Die Lehrer von Karl Marx - Hanns-Georg Salm - E-Book

Die Lehrer von Karl Marx E-Book

Hanns-Georg Salm

4,4

Beschreibung

Es geht in dieser Aufzeichnung einzig und allein um die Lehrer von Karl Marx, die ihn während seiner Schulzeit am Königlichen Gymnasium (heute Friedrich - Wilhelm - Gymnasium Trier) von 1830 bis 1835 pädagogisch begleiteten. Da es sich nach gegenwärtigen Maßstäben um eine Schule mit überschaubarer Schülerschaft handelte, ist davon auszugehen, dass jeder der beschriebenen Lehrer den Schüler Karl Marx persönlich kannte und die Schülerschaft ebenso mit allen Lehrkräften vertraut war. Wenn über einzelne Lehrer nur wenig festgehalten wurde, so liegt dies an fehlendem bzw. verloren gegangenem Quellenmaterial. Beim einen oder anderen würde vielleicht eine eingehendere Recherche noch manches zu Tage fördern. Wiedergegeben werden hier vorwiegend Fakten über die wichtigsten Pädagogen, also die Klassenlehrer, den Schulleiter und andere Lehrerpersönlichkeiten, die für den Unterricht von Karl Marx und seine Mitschüler vorwiegend verantwortlich waren. Einem von ihnen (Nikolaus Martini) kommt deshalb besondere Bedeutung und Aufmerksamkeit zu, weil er durch seinen Lebenslauf und Werdegang typisch ist für den Akademiker des 19. Jahrhunderts, auch bezüglich seines persönlichen Schicksals und seines eigenen Familienumfeldes. Nachteilig wirkt sich auf diese Darstellung die Tatsache aus, dass Karl Marx in seinen Schriften und Aufzeichnungen selbst kein Sterbenswort über seine Schulzeit verlor. Warum wohl?

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Seitenzahl: 167

Veröffentlichungsjahr: 2017

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WIDMUNG

HEINRICH MARX

ZUM 200. GEBURTSTAG SEINES SOHNES KARL

AM 5. MAI 2018

„Martini, der unentwegt heitere Dichter,Gesellschafter und Lehrer“.

„Plusquamperfektum“ Seite 141 (Lit.: 9)

Abgeschlossen im Februar 2017

Alle Autoren- und Verwertungsrechte für diese Veröffentlichung, auch die der teil-, auszugsweisen sowie der verkürzten Wiedergabe liegen beim Verfasser und bedürfen seiner ausdrücklichen Genehmigung.

Abb. Titel: : Professor Nikolaus Martini von Peter Bellinger um 1835, Beilage zu „Poemata Latine“ von Nicolai Martini, postum herausgegeben von seinen ehemaligen Schülern 18621 - Federzeichnung St. Dionysius Gondenbrett, Zeichner: Michael Müller-Prangenberg (1890-1959), Pastor in Gondenbrett von 1928-1946 und Martini-Kreuz, Planzeichnung von Sebastian Langner, Wittlich, 2012.

INHALT

Vorwort

Unterrichtsübersicht 1830-1835

Die Lehrer von Karl Marx:

Heinrich Marx (Vater)

Eduard Montigny

Johann Hugo Wyttenbach (Direktor)

Thomas Simon

Johann Gerhard Schneemann

Johann Peter Wilhelm Stein

Johann Steininger

Heinrich Schwendler

Cosmas Damian Wirz

Michael Schäfer

P.J. Leloup

Servati

Nikolaus Driesch

Franz Philipp Laven

Karl Ruben

Schommer

Nikolaus Druckenmüller

Küpper, Konsistorialrat

Nikolaus Martini

Vitus Loers, Kodirektor

Quellen

Anhang 1

Johann Jakob Grossmann (1786-1837) aus Wascheid

Anhang 2

Aufstieg und Niedergang der Familie Mertes/Martini in Gondenbrett

Anhang 3

Tauschurkunde, Pfarrhaus gegen Haus Fontzen

Anhang 4

Schenkungsurkunde vom 15. Februar 1840

Anhang 5

Notarielle Bestätigung der Verhandlung vor dem Friedensgericht Prüm, 11. Januar 1844

Anhang 6

Stimmen zu Karl Marx

Anhang 7

Brief-Dialog Martini/Wyttenbach

Endnoten

VORWORT

Wer in dieser Aufzeichnung etwas über Karl Marx sucht, der wird enttäuscht sein. Es ist darin zwar mehrfach von ihm die Rede, aber Konkretes über ihn selbst findet der neugierige Leser eher nicht. Der Grund hierfür liegt in seiner Art, als Schüler völlig unauffällig gewesen zu sein und sich durch nichts, aber auch gar nichts hervorgetan zu haben, nicht einmal durch eine grobe Ungezogenheit!

Nach Karl Marx seiner Schulzeit setzte sich m.W. das Schweigen über sein ehrwürdiges Gymnasium fort. Er verlor kein Wort über die ehemalige Jesuitenschule / das Königliche Gymnasium Trier, er verlor ebenso kein Wort über seine Lehrer oder Mitschüler. Nicht einmal beteiligte er sich als Subskribent an der Herausgabe des Gedichtbandes zu Ehren seines humorvollen Lehrers Nikolaus Martini, von dem sehr wohl noch die Rede sein wird.

Man mag nun über dieses Verhalten spekulieren und psychologische Betrachtungen anstellen wollen. Diese Art des Umgangs mit dem Protagonisten ist nicht Gegenstand dieser Aufzeichnung.

Wohl aber – auch wenn Karl Marx es selbst unterlässt – wird hier seiner Lehrer gedacht, die sich den Herausforderungen ihrer Zeit stellten und sich zum größten Teil zu herausragenden – jedoch leider weitgehend in Vergessenheit geratenen – Persönlichkeiten entwickelten und über die, wie noch zu lesen sein wird – zu schreiben es sich lohnt. Manche hätten es wohl verdient, dass sich jemand noch viel intensiver mit ihnen auseinandersetzen würde. Aber der Trend bindet – von wenigen Ausnahmen abgesehen2 – die heutigen Historiker fest an andere näherliegende Epochen. Dagegen rückt denn die ohnehin stiefmütterlich behandelte Schulgeschichte früherer Zeiten in Fernen der Bedeutungslosigkeit.

Umso wichtiger ist auf der Suche nach Wissenswertem über die Schulverhältnisse des frühen 19. Jahrhunderts die Begegnung mit drei Erforschern und Chronisten der Trierer Stadtgeschichte:

Dr. Dr. Heinz Monz, Dr. Guido Groß und Dr. Emil Zenz.

Der Verfasser dieser Aufzeichnung will erst gar nicht verschweigen, dass er auf deren hervorragende Schriften vielfach Bezug nahm. Ohne diese Vorlagen wäre seine Arbeit kaum zu leisten gewesen. So konzentriert sich der besondere Dank auf die gründlichen Recherchen, die von diesen für den Trierer Raum so einmaligen und wertvollen Historikern hinterlassen wurden.

DIE LEHRER VON KARL MARX

Um es gleich zu schreiben, der beste und verständnisvollste Lehrer, den Karl Marx denn hatte, war zweifellos sein Vater, Heinrich bis 1802 noch Heschel Marx (geb. am? April 1777, gest. am 10. Mai 1838)3. Das Verhältnis zwischen den beiden wurde geprägt, von der für jüdische Familien so typisch innigen Beziehung zwischen einzelnen Familienmitgliedern, das vor allem oft auch das ausgeglichene Verhältnis zwischen Vater und Sohn mit einschließt. Es wird Gelegenheiten geben, an einigen wenigen Stellen auf Heinrich Marx als Persönlichkeit zurückzukommen und seinen besonderen Einfluss auf den Sohn wenigstens ansatzweise zu würdigen.

Den speziell schulischen Bereich betreffend, ist zunächst von einem Schreibwaren- und Buchhändler Eduard Montigny4 zu sprechen, der in unmittelbarer Nachbarschaft der Familie Marx seinen Laden betrieb und den Kindern, insbesondere aber dem Sohn Karl, Privatunterricht erteilte. Welcher Art diese Unterweisung gewesen ist, darüber kann mangels entsprechender Unterlagen nur gerätselt werden. Aber diese schulische Vorbereitung war offensichtlich solide, denn der Junge besuchte anschließend nur fünf Jahre lang das Trierer Gymnasium und legte mit 17 Jahren bereits (das war für die damaligen Verhältnisse sehr jung) dort das Abitur ab.

Es ist aber auch denkbar, dass Karl Marx als Vorbereitung auf den Besuch des Gymnasiums Schüler der Domschule Trier gewesen ist. Unterlagen, die das belegen, gibt es trotz intensiven Bemühens offensichtlich nicht mehr.

Mit dem Blick auf das Trierer Gymnasium ist es angebracht, sich neben dem Gymnasiallehrer Nikolaus Martini auch mit den übrigen Lehrkräften, die dessen Kollegen waren, zu beschäftigen bzw. diese wenigstens kurz, mitunter nur namentlich zu erwähnen und deren Lebenswege andeutungsweise zu skizzieren, denn fast alle – soweit noch nicht anderweitig erfolgt – wären es genauso wert, erschöpfend dargestellt zu werden. Wie noch aufzuzeigen sein wird, befanden sich in diesem Kollegium einige vorzügliche Pädagogen bzw. Meister ihres Faches, deren schulischer und persönlicher Einfluss, weit über den Rahmen des Trierer Gymnasiums hinausging. Es wird in diesem Zusammenhang gerne zugestanden, dass der Lehrer Martini, gemessen an einigen dieser herausragenden Persönlichkeiten, eher unscheinbar auftrat und bescheiden seiner unterrichtlichen Verpflichtung nachging. Die Tatsche aber, dass einige seiner Schüler (wohlgemerkt nicht Karl Marx) über ein Jahrzehnt nach Martinis Tod seine lateinischen und deutschen Gedichte im Gedenken an den offensichtlich sehr beliebten Lehrer und unvergessenen Pädagogen postum als Gedichtband herausgaben, spricht für sich. Martini konzentrierte sich während der langen Jahre seiner Tätigkeit am Trierer Gymnasium auf seinen Unterricht und erregte durch seine Lehrerpersönlichkeit außerhalb der Schule nur wenig Aufsehen.

Wenn man von der zuerst zu nennenden Schulleitung absieht, erheben die nun folgenden Angaben über die damals an der Schule tätigen Lehrer, die sowohl den Schulprogrammen5, als auch der Veröffentlichung von Heinz Monz: „Karl Marx, Grundlagen der Entwicklung zu Leben und Werk“6 entnommen sind, keinen Anspruch auf eine etwaige Reihen- oder gar Rangfolge und ebenso wenig auf Vollständigkeit:

Johann Hugo Wyttenbach, der Direktor des Gymnasiums, geb. am 5. April 1767 in Bausendorf, gest. 23. Juni 1848 in Trier: das Theologiestudium blieb ohne Weihe, ab 1799 Professor und Bibliothekar der Zentralschule des Saardepartements, ab 1801 Membre de l’administartion bénévole des fonds du college de Tréves (= ehrenamtliches Mitglied der Verwaltung öffentlicher Mittel zugunsten des staatlichen Schulwesens), ab 1804 Direktor der Sekondärschule; ab 1810 Principal du College de Trèves; von 1815 bis 1846 war Wyttenbach dann Leiter des späteren Königlichen Gymnasiums Trier, das heute nach Friedrich III. (König von Preußen) das Friedrich - Wilhelm - Gymnasium genannt wird. Es muss auf diesen einmaligen Leiter des Gymnasiums im Verlauf der Ausführungen noch in aller Ausführlichkeit eingegangen werden. Thomas Simon7, geb. am 1. November 1794 in Trier, gest. am 24. Dezember 18698, 1806 Besuch der Sekondärschule Trier; 1811 bis 1814, Studium am Priesterseminar Trier; 1814 bis 1816 Lehrer an der höheren Bürgerschule Prüm; 1816 bis 1822 Lehrer am Progymnasium Saarlouis von 1822 bis 1860 Lehrer am Königlichen Gymnasium Trier; 1824 gründet und betreibt er ein Schülerheim in St. Paulin. Diese Einrichtung wurde für zahlreiche Schüler von auswärts äußerst wichtig, da die privaten Unterkünfte für die Schule außerhalb jeglicher Kontrolle lagen und zu zahlreichen Klagen über eine „Verwahrlosung“ der Schüler führte. Simons Pensions-Anstalt bewährte sich denn auch und wurde für zahlreiche Eltern vom Lande zu einer sicheren Anlaufstelle für die Unterbringung ihrer Söhne. Nach9 Monz hatte Simon „als Armenvorsteher (ab 1831 Sekretär) genügend Gelegenheit, die Übelstände des gesellschaftlichen Lebens in ihrer wahren Gestalt und oft herzbeklemmenden Realität kennenzulernen.“ Simon sagt über sich: „Ich habe mich der Sache des armen und vernachlässigten Volkes zugewandt und zwar mit einem Herzen voll Aufrichtigkeit und lebendiger Teilnahme. Werde ich doch täglich in meinem Beruf als Lehrer darauf hingeführt, dass nicht der Besitz des kalten, schmutzigen, geprägten Geldes den Menschen zum Menschen macht, sondern Charakter, Gesinnung, Verstand und Mitgefühl mit (…) des Nächsten Wohl und Wehe.“ (nach Monz: Heinz-Günther Böse, S.12) Diese Einstellung Simons wurde von der Preußischen Regierung als „verderbliche Richtung“ des Lehrers dargestellt (Schreiben des Regierungspräsidenten in Trier vom 15. Juni 1833 an den Oberpräsidenten in Koblenz, im Staatsarchiv Koblenz (= StA. Ko. Abt. 403, Nr. 1156)).

Wyttenbachs Welt:

Abb. 1: Ausschnitt aus dem Aquarell von „Schneider-Postrum“ des ehemaligen Lesesaals der Trierer Jesuitenschule bzw. des Königlichen Gymnasiums Trier 1917. Quelle: ©Stadtbibliothek/ Stadtarchiv Trier; Foto: Anja Runkel; Ru -Nr. 018 17;Signatur: © Stadtarchiv Trier.

Simon und Wyttenbach werden mit dem Lehrer Schwendler der Zugehörigkeit zu revolutionären Zirkeln bezichtigt. Friedrich Anton Wyttenbach10, der Sohn des Direktors, wurde sogar wegen politischer Vergehen zu Festungshaft verurteilt. Gleichwohl wird Thomas Simon am 17. Juli 1845 mit 50 Talern Gehaltserhöhung ausgezeichnet und zum Eintritt in den Ruhestand 1860 öffentlich mit einem Gedicht verabschiedet.11 1849 wurde Thomas Simon als Abgeordneter in den preußischen Landtag (2. Kammer) gewählt. Er schloss sich dort der linken Fraktion an. Im Zusammenhang mit der Verurteilung seines Sohnes Ludwig war Thomas Simon gezwungen, sein Haus zu verkaufen, um die Prozesskosten zu bestreiten und den Sohn im Exil zu unterstützen.

Johann Gerhard Schneemann, geb. 1796 zu Niederwesel, verst. am 9. Juli 186412, Priester der Gesellschaft Jesu, von 1823 bis 1852 als Gymnasiallehrer am Königlichen Gymnasium Trier tätig. 1832/33 wird Schneemann vom Königlichen Ministerium das Prädikat „Oberlehrer“ verliehen. Im Jahre 1834 fällt Schneemann seinen preußischen Vorgesetzten durch seine Teilnahme an einer Veranstaltung in der Trierer Casinogesellschaft auf. Zur Rede gestellt, muss er zugeben, die Marseillaise mitangestimmt zu haben, aber während der dritten Strophe gegangen zu sein. Sein Direktor ist um Schadensbegrenzung bemüht und verteidigt seinen „Fehltritt“ mit der Begründung, ein böser Dämon habe den ansonsten untadeligen Lehrer in die Gesellschaft „aufbrausender, unbescheidener Männer“ geführt.13 Es fällt auf, dass Schneemann zahlreicher als andere Lehrer des Gymnasiums immer wieder in den Schulberichten unterschiedlicher Jahre seine wissenschaftlichen Erkenntnisse verschriftlicht und zur Veröffentlichung bringen lässt.14 1864 wird Schneemann in Anbetracht seiner besonderen Verdienste um die Erforschung der Geschichte der Stadt Trier von der Universität Bonn zum Dr. h.c. promoviert.15Johann Peter Wilhelm Stein, geb. am 21. Oktober 1795 in Trier16, gest. am 17. März 1831. Studium an der École polytechnique in Paris. Tätigkeit als Ingenieur. Von 1816 an war er als Oberlehrer vor allem für Mathematik am Trierer Gymnasium tätig17, ab 1829 Dr. h. c. der Universität Bonn18. Verfasser von methodisch und didaktischen Werken und Aufsätzen seiner Fachbereiche. Ab 1829/30 war er Leiter der Bürgerschule Trier (vergl. Druckenmüller). Nach seinem plötzlichen Tod errichteten ihm seine Schüler auf seinem Gute in Olewig bei Trier ein Denkmal.

Johann Steininger, geb. am 10. Januar 1794 in St. Wendel, gest. am 12. Oktober 1874 in Trier19, gelangte 1815 auf Geheiß von Josef Görres ans Königliche Gymnasium Trier und lehrte dort bis 1857. Er hatte vorher als Klassenprimus selbst diese Schule und von 1809 bis 1813 das Priesterseminar Trier besucht, war dann nach Paris gegangen, um dort Physik, Mathematik und Geographie zu studieren. Unbestritten hat sich Steininger durch die geologische Erforschung der Vulkaneifel weit über das Gymnasium hinaus einen Namen gemacht. Über die Ergebnisse seiner Beobachtungen referierte er vor Kollegen und Schülern und brachte es zu insgesamt ca. zwanzig umfangreichen Veröffentlichungen. Direktor Wyttenbach ließ Steiningers schriftliche Zusammenfassungen seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Schulprogrammen unterschiedlicher Jahre veröffentlichen und verlieh seiner Schule auch dadurch den Ruf des Anspruchs auf herausragende Wissenschaftlichkeit. Man muss bedenken, dass nach einer gewissen Anlaufzeit alle Schulprogramme an jedes Gymnasium in Preußen verschickt und dort auch zur Kenntnis genommen wurden.

Wenn man allerdings den nachträglich veröffentlichten Ausführungen der Schülerschaft, die sich im „Plusquamperfectum“ eines gewissen Plebanus (Coblenz, 1904) artikulierte20, Glauben schenkt, muss es im Unterricht von Steininger, der von den Schülern schlicht „Hannes“ genannt wurde, bisweilen chaotisch zugegangen sein: Seine „Verehrer“, und dazu gehörte wohl auch Karl Marx, saßen in der ersten Reihe und hingen an seinen Lippen, während sich der Rest der Klasse im hinteren Teil des Raumes mit „anderen“ Dingen beschäftigte.

Aber auch der Gymnasiallehrer Steininger geriet, wie Monz21 auf Seite 170 (Lit.: 8) berichtet, in die Fänge verschärfter Beobachtung. Zum Vorwurf wurde ihm gemacht: Er habe den Schülern vermittelt, die menschliche Seele sei nichts Immaterielles oder, dass es keinen Gott gebe. Philosophen und Theologen seien Schwärmer. Die Schüler sollten nicht glauben, was Moses über Sodom und Gomorrah gesagt habe: Die Vernichtung dieser Städte sei eine Eruption unterirdischen Feuers gewesen.

Steininger habe sich zudem kritisch zur Missionierung geäußert und behauptet, die Menschheit könne unmöglich von einem Paar abstammen. Zusammengefasst warf man dem Lehrer vor, seit gut zwanzig Jahren an den Grundfesten des Christentums zu rütteln. Im Gespräch mit dem für das Gymnasium zuständigen Schulrat, so führt Monz22 auf Seite 170 weiter aus, widerspricht Steininger allen Vorwürfen und beruft sich auf die Position des Naturwissenschaftlers: Wenn geologische Wahrheiten in scheinbarem Widerspruch zur Bibel gestanden hätten, habe er den Schüler immer gesagt, tue dies der göttlichen Offenbarung keinen Abbruch.

Wie die Religionslehrer Großmann und Martini oder auch der protestantische Pfarrer Küpper mit Steiningers „fortschrittlichen“ Ansichten umgegangen sein könnten, bedürfte noch eingehender Untersuchungen. Zu Kontroversen innerhalb des Kollegiums jedenfalls scheint dieser Meinungsstreit nicht geführt zu haben.

Trotz seiner frankophilen Gesinnung erfolgt 1849 in Anerkennung seiner Verdienste für die außerordentlichen Leistungen Steiningers Ernennung zum „Professor“. Zum Eintritt in den Ruhestand 1857 nennt sein Kollege Simon ihn in seiner Abschiedsrede „einen Weisen und Menschen von echter Humanität und höherer Kultur“.23(Rede des Kollegen Thomas Simon zur Verabschiedung von Johann Steininger aus dem Schuldienst).

Menschlich trug Steininger gleich in unterschiedlicher Hinsicht an einem schweren Schicksal: 1926 heiratete er Maria Margaretha Klauck aus Wadern, schon 1828, am Tag der Geburt des ersehnten Sohnes starb dieser und wenig später seine Mutter im Kindbett. – Ab Mitte der Fünfziger Jahre ließ sein Augenlicht nach und führte für die kommenden 17 Jahre zu vollkommener Erblindung, die den Unermüdlichen schnell zur völligen Untätigkeit zwang.

Heinrich Schwendler, geb. 1792 in St. Wendel24 lehrte von 1817 bis 1847 am Trierer Gymnasium. Von Hause ist er Geistlicher, 1816 wurde er geweiht. In politischer Hinsicht galt er aus preußischer Sicht als unzuverlässig, weil man ihn der Urheberschaft eines seinerzeit aufgetauchten und sich rasch verbreitenden Flugblattes verdächtigte, das unter dem Namen „Abschied an Stieldorf“, (Monz, Lit.: 8, Seite 171) kursierte. Dahinter verbarg sich ein belgischer Major, der sich 1832 in Trier aufhielt und für eine Abspaltung des Eifel-Moselraums und dessen Angliederung an Frankreich, in diesem Falle wohl auch Belgien, geworben hatte und unerwartet auf Sympathisanten stieß. Zudem war Schwendler vermutlich Mitglied revolutionärer Zirkel. Da sich jedoch von all‘ diesen Verdächtigungen nichts beweisen ließ, setzte der damalige für das Gymnasium zuständige Schulrat Brüggemann einen vorläufigen Schlussstrich, indem er Schwendler bescheinigte, dass er „ein pünktlicher mit Erfolg wirkender Lehrer sei, der Zucht und Ordnung in seinen Stunden halte, keinen politischen Einfluss auf die Schülerschaft ausübe, und der liberalen Partei angehöre.“ (Monz, 171, Lit. 8,5). Dass der Lehrer, wie nicht wenige seiner Kollegen der französischen Sprache und Kultur zugetan war, ergibt sich aus seiner persönlichen Entwicklung wie von selbst. Da ihm immer noch angelastet wurde, Sekretär der Trierer Casinogesellschaft zu sein, versuchte ihn das Provinzial-Schulkollegium 1835 zu entlassen. Es bestand jedoch nicht einmal eine Versetzungsmöglichkeit, so begnügte man sich ab 1843 mit der Überwachung seines Deutschunterrichts. Die liberale Haltung dieses wackeren Lehrers dokumentierte er durch einen profunden Aufsatz über Friedrich Spee, den Kämpfer gegen die Hexenverfolgung und Verfasser der über die Region hinaus weit bekannt gewordenen Liedersammlung „Trutznachtigall“. Wyttenbach ließ den Aufsatz im Schulprogramm 1843 abdrucken25 und machte ihn dadurch zahlreichen Interessierten in ganz Preußen bekannt. Schwendler starb am 9. Februar 1847.

Cosmas Damian Wirz26, geb. am 22. Juli 1761 in Ehrenbreitstein, gest. am 23. Oktober 1845 in Trier27, Besuch des Gymnasiums in Koblenz, 1784 Priesterweihe in Trier, ab 1786 Lehrer am Kurfürstlichen Gymnasium (= Jesuiten-Gymnasium) Trier. Von seiner geistlichen Laufbahn war er während der Revolutionszeit abgekommen, nicht jedoch von seinem Glauben. Er lehrte bis 1834 ganze 47 Jahre an der Schule, vornehmlich Deutsch. Bis 1827 versah er zusätzlich das Amt des Ökonomen und verwaltete den Schulfonds. Wirz war ein talentierter Zeichner und illustrierte u.a. Johann Hugo Wyttenbachs „Versuch einer Geschichte von Trier“. Um die Atmosphäre an der Schule zu beleuchten, wird aus dem Umgang der Schulgemeinschaft mit dem verdienten Lehrer folgendes berichtet: „Den 15 Juli 1835 wurde das fünfzigjährige Amtsjubiläum des seit drei Jahren pensionierten Professors, Herrn Wirz, von einer großen Anzahl seiner früheren Schüler und Kollegen auf eine schöne Weise gefeiert. Am Vorabend des Festes wurde demselben eine Serenade gebracht. Am 15. Juli war ihm zu Ehren ein festliches Mahl veranstaltet, wozu derselbe von seinen ältesten Schülern abgeholt wurde, und über dem Mahle wurde ihm ein schön gearbeiteter Pokal überreicht.“ 28

Zu seinem Ableben heißt es weiter:

Am 17. Oktober 1845 verstarb Prof. Cosmas Damian Wirz an Entkräftung im 83. Jahre seines Alters: „Ein großer Zug von Freunden, Lehrern und Schülern begleitete seine sterblichen Überreste zur Ruhestätte. Der treue und verdiente Lehrer hat seine Liebe zu der studierenden Jugend und seine Abhängigkeit an die Anstalt, an welcher er 47 Jahre als Lehrer gewirkt hatte, auch noch durch seinen letzten Willen auf eine schöne Weise bekundet, und sich an derselben ein bleibendes Denkmal gestiftet, indem er seine aus 200 bis 300 Bände bestehende Bibliothek der Bibliothek des Gymnasiums geschenkt und zweitens ein durch das Gymnasium zu verwaltendes Kapital von 750 Talern zur Unterstützung armer Gymnasial-Schüler vermacht hat. Ehre sei seinem Andenken.“29

Michael Schäfer, geb. am 4. Januar 1790 zu Illingen, wurde Geistlicher und wirkte von 1814 bis 1846 am Trierer Gymnasium. Er starb bereits am 28. September 1846.

Leloup, P. J. Dr. Oberlehrer, zunächst in Aachen und Linz, ab 1825 in Trier. Er trat als Lehr-buchautor für den französischen Sprachunterricht in Erscheinung, nach seinen Vorlagen wurde auch am Königlichen Gymnasium Trier unterrichtet. Leloup verstarb im Dezember 183130.

Der Lehrer Servati, geb. 177831 zu Meisburg (Kreis Bitburg), gest. am 26. September 1852, von 1800 bis 1805 wirkte er als Volksschullehrer, studierte Theologie, wurde Geistlicher und war ab 1807 Lehrer an der Domschule, lehrte von 1811 am Trierer Gymnasium, zumeist Religion, Mathematik und Naturwissenschaften in den unteren Klassen, trat 1850 in den Ruhestand. Nikolaus Driesch (1803 - 1883) war Abiturient des Königlichen Gymnasiums Trier und beendete sein Theologiestudium ebenfalls in Trier. Nach einem Studium der Philologie in Bonn legte er sein Probejahr am Trierer Gymnasium ab. Differenzen mit seiner Kirche verwehrten ihm die Anstellung als Priester und als Lehrer am Gymnasium. Er zog später nach Frankreich und ging dort u.a. einer journalistischen Betätigung nach.32

Abb. 2: Geburtshaus Philipp Lavens, Trier, Neustraße 9636.

H. Milz berichtet, dass Laven bereits mit 44 Jahren so krank war, dass er „seinen eigenen Totenzettel aufsetzte“37. Hier einige Kostproben daraus:38 „Sterbe ich in der Nacht, so werden die Bettchen der Kinder sogleich in mein Studierzimmer gebracht, damit die Kinder bei ihrem Erwachen nicht den Jammer sehen.“ „Hermann wird einmal von seiner Mutter an das Paradebett geführt und betet mit ihr ein Vaterunser und nimmt dann Abschied von seinem Vater.“ „Weder meine Frau, noch Hermann, sollen meinem Leichenbegängnis und dem Traueramte beiwohnen, denn das halte ich für unnötige Quälerei.“