarsmädchen zu basteln. Als sie zu frieren begannen, hatten sie ein paar Streichhölzer auf einer Hobelbank gefunden und versucht, den Ofen anzumachen. Glut war herausgefallen und hatte Hobelspäne entzündet. Die Jungen hatten noch versucht, das Feuer mit Holzstöckchen auszuschlagen, doch damit die Flammen nur noch angefacht. Sehr bald schon brannte es richtig, und ein Lehrling, der über der Werkstatt schlief, bemerkte den Rauch. Er lief die Treppe hinunter und schlug die Tür zur Werkstatt ein, die die Jungen verschlossen hatten.

Sommersonntag im Garten Anfang der 1920er-Jahre. Den Eltern ist die Freude an den Kindern anzusehen. Links Ole Kirk mit Karl Georg auf dem Rücken, in der Mitte das Hausmädchen mit Johannes und rechts Kristine mit Godtfred.

Niemand wird verletzt. Etwas Inventar und Werkzeug können aus den Flammen gerettet werden, doch die Maschinen sind verloren. Viggo, der nur wenige Habseligkeiten besitzt, trifft es besonders hart, denn der Geselle, der gern schreibt und liest, verliert nicht nur Kleidung und Holzschuhe, sondern auch seine kleine Büchersammlung, die mehrere Exemplare umfasst, die er mit Christiansens Hilfe selbst eingebunden hat.

Seinen Lebenstraum plötzlich in Ruinen zu sehen, ist ein Schock für Ole Kirk, allerdings zeigt sich die Gemeinschaft vor Ort von ihrer besten Seite. Die Familie wird auf dem Dachboden des Konsums direkt gegenüber der Brandstelle einquartiert, hat somit gleich eine Unterkunft, und der Familienvater kann auch sofort wieder arbeiten. Gemeinsam mit vielen anderen Handwerkern baut er mitten im Ort eine neue Genossenschaftsmolkerei auf, dort, wo heute das LEGO House steht.

Kristine und Ole Kirk 1924 mit Godtfred (links), Karl Georg und Johannes. Gerhardt wird erst 1926 geboren.

Die neue Molkerei ist nicht nur für das Städtchen Billund lebenswichtig, sondern für die gesamte Region, und Ole Kirk packt hart mit an und versucht damit auch, sein persönliches Unglück zu verdrängen. Dabei denkt er ständig über ein neues Haus nach, das das alte, abgebrannte ersetzen soll. Er spricht mehrfach mit dem Architekten des Molkereigebäudes, der aus Fredericia kommt und sich, wie viele seiner Kollegen in den 1920er-Jahren, für eine neue Baukultur einsetzt. Der »Besser Bauen«-Bewegung, einer Strömung in der Kultur und Architektur jener Zeit, geht es darum, einfache Materialien zu verwenden und handwerklich gute und vernünftige Lösungen zu finden, häufig mit pittoresken Details.

Ole Kirk überredet den Architekten Jespersen, ein neues Haus mit daran anschließender Werkstatt für ihn zu entwerfen, ein großes, schönes Gebäude, das zu erheblichen Schulden führt, die »mich viele Jahre lang verfolgten«, wie er später selbst bekennt. Die Nachbarn verfolgen den Hausbau mit Argwohn, denn selbst auf den großen Höfen beginnt man beim Bauen normalerweise mit dem Kuhstall. Dann kommt die Getreidescheune und zuletzt – wenn das Geld noch reicht – das Wohnhaus. Christiansen schlägt den entgegengesetzten Weg ein. Er denkt in großen Zusammenhängen, nach vorn gerichtet und visionär, ihm geht es um ein Gebäude, in dem Wohnzimmer, Schlafräume, Küche und Werkstätten – das gesamte Wohnen und Arbeiten – in einer höheren funktionalen Einheit aufgehen sollen.

Im Sommer 1924 nimmt das Haus Gestalt an. In einem Brief vom August an den Architekten, in dem einige Fragen zu den Fenstern und Türen im Wohnhaus und der Werkstatt geklärt werden, fragt Ole Kirk, ob Jespersen die Leitung der Molkerei nicht bitten könne, ihm seinen Lohn auszuzahlen: »Das Geld ist ziemlich knapp bei uns.« Der Architekt leitet die Bitte mit dem Vermerk weiter, Ole Kirk Christiansen freundlichst und so rasch wie möglich 2000 Kronen auszuzahlen.

So bekommt der vom Brand geschädigte, insolvente Zimmermeister in Billund das schönste und modernste Haus im Gemeindebezirk Grene, mit Werkstattgebäude und einem Hof dahinter. »Ein ganzer Palast war das, und wie gewöhnlich hatte Vater den Bogen überspannt«, erinnert sich einer seiner Söhne.

1924 entwirft der Architekt Jesper Jespersen Ole Kirks neues Haus nach den damaligen Idealen der »Besser Bauen«-Bewegung: Das Mauerwerk wird mit haltbaren, soliden Materialien ausgeführt, es geht um gleichmäßige Proportionen und praktische und zeitgemäße Einrichtung. Der Fokus wird auf den Eingangsbereich gelegt, den ersten Eindruck eines jedes Besuchers. Und was ist ansehnlicher und dekorativer als zwei wachsame Löwen aus Zement? Zeichnung: Fredericia Lokalhistorisk Arkiv.

An einer Seite des stattlichen Hauses sitzt ein riesengroßes Fenster zur Straße hin. Dahinter befindet sich eine Art Ladenlokal, wo der Tischler- und Zimmermeister, so wie andere ehrbare Handwerksmeister, seine Waren ausstellen kann. Um die handwerkliche Qualität des Hauses zu unterstreichen, das allein durch sein Vorhandensein neue Kunden anziehen wird, wie Ole Kirk meint, legt man einen Vorplatz aus Zement an – der einzige seiner Art in ganz Billund – und stellt an beiden Seiten der Haustür je einen wachsamen, majestätischen Löwen auf. Kaum haben sie ihren Platz eingenommen, wird das Haus im Volksmund auch bereits das »Löwenhaus« genannt.

Kjeld: »In gewisser Weise hat Großvater selbst die Form des Hauses bestimmt. Der Architekt folgte lediglich seinen Anweisungen. Großvater wusste genau, wie es sein sollte, dennoch stellte sich dann heraus, dass es viel zu groß war, selbst für zwei Erwachsene, vier Kinder und eine wechselnde Anzahl von Handwerkern in Kost und Logis. Aber so war es mit Großvaters Bauplänen sein Leben lang. Es musste immer groß sein, und darüber kam es später zu heftigen Diskussionen zwischen ihm und meinem Vater. Weil die Gebäude, auch das Wohnhaus, von Anfang an zu groß waren, wurde der erste Stock vermietet. Unten, im Parterre, gab es neben dem Ausstellungsraum mit dem Fenster zur Straße ein Büro, und in der anderen Hälfte des Hauses ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und die Küche. Das Haus steht noch immer mitten in Billund – schräg gegenüber vom LEGO House – und erinnert nicht nur an Ole Kirk Christiansen und seine Arbeit, sondern auch an den damaligen dänischen Baustil.«

Die ersten Jahrzehnte in der Geschichte von LEGO sind von Unglücken durchzogen. An einem Tag im August, nur ein Jahr, nachdem die Familie ins Löwenhaus gezogen ist, schlägt der Blitz in die neue Werkstatt ein, und Feuer bricht aus. Maschinen, Inventar und eine Menge halb fertiger Auftragsarbeiten gehen in Flammen auf. Der Brandschaden wird auf 45000 Kronen geschätzt, und Ole Kirk muss seinen Betrieb ein weiteres Mal von Grund auf neu aufbauen.

Im folgenden Jahr, im November 1927, wird er erneut vom Unglück heimgesucht. Diesmal ist es allerdings selbst verschuldet, wovon die Versicherung jedoch nie etwas erfährt. In einer fröhlichen Runde aus Handwerkern und Meistern auf einem Hof in der Umgebung, auf dem größere Bauarbeiten stattfinden, behauptet Ole Kirk in einem seiner übermütigen Momente, dass man den neuen Petroleumgenerator des Bauern mit einem gewissen Körperteil stoppen könne. Das wollen natürlich alle sehen, bevor sie es glauben.

Hinterher weiß niemand mehr, warum die Maschine genau in dem Augenblick umfiel, als Christiansen sich mit dem Hinterteil auf den Treibriemen setzt. Jedenfalls kommt es zum Zusammenstoß mit dem Motor, Ole Kirk stürzt zu Boden und zieht sich einen Schädelbruch zu. Einige Tage später steht in der Zeitung:

»Der Krankenhausarzt Lange fuhr mit weißer Fahne am Auto in rasender Geschwindigkeit zum Unglücksort, gefolgt von einem Krankenwagen. Kurz darauf kam der Geschädigte zur Behandlung ins Krankenhaus. Sein Zustand ist ernst und gibt Anlass zur Sorge.«

Ein junger Mann lehnt an Ole Kirks Ford mit Pedalschaltung. Das Auto wird im Herbst 1929 auf Raten gekauft, es ist das zweite Auto in Billund. Das erste gehört Maler Jensen und ist ein deutscher Brennabor mit Karbidscheinwerfern und Stoffdach.

Der Verunglückte erholt sich jedoch verhältnismäßig rasch und erhält ein zusätzliches Pflaster in Form von 4500 Kronen von der Versicherungsgesellschaft. Die große, unerwartete Summe gibt dem technikverrückten Zimmermeister die Möglichkeit, sich ein Radiogerät mit Kristalldetektoren zu kaufen, außerdem übernimmt er vom Schneider Frandsen ein altes vierzylindriges FN-Motorrad, das jedoch auf dem Heimweg von einem Ausflug nach Skagen endgültig liegen bleibt. Schreiner Viggo sitzt hinter ihm und erzählt später von den damit verbundenen Schwierigkeiten. Guter Rat ist teuer, doch im Herbst 1929 denkt Ole Kirk wieder in großen Zusammenhängen, verschließt die Augen vor all seinen Schulden und investiert in ein modernes Automobil, einen gebrauchten Ford T, der auf Raten gekauft wird.

Kjeld: »Großvater wollte immer das Neueste vom Neuen haben, nicht um damit anzugeben, sondern weil er so unglaublich neugierig und verspielt war, wenn es um neue Technologien ging. Er war auch der Erste in Billund, der in den Fünfzigerjahren einen Fernseher besaß. Ich erinnere mich, dass es ein riesiges Ereignis war, für die Kinder wie für die Erwachsenen. Wir saßen mit ich weiß nicht wie vielen Menschen in dem alten Wohnzimmer meiner Großeltern vor diesem enormen Fernsehkasten. Es war charakteristisch für ihn, dass er nie Angst hatte, etwas auszuprobieren, wenn er etwas sah und dachte oder auch nur das Gefühl hatte, es könnte sich um eine vernünftige Idee handeln.«

In gewissen Billunder Kreisen fängt man jedoch an, sich zu fragen, ob Christiansen nicht den Namen Gottes missbrauche. Erst baut er über seine Verhältnisse, dann kauft er ein Radiogerät und schließlich ein Auto. Auf der anderen Seite ist der Zimmermeister nicht der Einzige, der in diesen Jahren plötzlich Geld in die Hand bekommt. »Wenn der Bauer reich ist, sind alle reich«, heißt es, und 1928 bis 1929 ist eine Zeit mit außergewöhnlich guten Ernteerträgen in Dänemark. In der Folge haben Zimmerleute, Maurer und Maler in Billund und Umgebung volle Auftragsbücher.

Kristine jedoch ist der Ansicht, Ole Kirk gehe in seiner Begeisterung zu weit, wenn er all seine Zeit und nicht zuletzt sein bestes Holz aufwendet, um Pastor Frøkjær Jensen einen großen, schicken Schlitten zu bauen. »Bekommst du überhaupt etwas dafür, Ole?« Das erwartet der Ehemann nicht, aber wenn man seinem Pastor eine Freude machen kann, kommt man seinem Gott sicher etwas näher.

Und siehe da, Billunds Zimmermeister erhält eine Reihe neuer Aufträge für Haus- und Stallbauten, und das bedeutet, er hat mehr zu tun als je zuvor, kommt aber nun in seinem Ford T mit drei Fußpedalen anstelle eines Schaltknüppels schneller zu seinen Kunden. Der gebrauchte Wagen hat beim Automobilhändler Nielsen in Grindsted 1400 Kronen gekostet.

Eine Zeit lang sieht das Leben hell und vielversprechend aus, doch die Konsequenzen des Börsencrashs an der Wall Street im Oktober 1929 erfassen rasch auch Europa. Deutschland und Großbritannien, die größten Handelspartner Dänemarks, geraten ins Wanken, die Preise für Getreide, Butter und Schweinefleisch stürzen in den Keller. Die weitreichende Landwirtschaftskrise, die nicht nur die Bauern betrifft, sondern auch die Handwerker, die einen gewaltigen Rückgang bei sämtlichen Bauvorhaben erleben, führt zu massiver Arbeitslosigkeit und einem explosionsartigen Anstieg von Konkursen in den ländlichen Regionen. Viele Hofbesitzer und Handwerksmeister müssen ihre Tore schließen, und schon bald zieht sich das Netz auch um die Billund Maschinenschreinerei & Tischlerwerkstatt (Billund Maskinsnedkeri & Tømrerforretning) zusammen.

Ente, 1937.

Glaube Die 1930er-Jahre

Eines Morgens im Herbst 1931 fährt ein Mann in seinem Ford T aus der Stadt heraus. Er ist bedrückter Stimmung. Ein langer Tag liegt vor ihm, an dem er versuchen muss, ein wenig von dem vielen Geld einzusammeln, das ihm überall im Gemeindebezirk zusteht. Zumindest aber muss er einige seiner Schuldner dazu bringen, einen Wechsel zu unterschreiben. Auf dem Land eine gängige Praxis, sich gegenseitig zu helfen, wenn das Geld knapp ist.

Schulden einzutreiben ist nicht gerade die Stärke des Zimmermeisters. Normalerweise schickt er den elfjährigen Godtfred mit den Wechseln los, die erneuert werden müssen, denn im Gegensatz zu seinem Vater kommt der Sohn selten unverrichteter Dinge nach Hause. Heute muss der vom Konkurs bedrohte Ole Kirk allerdings selbst aktiv werden, wenn der lange Arm des Gesetzes nicht nach dem Löwenhaus und der Werkstatt greifen soll.

Der Letzte, den er an diesem Herbsttag besucht, ist Jens Riis Jensen, der einen Hof an der Straße nach Grindsted besitzt. Vor ziemlich langer Zeit hat er eine Feldscheune zur Lagerung von Heu errichten lassen, die 35 Kronen für den Bau sind allerdings noch nicht bezahlt. Als der große Ford T auf den Hofplatz biegt, kommt Riis heraus, um Ole Kirk zu empfangen. Christiansen öffnet die Autotür, bleibt aber sitzen.

»Wahrscheinlich hast du die 35 Kronen nicht, die du mir schuldest, Jens Riis? Ich war heute an fünfzehn verschiedenen Orten, wo man mir Geld schuldet, aber niemand hat auch nur eine einzige königliche Münze, und niemand traut sich noch, einen Wechsel zu unterschreiben.«

Der Bauer schüttelt resigniert den Kopf. »Tut mir leid, Christiansen. Als ich das letzte Mal mit ein paar ausgewachsenen Schweinen in der Schlachterei war, bekam ich weniger für sie, als ich damals für sie als kleine Ferkel bezahlt habe. Ich besitze nicht mal einen Taler, aber du kannst einen Käse mit nach Hause nehmen.«

»Damit habe ich auch nicht gerechnet, Riis, aber unterschreibst du mir einen Wechsel, damit ich den morgigen Tag überstehe?«

»Ja, natürlich, aber ich weiß nicht, wann ich den Rest für die Scheune bezahlen kann …«

»Ruf mich an, wenn es nötig ist, Jens Riis, vielleicht habe ich dann ein bisschen Geld, das du dir von mir leihen kannst.« Der Bauer lächelt, holt einen Stift und unterschreibt.

Ole Kirk bedankt sich: »Deine Unterschrift ist die erste – und die einzige –, die ich heute mit nach Hause bringe, aber jetzt weiß ich, dass wir den morgigen Tag überstehen werden.«

Weder Jens Riis noch die anderen dänischen Bauern bekommen genügend Geld für ihre Produkte, und zu Beginn der 1930er-Jahre kann sich niemand größere Reparaturen oder das Auswechseln einer Tür oder eines Fensters leisten. Eines Tages ist es so weit, und der Zimmermann von Billund kann kein Holz mehr auf Kredit kaufen. Als ein Hof in der Nähe abbrennt und Ole Kirk den Auftrag bekommt, den Stall und das Wohnhaus wiederaufzubauen, bestellt er wie gewöhnlich Holz bei Johannes Grønborgs Holzhandel in Kolding. Aufgrund der vielen insolventen Handwerksmeister hat Grønborg selbst bei kleineren Lieferungen Bedenken, einen Kredit zu gewähren, und fragt die Bank um Rat. Ist Christiansen aus Billund kreditwürdig?

Die Antwort erfolgt umgehend: »Wir raten davon ab, selbst wenn die Versicherungssumme gedeckt wäre, da es um die Firma des erwähnten Zimmermanns so schlecht steht, dass es jederzeit vorbei sein könnte.«

Billunds Konsum führt in den 1930er-Jahren eine elektrische Kaffeemühle ein und stellt am Straßenrand vor dem Laden eine Tanksäule auf. Der Inhaber des Konsum, Hans Nielsen, hat eine enge Beziehung zur Familie Christiansen auf der anderen Straßenseite. Häufig nimmt er ungedeckte Lohnschecks von Ole Kirks Angestellten entgegen, die erst an die Bank weitergegeben werden, wenn Konsum-Hans weiß, dass wieder etwas Geld auf dem Konto seines Nachbarn ist. Man hilft sich in dem kleinen Ort, so gut es geht. Lokalhistorisk Arkiv for Grene Sogn.

Ole Kirk befindet sich tatsächlich in einer prekären Lage. Dennoch geht er in das Jahr 1932 mit einem Optimismus, der nur auf seinem Glauben basieren kann, dass Gott ihm bei all den Schwierigkeiten des Lebens schon helfen wird. Ein Geselle und der Lehrling Lille Knud, der seit 1928 bei Ole Kirk ist und genau wie Schreiner Viggo seinerzeit auf dem Dachboden über der Werkstatt schläft, wo im Winter das Wasser im Wascheimer zu Eis gefriert, haben 1931 bei Christiansens letztem Hausbau in Billund mit angepackt. Nun helfen sie in der Werkstatt, verschiedene Holzwaren zu produzieren, die, so Ole Kirks Hoffnung, zu Weihnachten verkauft werden können: Treppenleitern, Hocker, Melkschemel, Weihnachtsbaumständer und ein paar Spielzeugautos, für die der Meister Anregungen von seinen vier Jungen bekommt.

Ole Kirk hat Spaß an der Herstellung der kleinen Spielsachen. Es geht ihm ausgesprochen leicht von der Hand, und auch wenn man nicht von einem größeren Verkaufserfolg sprechen kann, befriedigt es ihn, etwas für Kinder zu produzieren, das ebenso sorgfältig gearbeitet ist wie die Holzwaren für die Erwachsenen. Schon als seine Söhne noch klein waren, in den 1920er-Jahren, hatte er hin und wieder Holzstücke vom Boden aufgehoben und sie mit einem Messer oder einer Säge bearbeitet, bis sie zu Pferden, Kühen, Häusern oder den Transportwundern der damaligen Zeit geworden waren – zu Autos, Zügen und Flugzeugen.

Kjeld: »Mein Großvater war ein guter und fürsorglicher Vater, der seine eigenen Ideen und Prinzipien hatte, was die Erziehung seiner Söhne betraf. Er spielte mit ihnen, wenn er Zeit dazu fand, was gewöhnlich nur am Sonntag der Fall war, den er sein Leben lang als Feiertag ansah, der mit der Familie verbracht werden sollte. Er schnitzte und schreinerte kleinere Spielsachen für seine Söhne und gab ihnen auch die Gelegenheit, den Dingen, die er für sie herstellte, ihren eigenen Charakter zu verleihen. Als er 1932 ernsthaft begann, Spielzeug zu produzieren, testete er es an den beiden jüngsten Söhnen, meinem Vater und Gerhardt. Taugt es etwas? Ist es gut genug, um das zu tun, was man damit tun soll? In gewisser Weise machte mein Vater in den Fünfzigerjahren genau dasselbe, wenn er plötzlich in unseren Hobbyraum im Keller kam, um zu sehen, was ich gebaut hatte und was ein Kind mit den neuen Plastiksteinen anfangen konnte, auf die LEGO damals setzte.«

Eines Tages im Frühjahr 1932 klopft es an der Tür des Löwenhauses. Draußen steht der Holzhändler Jens V. Olesen aus Fredericia, auch »Holz-Olesen« genannt. Er hat einen Kollegen mitgebracht, und die beiden Männer fragen, ob sie hereinkommen und sich ansehen dürfen, was Christiansen in seiner Werkstatt herstellt, jetzt, da das Baugewerbe in Dänemark stillliegt und ein Zimmermeister nach dem anderen seinen Betrieb schließen muss. Die beiden Männer loben Ole Kirk für die hohe Qualität, die seine Leitern, Hocker, Melkschemel und Bügelbretter auszeichnet. Besonders begeistert sind sie von den vielen schönen Spielzeugautos, die zum Teil aufwendig mit leuchtenden Farben bemalt sind. Olesen bestellt umgehend eine größere Ladung von Ole Kirks Holzarbeiten, die im August geliefert werden soll. Seiner Ansicht nach kann er sie ohne Weiteres an die Kaufmannsläden und Konsum-Geschäfte auf dem Land verkaufen, die in ihren Regalen Weihnachtsgeschenkideen für die ganze Familie benötigen. Es sind Notzeiten, aber dafür müssen die Kinder ja nicht bestraft werden, wie Holz-Olesen es ausdrückt.

Die beiden Männer werden zum Kaffee eingeladen, und irgendwann erzählt Olesen von »Dansk Arbejde« (Dänische Arbeit), einer Organisation, die Dänen dazu ermutigt, in Dänemark produzierte Waren zu kaufen, und die Handwerksmeistern hilft, neue Formen der Produktion einzuführen. Gerade die Nachfrage nach Holzarbeiten – nicht zuletzt Holzspielzeug – wird in den kommenden Jahren steigen, prophezeit Holz-Olesen. Er erklärt auch, dass Dansk Arbejde neuen Produzenten einen kostenlosen Stand bei der jährlich stattfindenden Mustermesse in Fredericia anbietet, auf der man seine Ware ausstellen und nicht nur nützliche Kontakte zu Groß- und Einzelhändlern knüpfen kann, sondern auch eine Menge Bestellungen erhält.

Ole Kirk hat davon noch nie gehört, doch er und Kristine sind »empfänglich für diese Propaganda«, wie er später erzählt. Als die Holzhändler fort sind, sagt Ole: »Vielleicht ist das ein Weg für uns? Wir können es ja erst einmal mit ein paar Bügelbrettern, Leitern, Holzautos und anderem Spielzeug vorsichtig angehen.«

Es wird der Wendepunkt in Ole Kirk Christiansens Handwerkerleben. Er beschließt, seine Produktion auf praktische Holzwaren und Spielzeug umzustellen. Um sich Hilfe in der Werkstatt und den Druck einer Preisliste leisten zu können, leiht er sich Geld von einigen seiner Geschwister. Geld, das er erst zehn Jahre später zurückzahlen kann.

Bei Weitem nicht alle Familienmitglieder verstehen Ole Kirks Entscheidung. Dies gilt auch für viele von Billunds Einwohnern, die nicht viel übrig haben für seinen Gemischtwarenladen. Spielzeug in den Händen eines erwachsenen Mannes! Vor dem Fleiß des Zimmermeisters und seiner Fachkompetenz hat man immer Respekt gehabt, doch nun werden die Köpfe geschüttelt, und vereinzelt heißt es ganz offen: »Ich finde, dafür bist du viel zu gut, Christiansen, such dir doch eine sinnvollere Beschäftigung!«

Kjeld: »In den ersten Jahren hatte Großvater das Gefühl, dass nicht nur die Leute im Ort und im Gemeindebezirk, sondern auch einige seiner älteren Geschwister auf ihn herabblickten, weil er Holzspielzeug herstellte. Man hielt das für absoluten Quatsch, und anfangs lief das Geschäft auch nicht sonderlich gut. Ich glaube, wenn er sich als älterer Mann manchmal in Interviews als das schwarze Schaf der Familie bezeichnete, dann deshalb, weil es ihm nicht gelungen war, seinen Zimmereibetrieb aufrechtzuerhalten, und er gezwungen war, Haushaltsgegenstände für Frauen und Spielzeug für Kinder herzustellen. Dafür hatte man damals kein Verständnis.«

1932 erwartet Kristine ihr fünftes Kind und ist im Frühsommer durch die Schwangerschaft so beeinträchtigt, dass sie einen Stock benutzen muss. Von links: Ole Kirk, Kristine, der jüngste Sohn Gerhardt und der Geselle Harald Bundgaard.

Holz-Olesens Auftrag macht viel Arbeit. Das Angebot an Holzspielzeug ist inzwischen ebenso groß wie das der anderen Produkte in Ole Kirk Christiansens Holzwaren- und Spielzeugfabrik. Verewigt wird die Produktion auf einer Fotografie vom Sommer 1932, die im Garten der Familie hinter der Werkstatt aufgenommen wurde. Holzautos, Straßenbahnen, Flugzeuge und andere Spielsachen sind auf Bügelbrettern und Leitern aufgestellt. Dahinter stehen in einer Reihe Ole Kirks Mitarbeiter, unter anderem der Sohn Johannes, Harald Bundgaard, der kleine Knud, Niels der Maurer und die 13-jährige Karen Marie Jessen, deren Aufgabe es ist, das Spielzeug zu bemalen. Der Fotograf war möglicherweise Ole Kirk selbst, aber es könnte auch Kristine gewesen sein, die damals mit dem fünften Kind des Paares schwanger war.

Wonach man auf diesem historischen Foto vergeblich sucht, ist das meistverkaufte und am stärksten nachgefragte Spielzeug in Dänemark und dem Rest der Welt in diesen Jahren: das Jo-Jo! Für Ole Kirk ist es ein Zeichen des Himmels, wie er später erklärt: »Gott gab mir den Glauben an die Sache mit dem Spielzeug. Es waren diese Jo-Jos.«

Der weltweite Jo-Jo-Hype unter Kindern und Erwachsenen, der die Menschen für einen kurzen Moment von der immer schlimmer werdenden Krise ablenkt, erreicht Dänemark Ende 1931, und das neue Spielzeug kann auf der Ausstellung »Dänische Weihnachtsgeschenke« im Technologischen Institut in Kopenhagen zum ersten Mal ausprobiert werden. Im Laufe des Winters und des Frühjahrs 1932 verbreitet sich das Jo-Jo-Fieber im Rest des Landes, und Holzwarenfabrikanten wie Ole Kirk erleben für einen kurzen Moment eine glorreiche Zeit. Nicht zuletzt da dänische Tageszeitungen immer wieder über das neue weitverbreitete Phänomen berichten, von dem es heißt, die alten Griechen hätten es erfunden: »Das Jo-Jo-Fieber grassiert, es wird Jo-Jo in der Straßenbahn gespielt, auf dem Fahrrad, am Arbeitsplatz und in öffentlichen Einrichtungen, und wenn der Beamte im Postamt keine Zeit hat, uns zu bedienen, liegt es daran, dass er gerade mit seinem Jo-Jo unter dem Ladentisch übt.«

Für Ole Kirk kommt die Nachfrage nach dem neuen Spielzeug so plötzlich, dass er es 1932 noch nicht auf seiner ersten Preisliste hat. Dafür ergreift er aber begeistert die unerwartete Chance und beginnt mit der Massenproduktion, wenn auch zunächst in kleinerem Maßstab. Das Spielzeug ist von den Männern in der Werkstatt einfach und schnell herzustellen. Hinterher bemalen und lackieren die Frauen der kleinen fleißigen Arbeitsgemeinschaft aus Stadtbewohnern und der Familie die Jo-Jos. Dann werden die Baumwollschnüre montiert und die in Kisten verpackten Jo-Jos vom Bahnhof Billund an Groß- und Einzelhändler im ganzen Land verschickt.

Der Jo-Jo-Hype im Jahr 1932 beschert auch jemandem wie Niels dem Maurer das Glück, zeitweise Arbeit bei Christiansen zu finden. Er verdient 1 Øre pro Jo-Jo, und an seinen besten Tagen kommt er auf tausend Stück und einen Tageslohn von 10 Kronen, mehr als er als Maurer verdient hat. Ole Kirk versucht allerdings, mithilfe seiner Frau und seiner Söhne die meiste Arbeit selbst zu erledigen.

Später erzählt er: »Wir schufteten, meine Frau, meine Kinder und ich, und allmählich sah man Licht am Ende des Tunnels. An vielen Tagen arbeiteten wir vom frühen Morgen bis Mitternacht, und ich beschaffte uns einen Handwagen mit Gummireifen, damit ich nicht die Nachbarn störte, wenn ich spätnachts die Pakete zum Bahnhof brachte.«

Im Sommer 1932 stellen sich die stolzen Mitarbeiter hinter dem ersten Sortiment an Holzwaren auf. Von links: Karen Marie Jessen, Lille Knud, Jens T. Mathiesen, Niels Christensen, »Mejse«, Harald Bundgaard und Johannes, der älteste von Ole Kirks Söhnen.

Mit den verschiedenen hübschen Holzarbeiten und der Gruppe stolzer und treuer Mitarbeiter vermittelt das alte Foto aus dem Sommer 1932 den Eindruck einer friedlichen Idylle. Ganz wie es die ersten Zeilen eines der Lieblingskirchenlieder von Ole Kirk beschreiben: Niemand ist so sicher bei Gefahr / wie Gottes frohe Kinderschar.

Doch die Probleme sind für den inzwischen 41-jährigen Handwerksmeister und zukünftigen Fabrikanten noch lange nicht ausgestanden. Im August, als die Produktion von Jo-Jos ihren Höhepunkt erreicht und es zum ersten Mal so aussieht, als könne man mit Holzspielzeug Geld verdienen, wird die hochschwangere Kristine ernsthaft krank und muss ins Krankenhaus von Grindsted, wo sich herausstellt, dass der Fötus tot ist. Nach dem Abort scheint sie sich zunächst zu erholen, bekommt aber plötzlich eine Venenentzündung und stirbt am 6. September im Alter von nur vierzig Jahren.

Das Ganze geht erschreckend schnell, und in der Zeit nach Kristines Tod versucht ein tief trauernder Ole Kirk, seine Gedanken und Gefühle zu ordnen. Die Jungen, vor allem der zwölfjährige Godtfred, vergessen niemals den Anblick des trauernden Vaters: »Ich erinnere mich, dass er ins Zimmer kam, als ich ein bisschen auf der Orgel spielte. Er erzählte, was geschehen war. Es war das erste Mal, dass ich Vater weinen sah. Zusammen knieten wir nieder, bevor wir zwei meiner Brüder holten, die bei der Arbeit waren.«

Ole Kirk ist so tief getroffen, dass sein Glaube an Gott ins Wanken gerät. Er zieht sich aus der Leitung des Missionshauses zurück und ist in den nächsten zehn Jahren nur ein normales Gemeindemitglied. Erst 1944 taucht Ole Kirk Christiansens Unterschrift in Protokollen der Leitungsversammlung wieder auf. In einem späteren autobiografischen Rückblick auf diese schwerste und unglücklichste Zeit seines Lebens schreibt er: »Ich versuchte zu sagen, ›Dein Wille geschehe, Herr Jesus‹, ja, es auch zu leben, aber es war schwierig.«

Kjeld: »Es war charakteristisch für meinen Großvater, dass er sich weigerte, aufzugeben, auch wenn alles finster und ausweglos schien. Er muss eine ganz besondere Kämpfernatur gewesen sein. Egal, was passierte, er war in der Lage, sich selbst davon zu überzeugen, dass es schon irgendwie weitergehen würde. Einfach so aufzugeben, lag ihm fern. Diesen Charakterzug erkenne ich auch bei meinem Vater wieder, und ich habe ihn auch. Es ist eine Form von vererbter Beharrlichkeit, die mit Glauben zusammenhängt. Nicht unbedingt im religiösen Sinn, es handelt sich eher um einen breiteren und allgemeineren Glauben – an die Zukunft und an all das, wofür man Verantwortung trägt. Daraus erwachsen der Gedanke und das Gefühl: ›Das hier, das werde ich schon schaffen!‹«

Ole Kirks erste Preisliste, auf der Holzartikel wie Leitern, Hocker, Bügelbretter und Weihnachtsbaumständer angeboten werden, enthält auch eine ganze Seite mit verschiedenen Spielsachen. »O. Kirk Christiansens Trævare- og Legetøjsfabrik« nimmt Gestalt an.

Als Ole Kirk als älterer Mann und Firmenchef von LEGO erklären soll, wie er die Wirtschaftskrise und sein persönliches Unglück der Jahre 1931 bis 1933 bewältigte, antwortet er kurz gefasst: »Man musste viel beten, beten, dass man Aufträge hereinbekam, beten, dass man die Ware hergestellt bekam, und beten, dass man das Geld eingetrieben bekam.« Die Langversion seiner Antwort handelt von dem Begriff von Gott, der ihn, die Familie und den Betrieb durch die Krisen getragen hat – und von einer Offenbarung:

»Eines Abends saß ich da und dachte über all die Schwierigkeiten nach, vor denen ich stand. Meine Gläubiger hatten mir Anwälte geschickt, und meine Familie und Freunde warfen mir vor, dass ich ›nichts Sinnvolles‹ tat. Was sollte ich machen? Ich hatte das Gefühl, dass Hilfe weit weg war und niemals rechtzeitig eintreffen konnte. Und dann passierte etwas Erstaunliches – etwas, das ich nie vergessen werde. Ich sah wie in einer Erscheinung eine große Fabrik vor mir, in der emsige Menschen ein- und ausgingen, in die Rohstoffe hineingebracht und aus der fertige Waren verschickt wurden. So deutlich, dass ich seither niemals Zweifel hatte, eines Tages dieses Ziel zu erreichen, stand das Bild dieser Fabrik vor meinen Augen, die heute Realität ist. Merkwürdig, dass man mitten in einer so hoffnungslosen Zeit glauben und Vertrauen haben kann. Ich bin überzeugt, dass Gott für solche Erscheinungen verantwortlich ist. Der Gott, an den zu glauben ich als Kind gelernt habe.«

Plötzlich ist der Zimmermeister, der gerade seinen Betrieb umgestellt hat, allein für den Haushalt und die Erziehung seiner vier Söhne im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren, die ihre Mutter vermissen, verantwortlich. Der sechsjährige Gerhardt ist noch zu klein, um seinem Vater richtig helfen zu können, und der 13-jährige Karl Georg soll schon bald eine Schreinerlehre beginnen. Im Löwenhaus wohnt noch der zwölfjährige Godtfred, der als kleines Kind so schwächlich war, dass Ole Kirk und Kristine eine Zeit lang fürchteten, ihn zu verlieren. Nun geht der aufgeweckte Bursche gemeinsam mit seinem Bruder Johannes dem Vater in der Werkstatt zur Hand, wenn sie nicht in der Schule sind. Godtfred ist geschickt, flink und kann gut rechnen, während der stets lächelnde Johannes durch die Epilepsie, an der er als Kleinkind litt, für sein Leben gezeichnet ist.

Mitten in all den Sorgen und Unglücksfällen steht Holz-Olesens großer Auftrag, der im August abgeholt werden sollte, im Lager und verstaubt. Ole Kirk hatte mit einer sicheren Einnahme gerechnet, doch nun stellt sich heraus, dass Jens V. Olesen Konkurs anmelden musste. Wie immer, wenn er Hilfe aus einer anderen Welt benötigt, fällt Ole Kirk auf die Knie und breitet seine Probleme vor Gott aus. Am nächsten Tag steht Ole Kirk früh auf, bepackt den alten Ford T mit Holz-Olesens nicht abgeholtem Auftrag, bittet die Jungen, gut aufeinander aufzupassen, und bricht zu einer Verkaufsreise von Kaufmann zu Kaufmann, von Konsum zu Konsum auf.

Die Reise ist wenig erfolgreich. Er kann zwar den Großteil seiner Waren absetzen, aber Ole Kirk muss einsehen, dass er nicht der geborene Verkäufer ist. Es fällt ihm schwer, seine eigenen Produkte anzupreisen, denn seiner Meinung nach ist die beste Reklame die sichtbare und spürbare Qualität seiner Ware. Dieser Ansicht ist er allerdings nur bis Esbjerg: »Die Dame im Laden machte meine Sachen unglaublich schlecht, und ich wagte es nicht, ihr zu widersprechen. Nach dieser Herabsetzung wollte sie allerdings durchaus etwas kaufen, wenn sie dreißig Prozent zusätzlichen Rabatt bekäme. Ich war froh, als ich aus dem Laden heraus war.«

An anderen Orten muss Ole Kirk einen Tauschhandel akzeptieren, und er kehrt mit Rosinen, Sagograupen und zwanzig Kilo Mandeln mit Schale nach Billund zurück. Immerhin kann die kleine Familie im Löwenhaus, die jetzt eine Haushälterin hat, dadurch ein opulenteres Weihnachtsfest feiern als andere Familien in der Gegend. Viele haben Heiligabend weder Fleisch noch Süßigkeiten auf dem Tisch und müssen sich mit Kartoffeln, Kohl und einem bescheidenen Zuschuss aus der Unterstützungskasse des Gemeinderats begnügen.

Das Jo-Jo-Märchen ist ebenso schnell vorbei, wie es begonnen hat, und im Herbst 1933 hat die neu gegründete Fabrik trotz einer geringen Steigerung des jährlichen Umsatzes wirtschaftliche Probleme. Ole Kirk sitzt auf einem größeren Bestand an Jo-Jos, die er zu verkaufen versucht. In einer Anzeige heißt es am 4. November in der Tageszeitung Jyllands-Posten: »Angebote erwünscht für Spielzeugräder oder lackierte Jo-Jos. Umgehende Lieferung. Billigster Preis per tausend Stück. Billund Spielzeugfabrik (Legetøjsfabrik) v. O. Kirk Christiansen. Billund.«

Ole Kirk schwimmt auf der Jo-Jo-Welle mit, bis er 1933 auf einem größeren Lagerbestand sitzen bleibt.

Die finanziellen Probleme werden größer, gleichzeitig kämpft Ole Kirk mit dem Verlust von Kristine