Die Schwarze Witwe - Catherine May - E-Book

Die Schwarze Witwe E-Book

Catherine May

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Beschreibung

Erst sieht es aus wie ein Unglücksfall und ein Zufall. Aber schnell kommen Zweifel auf an den Motiven der vollbusigen Blondine, die plötzlich da ist und das beträchtliche Erbe beansprucht. Als sie für einen Augenblick von der Bühne veschwindet, heißt es, schnell zu handeln: ein Double muss her, das ihre Rolle übernimmt und das Erbe antritt, bevor sie zurückkehrt. Als Kandidaten stehen allerdings nur Martin, Carsten und Andreas zur Auswahl. Das Los fällt auf Andreas und von einem auf den anderen Augenblick beginnt für ihn das Leben als 'Simone'.

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Seitenzahl: 116

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Inhalt

Vorspiel

Der Plan

Vorbereitungen

Rückkehr

Termine im Rock

tempus fugit

Irrungen und Wirrungen

Nach Hause kommen

Hinweise auf weitere Bände der Reihe „Crossdresser-Erzählungen“

Vorspiel

Wenn eine Frau so aussieht, hat sie es einfacher im Leben! Vollkommen regelmäßige Gesichtszüge, blonde Mähne, volle Lippen – wie der Busen, dessen freizügig präsentiertes Dekolletee nichts weniger als das Paradies auf Erden verheißt. Sich dahinein zu verlieren, musste sein, wie nach langer Abwesenheit nach Hause zu kommen, in die warme Stube, ins heiße Bett …

Für einen Augenblick verlor sich Martin in diesen Gedanken. Wenn sie nicht so bitter gewesen wären, hätte er vielleicht sogar versucht, selbst bei dieser Frau zu landen, von der er spürte, dass sie eigentlich einer anderen Welt angehörte als der seinen: So eine Frau hatte ihn bisher immer eingeschüchtert. Aber nun, da sie so ganz unverhofft in seine Familie hineindrängte, schienen ihm die Grenzen nicht mehr so hoch zu sein. Immerhin saß sie auf dem Sofa in dem ihm so wohlbekannten Wohnzimmer, in dem sich, so lange er denken konnte, nur Angehörige der Familie und enge Freunde seines Großvaters aufgehalten hatten.

Sein Opa, zu dessen Haus dieses Wohnzimmer gehörte, war ein eher scheuer Mann. Er war nicht so alt, wie es die Bezeichnung „Opa“ nahelegen konnte. In seiner Familie hatten immer alle früh geheiratet – oder jedenfalls Kinder bekommen – und so war auch sein Großvater eigentlich noch in den so genannten besten Jahren. Allerdings hatte er in den vergangenen Jahren mehr Zeit in Krankenhäusern zugebracht als zu Hause, und noch immer war nicht ganz klar, woran er aktuell eigentlich litt. Tatsache war nur, dass er weiter an Gewicht verlor. Dabei sah er eigentlich gesund aus. Aber er nahm ab. Das war unbestreitbar und bisher auch unaufhaltsam. Jedenfalls waren die Ärzte nun am Ende ihres Lateins und bis sie auf neue Ideen kamen, verbrachte sein Großvater wieder einmal einige Zeit zu Hause.

Und da war plötzlich diese Frau aufgetaucht. Jünger noch als Martin, wenn auch so sehr Frau, wie man es sich nur vorstellen konnte. Es war nicht ganz klar, wo sie eigentlich hergekommen war. Martin war sich nicht sicher, aber sie musste irgendetwas mit dem Krankenhaus zu tun haben.

„Also“, begann er, als die junge Frau Atem schöpfen musste, um weiterreden zu können, „ich habe das nicht ganz verstanden: wie habt ihr euch denn nun kennengelernt?“

Der Opa, der ebenfalls auf dem Sofa saß und dessen Hand die Frau hielt, als sei das schon seit 30 Jahren so, winkte ab. „Lass doch diese unerfreulichen Geschichten. Ich will nicht an’s Krankenhaus erinnert werden!“

„Ich meine nur“, versuchte Martin sich zu rechtfertigen. „Ihr habt euch also im Krankenhaus kennengelernt.“

„Weil du es unbedingt wissen willst“, nahm nun die Frau, deren Namen sich Martin vor lauter Verwirrung noch immer nicht gemerkt hatte, das Wort wieder an sich, „ich habe deinen Opa kennengelernt, als ich dort einen Krankenbesuch machte. Er saß mutterseelenallein in der Cafeteria und ich fand dieses Bild so anrührend, dass ich mich unbedingt zu ihm setzen musste.“

„Und wen hast du dort besucht?“

„Das tut doch jetzt nichts zur Sache, oder?“ versetzte sie – etwas scharf, wie Martin fand. „Jedenfalls haben wir uns ganz wunderbar unterhalten. Es war fast so, als wenn wir uns schon immer gekannt hätten. Als wenn wir sozusagen seelenverwandt wären.“

„Ach, seelenverwandt …“, entfuhr es Martin, der das vage Gefühl hatte, die meisten der Formulierungen, die sie verwendete, irgendwo schon einmal gehört zu haben.

„Ja, seelenverwandt. Wir verstanden uns auf Anhieb. Und dabei war es ganz offensichtlich, dass es ihm ganz und gar nicht gut ging. Die Ärzte hatten ihm gerade einfach so gesagt, dass sie nicht weiterwüssten und dass sie ihn erst einmal nach Hause schicken wollten, bis die Untersuchungsergebnisse alle ausgewertet sein würden und sie sich über ihr weiteres Vorgehen klar geworden seien. Und damit hatten sie ihn ganz allein dort sitzen lassen.“

„Aber hattest du darüber nicht vorher mit Mama gesprochen?“, wandte sich Martin wieder an seinen Opa, „ich dachte, ihr hättet miteinander telefoniert.“

„Ach, Telefonate!“ Die junge Frau schien die Kontrolle über das Gespräch nicht aus der Hand geben zu wollen. „Es ist doch etwas ganz anderes, ob man durch einen Telefonhörer spricht und Informationen austauscht oder persönlich miteinander redet. Ist es nicht so, Richie?“ Und dabei streichelte sie betont liebevoll die Hand des alten Mannes.

‚Richie!‘, dachte Martin. Sein Großvater hieß Heinrich. Niemand in der Familie hatte ihn jemals ‚Richie‘ genannt. Überhaupt war diese Art von Kosenamen in seiner Familie bisher gänzlich unüblich. Sein Großvater war sogar derjenige gewesen, der sich am vehementesten gegen diese ‚Amerikanisierung‘ gewendet hatte. Jetzt war er also ‚Richie‘. Interessant.

„Jedenfalls weißt du jetzt, wie wir uns kennengelernt haben“, knurrte der Opa und beendete damit kurzerhand das Gesprächsthema.

„Und was genau machst du so?“, wandte sich Martin daraufhin an die Frau und bemühte sich mit wenig Erfolg, nicht in ihr einladendes Dekolletee zu starren, „ich meine: beruflich.“

„Wird das hier jetzt ein Verhör?“, fuhr sein Opa sofort wieder dazwischen und Martin empfand das als so aggressiv, dass er instinktiv in seinem Sessel zurückwich.

„Nein, lass ihn nur, Liebster!“ Wieder streichelte sie seine Hand, zog sie zu sich und legte sie auf ihren Oberschenkel – einen makellosen Oberschenkel selbstverständlich, scheinbar nackt, in Wirklichkeit unter dem kaum sichtbaren Stoff einer Feinstrumpfhose. Ihre Oberschenkel, die dicht nebeneinander lagen, sahen unter einem in Martins Augen überraschend kurzen Rock hervor. „Er weiß doch noch gar nichts von mir.“

„Er weiß genug! Mehr muss er gar nicht wissen.“

Martin räusperte sich. „Entschuldige bitte, Opa, ich war vorhin bei der Begrüßung ein bisschen abgelenkt … überrascht, vielleicht, so dass ich nicht alles richtig mitbekommen habe. Daher wäre ich dankbar …“

Ihre Hand tätschelte nun beruhigend den großväterlichen Oberschenkel. „Das ist ja ganz verständlich. Allerdings kann ich jetzt leider nicht länger bleiben. Ich muss mich sowieso schon beeilen. Um fünf muss ich am Bahnhof sein und die Zeit wird schon knapp.“

Damit erhob sie sich vom Sofa, auch der Opa und Martin standen auf.

„Es war schön, dich kennengelernt zu haben“, sagte sie, als sie an Martin vorbei in Richtung Tür ging. Sie reichte ihm die Hand. „Ich hoffe, wir sehen uns bald einmal wieder.“

Martin nahm die Hand und drückte sie leicht. Sie war sehr schmal, wirkte aber durchaus nicht zerbrechlich, sondern überraschend kräftig. „Das hoffe ich auch, denn wenn ich es richtig verstanden habe, gehörst du ja jetzt sozusagen zur Familie, oder nicht?“

Sie lachte und wurde im nächsten Augenblick vom Großvater zur Tür hinaus geschoben.

Durch den Spiegel an der Wand im Flur konnte Martin vom Wohnzimmer aus sehen, dass die beiden sich zum Abschied an der Haustür innig küssten. Die Frau wirkte neben seinem Großvater groß, aber dennoch schmal und hatte ganz unverkennbare Kurven. Sie war sicherlich eine Schönheit, wenn man die Chance hatte, sie unter anderen Umständen kennenzulernen. Aber in diesem Augenblick war Martin nur verwirrt.

Als der Opa ins Wohnzimmer zurückkehrte, saß Martin wieder im Sessel und nippte an seinem Kaffee. Dieser war inzwischen nur noch lauwarm, aber auch heiß war er ihm wie dünne Brühe vorgekommen, kaum wie richtiger Kaffee. Dabei konnte sein Opa ausgezeichneten Kaffee kochen, wie er wusste. Er hatte einen sündhaft teuren Kaffeeautomaten.

„Was ist mit deinem Kaffee?“, nahm er daher diesen Gedanken als möglichst unverfänglichen Anknüpfungspunkt. „Ist die Maschine kaputt?“

„Wieso? Was ist mit ihm?“

„Er ist so dünn. Normalerweise kochst du doch immer viel stärkeren Kaffee.“

„Den habe ich nicht gemacht“, erwiderte sein Opa und Martin fiel wieder der ungewohnt scharfe Ton auf, mit dem er sprach.

Dann saßen beide eine längere Zeit schweigend da.

Bis sein Opa sich schließlich einen Ruck zu geben schien, sich räusperte und zum Sprechen ansetzte.

„Dass ich Simone getroffen habe, ist ein großer Glücksfall. Sie ist so mitfühlend und verständnisvoll. Seitdem Ursula gestorben ist, war ich immer allein und habe nie jemanden gehabt, mit dem ich meine Gedanken und Sorgen wirklich hätte teilen können. In der Situation, von der sie vorhin erzählt hat, war sie für mich in geradezu aufopferungsvoller Weise da.“ Er machte eine Pause und schien in Gedanken zu versinken.

„Aber Mama war doch auch für dich da“, versuchte Martin einzuwenden, der sich mehr und mehr über die sich abzeichnende Tendenz dieses Gesprächs wunderte. Ihm war in der vergangenen Zeit nicht aufgefallen, dass seinem Opa etwas gefehlt hätte, Gesellschaft oder Rat oder Beschäftigung, im Gegenteil schien er nicht selten eher für sich allein sein zu wollen. Er hatte immer etwas zu tun gehabt und es gab auch noch eine Reihe von Freunden, mit denen er gern und viel Zeit verbracht hatte.

„Ach … ja, natürlich … aber bei ihr ist es doch immer Pflicht. Sie muss sich um ihren alten Schwiegervater kümmern, so lange der noch nicht abtritt. Das gehört sich so, das macht man so als Schwiegertochter.“

„Aber …“

„Was ich bei Simone erlebe, ist etwas ganz anderes.“

„Sie könnte deine Tochter, sogar deine Enkelin sein.“

„Ach, komm mir nicht mit diesem blödsinnigen Geschwätz!“ Wieder war da diese ungewohnte Heftigkeit. Zugleich schämte sich Martin für seine eigene, abgedroschene Bemerkung. Schließlich war sein Opa noch keineswegs ein seniler Trottel und selbst einen wirklich alten Mann stellte er sich anders vor. Und wer war er selbst, dass er seinem Großvater eine Moralpredigt halten durfte!

Für einige Augenblicke war es still im Zimmer. Martin war sich nicht sicher, ob er sich entschuldigen sollte.

„Ich wusste nicht mehr, dass man nicht alles mit sich allein ausmachen muss“, nahm der Opa nach einiger Zeit den Faden wieder auf. „Dass man Hilfe von anderen annehmen kann. Simone hilft mir einfach sehr gern, und noch mehr: sie weckt Gefühle in mir, von denen ich schon lange geglaubt hatte, dass es sie für mich nicht mehr gibt – in meinem Alter,“ fügte er mit deutlich sarkastischem Unterton hinzu, „wie du ja selbst so treffend festgestellt hast. Man meint ja, dass es ganz natürlich sei, dass man sich in diesem Alter langsam in den Zustand des Scheintods begeben würde.“

Martin wagte nicht, sich zu bewegen.

Aber sein Großvater schien den Gedanken nicht weiter ausführen zu wollen. Er schwieg über eine längere Zeit. Dann räusperte er sich wieder und straffte seinen Rücken.

„Um es kurz zu machen: Ich will mit ihr den Rest meines Lebens verbringen – auch wenn das vermutlich nicht allzu lange sein wird.“

Obwohl Martin soetwas schon erwartet hatte, war er nun doch überrascht. Sein Verstand hatte diese Möglichkeit bereits erwogen, aber sein Gefühl hätte immer abgestritten, dass es soetwas im ‚richtigen Leben‘ gibt.

Doch nun hatte sein Opa genau dies gesagt.

Wieder verging einige Zeit, bis Martin leise fragte: „Willst du sie heiraten?“

„Selbstverständlich!“ Erneut kam die Antwort heftiger als nötig.

Martin nickte. Er machte eine kurze Pause, bevor er die nächste Frage stellte: „Wann?“

„So bald wie möglich.“

Wieder eine deutliche Pause. Bis der Großvater zu seinem wirklichen Schlag ausholte: „Und das heißt auch, dass ich mein Testament ändern werde.“ Er zögerte kurz, bevor er hinzufügte: „Sie wird alles bekommen.“

Martin war sich nicht sicher, ob er damit hinausgeworfen werden sollte – aus der Wohnung und aus dem Leben des Großvaters.

Er war der einzige Neffe und mit Ausnahme seiner Mutter bisher auch der einzige Erbe. Mit Blick darauf hatte sein Großvater mit ihm schon Vieles besprochen, es waren bereits eine Reihe von Regelungen getroffen worden, die nicht zuletzt dem Zweck dienen sollten, Erbschaftssteuer zu sparen. Martin hatte bisher keinen Anlass gesehen, sich betont dankbar seinem ‚Erb-Opa‘ gegenüber zu verhalten – sie hatten ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis gehabt. Es war alles ganz natürlich gewesen, so wie es war. Martin mochte seinen Opa sehr, er achtete ihn und hatte Vieles von ihm gelernt. Zugleich hatte er ihm bei Vielem geholfen oder war einfach bei ihm gewesen. Dass er sich allein fühlte und sich so sehr nach vertrauterer Gesellschaft sehnte, war ihm neu.

Aus seiner Sicht gab es keinen Anlass zu einer drastischen Maßnahme wie einer Enterbung. Im Klartext hieß die Ankündigung seines Opas, dass er, Martin, von jetzt an in seinem Leben keine Rolle mehr spielen würde. Und dass der Opa auch mit der Vergangenheit unzufrieden war.

Der Opa hatte in seinem Leben viel gearbeitet, er selbst hatte aber bereits mit einem nicht unansehnlichen Erbe begonnen. Aus all dem war ein Vermögen geworden, mit dem es sich gut leben ließ. Es gab einige Immobilien, nicht zuletzt Haus und Hof, den der Opa bereits von seinem Vater übernommen hatte, es gab Aktienfonds und einiges an Gold, das in einem Bankschließfach lag und dem Großvater über alle Finanzkrisen hinweg seine Gelassenheit erhalten hatte.

Und das sollte nun alles an diese Frau mit dem tiefen Dekolletee gehen, die so ganz zufällig im Krankenhaus aufgetaucht war und den alten Mann in aufopferungsvoller Weise getröstet hatte? Und die sich dann auch noch als seine ‚Seelenverwandte‘ offenbart hatte?

Je länger Martin über all das nachdachte, desto ungeheuerlicher erschien es ihm. Die wildfremde Frau, die ihm zunehmend suspekt erschien, würde keinen Augenblick zögern und den gesamten Besitz zu Geld machen, noch bevor der Körper seines Opas richtig kalt geworden war. Ihm selbst und seiner Mutter würde außer dem bescheidenen Pflichtanteil nichts davon zufallen. Sie beide wohnten in einer Wohnung in einem Haus, das ebenfalls dem Großvater gehörte; wahrscheinlich würde auch dieses sozusagen ‚unter ihrem Hintern weg‘ verkauft und sie demnächst Miete an irgendeinen profitgeilen Immobilien-Hai zahlen müssen.

So traurig ihn diese Aussichten machten, so schwer fiel es ihm, das ‚Enterbtwerden‘ nicht persönlich zu nehmen.

Aber so war es von seinem Opa sicher nicht gemeint. Die Frau, Simone, hatte irgendetwas mit ihm angestellt, so dass bei ihm offensichtlich einiges durcheinander geraten war. Die Situation war für sie natürlich günstig, so mitten in der Unsicherheit, in der die medizinische Ratlosigkeit ihn hielt. Da war sie ganz zufällig genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen …

Irgendwann, als ihm die Stille offenbar unangenehm wurde, stand der Opa auf, blieb kurz stehen, nickte Martin zu und verließ wortlos das Wohnzimmer. Damit war das Gespräch beendet.