Neun Tage Frau - Catherine May - E-Book

Neun Tage Frau E-Book

Catherine May

4,8

Beschreibung

Männer und Frauen sind verschieden. Aber es gibt Möglichkeiten, einander zu verstehen. Beispielsweise den Rollentausch oder zumindest das zeitweilige Eintauchen in die Rolle des anderen. Wenn eine Frau in die Rolle des Mannes schlüpft, fällt dies kaum auf - die Frau ist eben wenig weiblich. Wenn aber ein Mann, wenn auch nur zeitweilig, in die Rolle der Frau überwechselt, dann ist das nach wie vor ein Tabubruch. Der Mann gilt als Crossdresser oder Transvestit bzw. Transe, und das ist nach wie vor verpönt. Vielleicht hat das damit zu tun, dass diese Transformation ihren ganz eigenen Reiz hat. In "Neun Tage Frau" hat eine Frau es satt, dass ihr Mann sich immer nur beschwert, sie brauche zu lange für alles, was auch immer sie tue, wenn es um Vorbereitungen zum Ausgehen geht. Sie beschließt, ihn einen ungewöhnlich tiefen Blick in die Welt der Frauen werfen zu lassen mit wirklich allem, was für einen Mann irgendwie körperlich mit- und nachvollziehbar ist. Das Experiment beginnt - aus 'Tom' wird 'Judith' und als solche lernt er sehr viel mehr kennen, als er es sich hatte vorstellen können. Vor allem aber entdeckt er den geheimnisvollen Reiz, der darin besteht, in die Rolle der Frau zu schlüpfen. Die Transformation hat Auswirkungen auf sein Verhalten und mündet in vollständig neue, ungeahnte Erfahrungen. Judith entdeckt eine neue Welt, von der am Ende des Experiments nicht klar ist, ob sie sich von ihr wieder wird trennen lassen wollen.

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„Der liebt stärker, der seine Schwächen zeigen kann.“

Paulo Coelho

Inhalt

Was bisher geschah – Inhalt von Teil 1

9 Sonne mit ‚O‘

10 Der Haken, der Wurm und der Fisch

11 Tanzstunde

12 Eigentlich schade!

13 Verführung durch Unsichtbares

14 Edler Ritter

15 Spielzeug

16 Das Abenteuer, Frau zu sein

17 Für alles gibt es eine Zeit

Was bisher geschah Inhalt von Teil 1

Bis zum Beginn der Geschichte hatten Barbara und Tom wie die meisten Ehepaare gelebt, einschließlich der typischen Mann-Frau-Konflikte. Obwohl Tom seine Frau liebte und nicht zuletzt aufgrund ihrer Attraktivität verehrte, hatte er sich häufig beschwert, dass Barbara für ihre Vorbereitungen zum Ausgehen oft so lange brauchte, dass sie gelegentlich sogar zu spät kamen. Als Barbara diese in ihren Augen ungerechten Vorwürfe irgendwann nicht mehr hören konnte, hatte sie Tom ein Experiment vorgeschlagen: er solle selbst einmal für ein paar Tage alles das mitmachen, was eine Frau tat, bevor sie die Wohnung verlässt. Dem moralisch wieder einmal mit dem Rücken an der Wand stehenden Tom blieb kaum etwas anderes übrig, als einzuwilligen.

Einige Wochen später, die Barbara für diverse Vorbereitungen genutzt hatte, begann das Experiment. Als Zielpunkt bestimmte Barbara einen Besuch in einer Schwulen- und Lesbenkneipe, bei dem Tom vollständig als Frau gestylt sein sollte und dies so perfekt, dass das Crossdressing nicht auffallen sollte. Die neun Tage bis zu diesem Zielpunkt sollte Tom damit verbringen, sein Aussehen und Verhalten als Frau zu perfektionieren.

Am Anfang steht exzessive Körperpflege – Tom muss lernen, dass der Anspruch an die Körperpflege für eine Frau auf einem ganz anderen Niveau liegt, als er – ein durchaus kultivierter Mann – es sich bisher hatte vorstellen können. Entsprechend muss Barbara immer wieder Druckmittel einsetzen, damit Tom sich wirklich auf alles einlässt. Es kommt immer wieder zu kleineren Konflikten: Was Tom unangenehm ist, will er nicht tun oder zulassen, und muss lernen, dass eine Frau diese Option nicht hat. Häufiger als ihm lieb ist, bekommt er den Satz zu hören: eine Frau muss da durch! Tatsächlich lässt Barbara nicht locker: er habe das Versprechen gegeben, das Experiment bis zum Ende durchzuziehen, und dazu solle er nun stehen. Zugleich wird Tom davon überrascht, dass das Tragen der ungewohnten Kleider eine bisher ungekannte Erregung in ihm weckt, die dem Experiment in zunehmendem Maße eine lustvolle Komponente verleiht.

Die Verwandlung Toms in eine durchaus attraktive Frau erreicht immer neue Ebenen. Die erste ist, dass er sich einen Namen wählen muss: aus ‚Tom‘ wird ‚Judith‘.

Doch noch ist sein Widerstand nicht gebrochen. Während er eine Perücke, Make-up, rasierte Beine, lackierte Finger- und Fußnägel und vieles mehr langsam akzeptiert, lehnt er Maßnahmen, die ihm zu weit gehen wie das Stechen von Ohrlöchern, das Zupfen seiner Augenbrauen und selbstverständlich das Verlassen der Wohnung und ein Auftritt in der Öffentlichkeit standhaft ab. Zugleich allerdings beginnt er, Gefallen an der dezent geschminkten, adrett gekleideten, jungen Frau mit langen, schwarzen Haaren zu finden, die er im Spiegel nun statt seines männlichen Ego sieht.

Tom absolviert zahllose Indoor-Übungen wie das Gehen in High heels und deren fotographische Dokumentation. Er lernt unter der kritischen Anleitung Barbaras die Bewegungsabläufe kennen, die zum Teil entscheidend von der Art des Outfits geprägt werden, das er trägt. So bemerkt er im Laufe der Zeit, dass sich frau beispielsweise in einem engen, kurzen Rock anders bewegt als in einem langen, schwingenden oder in einer Hose. Zugleich erfährt er am eigenen Leib, dass es auch unter der Kleidung der Frau Geheimnisse gibt, von denen ein Mann kaum eine Vorstellung hat.

Eine erste, unverhoffte Begegnung mit einem nichtsahnenden Pizzaboten macht allen Beteiligten – außer dem Pizzaboten – deutlich, wie weit Judith tatsächlich schon ist. Zumindest das Äußere, Kleidung und Makeup, ist zu diesem Zeitpunkt schon recht überzeugend.

Doch das Experiment ist erst an seinem Anfang. In den folgenden Tagen lassen sich Barbara und Judith immer mehr vom Fetisch der Frauenkleider am Männerkörper ergreifen. Die Atmosphäre beginnt zu knistern. Plötzlich ist Judith bereit, die Silikonbrüste gleich für mehrere Tage anzulegen und mit Klebstoff zu fixieren. Kurz darauf konfrontiert Barbara Judith mit weniger erfreulichen Dingen wie etwa den ‚Tagen‘ der Frau, die Judith zumindest durch das Tragen von Tampons mitvollziehen muss. Wieder erwacht Widerstand, doch ist dieser nun schon sehr schnell überwunden. Stattdessen beginnt Judith ihr neues Leben zu genießen – sogar mit den ‚Tagen‘.

Ihre Experimentierfreude erwacht. Sie beginnt mit dem Erproben unterschiedlicher Makeups und Parfums und geht über viele weitere Stationen bis zur Entdeckung bisher unbekannter Sexpraktiken. Tabus werden gebrochen, von denen Tom nicht einmal wusste, dass es sie überhaupt gibt. Auch das Nicht-Kommen-Dürfen gehört dazu, mit dessen Hilfe Barbara Judith lustvoll quält. Unter anderem setzt sie einen Keuschheitsgürtel ein, dessen Schlüssel sie an einer zarten Kette um ihren Hals trägt, wenn sie das Haus verlässt. Auch das gehöre zum Frausein dazu, erklärt sie Judith: nicht zum Höhepunkt zu kommen, obwohl man kurz davor ist! „Männer“, sagt sie, „erwarten immer, dass einem das nichts ausmacht. Man soll sich nicht so anstellen. Das üben wir jetzt auch mal.“ Widerstand ist zwecklos.

Und dann beginnt die nächste Phase des Experiments: die Outdoor-Übungen. Barbara geht mit Judith shoppen. Nachdem Judith ihre erste Scheu verloren hat, zieht Barbara in einem Kaufhaus sogar eine Verkäuferin zu Rate, die sie berät und sie, als sie mit den Wünschen der ‚Damen‘ vertraut ist, auf einer Tour-de-force durch die unterschiedlichsten Stile, Farben, Formen und Stoffe von Kleidern führt. Judith versinkt in einem Shopping-Rausch.

Und so geht es fort. Immer neue Erfahrungen kommen auf Judith zu und geführt von Barbara geht sie einen Schritt nach dem anderen, bis sie sich schließlich doch die anfangs abgelehnten Ohrlöcher stechen lässt – und sich von nun an so weiblich fühlt, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte: nun fühlt sie sich tatsächlich wie verwandelt.

Aber Barbara hat noch mehr mit ihr vor. Erst führt sie einen Latexslip in Judiths Garderobe ein, dann bringt sie überraschend eine ehemalige Schulfreundin mit nach Hause, die häppchenweise Judiths Geheimnisse aufdecken und schließlich ihre eigenen Fantasien mit Barbara und deren ‚Sexspielzeug‘ ausleben darf. Judith leistet inzwischen keinen Widerstand mehr, auch für sie ist all dies inzwischen reine Lust. Und mit Sonja gewinnt das Paar eine Gespielin, die ausdrücklich nach einer Fortsetzung der Geschichte verlangt.

Nun will auch Judith selbst weiter gehen. Der Kauf eines Abendkleids wird zu einer Art Offenbarung: Judith, die längst den einfachen Latexslip mit einem Latexslip mit eingearbeitetem, aufblasbarem Dildo vertauscht hat, fühlt sich in ihrem neuen Korsett umso wohler, je enger sie eingeschnürt wird. Entsprechend kaufen die beiden ein höchst aufwändig gearbeitetes, wunderschönes Korsett, das auf dauerhaftes Tragen zur Veränderung der Körperformen der Trägerin angelegt ist.

Angesichts dieser Entwicklung scheint es kaum verwunderlich zu sein, dass Barbara am Ende des ersten Teils ein – temporäres – Pin up Girl-Tattoo auf Judiths Bein anbringt. Judith ist durchaus einverstanden. Was sie bis hierhin nicht zuletzt gelernt hat, ist, den Augenblick zu genießen und diesen Genuss des Hier und Jetzt nicht beständig durch den Blick auf das Morgen zu verderben.

Kapitel 9 Sonne mit ‚O‘

Am nächsten Morgen hatte Barbara einen beruflichen Termin, der sie zwang, früh aufzustehen und möglichst rasch die Wohnung zu verlassen. Judith – die versucht war, ihren Latex-Slip der vergangenen Nacht wieder anzuziehen – zog sich stattdessen ihr seidenes, spitzenbesetztes Negligé über und bereitete das Frühstück vor, während Barbara duschte und sich schminkte. Sie frühstückten gemeinsam und besprachen dabei den Tag.

Der erste Programmpunkt sollte der Besuch eines Solariums sein. Aus diesem Grund blieb Judith das Korsett zunächst erspart. Barbara hatte sich darum bemüht, ein Sonnenstudio zu finden, in dem sie beide mit Sicherheit nicht bekannt waren. Es lag in einem anderen Stadtteil, dabei zentrumsnah, so dass sie sich in der Mittagspause treffen konnten, wenn sie Lust dazu hatten.

„Vergiss nicht, deinen Bikini einzupacken“, sagte sie noch, als sie bereits in der Wohnungstür stand, und lächelte Judith verschwörerisch an, „schließlich ist das unser Hauptziel: ich will die Streifen von BH und Höschen auf deine Haut gebrannt sehen!“

Judith lächelte zurück – und stellte fest, dass sie schon wieder aufgeregt war.

Sie verbrachte sehr viel Zeit im Bad, um sich an allen entscheidenden Stellen sauber zu rasieren, einzucremen und sich anschließend zu schminken. Dann zog sie ihren Bikini an und posierte vor dem Spiegel. Das Höschen war wirklich mehr als knapp, sie würde Probleme haben, dort alles unterzubringen, was ein ‚Schwanzmädchen’ in seinem Höschen eben unterbringen muss. Aber wenn sie nicht erregt war, müsste es eigentlich gehen. Und wichtig war ohnehin nur, dass sich die Stellung des Höschens nicht veränderte, damit es ordentliche Ränder gab.

Sie zog alles wieder aus, verstaute es in ihrer Tasche, packte ein Handtuch, Sonnenöl und After-sun-Lotion dazu und zog sich an. Barbara hatte sich gewünscht, dass sie heute ihren braunen Lederrock trug, der so weich war wie ihre eigene Haut, und dazu eine passende Bluse. Auch eine neue Perücke lag bereit, auch hier wollte Barbara weiter experimentieren. Diesmal würde sie als Blondine ausgehen, mit langem, glatten Haar, das ihr bis über ihre Brusthöhe hinaus reichte. Sie setzte die Perücke auf und kämmte sie sorgfältig. Der Rock war betörend eng und würde es schwierig machen, nicht erregt zu sein, während sie durch die Gegend lief. Schließlich besserte sie noch einiges an ihrem Make-up nach, so dass der Perückenansatz perfekt verborgen war, trug auch noch ein wenig Farbe im Dekolletee nach und musterte sich dann kritisch im Spiegel. Wieder sah sie völlig verändert aus mit ihren blonden Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte – aber dass dies keine Frau war: auf diesen Gedanken würde man wohl nicht so schnell kommen.

Zu dem wunderbaren Rock passten ihre Lieblingsstiefel, an deren hohe Absätze sie inzwischen so gewöhnt war, dass sie lange darauf laufen konnte, ohne dass die Füße schmerzten. Sie zog ihren Mantel an, nahm die Tasche, überprüfte, ob sie alles hatte – Lippenstift, Puder, Mascara, Lidstift, ach ja: und den Geldbeutel und die U-Bahn-Karte –, steckte den Hausschlüssel dazu und verließ die Wohnung, nachdem sie kurz gehorcht hatte, ob im Treppenhaus auch niemand war.

Während sie zur U-Bahn lief, genoss sie jeden Schritt, bei dem ihre Stiefelabsätze in dieser charakteristischweiblichen Art auf den Asphalt hackten. Tatsächlich klang das sehr weiblich, Tom würde sich mit Sicherheit umsehen, wenn er ein solches Geräusch hinter sich hörte. Man konnte daraus geradezu das weibliche Selbstbewusstsein heraushören, das Signal der Löwin an den Löwen, dass sie paarungsbereit ist …

Durch diese Beobachtungen ließ sie sich ein wenig von ihrer Nervosität ablenken, mit der sie dem entgegensah, was nun kam.

Sie fuhr mit der U-Bahn zur Station, die Barbara ihr angegeben hatte, stieg wieder an die Oberfläche und stand auch schon fast vor dem Solarium. Es hatte bereits geöffnet, aber außer dem Mädchen am Empfang schien noch niemand da zu sein.

Judith betrat das Ladenlokal, das aufgrund der großen Glasscheibe von außen gut einsehbar war.

„Hallo“, sagte sie gespielt souverän, „ich würde mich gern ein bisschen bräunen.“

Das Mädchen sah von seiner Lektüre auf und musterte Judith kurz und professionell.

„Waren Sie denn schon einmal bei uns?“ fragte sie.

„Nein, noch nicht“, antwortete Judith.

„Waren Sie überhaupt schon einmal in einem Solarium?“ Das Mädchen klang bereits ein bisschen genervt, als würde Judith sie bei ihrer Lektüre stören.

„Nein. Ich wollte das gern einmal ausprobieren.“

„Was haben Sie denn für einen Hauttyp.“

„Hauttyp?“ fragte Judith konsterniert. Die Souveränität schwand schon wieder dahin wie ein Eis in der Sonne.

„Ja“, antwortete das Mädchen, „ich meine, werden Sie schnell braun oder eher nicht? Ist Ihre Haut empfindlich?“

„Eigentlich nicht.“ Wobei Judith auffiel, dass blonde Frauen, soweit sie wusste, meistens empfindlicher waren als dunkelhaarige – und Tom war eigentlich dunkelhaarig, wenn er gerade keine Perücke trug.

Entweder besann sich das Mädchen auf ihre Professionalität oder sie roch ganz einfach einen unbedarften Kunden, dem sie alles mögliche erzählen konnte, egal ob es stimmte oder nicht. Jedenfalls taute es etwas auf. „Sie müssen wissen, dass die Besonnungszeit, gerade am Anfang, vom Hauttyp abhängt. Jemand mit sehr heller Haut zum Beispiel – also die meisten Menschen, die wie Sie blond sind – muss am Anfang sehr vorsichtig sein. Wenn Sie wollen, können wir Ihren Hauttyp auch messen.“

„Ich glaube eigentlich nicht, dass das nötig ist“, versuchte Judith sich herauszureden.

„Aber sinnvoll wäre es schon. Zumal ja auch Sie blond sind. Oder sind die Haare gefärbt?“ Sie sah genauer hin. Judith nickte ganz leicht. „Okay. In jedem Fall aber könnten wir Ihre ganz persönliche Besonnungszeit bestimmen und gleich einen Dosierungsplan für Sie ermitteln, so dass Sie ganz genau bestimmen können, was gut für Sie ist und welche Zeiten und Intensitäten für Sie die richtigen sind.“

„Hm“, machte Judith jetzt und merkte überrascht, dass sie wieder an Selbstsicherheit gewann. Auch wenn sie heute blond war, hieß das nicht, dass sie sich von diesem Mädchen für dumm verkaufen lassen musste. „Wissen Sie, ich möchte das gern erst einmal ausprobieren. Ich weiß ja noch gar nichts darüber. Ich habe da etwas gelesen von wegen ‚Kurzurlaub’ und dass das erholsam sei. Genau so etwas könnte ich gerade gebrauchen.“

„Okay, also … ja, das ist es auch, erholsam, meine ich.“ Das Mädchen fiel wieder in die frühere Lethargie zurück. „Wenn Sie es richtig machen. Hier ist ein Zettel, wo die Regeln draufstehen.“ Damit reichte sie Judith einen kleinen Zettel. „Ich sehe zum Beispiel, dass Sie geschminkt sind – das ist nicht so gut, jedenfalls wenn das kein spezielles Make-up ist, das für das Solarium geeignet ist.“

„Das wusste ich nicht.“

„Ja, das wissen viele nicht, die zum ersten Mal kommen. Ebenso wissen viele nicht, dass sie kein Sonnenschutzmittel verwenden dürfen.“

Judith hielt sich mit einer Antwort zurück, aber das Mädchen schien ihr anzusehen, dass sie ihre Tube in der Tasche hatte. Sie lächelte verhalten.

„Wenn Sie es trotzdem versuchen wollen, müssen Sie hier bitte unterschreiben, dass Sie es auf eigenes Risiko tun.“

Wieder reichte sie Judith einen kleinen Zettel. Diese las ihn durch und unterschrieb, selbst wenn sie bereit war, den Anweisungen und Ratschlägen des Mädchens im Großen und Ganzen Folge zu leisten.

„Gut,“ sagte das Mädchen wieder. „Sie dürfen sich aber nicht länger als 30 Minuten sonnen, für den Anfang eigentlich deutlich kürzer. Und Sie müssen diese Schutzbrille tragen, damit ihre Augen geschützt sind. Dann kann es eigentlich schon losgehen. Ich würde Ihnen das Gerät in Kabine 2 empfehlen. Wenn Sie wünschen, stelle ich es Ihnen ein, dann kann, wie gesagt, eigentlich nichts passieren.“

Judith nickte, sagte „ja, bitte!“ und folgte dann dem Mädchen in die Kabine, in der das futuristische Gerät stand, das aussah wie eine Weltraum-Schlafkabine aus den Alien-Filmen. Das Mädchen drehte an ein paar Reglern und drückte einige Knöpfe. Dann zeigte sie Judith, welchen Knopf sie betätigen sollte, um das Gerät einzuschalten.

„Auf welche Zeit soll ich es denn einstellen?“, fragte sie dann und man hörte, dass sie geistig offensichtlich schon wieder bei ihrer Lektüre war. Judith nahm sich vor, beim Hinausgehen herauszufinden, was genau sie las.

„Ich glaube, 20 Minuten sollten für den Anfang ausreichen.“

„Ich habe Ihnen sowieso die niedrigste Stufe eingestellt. Da werden Sie für heute vermutlich nur eine ganz winzige Rötung abbekommen. Gut,“ sagte sie wieder, als sei dies ihr einstudiertes Wort zur Stimmungsaufhellung, „dann lasse ich Sie jetzt allein. Viel Spaß!“ Und weg war sie. ‚Vermutlich einen Porno‘, dachte Judith, ‚und das schon am frühen Morgen!‘

Judith verschloss die Tür von innen. Dann schaute sie sich um. Es war ein nüchterner Raum. An einer Wand, die man vielleicht sah, während man in dem Gerät lag, war eine Bildtapete mit einem Palmenstrand befestigt. An einer anderen hingen ein paar Haken, daneben ein Spiegel, darunter befand sich ein Regalbrett und ein Stuhl.

Judith stellte ihre Tasche auf das Regalbrett und begann, sich auszuziehen. Sie hängte den Mantel an den Haken, zog dann auch Rock und Bluse aus, und stellte an sich ein leichtes Bedauern fest. Sie hatte sich in dem Outfit mehr als wohl gefühlt und freute sich schon darauf, es wieder anzuziehen. Mit dem gleichen Gefühl entledigte sie sich der wunderschönen Stiefel und der Stayups und stand schließlich nur in Höschen und BH da. Sie nahm den Bikini aus ihrer Tasche. Es war erregend, diese Fähnchen in der Hand zu halten, vor allem mit der Aussicht, sie selbst anzuziehen. Dass Frauen wirklich mit so wenig bekleidet in die Öffentlichkeit traten!

Judith streifte den BH ab und legte das Bikini-Oberteil um. Das war selbstverständlich sinnlos – ihre Silikonbrüste würden nicht braun werden. Dafür aber hatte das Oberteil einen Neckholder, er war im Nacken mit einer Schleife zu schließen und würde also zumindest dort eine entsprechende Spur hinterlassen. Judith grinste. Dann zog sie ihr Höschen aus und nahm die Bikini-Hose in die Hand. Erst musste sie die Bänder ordnen, dann streifte sie sie über ihre frisch rasierten Beine.

Wie zu erwarten, hatte der Schwanz sich nicht so passiv verhalten, wie es wünschenswert gewesen wäre. Zum Glück, eigentlich, wie Judith fand. Diese mit Hormonen vollgepumpten Transvestiten oder vielmehr Transsexuellen, die zwar einen richtigen, nicht selten voluminösen Busen hatten, aber dafür nur noch einen Kümmerschwanz, den sie erst durch langwierige, ermüdende und alles andere als erotische Anstrengungen in einen Zustand annähernder Steifheit versetzen konnten, waren nicht ihr Geschmack. Und Barbaras auch nicht. Es war gut und richtig, dass ihr Schwanz voll funktionstüchtig (und -freudig) war, und so sollte es auch bleiben. Schließlich sollte das Experiment in ein paar Tagen vorüber sein und Judith würde als Tom in die Welt zurückkehren – selbst wenn sich die Frage stellte, ob der Sex dann noch die gleiche Intensität haben würde wie jetzt.

Allerdings war der Schwanz in diesem Zustand auf keinen Fall in dem Fähnchen zu verstauen. Das war eine einfache, mathematische Funktion.

Also setzte Judith sich in dem angenehm warmen Raum auf den Stuhl, entnahm ihrer Tasche ein Buch und begann zu lesen. Sie wollte sich ablenken und hoffte, den Schwanz auf diese Weise beruhigen zu können.

Sie hatte sich ein Buch mitgebracht, das Barbara ihr gegeben hatte – zur Lektüre in einem Café, wie sie gesagt hatte, falls sie Lust hätte, ein wenig herumzubummeln, oder auf dem Sofa, wenn sie einfach etwas Zeit hätte. Barbara hatte es in den vergangenen Tagen beiläufig schon einmal erwähnt, dabei aber bemerkt, dass es eigentlich nichts mit Judith und ihrem ‚Experiment‘ zu tun hätte, dass es vielmehr einfach ein Klassiker der erotischen Literatur sei, von dem sie glaubte, dass es lohne, ihn zu kennen – nicht nur, wenn Mann Rock, Strapse, Perücke und Makeup trug. Barbara hatte es ihr in die Hand gedrückt mit den Worten: „Lies das mal und sag’ mir, was du davon hältst.“ Es handelte sich um die „Geschichte der O“ – ein berühmtes Buch in den entsprechenden Kreisen, fast so berühmt wie die Werke des Marquis de Sade.

Judith begann zu lesen. Die O wurde als eine Modefotografin geschildert, die in ihrem Beruf zwar erfolgreich und durchsetzungsfähig, in ihrem Privatleben jedoch einem Mann verfallen war, der sich anschickte, sie in die totale Abhängigkeit zu drängen und dies nicht nur wirtschaftlich und existentiell, sondern vor allem anderen sexuell. Er liefert sie bereits ganz zu Beginn in einem Palais in einem verschwiegenen Vorort von Paris ab, wo sie, ohne dass gesagt würde, dass dies ihren eigenen Wünschen entspräche, in ein Sexspielzeug verwandelt wird, in eine Sklavin. Ihr wird wehgetan, sie wird auf nicht immer schöne Weise benutzt, wobei sie selbst immer darauf zu hoffen scheint, dass dies ihrem Geliebten gefällt.

Dialoge werden geschildert. „‚Sie haben sie nie angebunden?’ – ‚Nein, nie.’ – ‚Auch nicht ausgepeitscht?’ – ‚Auch das nie. Sie wissen ja …’ – ‚Ich weiß,’ sagte die andere Stimme, ‚wenn man sie nur gelegentlich anbindet, wenn man sie nur ein bisschen peitscht, könnte sie Geschmack daran finden, und das wäre falsch. Man muss über den Punkt hinausgehen, wo es ihr Spaß macht, man muss sie zum Weinen bringen.’“ Ein seltsamer, erschreckender Dialog, wie Judith fand. Anschließend wird die O gleich drei-, nein viermal, vergewaltigt, beim dritten Mal so brutal, dass sie aufschreit und anschließend tränenüberströmt liegenbleibt.

Judith fragte sich, warum Barbara ihr ausgerechnet dieses Buch gegeben hatte. Das ging weit über das hinaus, woran Judith Spaß hatte und was sie – by the way – im Rahmen ihres ‚Experiments‘ zu tun bereit war, selbst wenn sie inzwischen bereits eine ganze Reihe von Grenzen überschritten hatte, die sie vorher nicht einmal gekannt hatte. Was in diesem Buch geschildert wurde, war eine andere Welt – die Welt der Qualen, des Sado-Masochismus. Mit dieser Welt teilte Judith eigentlich nur eins: den Beginn. Auch Judiths Geschichte hatte nicht mit ihrer eigenen, freiwilligen Entscheidung begonnen. Barbara hatte sie überlistet, plötzlich hatte sie mitten in dieser Geschichte gesteckt, ohne dass sie es recht gemerkt hatte. Plötzlich hatte es kein Zurück mehr gegeben – sie hatte in den Rock steigen, sich die Beine rasieren und einen Silikonbusen tragen müssen. Aber was dann gefolgt war, war keine Qual gewesen. Judith war keine Sklavin, sie wurde auch nicht gedemütigt, wenn man einmal davon absah, dass die langsame Verwandlung durchaus auch eine kleine Ansammlung von Demütigungen war, angefangen bei der Rasur der Scham und der Beine über das Anlegen eines BHs und das Anziehen von Seidenstrümpfen bis hin zum Zupfen der Augenbrauen und dem Lackieren der Fingernägel – jede einzelne Verwandlung war für einen Mann, der Judith trotz des Tampons und des Latex-Dildoslips blieb, durchaus eine kleine Demütigung gewesen.

Aber das, was sie mit Barbara erlebte, war etwas anderes als die „Geschichte der O“. Schließlich hatte Judith jederzeit die Möglichkeit gehabt, das Experiment zu beenden. Sie hatte Gefallen daran gefunden – ob das der O auch so ging, wurde in dem Buch, soweit Judith sehen konnte, nicht thematisiert. Der Dialog, der davon sprach, dass man sie zum Weinen bringen müsse, sprach eher dagegen. Judith wollte dieses Buch eigentlich nicht weiterlesen.

Sie klappte es zu, rückte ihren erschlafften Schwanz so zurecht, dass er unter dem knappen Bikini-Stoff verborgen war, setzte die Schutzbrille auf, schaltete die Sonnenbank ein und legte sich hinein. Der Mechanismus schloss sich, ein geheimnisvolles, blaues Licht verbreitete sich und es wurde angenehm warm.

So lag sie nun da und war ihren Gedanken überlassen. War das hier nicht ebenfalls erniedrigend? Sie lag in dieser Maschine, um sich Spuren auf ihre Haut brennen zu lassen, die eindeutig und unübersehbar das Tragen weiblicher Wäsche dokumentierten. Wie weit war das von den Tätowierungen entfernt, die sich die O in ihrem Schambereich hatte gefallen lassen müssen? Überhaupt: Sie lag hier und sprach von ‚sie’, wenn sie von sich sprach, sie: Tom. Dabei war sie keine Frau, sie war ein Mann, der gewöhnlich breitbeinig saß, Frauen nachschaute, sich nur in Maßen Gedanken um seine Kleidung machte und sich vor allem auf keinen Fall die Beine und auch nicht die Achselhöhlen rasierte. Er hatte lackierte Fingernägel, gezupfte Augenbrauen und war tagelang mit einem Tampon im Hintern herumgelaufen, bevor dieser durch einen Analplug und schließlich einen Gummidildo ersetzt worden war. Für einen Augenblick spürte sie soetwas wie Scham und wusste nicht mehr, wer sie war und was hier, vor allem, eigentlich geschah.

Doch dann kehrte die Souveränität zurück. Vielleicht auch einfach der Spaß, die Lust zu alledem – und eine Ahnung tieferer Befriedigung, als sie sie vorher jemals verspürt hatte.

Sie erlebte ein Abenteuer. Sie lernte eine neue Welt kennen, die sie zutiefst berührte. Sie machte Erfahrungen, die sie als ‚Tom’ niemals gemacht hätte. Und nicht zuletzt lernte sie eine neue Art zu fühlen kennen. Diese war viel intensiver als alles, was sie bis zu diesem Zeitpunkt kennengelernt hatte. Niemals zuvor hatte sie Kleidung oder Bewegungen so bewusst wahrnehmen können. Die Kleidung des Mannes war vor allem praktisch, die Bewegungen dienten dazu, von einem Ort zum anderen zu kommen. Wer aber eine Seidenstrumpfhose auf rasierter Haut trägt, der spürt den Stoff, wie er sich auf der Haut bewegt und sie liebkost. Wer einen Rock trägt, spürt durch seine Enge die Bewegungen, die einem auf diese Weise plötzlich ganz bewusst werden und sich verändern. Wer lackierte und manikürte Fingernägel hat, der bewegt auch die Hände anders, formt sie anders, sieht sie anders, fühlt Befriedigung und Freude allein aufgrund dieses Anblicks – überhaupt bekommt die Welt auf diese Weise viel mehr Facetten.

Freilich: Man wird auch schutzloser, schutzbedürftiger. Man ist viel mehr Dingen ausgesetzt, die einen bedrohen können und die Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren, sind begrenzter. ‚Wer schon einmal versucht hat, in High heels schneller zu gehen als es die Absätze wollen, weiß, wovon ich rede’, dachte Judith.

Aber sie lächelte bei diesem Gedanken. Wie erregend all dies auch war, vor allem, wenn man es mit dem Menschen teilt, den man liebt. Wenn man sich ihm überlassen kann in dem Vertrauen, dass nichts geschehen wird, das man bereuen könnte. Vertrauen – das war das entscheidende Wort. Wenn Barbara Tom vor einer guten Woche gesagt hätte, dass er in zwei Wochen in Frauenkleidern in eine Schwulenkneipe gehen würde, hätte er sie für komplett verrückt gehalten. Nun wusste Judith, dass sie ihr schon damals hätte vertrauen können. Vertrauen heißt, es trotzdem zu glauben, dem äußeren Schein entgegen.

Judith schreckte auf, als die Sonnenbank sich automatisch ausschaltete. Sie war so in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, wie die Zeit verging. Nun stand sie auf und trat vor den Spiegel. Ihre Haut war ganz leicht gerötet, so wie es zu erwarten gewesen war. Als sie die Träger des Bikini-Oberteils verschob, konnte Judith schon den Hauch einer Spur sehen: helle, fast weiße Streifen auf ihrer etwas gereizten Haut. In ihrem Schritt war das Ergebnis noch deutlicher. Als sie das Höschen auszog, zeichneten sich seine Formen – vor allem das Dreieck in ihrem Schoß – deutlich ab, so deutlich, dass hier keine Ausrede überzeugend sein würde. Dass dies die Spuren eines heißen Höschens waren, wäre, falls jemand sie sehen würde, nicht zu bestreiten.