Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Korswandt, einem Dorf, auf der durch den letzten Krieg geteilten Insel Usedom und ein Junge in diesem Dorf, der in die sozialistische Wirklichkeit der DDR hineinwächst - vermittelt auf sehr persönliche Weise durch autobiographische Geschichten die Verkehr, Fernsehfunk, die Urlaubersituation usw. im Kontext offizieller und wirklicher Gegebenheiten haben. Macht eine Lehre im KKW Greifswald aus dem Protagonisten eine allseitig und harmonisch entwickelte sozialistische Persönlichkeit? Scheinbar nicht, der dialektische Materialismus macht einen hohen Bogen um die Hauptfigur und er findet sich in einer Subkultur, als Heavy-Metal-Fan wieder und schlägt dem verordneten Alltag so manches mal ein Schnippchen. Letztendlich hat auch die DDR ein Ende und die neue Heimat in Osnabrück ist nicht sofort sympathisch. Erst bei den Rockern wird es besser, nur mit den Bräuten da hapert es und darum wird eine im Land der Vampire gesucht.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 655
Veröffentlichungsjahr: 2019
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Aufzeichnungen meiner Oma Anni:
Chronik aus meinem Leben!
Es war der 10. Oktober 1913 als ich das Licht der Welt erblickte. Ich war das 5. und letzte Kind meiner Eltern. Mein Vater, Elektro-Schlosser, bei der Deutschen Reichsbahn tätig und meine Mutter als Hausfrau in unserem Haushalt und als Mutter ihrer 3 Kinder beschäftigt. Meine Schwester Elsa war 8 Jahre älter als ich, dann noch 3 Brüder. Zwei von denen starben als Kleinkind an einer schweren Kinderkrankheit. Meine Eltern bauten sich 1908 ein Haus in dem schönen Swinemünde – Swinestr. 8. Dort verlebte ich meine sorgenfreie Kinder- und Jugendzeit. Leider verstarb meine Schwester Else mir 19 Jahren an Tuberkulose, was für uns alle sehr schmerzlich war. Ich besuchte die Mädchen-Gemeinde-Schule, erreichte die oberste 8. Klasse. Der damalige Direktor Heer Friedrich errichtete zu der Zeit das 9. Schuljahr und unsere 8. Klasse (d.h. damals die oberste 1. Klasse) war Pionier dieses 9. Schuljahrs und der Leiter war Schuldirektor Friedrich.
Es war ein vielseitiges Lernjahr, mit Stenographie und Schreibmaschine, sowie anderen Buchhaltungsarbeiten. Die Fächer wurden alle mit einer Prüfung nach Beendigung des 9. Schuljahrs abgelegt. Da ich mich sehr für Büroarbeiten interessierte, schloss ich auch im Durchschnitt gut ab, ging in die kaufmännische Lehre und mein Ziel war: Buchhalterin. Ab meinem 10. Lebensjahr erlernte ich das Mandolinespielen und trat nach einem Jahr in den Lauten- und Mandelionenchor ein. Dieser wurde von unserem Schuldirektor Friedrich geleitet.
Ich ging wirklich gerne zur Schule und meinem Hobby - Mandelionenspielen – nach. Überhaupt erinnere ich mich noch heute sehr gerne an meine Schulzeit und somit auch Kindheit und Jugendjahre. Nebenbei war ich auch sportlich aktiv, im Turnunterricht war ich immer voll da. Unsere Schule besaß eine Turnhalle, die mit vielen Sportgeräten ausgestattet war. Ich interessierte mich sehr für Ballspielen und Abwerfball – jetzt Handball – schoss ich viele Tore.
Dann das Radfahren. Von meinem 1. verdienten Geld kaufte ich ein Fahrrad. Mit Freundinnen unternahm ich Radtouren. Unsere weiteste Fahrradreise war wohl von Swinemünde nach Diewenow – hin und zurück – etwa 80-90 km. Das waren meine sportlichen Sommerhobbys. Im Winter lief ich aber gern Schlittschuh. Das Schlittschuhlaufen habe ich mit Unterstützung meiner Geschwister erlernt.
Swinemünde hatte einen gut angelegten Sportplatz, wo etliche Sportfeste durchgeführt wurden und unter den Siegerinnen war mehrmals meine Wenigkeit. Da gab's als Auszeichnung einen Lorbeerkranz. Im Winter, bei Minusgraden wurde unser Sportplatz zur Eisbahn „gesprengt“.
Mit 10 Pfennig Eintritt konnte man dann den ganzen Tag Schlittschuhlaufen. Sehr oft bin ich Abends, von 17- 21 Uhr Schlittschuhlaufen gegangen, denn mit Musik , die über Lautsprecher über die Eisbahn schallte, ging das Schlittschuhlaufen noch zügiger.
Nach all diesen sonnigen Tagen meiner Kindheit vollzog sich etwas schreckliches in unserer Familie. Mein Bruder, der 1¾ Jahre älter war als ich und das Schlosserhandwerk erlernte hatte und anschließend Schmid lernte, verunglückte durch eine falsch ausgelegte elektrische Leitung tödlich. Meine Eltern und ich waren tief traurig und meine so glückliche Kindheit wurde dadurch ernster.
Der bester Freund meines Bruders war mir oft zur Seite und versuchte mich zu trösten und sagte sehr oft: „Du wirst mal meine Frau!“. Aber im weiteren Leben kam alles anders, durch den Umzug hatten wir uns doch getrennt. Ich war nun noch das einzigste Kind meiner Eltern, die gewiss keine Sorgen oder Kummer mit uns hatten. Ich wurde etwas verwöhnt, aber ich ging nie über die Erziehung meiner Eltern hinaus.
Sicher hatte ich die Fähigkeiten von meinem Vater geerbt, ich nahm mir auch die Schneiderei etwas an und konnte dann viele Kleidungsstücke für mich selbst nähen. Meine Freundinnen beneideten mich sehr darum. Nun feierte ich schon meinem 19. Geburtstag. Wie das Schicksal so will, musste ich eines Tages von meiner Arbeitsstelle zum Zollamt und dort etwas abholen. Dort wurde ich von einem Zollbeamten abgefertigt und wie man so sagt – verliebte ich mich „auf den ersten Blick“. Leider wurden wir durch das Schicksal nicht zusammengeführt, aber noch heute weiß ich: das war meine große Liebe!
Inzwischen musste ich meine Arbeit als Büroangestellte durch Umzug der Firma aufgeben und fing als Buchhalterin bei einem Bücherrevisor an, der nach 3 Jahren mein Schwiegervater wurde. Sein Sohn arbeitete in einer anderen Stadt und er kam dann zu seinen Eltern und sah mich, es schien mir, als interessierte ich ihm. Na, schließlich wurden seinerseits doch Einladungen gemacht und so wurde aus uns Mann und Frau.
Am 19. März 1938 heirateten wir und Ende August des nächsten Jahres brach der schreckliche Krieg aus. Gleich zu Kriegsanfang wurde mein Mann als Soldat eingezogen und im November 1939 wurde unser Sohn geboren. Nach 2 Jahren Soldatenzeit wurde mein Mann von seiner Arbeitsstelle reklamiert, kam zurück, aber leider wurde er 1943 wieder an die Front verschickt. Im März 1942 wurde unsere Tochter geboren. Nach Evakuierung aus Stettin ging ich Weihnachten 1944 zu meinen Eltern nach Swinemünde zurück. Inzwischen hatte ich den Vernisstenbescheid meines Mannes von der Ostfront bekommen. Am 12. März 1945 wurde die Stadt Swinemünde von englischamerikanischen Bombenflugzeugen, zumal die Altstadt, sehr bombardiert. Auch mein Elternhaus wurde getroffen. Wir alle waren wie ein Wunder davongekommen. Astried hatte einen Schutzengel, wie man zu sagen pflegt, sie wurde von einem herabfallenden Stein, kaum einem Zentimeter von von der Hauptschlagader entfernt, am Kopf verletzt. Nachdem wir alle mit schrecken von diesen bombardieren nach einer Stunde davongekommen sind, zog mein Vater es vor nach Ahlbeck umzusiedeln, wo seine Schwester wohnte. Auf einem Handwagen wurde Betten und einiges mehr gepackt. Jürgen mit 5½ und Astried mit 3 Jahren wurden draufgesetzt und als „diese“ Menschen, die wir jetzt waren, siedelten wir nach Ahlbeck um, 5 km von Swinemünde entfernt. Hier war noch alles friedlich, so als ob nichts schreckliches passiert war. Und darum wurden wir als „Flüchtlingspack“ oder „Zugeschickten“ betitelt. Eben durch die Gefahrenzone I durfte ich (U.a. Mütter mit Kindern) nicht in Ahlbeck bleiben und so wurden wir mit einem Flüchtlingstransport per Eisenbahn bis nach Flensburg transportiert. In der Nähe von Flensburg, im Ort Sillerup, wurden meine 2 Kinder und ich bei Bauern einquartiert. Im Durchschnitt war das Laben dort einigermaßen, sehr oft bekam ich Briefe von meinenEltern, die wie Hilferufe waren. Sie waren durch all das Furchtbare Alt und Krank geworden und der Wunsch war es, dass ich (wir) wieder zu ihnen zurückkommen um eine Hilfe durch mich zu haben. Eigentlich habe ich lange gezögert mit meinen Kindern in die Ostzone, die von den Russen besetzt war, zurück-zukehren. Aber mein Mitleid mit den Eltern war doch größer und so entschloss ich mich, im Oktober 1946 nach Seebad Ahlbeck mit Jürgen und Astried zurückzukehren. Groß war die Freude meiner Eltern und auch sie haben versucht, dass wir so einigermaßen durch's tägliche Leben kamen. Oft war es schwer, aber wir alle hatten wohl einen Schutzenge, dass wir gesund die schwere Zeit überwunden, oder vielmehr „hindurchgekommen“ sind.
Meine Mutter starb am 1. Mai 1952 und sechs Jahre später, den 20. September 1958 starb mein Vater. Als Kriegswitwe schlug ich mich mit meinen zwei Kindern recht und schlecht durch's Leben. Mein Sohn Jürgen heiratete am 10. Dezember 1965 Ursula Borm in Korswandt, wo sie auch noch heute wohnen und in ihrem Haus mit ihren drei Kindern ein schönes Zuhause haben . Meine Tochter Astried hat aus 1. Ehe einen Sohn, Harry. Am 12. Mai 1980 hat Astried ihre 2. Ehe geschlossen. Leider wohnen sie in Plauen und eine große Entfernung liegt zwischen uns.
Meine Chronik möchte ich beenden, würde ich alle einzelne Erlebnisse aufschreiben, so würde ein Roman entstehen.
Anni Mannschatz
Ja, warum hat sie denn nicht?, fragte ich mich mehr als einmal.
Ich beschloss das besser zu machen, und wenn auch keinen Roman, wohl doch 30 Seiten zu Papier bringen zu können, schließlich sollten meine Enkel sich nicht die gleiche Frage stellen. Aber, so ein paar Seiten sind echt zu knapp für ein ganzes ein Leben und meine Chronik, Lebensbericht, oder die Geschichte fing an aus dem Ruder zu laufen und mit Volldampf fahrt aufzunehmen...
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil: Glück und Glas
Mariechen
Konsum [kn'zum]
Freizeit
Heilichabend
Bildungssystem
Transporte
Swinemünde
Feriendienst52
Knete und Kohle
Fernsehfunk
Nahrungsergänzung
Vadder, oder kurz: Der Alte!
Schulende
Zweiter Teil: Der Ernst des Lebens
Im Kernkraftwerk
Lehrlingsleben
Zweiter Kreislauf
Die Mauer
Engpässe
Schweine- und andere Feten
Dorfleben
Fahrzeugschaden und Schadensfahrzeuge
Reisefieber
Heavy Metal
Abfälle (radioaktiv)
Fahrzeug mit „moderner Formgebung“199
Der Rest
Dritter Teil: Revolution?
Flüchtlingsschicksale
Atomare Einöde
Tapetenwechsel
Rocker
Topf und Deckel
În România
Kleine und große Katastrophen
Glück und Glas
„Uschi! Kümmst du? Wi woll'n lot!“
„Ja Mama, ich komm ja schon. So, kann losgehen, musste nur mein Petticoat noch anziehen!“
„Kinners, Kinners, ick weit nich wat dat süll, dat dat alles so affstein möt!“
„Mama, so ist die Mode heutzutage. Alle haben so was!“
„Klor, un de jung'n Kirls schmärn sick Tüchs i'nt Hoor un sein ut as wenn se en Vagelnest up’m Kopp häm. Die'n Unkel Max wir jenau so 'en. Den häm'se vertellt, wenn hei sik Heunerschit unner de Nas schmärt, deit sin Boort schneller wassen. Dat hät he würklich doan, awer uk dornach het he nur en por Spiekern up’n Kinn häft“1
„Quatsch Mama, Vogelnest, Hühnerkacke, so seh'n alle Jungen in Amerika aus. Lass uns jetzt ma los, hat bestimmt schon angefangen.“
Da hatte Uschi recht, der Tanznachmittag im Idill war schon im Gange und wie immer war der Saal schon gut gefüllt. Das Idill, Kneipe, Tanzsaal und Hotel war sonntags Treffpunkt der Schönheiten und nicht der so adrett daherkommenden der umliegenden Dörfer, selbst einige Ahlbecker Jugendliche verirrten sich hierher.
Heutzutage ging es auch schon etwas gesitteter zu, die allsonntäglichen Schlägereien mit den Kamminker Halbstarken lagen schon ein bisschen zurück, aber noch nicht so lange, dass sie keinen Gesprächsstoff mehr lieferten.
Jedenfalls hatte die Combo, einer mit Schifferklavier, ein Geiger und einer an den Trommeln, schon angefangen ihr Repertoire zum besten zu geben.
Die Combo in Minimalbesetzung, hier bei der Hochzeit meiner Eltern, wie am Bild dahinter zu erkennen, in der Wohnstube zu Hause.
Die Garderobe der Jugendlichen entsprach etwa dem Zeitgeist des Rock’n Roll, in diesem abgelegenen Winkel drang die Beatmode nur langsam vor, ergo gehörte ein Petticoat zum modischen muss. Uschi machte da keine Ausnahme, mit einigen Abstrichen in puncto Originalität, aber zwei Tüll-Petticoat übereinander gezogen kamen dem Nylon-Original schon recht nahe. Musikmäßig war diese Veranstaltung aber noch weit von Elvis oder Chuck Berry entfernt, die Kapelle beschallte den Saal mit leichter Tanzmusik. Aber immerhin lag das Idill direkt vor der Haustür und bot etwas Zerstreuung vom Landleben. Diesmal gab’s etwas mehr Abwechslung, ein Junger Mann forderte Uschi zu tanzen auf. Wieder zurück am Tisch konnte sich die Mutter nicht verkneifen ihren Senf dazu zu geben: „Dat wir 'ener, mit ne’m Vagelnest up'm Koop!“
„Mamaaa! Der war ganz nett. Und er hat mich eingeladen.“
„Wat?“
„Ja, auf die Seebrücke, nach Ahlbeck!“
„Wo kümmt der denn hier? Den hef ick hier noch nich sein.“
„Er heißt Jürgen und kommt aus Ahlbeck.“
„A'h so! Derweggen kenn ich em nich. Keen'er fom Dörp.“
Dazu gab´s noch ein passenden Spruch; »Drum prüfe was sich ewig bindet, ob sich nicht noch was besseres findet«, um diesen wenig später wieder zu relativieren; »Jung gefreit hat nie bereut« oder; »Auch ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn« oder noch mal anders; »Auf jeden Topf passt ein Deckel«!
Solche Sprüche hatte sie für alles und zu jeder Zeit parat, die Unmenge dieser Weisheiten konnte in meiner Vorstellung nur einem extra dafür vorgesehenen Unterrichtsfach dafür entsprungen sein. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Rohrstock des Lehrers das einprägen neben den eigentlichen Lehrstoff erleichtert hat. Nach Überflutung meines Hirns mit Sprüchen so wie diesen: »Narrenhände beschmieren Tisch und Wände« oder »Was du Heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf Morgen«, hatte auch ich bald zu ein ganzes Arsenal dieser Weisheiten drauf. Trotz, oder grade wegen dieser Lippenbekenntnisse war das quasi der Urknall, zumindestens eine Supernova meines bescheidenen Daseins, weitere interpersonelle Kontakte, über die ich jetzt nicht weiter nachdenken möchte, löste eine Schwangerschaft bei meiner Mutter aus und pünktlich zum erwachen der Natur aus ihrer Winterruhe erstrahlte ein neuer Stern am Frühlingshimmel – ICH!
Ein Auftritt nahe der Lichtgeschwindigkeit, keine Zeit mehr zum Heiraten. Oma mit ihrem; »Jung gefreit hat nie bereut« kam da ein wenig zu spät. Meine Eltern heirateten erst ein halbes Jahr später, es war zu anstrengend den Bauch in ein Hochzeitskleid zu zwängen, dazu noch, wenn einer wie ich dauernd auf der Mutterblase herumtrampelt. Quasi ein uneheliches Kind. Unsere Familie war aber weder katholisch noch besonders gläubig, auch die Gesellschaft war auf dem Weg die göttliche Allmacht weitgehend zu Ignorieren, also spielte das keine große Rolle. Der Schaden wurde folgerichtig dennoch durch eine Heirat behoben, nach dem Standesamt ging's trotz der laizistischen Denkweise in die Kirche, wo ich im gleichen Abwasch auch noch getauft wurde.
Ein halbes Jahr davor war das einzige Wasser, mit dem ich in Berührung kam das in der Fruchtblase meiner Mutter und der Zeitpunkt mich da rauszuspühlen rückte immer näher. Der Krankenwagen brauchte für die paar Kilometer bis ins Heringsdorfer Krankenhaus nicht lange, wir hatten Glück, noch gab's Entbindungen in diesem Provinzkrankenhaus. Ich gehörte zu den letzten Jahrgängen die auf der Insel geboren wurden. Einer der Gründe, die Entbindungsstation nach Wolgast zu verlagern, dürften die Untersuchungsmethoden gewesen sein, die etwa immer noch auf gleichen Level wie bei der Eröffnung dieses Krankenhauses. Zuerst wurde der Bauch von einer Krankenschwester begutachtet, mit einem großem Zirkel vermessen und aufgrund des enormen Umfanges mit geübten Blick festgestellt: „Da sind Zwillinge drin!“
I wanna hold your hand kam so auch in die entlegensten Winkel der noch jungen Republik, Ringo Star und Kumpane tönte auch in Korswandt aus dem Radiolautsprecher. Als sie sich schon mal den Kopf über meinen Namen zerbrach, kam ihr genau dieser in den Sinn, Ringo, geboren um ein Star zu sein. Leider musste sich die Familie einmischen, die diesen Namen ein wenig zu Rock’n Rollrebellisch fand und Dirk daraus wurde. Warum? Ganz einfach; die Mode. Mitte der sechziger war dieser Name grade in, Pech für mich und für die, welche mich unaufhörlich nach meinem Namen fragen. Meiner undeutlichen Sprachweise geschuldet wird daraus Diäk oder Düük, dieses „r“ zu rollen ist meiner Zunge nicht vergönnt und ich muss dieses ewige Nachfragen über mich ergehen lassen. Das, obwohl ich meine Stimme frühzeitig und ausdauernd Nächtelang trainierte, ruhe gab ich nur, wenn mich von Mutter oder Oma Lotte auf und ab geschleppt wurde. Die Begegnung mit meiner Oma ließ nicht lange auf sich warten, nach ein paar Tagen Krankenhausaufenthalt ging’s auf die gleiche Weise retour, im Krankenwagen nach Korswandt und ich konnte meiner zukünftigen Bleibe „Hallo“ sagen. Zu Hause: ein großer Hof mit zwei Häusern, eins links, eins rechts und mit riesigem Vorgarten. In dem einem Haus schliefen Oma Lotte mit ihrer Mutter, Oma Marie und im anderen ich mit meiner Familie. In welchen der beiden Häuser ich nun eigentlich wohnte ist nicht ganz klar zu beschreiben, war wir auch relativ schnurz, es war ein andauerndes hin und her. Diese Häuser standen sich gegenüber und hatten eine unkonventionelle Bauweise, es waren eigentlich hintereinander gebaute Zimmer, geschuldet dem ursprünglichen Verwendungszweck, ein ex Kuhstall und das andere ein ehemaliges Gästehaus. Dadurch unterschied sich unser Grundstück von den anderen in der Straße, die Nachbarhäuser ganz normal, so mit Spitzdach und Dachziegel drauf und wenn man sich vorn aus dem Fenster lehnte hatte man die Straße vor der Nase. Aber was für andere normal, war für mich irgendwie komisch, blickte ich aus dem Fenster konnte ich bestenfalls Oma ihre Suppe löffeln sehen, genauso eine Treppe im Haus zum Obergeschoss mit Zimmern, bizarr. Wir hatten Außentreppen zu Dachboden. Das war normal!
Es überrascht nicht sonderlich, dass es nicht immer so war, wo sich jetzt der riesige Vorgarten ausbreitete stand früher ein Haus, das sich nicht sonderlich von dem der Grundstücksnachbarn unterschied. Dieses Haus hatte aber seine besten Tage schon hinter sich, bröselte langsam auseinander, da war nichts mehr zu machen. Mein Uropa, als gelernter Maurer und Mann der Tat, baute der Einfachheit halber das dahinter stehenden Gästehaus zum Wohnhaus aus, in der Nachkriegszeit war an Badegäste sowieso nicht zu denken und wenn der Platz mal nicht mehr reichte, kam am Ende einfach noch ein Zimmer dran. Aus den Abbruchsteinen des alten Hauses wurde auf der gegenüberliegenden Seite das Stallgebäude erweitert, so entstanden zwei ewig lande Häuser, mit der Rückseite genau auf der Grundstücksgrenze zum Nachbarn. Diese Unart der Grenzbebauung barg später viel Anlass für Reibereien, aber da ahnte Opa noch nichts vom hohen Konfliktpotential nachfolgender Generationen, speziell die meines Vaters.
Der Umbau des Gästehauses, der Krieg lag erst wenige Jahre zurück, stellte die Materialbeschaffung ein schwer zu lösendes Problem dar. Der Osten hatte unter den hohen Reparationsleistungen an die Siegermacht, hier waren es die Russen, zu leiden und mit den vorhandenen Baustoffen wurden die zerbombten Städte aufgebaut, für ein kleines Dorf, jetzt am Ende der Welt, blieb da nicht viel übrig. »In’er Not, frät de Deivel Flägen (in der Not, frisst der Teufel Fliegen)«, hätte jetzt Opa Wilhelm zum besten gegeben. Wegen solcherart Mangelerscheinungen schmiss keiner die Flinte ins Korn.
Das alte Haus, etwa 1942, mit Blick zur Straße. Die marode Bausubstanz ist schon zu erkennen, das einzige was später daran erinnerte, war die Treppe zum Eingang, die auch dreißig Jahre später noch vorhanden war.
Alles was irgendwie zu gebrauchen war wurde verbaut, die Deckenkonstruktion bestand aus alten Steinen und Eisenbahnschienen, wo diese herkamen möchte ich nicht wissen. Die Bahnlinie nach Swinemünde brauchte ja keiner mehr, ging aber offiziell an die neuen russischen Freunde. Auch Kupferkabel betrachteten die Russen als Kriegsbeute, ließen diese ausgraben um den gleichen Weg wie die Bahnanlagen zu nehmen. Die Überbleibsel, U-Förmige Kabelabdecksteine, gaben zusammen mit Lehm eine klasse Rückwand für den Stall ab. Bei der Heirat meiner Eltern wurde dann das Konzept Wohnhaus hier, Stall da, aufgegeben - das Vieh wich den humanoiden Wohnbedürfnissen.
Der Anbau bereitet Kopfzerbrechen: „Woher bekomm ich Zement?“ Nur dem Huhn schert das nicht.
Das spürte das letzte Schwein am eigenen Leibe, bei meiner Taufe, respektive Hochzeit der Eltern, landete es als Braten auf dem Festtagestisch.
In der Umbauphase die etwa 2 Jahre dauerte, konnte Vater nur am Wochenende dran arbeiten, die Woche über war er auf Montage, wohnten alle zusammen unter einem Dach. Bisschen eng aber auszuhalten, schließlich gab´s drei Zimmer und n'e kleine Küche. Oma Lotte mit ihrer Mutter - Oma Marie, bezogen nach vollendetem Umbau das Haus gegenüber, den einstigen Stall, das bei dieser Gelegenheit auch gleich eine moderne Zentralheizung erhielt. Im den Keller unterm Haus kam der Heizkessel und für einen Wasserspeicher reichte der Platz auch noch, einer mit elektrischer Pumpe!!! Waaau! Was für eine Erleichterung, vorher schleppten sie das Wasser, selbstgepumpt, aus einer Holzbaum–Ständerpumpe, die vor dem Haus stand.
Die Mauer - aus der Not geboren.
Das letzte Schwein auf dem Hof.
Uroma und ich vor dem ehemaligen Kuhstall, die Stalltüren sind schon zugemauert und lassen die neuen Fenster erahnen.
Da hatte die Uschi doch einen guten Fang gemacht, diese Arbeiten konnte von meinem Vater alle selbst ausgeführt werden, er war gelernter Brunnenbauer und Heizungsmonteur. An dem Ex-Stall war noch ein Schuppen, dahinter die Waschküche und dann die Werkstatt angebaut. Immer alles schön in einer Reihe. In der Waschküche stand hinten an der Wand mit den U-Förmigen Steinen ein Waschofen, aus zwei übereinander gestellten Betonringen, der unterste mit einer Feuertür und oben drin mit einer riesigen Schüssel zum Wäschekochen!
Im Sommer heizte keiner, deswegen gab´s auch kein warmes Wasser. Jetzt wurden dadrin die Kinder gekocht. Man brauchte nur die Schüssel voll Wasser lassen, ein paar Stückchen Holz aufzulegen und »Das Bad auf der Tenne«, diesmal eine Eigenkreation Oma Lotte´s Binsenweisheiten (schließlich badeten wir im ehemaligen Wirtschaftsteil des Hofes), war fertig. Meistens war der Boden des Bottichs vom Feuer noch so heiß, dass wir noch ein Brett unter die Füße legten, um keine Brandblasen an den Sohlen zu bekommen. Missbrauchten wir den Bottich nicht grade als Badewanne, wurde der wie vorgesehen zum Waschen verwendet. Eigentlich nur zum kochen, die große Wäsche an sich wurde draußen auf dem Hof gemacht. Hocker raus, Zinkwanne rauf, Waschbrett rein und Oma und Mutter bearbeiteten dann die Wäsche mit Kernseife und Bürste. Machte nur solange Spaß, bis sich die Haut an den in Händen Runzeln und der Rücken erste Ausfallerscheinungen zeigte. Aber Oma Lotte war gewissermaßen Erfahrungsträger, als junge Frau verdiente sie ihre Brötchen als Waschfrau in der Ahlbecker Wäscherei Schneewittchen.
Wirtschaftstrakt vor dem Umbau.
Soll mal einer sagen die Deutschen hätten damals keinen Sinn für Humor gehabt. Diese Arbeit entsprach nicht ganz ihrer Vorstellung, ihre ins Auge gefasste Ausbildung als Schneiderin scheiterte am schnöden Mammon. Einer Lehre in Swinemünde stand die immer klamme Geldbörse ihrer Eltern im Weg, die Lehrmaterialien mussten selber bezahlt werden und für die Anschaffung einer Nähmaschine war erst recht kein Geld da, eine unmöglich zu tragende finanzielle Belastung, für Leute die nur zwei Schweine und eine Kuh im Stall hatten. Auch die Wirtschaftskrise der Zwanziger war noch nicht vergessen und eine gutbezahlte oder überhaupt eine Arbeit für den Vater, vor Ort nicht zu bekommen. Die Not trieb ihn nach kurzer Arbeitslosigkeit bis nach Berlin um sich als Maurer zu verdingen.
Die Waschfrauen von Schneewittchen, Oma Lotte in der Mitte
Getreu Omas Motto: »Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied« führte die Fügung ihr ihren Ehemann August in die Arme, ein aus einem kleinen Dorf auf der Insel Wollin stammender Schumacher. Ihr Glück währte nicht lange, zwischen Heirat und dem Tod von August lag nur eine kleine Zeitspanne, er wurde an die Front einberufen und verblutete in einem fremden Land irgendwo kurz vor Leningrad.
Wäre ihr jetzt nach einem ihrer Weisheiten zumute gewesen, dann wahrscheinlich »Glück und Glas; wie leicht bricht das«! Und das, nachdem schon Schwager und Bruder in die russische Steppe beißen mussten. Bittere Erfahrungen, für die selbst der beste Sprücheklopfer die Worte fehlen würden, da hieß es nur, »Augen zu - und durch«.
Ich weiß nicht wie sie die Löcher in ihrer Seele jemals ausbessern konnte, Löcher in Socken kriegte sie mit wahrer Meisterschaft zu, manche von meinen Socken bestanden nur noch aus gestopften Löchern, jedenfalls vorn und an den Hacken. Alles mit Nadel Faden und ne’m Stopfpilz, sieht einfacher aus als es ist. Damit's mehr spaß machte, war dieser Stopfpilz einem Fliegenpilz nachempfunden, rote Kappe mit weißen Punkten. »Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen« stimmte in ihrem Fall nicht so ganz. Sie hielt sich lieber an: »Das Glück ist mit dem fleißigen«.
Abends hatte Oma Lotte immer irgendwelche Handarbeiten zu erledigen unter denen ich auch manchmal zu leiden hatte. Als Kleinkind von oben bis unten bestrickt, hatte ich frappierende Ähnlichkeit mit einem gewebten Schaf: gestrickte Socken, gestrickte Hosen, gestrickter Pullover, gestrickte Mütze nur die gehäkelte Zudecke machte eine Ausnahme. War ich komplett neu ausstaffiert, bekam die Küche noch neue Topflappen. Oder Socken für den Winter. Oder Handschuhe. Oder n' neuen Bommel für die Mütze. Als Ausgleich für die endlose Strickerei oder einfach weil ich langsam zu alt für gestrickte Hosen wurde nahmen kleine gehäkelte Platzdeckchen oder Taschentücher mit Häkelrand diesen Platz ein. Diese Sachen dienten auch zur Aufbesserung der Haushaltskasse, ein lebhafter Handel bescherte nicht endende Häckelabende. Das färbte auf mich ab und ich fing auch an Tischdecken und ähnliches zu besticken, als das nicht mehr reichte, wollte ich auch noch häkeln und stricken. Das mit dem häkeln ging noch ganz gut, aber beim stricken kam ich mit dem Faden überhaupt nicht klar und konzentrierte mich wieder auf’s sticken, mit auch ziemlich akzeptablen Ergebnissen. Ein Junge der freiwillig stickt, wie viel Langeweile kann man haben? Dennoch hatte ich n'e Zeitlang wirklich Spaß dabei. Den Dachboden durchsuchte ich nach Stickgarn und diesen Aufbügelvorlagen, die massenhaft in den Schränken dort oben jahrelang auf ihre Entdeckung gewartet hatten. Meine Lehrerin in Handarbeitssachen war Oma Lotte, mit: »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«; hatte sie nicht ganz unrecht. Sie war es, die mir alles immer haarklein erklärte und sehr viel Geduld aufbrachte; ich weiß sogar wie die Bommeln für die Mützen gemacht werden!
Wenn’s drauf ankam konnte Oma Lotte auch mal kräftig zupacken, selbst ein Schrank bereitete keine Probleme. Der stand bei Tante Gertrud in Ahlbeck, Kriegswitwe wie fast alle in der Familie, aber durch ihre Arbeit als Köchin mit guter finanzieller Basis und dadurch in der Lage sich mit neuem Mobiliar auszustatten.
Das Ziel war klar, der Weg auch, nur das wie nicht so vollständig. »Selbst ist der Mann«, in diesem Fall die Frauen, die sich eine Strandkorbkarre borgten, den Schrank darauf luden, Oma vorn am ziehen, Mutter hinten am schieben und so ging der Treck nach Korswandt. »Besser schlecht gefahren, als gut gelaufen« dachte Oma Lotte jetzt, den Ahlbecker Berg hoch sollte kein Zuckerschlecken sein, mit seinen 8% Steigung verlangte er ein bisschen Mumm in den Beinen.
Aber solcherart Schinderei hatte eines Tags ein Ende, der Fortschritt bahnte sich seinen Weg und machte sich in der Anschaffung hocheffizienter Technik bemerkbar. Den Anfang machte eine Holzbottichwaschmaschine. Langer Name, wenig Technologie - prinzipiell ein Holzfass mit Deckel, Motor und Getriebe. Drin war eine Welle an der ein Kreuz mit 4 Hölzern, die sich beim waschen hin und her bewegten. Dazu wurde der Bottich mit heißem Wasser befüllt, Wäsche und Waschpulver rein, Deckel zu und es konnte losgehen. Brrsch krr, brrsch krr, brrsch krr, das Getriebe machte immer komische Geräusche beim umsetzen. Solange bis einer der Meinung war: „Die Wäsche ist sauber!“ Dann nur noch die Maschinerie ausschalten, Wäsche rausholen, spülen, auswringen, aufhängen und fertig! »Wer rastet der rostet«! Das dreckige Wasser wurde mit einem Schlauch der am Bottich dran war auf den Hof abgelassen. Auch die neuste Technologie ist nicht ohne Macken, weil der Schlauch nur n’en halben Meter lang war konnte die Waschmaschine nur genau neben der Tür stehen, sonst lief die ganze Brühe in die falsche Richtung. Aber das war an moderner Technik noch nicht alles, später kam eine Wäscheschleuder dazu. Wäsche auswringen war von Gestern. Diese Schleuder zu bestücken war eine kleine Kunst, die feuchte Wäsche musste exakt in die Trommel gelegt werden und zwar genau an der Wandung, in der Mitte ein Loch lassend. Die kleinste Abweichung verursachte bei dem Ding so eine Unwucht, dass es unmöglich war diese auf einer Stelle festzuhalten. Dann hieß es Wäsche raus und noch mal neu einsortieren. Selbst allersorgfältigste Bemühungen ließ die Schleuder durch die Gegend tanzen und ohne diese festzuhalten, ging’s überhaupt nicht.
Der Waschofen wurde auch noch als Badewanne missbraucht, als wir schon längst eine normale hatten. Das war erst ab meinem 4. Lebensjahr der Fall, ab da wurde aus dem Hühnerstall gleich hinter unserem Kinderzimmer das neue Bad. Bis zu diesem Zeitpunkt war die einzige Waschgelegenheit ein kleines Waschbecken in der Küche. Als Ausgleich für verlorene Badetage bekam das Bad eine Badewanne, die so groß war, dass die ganze Familie darin platz hatte. Dieses feudale Badevergnügen hatten wir dem Organisationstalent von Opa zu verdanken, der diese aus einem zerbombten Haus in Swinemünde aus- und zu Hause einlagerte. Man kann ja nie wissen! Die Badewanne wartete danach geschlagene fünfunddreißig Jahre darauf wieder mit warmen Wasser befüllt zu werden. Die Emaille war schon etwas abgeschubbert, aber: »In der Not - schmeckt die Wurst auch ohne Brot«.
Trotz allem reichte der Platz im Bad auch noch für einen Heizkessel und einen Schornstein in der Ecke. Das war ein wahrlich luxuriöser Hühnerstall gewesen. Das Zeitalter der Hühnerkacke ging zu Ende und das der Zentralheizung wurde eingeläutet.
Rein optisch gesehen nicht die beste Lösung, dafür war’s im Bad immer schön warm. Normal, dass im Bad ein Eimer mit Kohle oder Koks rumstand. Diese Heizmaterialien kamen jedes Jahr per LKW auf den Hof, der relativ schmal, mit noch schmalerer Zufahrt den LKW's Probleme bereitete. Noch Enger wurd's, wenn diese mit Anhänger kamen, obwohl: „Ich extra eine Zugmaschine ohne Anhänger bestellt habe!“, meinte der Alte.
Wie’s die Art meines Vaters war, wurde erst mal der Fahrer zusammengestaucht, der eigentlich keine Schuld daran hatte und schon war der wunderschönste Streit im gange, der in der Drohung endete: „Ich kann euch die Kohlen auch auf die Straße kippen!“
Das blieb keine leere Drohung, er machte ernst und kippte die komplette Ladung vorn an die Straße und wir hatten großen Spaß die Kohlen bis hoch in den Stall zu schleppen. »Lange Rede kurzer Sinn«, mit dieser Aktion war dann die ganze Familie einen Tag lang gut ausgelastet und das Jahr, für Jahr, für... Der Energieverbrauch dieser Häuser war gigantisch, ein ehemaliger Stall und ein für Sommergäste erbautes Haus hatten den kalten Ostwind nichts entgegenzusetzen. Als Isolierung wurde ein Hohlraum in den Wänden für ausreichend angesehen, selbst bei Frost wurde auf dem Dachboden aufgehängte Wäsche ruckzuck trocken.
Das mit dem Kohlenschleppen ging den Alten auch mal irgendwann auf die Nüsse, er hatte die glänzende Idee eine Gasheizung zu installieren. Einzigstes Problem; es gab keinen Gasanschluss in dieser Gegend und er meinte dieses durch eine 80 Liter Gasflasche lösen zu können. Leider eine totale Fehlplanung, manchmal war der Alte an Naivität nicht zu überbieten; nach relativ kurzer Zeit war die Flasche leer und der Ofen aus. Die Gastherme baute der Alte wieder aus und diese fristete dann ihr Dasein als technisches Denkmal auf dem Dachboden. Haben dann, wie gehabt, weiter Kohlen gebuckelt. Seine Profession als Heizungsbauer fand damit aber noch kein Abschluss, die unzureichende Heizleistung und das immerkalte, weil vom Kessel am weitesten entfernte erste Zimmer, ließ ihn keine Ruhe, dieser Zustand war für ihm als Fachmann nicht akzeptabel. Erstmal tauschte er alle Rohre aus; ohne den gewünschten Erfolg. Ab da an war klar, mit einer konventionellen Schwerkraftheizung ist diesem Problem nicht beizukommen, es bedurfte einer Pumpe. Das war aber das weitaus größere Problem, n'e Forstnerheizung wäre gut, da ist schon n'e Pumpe bei, aber eine so zu kaufen, schier unmöglich. Blieb nur noch eine aus'm Westen zu besorgen, scheiterte aber an der fehlenden Westoma. Dank seiner Schwarzarbeit waren die Möglichkeiten damit aber noch nicht ausgeschöpft, für die Installation einer Heizungsanlage machte er die Beschaffung einer Umwälzpumpe zur Bedingung. Tauschhandel mal ganz anders, Arbeitskraft gegen Westpumpe. Ab dato war die zweite Heizquelle, ein Kachelofen der im Wohnzimmer stand und Überbleibsel aus der guten alten Zeit, nicht mehr ganz so wichtig und brauchte nur noch an besonders kalten Tagen angeheizt werden. Dazu gab Oma wieder ihren Senf zu besten: »Es friert selbst im dicksten Unterrock, der Säufer und der Hurenbock«, wobei mir der Sinn dieses Geistesgutes nicht ganz erschließen wollte. Was hatte ein Säufer mit n’er warmen Stube zu tun und was war eigentlich ein Hurenbock? Glücklicherweise überlebte der Kachelofen die Modernisierungswut, mithilfe einer kleinen Schaufel wurde Glut die aus dem Kessel geholt und der Kachelofen angeheizt. Einfach ein paar Kohlen drauf und fertig. Das wichtigste war für mich aber nicht die Heizfunktion, sondern, die seitlich eingebaute Bratröhre. Ich konnte es kaum erwarten bis der Alte ein paar Äpfel auf einen Teller legte und in die Röhre schob. Super war, wenn in der Röhre gegenüber noch ein Trickfilm lief, dann war die Stunde, bis die Äpfel endlich fertig waren nicht ganz so lang. Selbst dann hatte das Martyrium noch kein Ende, frisch aus dem Ofen waren die Bratäpfel so heiß, dass man erst noch fünf Minuten drumherumtanzen musste, ehe die Brandblasengefahr weniger groß wurde. Das war, wonach ich mir alle fünf Finger ableckte, nichts erinnert mich sosehr an Weihnachten wie der Duft gebratener Äpfel. Die Bratäpfel verursachten nicht nur Brandblasen auf meiner Zunge, auch mein Allerwertester erhielt seine Feuertaufe. Ich stand mit dem Rücken zum Ofen mit Blick auf den Fernseher, der in der gegenüberliegenden Ecke stand, ein spannendes Programm im Fokus und grad dabei mir meine Pyjamahose anziehen. Dazu bückte ich mich und mein Hinterteil kam einer Ofenkachel gefährlich nahe. Zu nahe! Autsch! Mit n’er Brandblase am Arsch war das sitzen jetzt schwierig bis unmöglich, ich wurde bäuchlings auf die Couch gelegt und die Erörterung verschiedener Behandlungsmethoden löste Ohrensausen bei mir aus.
„Ik glöw da möt man Mähl rop'doan, dat treckt ’de Hitze rut!“, so meine Oma.
„Mehl, ich glaub Mehl ist nicht das richtige!“, die Meinung meiner Mutter.
Vater hatte noch einen anderen Vorschlag: „Kühlen, so was muss gekühlt werden.“
So führte das zu nichts, ein unabhängiger Gutachter wurde benötigt. „Uschi, geh doch mal nach Peters rüber und frag nach!“
Die Nachbarin kam auch prompt, besah sich den Schaden und nachdem mit ihr noch andere mögliche medizinische Verfahren erörtert wurden, entschied man sich die Brandwunde erst mal mit Mehl therapeutisch zu versorgen. Mehl zieht die Hitze raus, weiß doch jeder. Trotz dieser umfangreichen Bemühungen bekam ich eine schöne Brandnarbe in Form eines U’s. Dieser Kachelofen, nicht die einzigste Gefahrenquelle für mich, stand im Wohnzimmer, davor, als erstes Zimmer des Hauses die Gute Stube, in der Regel nur zu besonderen Anlässen benutzt, wie zu Weihnachten oder anderen Festlichkeiten. Den Blick auf die selten und meist nur als Einrichtungsausstellung genutzte Stube gestattete eine große Scheibe in der Durchgangstür. Zeitweise jedenfalls. Geht ja auch mal kaputt, son’e Scheibe. War mir auch recht, die Lücke in der Tür missbrauchte ich kurzerhand als Turngerät, ich machte einen Kopfsprung mit anschließender Rolle durch die Lücke, in der eigentlich die Scheibe sein sollte. Die Tür ohne Scheibe ist auf Dauer kein Zustand, meinte der Alte, und sich endlich entschloss den Urzustand wiederherzustellen. Dabei machte er zwei gravierende Fehler; er baut sie ohne mein Wissen ein und putzte das Glas so sauber, so dass ich beim besten Willen nicht sehen konnte, dass da wieder eine Scheibe drin ist. Ich nahm wie immer Anlauf und: jeder Kaskadeur wäre vor Neid erblasst und hätte sich von meinem fehlerfreien Salto eine Scheibe abschneiden können. Jedenfalls, kurze Rede: Vater musste sich noch mal auf den Weg zum Glaser machen und ich durfte beim einbauen mit Hand anlegen. Vorsichtshalber. Diese Aktion überstand ich kurioserweise ohne eine einzige Schramme, zumal Notarztbesuche bei mir an der Tagesordnung waren. So bei dem Rippenheizkörper im Kinderzimmer, an dem ich mir regelmäßig den Kopf aufschlug. Diese Unfälle fallen in meine Prä-Erinnerungsphase, aber eine Reihe von Narben auf meiner Kopfhaut bezeugen diese Stürze.
Überhaupt war das Leben saugefährlich. Der Herd in Oma’s Küche, hatte für einen 50er-Jahre-Herd einige moderne Zutaten, an den Seiten war eine Art Ablage eingehängt. Das schaffte etwas mehr Platz, der auch genutzt wurde, beim Kaffeekochen kam der Topf mit dem kochendem Wasser auf dieses Bord. Wie Kinder nun mal sind, und ich im besonderen, wirbelte ich durch die Küche, schlug unter das Bord, welches abfiel und das heiße Wasser machte aus meinem linken Bein Brühschenkel. Die Brandblasen reichten über den ganzen Unterschenkel und beim ausziehen ging mit der Strumpfhose auch meine Haut über'n Jordan. Diesmal wurde auf eine Konferenz mit dem Nachbarn verzichtet, es war offensichtlich; mit n’er Tüte Mehl war nicht viel zu kurieren, ich wurde auf schnellsten Wege ins Heringsdorfer Krankenhaus verfrachtet. Glücklicherweise hatte sich das Wasser auf dem Weg von Herd auf mein Bein schon soweit abgekühlt, dass nach einigen Jahren nicht mehr viel von den Brandnarben zu erkennen war. Das hatte Konsequenzen, die ollen Seitenteile flogen erstmal in die nächste Ecke, aber da war der Brunnen schon auf’s Kind gefallen. Nicht immer blieb es bei einem Besuch beim Notarzt, einmal reichte es auch für einen kurzen Krankenhausaufenthalt. Mit meinem Kumpel Diethardt kam ich grade aus dem Kindergarten, mit einem Ast in der Hand, einen Kopf größer als ich, schön buschig und noch voller Laub, den ich am Straßenrand gefunden hatte. Ich dachte: „Oh, Schöner Ast! Nimm den erst mal mit nach Hause, kann ich vielleicht noch mal gebrauchen!“
Dieser Ast versperrte mir leider die Sicht auf die Straße die ich überqueren wollte und übersah dadurch das erste Gefährt welches seit etwa einer Stunde diese Straße frequentierte, ein Motorrad mit Beiwagen. Für den Motorradfahrer schien ein die Straße querender Strauch keine Gefahr darzustellen oder ich war einfach zu schnell. Augenblicke später lag ich unterm Beiwagen. Is schon bisschen komisch wie’s sich’s anfühlt, wenn der Schädel über’s Kopfsteinpflaster hoppelt. Daraus wurde dann ein großes Taram gemacht und ich ins Bett verfrachtet: „Der Junge könnte ja n’e Gehirnerschütterung haben.“
Der Motorradfahrer entschuldigte sich tausendmal, wer rechnet auch mit Strauchdieben auf son'er einsamen Straße.
„Ins Krankenhaus, de Jung mut ins Krankenhaus!“ die Frauenriege schwirrte aufgeregt durch's Zimmer. Und: „Wo bleibt denn nur Jürgen, dat der auch nich nach Hus kümmt!“
Vater war ausgerechnet diesen Tag in der Usedomer Molkerei eine Maschine reparieren. Muttern stand nervös trampelnd an der Straße wartend: „Wenn man den schon mal braucht!“
Das dauerte ihr entschieden zu lange, schnell zur Postbaracke und anrufen. So schnell gab's aber keine Verbindung, die Frau von der Post erklärte sich bereit den Abruf zu übernehmen. Wieder zu Hause, wieder an der Straße wartend, aber keiner kam. Zurück zur Post: “Wat is denn nu?“
Die Postfrau: „Ich hab vor'n paar Minuten angerufen, die sind schon aus der Molkerei lange wech!“
Der Alte war verschwunden, zumindest zeitweise. Der hatte sich im Deutschen Haus nach der Arbeit mit seinen Kollegen noch etwa gemütlich gemacht und trudelte nach dem Feierabendbier endlich zu Hause ein.
Von dem Trubel bekam ich nicht viel mit, ich dachte nur: „Gehirnverschüttung“, so’n Quatsch und wollte einfach nur meinem schönen Ast haben. Die trauten meinem Schädel solche Nehmerqualitäten nicht zu und glaubten auch nicht an die Kompetenz des Dorfkrankenhauses in Heringsdorf einen solch komplizierten Fall zu behandeln, diesmal ging’s ein bisschen weiter, ins Kreiskrankenhaus nach Wolgast. Jetzt hatte ich ruhe vor meiner Familie, für einen Besuch am Abend war's bis Wolgast einfach zu weit. Das war nicht so schlimm für mich, ich staunte über das große Zimmer und über meinem interessanten Zimmergenossen. Und was der mir alles für Sachen erzählte!
Weil meine Eltern nicht kommen konnten schickten sie mir mein Kuscheltier, das ein Typ brachte, der es aus einem Sack zog und ich voller Freude dachte: „Weihnachten, is schon Weihnachten! Aber warum schenkt mir der blöde Weihnachtsmann alte Sachen?“
Ich freute mich trotzdem, das Reh war schließlich mein einziges Stofftier und Freund in der Not.
Dem ollen Kopfsteinpflaster ging es auch an den Kragen, zum Ende meiner Kindergartenzeit bekamen die Feldsteine einen Überzug aus Asphalt und die Fahrbahn legte etwas an Breite zu. Davor war diese Straßen quasi einspurig, so schmal, dass zwei Autos nicht nebeneinander vorbeifahren konnten. War weniger problematisch, ein Auto von vorn selten, der Individualverkehr steckte noch in den Kinderschuhen. Deswegen wurde der Weg zum Kindergarten auch nicht als so gefährlich eingestuft und ich ging meist ohne Begleitung dahin.
Die Kopfsteinpflasterstraße vor unserem Haus, die mit der neuen Teerdecke überzogen auch etwa an Breite zulegte.
Irren ist Menschlich, ein einsames Motorradgespann belehrte eines besseren. War ja auch nicht weit, etwa 200 Meter Luftlinie, und bei Schimmels über'n Hof nur drei Minuten Fußweg. Der Kindergarten, eine einfache Baracke aus Presspappe mit zwei kleinen Räumen, im Winter beheizt mit Elektroheizungen. Auch das blieb nicht ewig so, eines Tages zogen wir mit Krims und Krams in die alte Schule, unseren neuen Kindergarten um. Mit mir hatte man höheres vor, ich sollte zu einer »allseitig und harmonisch entwickelten sozialistischer Persönlichkeit, die bewußt das gesellschaftliche Leben gestaltet, die Natur verändert und ein erfülltes, glückliches, menschenwürdiges Leben führt«4 erzogen werden. Die Gesellschaft schritt voran, da entsprach n’e Dorfschule nicht mehr den Geist sozialistischer Bildung, jeder sollte das »gleiche Recht auf Bildung haben. Die grundlegenden Bestandteile des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems waren u.a. - die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule (POS)«5. Die POS Albin Köbis6 in Zirchow; neu, groß, modern - mit Turnhalle, großem Schulhof, mit Chemie- und Physikraum, Werkraum nur im Keller - aber immerhin, Schulgarten und Bronzeplastik vom Namensgeber im Foyer. Unmöglich für die Dorfschule da mitzuhalten, diese im Stiel der Gründerzeit aus roten Klinker gebaut, ein Klassenraum, der Schulgarten weit ab vom Schuss und ein Lehrer zuständig für alle Jahrgänge. Die Schule hatte zwar einen großzügigen Garten, der aber vom Lehrer für den Eigenbedarf beschlagnahmt, die Schüler zu einen Fußmarsch in Richtung Ulrichshorst in Bewegung setzte. Der Schulgarten befand sich jetzt schräg gegenüber von unserem Haus auf der anderen Straßenseite, gleich neben der Bürgermeisterei.
Das bedeutete das Ende einer Ära; Oma und Mutter durften die Auswirkungen Preußischer Bildungspolitik genießen und selbst meine Schwester Ute, blieb in ihren ersten Schuljahren davor nicht verschont. Dies auch das Ende einer Fotostory, sämtliche Schüler oder Schulklassen wurden vor der Schuleingangstür verewigt, die bis dato das meistfotografierte Objekt in Korswandt war. Mir blieb dasselbe dennoch nicht erspart, als Erinnerung an den letzten Kindergartentag, mit Turnbeutel und Blumenstrauß. Von »einer Erziehung zu wahrhaft menschlichen Eigenschaften, schon im Kindergarten[...] von klein an zur sozialistischen Moral[...] die der verlogenen, heuchlerischen bürgerlichen Moral entgegengesetzt, ihr haushoch überlegen ist.«7 kriegte ich nicht allzu viel mit, der Hauptgrund war eher, dass Muttern voll arbeiten konnte, deswegen hatte diese hochmoralische Erziehungsanstalt auch von 7 bis 16 Uhr geöffnet. Ich kann nicht sagen inwieweit diese bemerkenswerte Erziehung Einfluss auf meinen Kampfeswillen gegen heuchlerische Tendenzen hatte, immerhin gab’s zu Mittag eine warme Mahlzeit und danach ging’s in die mit Liegen ausgestattete obere Etage zur Mittagsruhe.
Ute am ersten Schultag, ich am letzten Tag meiner Kindergartenzeit vor der Schultür.
So ein Nickerchen ist nicht verkehrt, ich schöpfte neue Energie für meist unpolitische Auseinandersetzungen mit den anderen Spielgenossen. Ich machte schon damals nicht viele Worte, saß einer auf meinem Platz forderte ich diesen nicht verbal auf diesen zu räumen, sondern setzte mich neben ihn auf den Stuhl und drängelte den Besatzer langsam runter, bis ich da saß, wo ich meinte hinzugehören. Ich hatte auch nicht das Bedürfnis nach unentwegter Konversation mit den anderen Kindern, Oma Lotte traf mit ihrem, »Reden ist Silber - schweigen ist Gold« voll ins Schwarze. Ich beschäftigte mich lieber mit riesigen Bauklötzern aus Holz, die übereinander gestapelt zum Ozeandampfer wurden mit den ich über den Fußboden schipperte. Da es zu Hause an gleichwertigem Spielzeug mangelte, beschäftigte ich mich mit verfügbaren Dingen - zerriss mit großer Begeisterung Zeitungen in kleine Stücke. Diese lagerte ich dann in mehreren Plastiktüten zu späteren Verwendung ein.
„Was soll dat?“, Muttern konnte meiner neuen Passion nichts abgewinnen.
„Die ganzen Schnipsel, wird hier alles nur dreckig!“
Oma Lotte verstand mich irgendwie besser: „Lo’t den Jung doch mocken, wenn he Spass dorbi het.“
Zur Freude von Mutter’n war dieses Hobby nach ein paar Tagen wider beendet, was sollte auch ein vierjähriger mit soviel Papierschnipsel anfangen. Damit war das Feuer für meine männliche Sammel-Leidenschaft entfacht, als nächstes stachen mir die auf dem Hof umherliegenden Zigarettenkippen ins Auge. Ich fuhr mit meinem großen Plastekipper über'n Hof und sammelte diese ein. Entweder rauchte der Alte zuviel oder meine Kondition hatte sich verbessert, ich schaffte es, zwei große Gurkengläser (die richtig großen) vollzukriegen, bis meine Eltern davon Wind bekamen und mir weitere Tätigkeiten in dieser Richtung untersagten. Selbst Oma war total aus dem Häuschen: »Jetzt ward de Hunn in’e Pann verrückt«.
„Wat mog't de Bengel jetzt al'wedder?“
Eigenartig diese Erwachsenen. Was war an alten Kippen so gefährlich? Wo Vadder die doch einfach überall in der Gegend verteilte.
1 Klar, und die jungen Kerle schmieren sich Zeug ins Haar und sehen aus als wenn sie ein Vogelnest auf dem Kopf hätten. Dein Onkel Max war genau so einer. Den haben sie erzählt wenn, er sich Hühnerkacke unter die Nase schmiert wächst sein Bart schneller. Das hat er wirklich gemacht, aber trotzdem nur ein paar Stoppeln am Kinn gehabt.
2 DT64, Das Buch zum Jugendradio, S. 23.
3 ebenda
4 Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem, 1965, § 1.
5 Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem, 1965, § 2.
6 Soldat der Kaiserlichen Marine, der wegen Beteiligung an einer Meuterei während des Ersten Weltkriegs hingerichtet wurde.
7 Honecker M. 1978: Schlusswort des Ministers für Volksbildung; VIII. Pädagogischer Kongreß im Herbst 1978 in Berlin.
Mariechen
Der junge Mann blickte verstört als er nach einer Unterkunft für die Nacht an der Tür klopfte und meine Uroma vor ihn stand. Ein Gesicht von unzähligen tiefen Falten durchzogen, und das durch die fehlenden Zähne hervorstechende Kinn, ließ ihn den auf der Schulter sitzenden schwarzen Kater vermissen. Dann noch diese mit aussprießenden Haaren bewachsene Warze am Kinn und die übergroßen Ohren. Das Gesicht auch noch von einem Kopftuch eingerahmt, machte sie ohne weiteres Baba Jaga8 Konkurrenz. Für mich hatte sie absolut nichts von einer Hexe, sie war einfach mein geliebtes Oma Mariechen.
Schon allein die Tatsache, dass ich bei einer Frau ihres Alters ein -chen anhängte lässt keinen Zweifel an der innigen Beziehung zwischen uns, das wäre mir, selbst bei meiner Tante nie eingefallen. Außerdem war ich erklärter Liebling meiner Omas. Meine Schwester Ute, bei der Heirat von Vater mit in die Ehe gebracht hatte da keine Chance. Zwangsläufig verbrachte ich viel Zeit bei Uroma, alle anderen gingen ihren Tätigkeiten nach, Vater war auf Montage, Mutter und Oma Lotte arbeiteten im FDGB-Feriendienst als Zimmerfrauen. Sie ersparte mir ein Dasein als Hortkind (als Hortkind bezeichnet zu werden war beileibe keine Nettigkeit), ich hatte einen Aufpasser - den Oma Marie, die gleich gegenüber, in unseren Sprachgebrauch drüben wohnte. Da bestand auch keine Verwechslungsgefahr mit dem anderen drüben, damit gemeint war in der Regel das andere Deutschland – das hinter der Mauer.
Der letzte Tag im Kindergarten.
Ich (weißes Hemd mit zwei Querstreifen) war nicht der einzige in Strickhosen, auch andere teilten mein Leiden, wie mein Kumpel Diethard (ganz vorn).
Für mich war drüben nur da wo Oma wohnte, am anderen Ende vom Zaun, der zwischen den beiden Häuser den Vorgarten vom Hof abtrennte.
„Dieäk, Dieäääk, wo bleibst du? Nu kommt mal alle nach vorn, die spielen gleich ein Ständchen!“
War's wieder soweit? Der Posaunenchor kam zu allen die achtzig Järchen voll hatten und beglückte diese mit einem Geburtstagsständchen. Alles in heller Aufregung, nur mich brachte nichts dazu mich bei meiner Oma vor der Haustür aufzubauen. Ich beobachtete das Spektakel von der Hofseite, über den Bretterzaun blickend. So war nur meine obere Hälfte zu sehen, das peinliche Unterteil mit den Strickhosen verbarg sich schamhaft hinterm Zaun. Dieses bestricken, wenn auch nur aus der Not geboren, war absolut oberpeinlich für mich, mit kurzen gestrickten Hosen und gestrickten Hosenträgern in der Öffentlichkeit präsentiert zu werden. Mutter fand das auch noch schick und ihr Kommentar dazu lässt die nötige Reue vermissen: „Wir hatten damals doch nichts anderes!“
Eine, aus einem alten Kartoffelsack genäht Hose wäre mir nicht halb so peinlich gewesen. Mit wenigen Ausnahmen war ich von dem mir aufgezwungenem Bekleidungsstiel auf Kriegsfuß, meine Lieblingskleidung zu dieser Zeit war eine Hirschlederhose mit echten Hornknöpfen und Hosenlatz. In totaler Ignoranz pommerschen Brauchtums spazierte ich damit durchs Korswandter Unterholz. Mit dieser Hose konnte ich machen was ich wollte, nicht kaputt zu kriegen. Ersparte mir viel Ärger mit Muttern. Die hielt wirklich so lange, bis ich aus dieser rausgewachsen war. Somit war ich aber der einzige, welcher dem urdeutschen Trachtenbrauchtum etwas abgewinnen konnte. Oma Marie trug immer eine Kittelschürze, vorn immer total abgerappelt und unansehnlich, weil sie beim Brotschneiden das Brot an ihre Brust drückte und dann mit dem Messer eine Scheibe abschnitt. Ein Schneidebrett war ihr absolut unbekannt, alles schnippelte sie in der Hand haltend, selbst die Zwiebeln wurden einmal kreuz und dann quer eingeschnitten um kleine Würfel zu erhalten. Mir war diese Art und Weise zu mühselig, schnitt ich zu weit in die Zwiebel, zerfiel die in ihre Teile und Essig war's mit den Würfeln. Außerdem blieb am Schluss immer ein Stück übrig, welches auf diese Art nicht zu zerkleinern war. Aber Oma war darin Meister, sie hatte auch genug Übung, denn alles was sie zu sich nahm zerschnitt sie vorher in kleine Stücke. Ohne Zähne zwingende Voraussetzung um nicht an einem Stück Fleisch zugrunde zu gehen, der Rest zermahlte das Zahnfleisch. Trotzdem konnte sie alles fast Problemlos essen, kein Zahnarzt hatte jemals an ihr einen Pfennig verdient.
Ich, in meinen Lederhosen und mit meinen Sandformen. Mein Buddelkasten war der ganze Hof, dank der gefräßigen Hühner wuchs dort nichts mehr.
„Oma, du warst nie beim Zahnarzt?“
„Nie! Brugt ich nich, de sin allee'n rutfall'n.“
Das setzte mich in Erstaunen, Zähne waren für mich unabdingbar zum zerkleinern fester Nahrung und kam um die Frage:
»Wie machst du das?« nicht herum.
Die einsilbige Erklärung „Na so, kiek“, stellte mich nicht ganz zufrieden und auf meinen fragenden Blick legte Oma Lotte noch nach „Sie hat schon solange keine Zähne mehr, sie ist das nu mal gewöhnt.“
Aha, jetzt war ich schlauer. Nicht nur ihre fehlenden Zähne waren ungewöhnlich, auch die Alterswarze am Kinn mit dem Urwald an Haaren. Hierbei waren meine Fähigkeiten gefragt: „Jung, kümm ei’s. Schnie mi mol de Hoor dor af.“
Zu ihren Unglück erwischte meine ungeschickte Kinderhand auch schon mal ein Stück Haut, was ihr nur ein „Au!“ entlockte, mir aber furchtbar leid tat und sie einige Zeit brauchte um ihre Unversehrtheit zu beteuern. An ihrem Hinterkopf wuchs auch noch eine Haarbeule und ich kapierte erst, als ich sie das erste mal beim frisieren ihrer Haare zusah, dass dieser Dutt kein natürliches zu Körper gehörendes Organ war, sonder nur zum aufwickeln ihres dünnen aber noch erstaunlich langem Haar diente. Abgesehen von ihren ungewöhnlichen optischen Erscheinung war sie so normal wie ein Mensch ihres biblischen Alters nur sein kann, die nicht immer erfreulichen Geschehnisse vergangener Jahre hatten nicht vermocht ihr ihre Fröhlichkeit zu nehmen.
Schon ihre Kindheit begann mit einem schweren Schicksalsschlag, der Vater verstarb kurz nach ihrer Geburt, der neue Mann ihrer Mutter wollte nichts mit ihr zu tun haben - ein waschechter, dazu noch hartherziger Stiefvater. Sie wuchs sie bei einem Vormund auf, kam bei einer Familie in Heringsdorf unter. Als zusätzlicher Esser bekam sie den Platz eines Dienstmädchens zugewiesen, immerhin so etwas wie eine Familie. Die Gastfamilie schlug damit zwei Fliegen mit einer Klappe, konnte sich als Wohltäter darstellen und hatte eine billige Arbeitskraft, schon als kleines Mädchen musste sie Essen kochen, noch so klein, dass sie einen Hocker brauchte um an den Herd zu gelangen. Vielleicht gerade darum reifte sie zu einer selbstbewussten jungen Frau heran, die sich nicht um den Ruf ihrer Familie scheren musste und im Zuge des sich anfangs des Jahrhunderts verändernden Frauenbild selbstständiger handeln konnte und demnach auch eine Reise nach Dortmund nicht scheute um ihren dort lebenden Bruder Richard zu besuchen.
Neben der Arbeit durfte der Spaß nicht zu kurz kommen, eine Familienfeier so fern der Heimat war ein guter Anlass mal was zu erleben. Wie groß ihre Familie wirklich war, davon hatte sie überhaupt keine Ahnung, bis ein ansehnlicher junger Mann vor ihr stand: „Fräulein, dürfte ich um einen Tanz bitten?“
„Aber natürlich!“ und dachte: „Ich werde doch solch feschen Burschen keinen Korb geben.“
Wilhelm, ihre neue Bekanntschaft wolle natürlich wissen mit wem er es zu tun hatte: „Fräulein, hab ich sie nicht schon mal irgendwo gesehen?“
„Unmöglich, ich bin nicht von hier!“
Er ebenso wenig, und wie sich herausstellte standen sie sich näher als gedacht, sie hatten einen gemeinsamen Verwandten, ihr zukünftiger Schwiegervater war mit einer ihrer Tanten verheiratet gewesen. Geheiratet wurde dann doch in Wilhelms Elternhaus in Korswandt, das bedeutete endlich ein eigenes Zuhause für Marie. Die räumliche Entfernung zu ihrer alten etablierten Umgebung betrug nur wenige Kilometer, die sprachliche etliche mehr. Schon allein wie alle hier redeten: Platt! In ihrer bürgerlichen Gastfamilie total deplatziert, war jetzt ihre hochdeutsche Ausdrucksweise fehl am Platze, alle veralberten sie deswegen. Ihr blieb keine Wahl und musste sich ihre Sprache aus Kindertagen erneuert aneignen.
Maria und Wilhelm 1912 in Dortmund. In der Mitte Wilhelms Bruder; Otto Runge.
Ihr Glück fiel auf keinen fruchtbaren Boden, Wilhelm’s Anstellung bei einer Dortmunder Baufirma war sowieso bald Makulatur. Das Vaterland verlangte seinen Tribut, die Schützengräben in Frankreich brauchten Kanonenfutter und nach 4 Jahren Töten, Entbehrung, Angst und Hunger kam er endlich wieder zu seiner Familie zurück. Besser, besser wurd’s beileibe nicht; Wirtschaftskrise, Inflation und wieder auf Arbeitsuche in halb Deutschland, bis er letztendlich eine Arbeit auf dem Swinemünder Bauhof fand. Das hätte vielleicht Glück für die Familie bedeuten können, Wilhelm verbrachte jetzt jeden Abend zu Hause, den einstündigen Fußmarsch zur Arbeit nahm er gern in kauf, immer noch besser als Wochenlang in der Fremde. Aber das Schicksal entschied sich anders, der nächste Krieg stand bevor, diesmal sollten ihre Söhne die großdeutsche Großartigkeit in die Welt tragen. Der unheilvolle Ausgang: ein Gedenkstein auf dem Korswander Friedhof, eingraviert 18 Namen, zwei davon gehörten ihren Söhnen und einer dem Schwiegersohn. Noch 30 Jahre später versuchte sie sich damit zu trösten nicht unmittelbar an diesem Unglück schuld zu sein: „Zweiunddreißig, da haben wir als einzige die Kommunisten gewählt!“
Wilhelm an der Westfront auf einer Postkarte an seine Familie. Im Hintergrund seine Unterkunft; eine mit Dachpappe benagelte Hütte.
Brachte aber überhaupt nichts, die KPD hatte nur ca. 7% Stimmanteil in der Gegend. Das Wort Krieg wurde so gut wie nie in den Mund genommen, auch wurde wenig über die Vergangenheit erzählt, die Erinnerungen waren wohl zu schmerzhaft um darüber reden zu wollen. Das wenige blieb immer kaum fassbar: „Dein Opa war ein sehr guter Mann, aber er hat die Gefangenschaft nicht lange überlebt.“
Diesen Satz hörte ich mehr als einmal und erweckte bei mir den Eindruck von jahrelangem Leiden in sibirischen Arbeitslagern. Als ehemaliger Angestellter des Marine-Hafenbauamtes kam er aber schon im Oktober 1946 nach Hause, schlug sich als Kleinbauer durch, seine alte Arbeitsstelle lag jetzt im polnisch besetzten Gebiet und um etwas Bares in der Brieftasche zu haben arbeitete er als Maurer bei Bauern in der Umgebung.
Immerhin als ein Glücksfall zu betrachten war, dass die neue Grenze wenige Kilometer hinter Korswandt verlief, die Polen hatten schon Pläne in der Tasche diese bis weit auf die Insel auszuweiten. Polnische Nationalisten erinnerten sich daran, dass im Frühmittelalter die Insel der slawische Fürst Mieszko I. eroberte und dort Slawen angesiedelte, um daraus einem Anspruch auf das westliche Pommern abzuleiten.
Die Situation in Swinemünde war nach dem Krieg völlig unklar, von Stalin den Polen zugesprochen, von deutschen bewohnt und mit einer russischen Garnison besetzt. »Auf der geteilten Insel Usedom relatievierte die Rote Armee allerdings wegen ihrer militärischen Interessenlagen in Swinemünde die staatshoheitlichen polnischen Bemühungen. Um die Versorgung und den Transit ihrer Soldaten und Offiziere und der rund 1700 deutschen Arbeitskräfte in der Stadt zu sichern, führte sie ein eigenes Grenzregime ein.«9
Die Interessen der Rotbannerflotte blockierte die Ambitionen der Polen sich auch noch den Rest der Insel einzuverleiben, dank derer war ihr wenigstens der Hof geblieben. Die Russen verhinderten in diesen Fall das Einreihen in den endlosen Flüchtlingszug nach Westen.
Unser Hof, hervorgegangen aus n'er Büdnerstelle10 welche von Opa Wilhelm durch zugekauften Acker noch vergrößert wurde, ein Stück davon dicht beim nächsten Dorf in Ulrichshorst, aber als Landwirtschaft zu klein und weit auseinander gelegen um wirtschaftlich arbeiten zu können. Das alles ohne Pferd, ohne Pflug. Mit Knochenarbeit und Entbehrung. Es sollte nicht einfacher werden, Wilhelm starb 53 und damit ging der letzte Mann vom Hof.
Die Arbeit wurde nicht weniger, nur komplizierter. Wie sollte es jetzt weitergehen? Geld war knapp, nur Omas kleine Rente und ein schmaler Erlös aus dem verkauf einiger Zentner Kartoffeln standen auf der Einnahmenseite. Heu und Futter für 2 Kühe und 2 Schweine einbringen, den Acker bestellen und ernten, das alles erledigt von drei Frauen die älteste 65, die Jüngste grade mal 10 Jahre alt. Es musste gehen, egal wie!
Opas letzte Fahrt. Links und rechts vom Haus noch die unfertigen unverputzten Anbauten am ehemaligen Gästehaus.
Das Pflügen übernahm Bauer Schimmel von gegenüber, der sich diese Dienstleistung dann aber von meiner Oma Lotte auf seinem Hof wieder abarbeiten ließ. Die nächste einschneidende Änderung brachte die seit Anfang der Fünfziger beginnenden Gründungen der LPGn. Diese Genossenschaftsbildung wurde von einem Großteil der Bauern abgelehnt, aber da die Partei immer Recht hat, führte das 1960 zur der Zwangskollektivierung der unabhängigen Bauern. Auch der kleine Hof meiner Familie wurde von dieser Zwangsmaßnahme nicht verschont, meine Omas heulten Rotz und Wasser als sie als diese Nachricht erhielten. Sie wurden über Nacht Mitglied in der LPG Am Wolgastsee. Praktisch eine Enteignung, und das wurde auch so aufgenommen. Dieses stellte sich aber mehr als Segen, denn als Fluch heraus, meine Mutter verdiente schon etwas dazu und Oma Lotte hatte kurz vorher eine Arbeit als Zimmermädchen im Bernhard Göring11 angetreten. Wozu die Tränen? Auf das Ackerland konnten sie getrost verzichten, für zwei Kühe, das eine Schwein und die paar Hühner reichte ein Stückchen Wiese hinterm Haus, die Arbeit wurde weniger, auch weil die lästigen staatsverordneten Pflichtabgaben an landwirtschaftlichen Produkten12 wegfielen.
Oma Lotte und Oma Marie beim Kartoffelstöpseln.
Die finanzielle Lücke wurde durch ein Ferienlager, das 1959 den Betrieb aufnahm, mehr als geschlossen. Betrieb aufnehmen hießt normalerweise, dass etwas funktioniert oder arbeitet, in diesem Fall bedeutete das vollständige Improvisation. Die Feriengäste, Frauen die in einem Braunkohlekraftwerk in Halle Kohle schaufelten, schliefen mit ihren Kindern auf Strohsäcken in Nachbars Scheune, gegessen wurde draußen und wenn es mal regnete gab’s das Essen dann im Kuhstall, die Kühe standen ja auf der Weide. Später übernahm die Pasewalker Großbäckerei das Ferienlager, jetzt schliefen sie in Doppelstockbetten auf richtigen Matratzen und für’s essen gab’s ein Zelt. Die Toiletten aus Brettern zusam men genagelt, selbstredend ohne Wasser, für die Wasserversorgung war allein die Holzbaum-Ständerpumpe, die im Vorgarten stand, zuständig. Da hatte die Waschrinne draußen am Haus schon einen hauch von Luxus, aber selbst ein wenig empfindliches Industriebäckerkind hat Anspruch auf gewisse Annehmlichkeiten, Plumpsklo und Handpumpe reichten Anfang der 70er nicht mehr um sozialistische Persönlichkeiten für den Aufbau der klassenlosen, kommunistischen Gesellschaft zu erfrischen. Das Aus, wegen unzureichender hygienischer Standards.
Auf dem Hof wurde es eng, das Ferienlagerzelt nahm viel Platz in Anspruch, die improvisierte Küche stand einfach da, wo Platz war.
Die Holzbaum-Ständerpumpe im Vorgarten, links oben im Bild das Hinweisschild auf das Ferienlager. Da Oma Lotte sowas wie'n Badeanzug nicht besaß, lief sie einfach in Unterwäsche übern Hof.
8 Figur aus der slawische Mythologie, im sowjetischen Märchenfilm Hexe die in einem Haus auf Hühnerbeinen lebt.
9 Bernd Aischmann, Die Grenzziehung auf der Insel Usedom 1945 bis 1951, aus Der Golm und die Tragödie von Swinemünde.
10 Kleiner Hof mit wenig Land.
11 2. Vorsitzender des FDGB, Namensgeber eines Ferienheims in Ahlbeck.
12 1956 für Marie Runge; Lebendvieh ohne Schwein 67 kg, Schwein 83 kg, Milch 993 kg, Roggen 0,87 dz (Doppelzentner), Kartoffeln 5 dz und 0,89 dz Heu.
Konsum [kn'zum]13
Schon 1960 brachte das Ferienlager genug finanzielle Ausbeute für ein Luxusgut aller erster Güte, ein Iris 17 B vom VEB Stern Radio Staßfurt. Nee, kein Radio. Ein nagelneuen Fernseher, kaum bestellt, schon abholbereit bei der BHG (Bäuerliche-Handels-Genossenschaft). Um die Bauern für den nicht immer freiwilligen Beitritt zu LPG ein wenig zu entschädigen, gab’s auch mal einen Fernseher bei der BHG, eigentlich ein Großmarkt für Waren des landwirtschaftlichen Bedarfs.
„Ernst! Ik haf hürt, du führst mojen tau de BHaaGeh nach Dargen?“
„Jau, mok ik.“
„Künnst du mi min nijen Fehrnsehapparat mitbring'n?“
„Mit de Pierwaagen? Ob dat ma jutgeit?“