Die Schwarzen Perlen - Folge 13 - O. S. Winterfield - E-Book

Die Schwarzen Perlen - Folge 13 E-Book

O. S. Winterfield

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Beschreibung

In den Dolomiten hat Stella den jungen Mönch Enzo kennengelernt, der ihr das Leben rettete und sie bei sich in der abgelegenen Mönchsklause aufnahm. Von Anfang an hatte Stella das Gefühl, dass mit Pater Enzo etwas nicht stimmt. Ein bisschen fürchtet sie sich sogar vor dem schweigsamen Mann. Doch nun ist der Pater endlich bereit, ihr sein finsteres Geheimnis anzuvertrauen.

"Ich wollte nie mehr mit einem Menschen über meine Vergangenheit sprechen", sagt er mit bebender Stimme. "Aber Sie sollen mein Bekenntnis hören." Und Pater Enzo beginnt zu erzählen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Bekenntnisse eines Mönchs

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Sinelyov

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-0983-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Bekenntnisse eines Mönchs

Von O. S. Winterfield

In den Dolomiten hat Stella den jungen Mönch Enzo kennengelernt, der ihr das Leben rettete und sie bei sich in der abgelegenen Mönchsklause aufnahm. Von Anfang an hatte Stella das Gefühl, dass mit Pater Enzo etwas nicht stimmt. Ein bisschen fürchtet sie sich sogar vor dem schweigsamen Mann. Doch nun ist der Pater endlich bereit, ihr sein finsteres Geheimnis anzuvertrauen.

»Ich wollte nie mehr mit einem Menschen über meine Vergangenheit sprechen«, sagt er mit bebender Stimme. »Aber Sie sollen mein Bekenntnis hören.« Und Pater Enzo beginnt zu erzählen …

Der junge Graf Enzo von Colano trieb seinen Rappen an. »Beeil dich, Majordomus, Steffi wartet auf mich.« Er fasste die Zügel fester und gab dem Pferd die Sporen.

Der feurige Rappe nahm die Aufforderung an. Er hatte einen sicheren Reiter im Sattel. Wie die wilde Jagd ging es nun durch das breite Tal, hinauf zu den Weinbergen.

So mancher blieb stehen und sah Pferd und Reiter nach. Sie passten gut zueinander, der rassige Rappe und der junge Graf. Enzo war dreiundzwanzig Jahre alt, groß und gut gebaut. Er hatte volles braunes Haar und graue Augen, die vor Lebensfreude strahlten – heute noch mehr als sonst, denn er hatte sich wieder mit der achtzehnjährigen Steffi Simon verabredet, der Tochter eines kleinen Weinbauern hier in den Dolomiten.

Als der Weg zu steil wurde, sprang Graf Enzo ab, band Majordomus an einen Baum und ging zu Fuß weiter. Hinein in die Felsenwildnis. Über ihm ragten die gigantischen Steinriesen der Dolomiten auf. Sie glühten rot im Schein der untergehenden Sonne.

In diesem Zauberglanz sah er Steffi. Sie stand auf einem Felsen und blickte in die Ferne. Ihre zarte Gestalt hob sich gegen das Licht ab, ihr schwarzes Haar schimmerte rötlich. Die weiße Bluse, das schwarze Samtmieder und der bunte Rock ließen Steffi fast kindlich erscheinen.

Graf Enzo war stehen geblieben. Er sah voller Stolz und Bewunderung zu Steffi hinauf. Diese schöne junge Frau gehörte ihm. Ja, Steffi liebte ihn. Die Ungeduld seines Herzens, sie in die Arme zu schließen, wurde stärker.

»Steffi!«, rief er.

Die junge Frau auf dem Felsen schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab und sah zu ihm hinüber.

»Enzo!« Steffi sprang geschickt von dem kleinen Plateau herunter. Das Geröll unter ihren Füßen schien ihr nichts auszumachen, lächelnd lief sie in Enzos ausgebreitete Arme und warf sich an seine Brust. »Endlich!« Ihre blauen Augen leuchteten vor Glück, ihre Stimme war atemlos. »Endlich bist du bei mir, Enzo.«

Enzo küsste ihr die Worte vom Mund. Dann hob er Steffi auf die Arme und trug sie mit festen sicheren Schritten über das Geröll. Die Kraft seiner Jugend und die Sehnsucht seines Herzens ließen ihn die Last auf seinen Armen kaum spüren.

Auf einem weichen Platz von Gebirgsgras und Moos, umgeben von Kiefern, ließ er Steffi behutsam niedergleiten. Er streckte sich neben ihr aus, schob den Arm unter ihren Kopf und neigte sich über sie.

»Ich liebe dich, Steffi.« Sein Gesicht war ernst geworden. »Ich liebe dich so sehr, dass ich nicht mehr ohne dich sein kann. Die letzten Wochen in Wien waren eine einzige Qual für mich.«

Steffi streckte die Arme aus und legte sie um seinen Nacken. »Aber jetzt bist du ja da, Enzo. Für viele Wochen bist du wieder zu Hause. Wir werden uns oft treffen können.«

»Aber nicht mehr heimlich, Steffi. Das ertrage ich nicht länger. Seit zwei Jahren tun wir das.«

Steffis Hände glitten zärtlich über sein Gesicht. »Wir mussten es tun, Enzo, sonst hätten wir uns längst trennen müssen.«

»Ja, vor zwei Jahren, als du noch zu jung warst. Aber jetzt bist du achtzehn, Steffi. Nun können deine Eltern nichts mehr dagegen haben, dass du bald meine Frau wirst.«

Steffis eben noch so glückliche Augen verdüsterten sich. »Meine Eltern, Enzo? Darum geht es nicht mehr. Deine Mutter wird dagegen sein, dass du mich heiratest.«

»Ich bin volljährig, ich muss mich meiner Mutter nicht mehr fügen. Wir beide werden ohnehin nicht auf Schloss Bergfried leben. Das übernimmt mein Bruder Tycho.« Enzos Stimme klang unbeschwert. »Wer dich nicht will, will auch mich nicht. So leid es mir täte, meine Mutter zu verlieren, um ihretwillen würde ich nicht auf mein Glück verzichten. Tycho muss mir so viel Geld auszahlen, dass wir uns irgendwo in Südtirol ein kleines Weingut kaufen können, Steffi. Ich habe alles gelernt, was ich als Weinbauer wissen muss.«

»Und ich bin die Tochter eines Weinbauern«, sagte Steffi stolz. Sie richtete sich erregt auf. »Enzo, du und ich, allein in einem kleinen hübschen Haus und bei der Arbeit im Weingarten – soll ich mir das wirklich vorstellen dürfen?«

Enzo setzte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern: »Du sollst daran glauben, weil es Wirklichkeit werden wird. Sehr bald. Ich gehe nicht mehr nach Wien zurück. Was soll ich dort? Meine Mutter schickt mich doch immer wieder nur nach Wien, weil sie hofft, dass ich dort eine passende Frau finde.« Jetzt lachte Enzo übermütig. »Dabei gibt es keine, die besser zu mir passen würde als du. Vor allem aber keine, die ich mehr lieben würde.« Er überschüttete Steffis Gesicht mit Küssen und fuhr mit seinen Händen durch ihre schwarzen Locken. »Du bist meine Königin. Und die wirst du immer bleiben. Sag mir, dass du mich liebst, Steffi.«

»Ich liebe dich, Enzo.« Steffis Augen schimmerten feucht. »Ich liebe dich mehr als mein Leben. Ohne dich würde es mir nichts mehr bedeuten.«

Enzo sah sie erschrocken an. »Warum sagst du das, Steffi? Warum hast du Tränen in den Augen?«

»Du wolltest von mir hören, dass ich dich liebe.« Sie schloss die Augen.

Enzo küsste ihr die Tränen weg, die sich unter ihren Lidern hervorzwängten. »Steffi, ab morgen werde ich jeden Tag mit Majordomus einige Stunden unterwegs sein, um ein Weingut zu suchen, das wir kaufen können.« Er schob die Arme unter ihren Nacken. »Stefanie, Gräfin von Colano. Hört sich das nicht gut an? Nein, Steffi ist viel schöner.« Wieder küsste er sie, mit jugendlichem Ungestüm, voller Sehnsucht und Verlangen.

Steffi spürte sein Drängen, wie sie es oft schon gespürt hatte. Aber auch heute wollte sie ihm nicht nachgeben.

»Wir haben einander doch lieb, Steffi«, flüsterte Enzo.

»Aber ich habe Angst davor.«

»Kannst du vor etwas Angst haben, was wir miteinander aus Liebe tun, Steffi?« Er schnürte ihr Samtmieder auf und schob die weiße Bluse über die Schultern zurück. »Ich liebe dich, Steffi. Du bedeutest für mich alles Glück dieser Welt.« Seine Küsse wurden verlangender. Er sah in Steffis Augen.

Die Angst darin war erloschen. Steffi lächelte glücklich und erwartungsvoll.

***

Die Abendglocke läutete im Tal, als Graf Enzo zum Schloss Bergfried hinaufritt. Jetzt trieb er seinen Rappen nicht an, er hatte es nicht so eilig wie am Nachmittag. Alle seine Gedanken waren noch bei der geliebten Frau.

Kurz vor dem Schlosstor saß Graf Enzo ab und führte Majordomus am Zügel weiter. Der Rappe wieherte laut. Sein Herr lachte. »Du spürst den Stall, Majordomus. Ich weiß, du warst heute unzufrieden mit mir, ich habe dich zu lange warten lassen. Aber du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass dich Steffi verdrängt hat.« Graf Enzo blieb stehen. Er klopfte an den Hals von Majordomus. »Du kommst mit mir auf das kleine Weingut, und ich werde Steffi einen Schimmel kaufen, damit sie mit uns ausreiten kann.« Graf Enzos Augen leuchteten in jugendlicher Zuversicht. Er gab dem Pferd einen Klaps auf den Hals.

Dann fiel sein Blick auf den wuchtigen Bau des Schlosses Bergfried. Bisher war es seine geliebte Heimat gewesen. Mit den dicken Mauern, den Zinnen, Türmen und den schweren Toren ähnelte es sehr einer Burg. Um den Eingang rankte sich großblättriger Efeu, und auch das alte Dach war grün. In den Fugen der Schindeln wuchs Moos.

Nun wurde Graf Enzo doch etwas wehmütig ums Herz. Er hing sehr an dem Schloss. Es gehörte seit Jahrhunderten seiner Familie, und sein Vater hatte ihn traditionsbewusst erzogen. Er war schon vor zehn Jahren gestorben, seither führte die Mutter das Regiment. Sehr zu Tychos Leidwesen. Er war zweiunddreißig Jahre und hätte gern selbstständig gehandelt.

Freilich wäre es dann sehr ungewiss, ob hier alles so gut laufen würde wie jetzt. Tycho gab das Geld mit vollen Händen aus, und er war in der Umgebung nicht sehr beliebt. Durch sein herrisches Wesen und die Tatsache, dass er jedem Mädchen nachlief, hatte er sich viele Feinde gemacht.

Graf Enzo nahm sein Pferd am Zügel und führte es in den Schlosshof. Dort übergab er es einem Stallburschen.

Kaum hatte er die große Halle des Schlosses betreten, kam ihm der alte Daniel entgegen. Er war hier alles in einem: Butler, ein einfacher Diener und vor allem der gute Geist des Schlosses Bergfried.

»Gehen Sie gleich zur Frau Gräfin, bitte, Enzo«, sagte der Alte mit erregter Stimme.

Graf Enzo erschrak. »Hat meine Mutter wieder einen Herzanfall?«

»Es ist jede Minute zu befürchten. Die Frau Gräfin hat eine furchtbare Aufregung durchzustehen.« Das Gesicht des alten Mannes sah grau aus, er schüttelte den Kopf. »Nein, nein, dass ich das noch erleben muss.«

»So sagen Sie doch, was passiert ist, Daniel. Warum soll ich unvorbereitet zu meiner Mutter gehen?«

»Ich darf es Ihnen nicht sagen, Enzo. Die Frau Gräfin hat es mir verboten. Ich darf mit keinem Menschen darüber sprechen, auch nicht mit Ihnen.«

»Also gut, dann werde ich es von meiner Mutter hören. Ich verstehe nicht, wie kompliziert es auf Bergfried oft zugeht. Wahrscheinlich wird wieder einmal etwas hochgeschaukelt.«

Daniel sah ihn traurig an. »Ich wünschte, es wäre so.«

Graf Enzo ging die breite Treppe hinauf. Der Salon seiner Mutter war im ersten Stock. Vor der Tür stand das Hausmädchen.

»Ich habe Sie schon kommen sehen, Herr Graf. Die Frau Gräfin erwartet Sie.«

»Es ist gut, Maria«, antwortete Graf Enzo mit gleichgültiger Stimme.

Er regte sich längst nicht mehr darüber auf, dass er stets wie ein fremder Besucher zu seiner Mutter geführt wurde. Aber eines wusste er – bei ihm würde das alles einmal anders sein. Steffi und er hassten diese überholten Förmlichkeiten.

Maria öffnete ihm die Tür. »Der Herr Graf ist da«, sagte sie mit devoter Stimme. »Soll ich draußen warten, Frau Gräfin?«

»Ja, bitte«, erklang eine müde Stimme.

Graf Enzo ging durch den hohen großen Raum. Die Mutter saß auf einem altmodischen, mit kostbarem Gobelin bezogenen Sofa. Sie hatte eines ihrer hochgeschlossenen schwarzen Kleider an, die sie seit dem Tod ihres Mannes trug. Ihr leicht ergrautes Haar lag streng um den Kopf und wurde im Nacken in einem Knoten zusammengehalten. Ihr schmales leidendes Gesicht sah heute noch vergrämter aus als sonst, ihre dunklen Augen blickten dem Sohn missbilligend entgegen.

Graf Enzo neigte sich über die Hand seiner Mutter. So wünschte sie es. Für Zärtlichkeiten ihrer Kinder hatte sie nie Verständnis gehabt. Sie blieb auch ihnen gegenüber Gräfin Sidonie von Colano, die jeder zu respektieren hatte.

»Musst du in deinem Reitdress zu mir kommen, Enzo? Du siehst sehr mitgenommen aus«, tadelte sie.

»Verzeih, Mutter, ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen, Daniel sagte, ich solle sofort zu dir kommen.«

»Ja, das war auch nötig. Setze dich.«

Enzo nahm auf einem der hochlehnigen Stühle Platz, auf denen er sich stets wie ein Angeklagter vorkam.

Gräfin Sidonie richtete sich noch etwas steifer auf. »Tycho hat Schande über unseren Namen gebracht, Enzo. Es fällt mir schwer, dir überhaupt zu sagen, was er auf sich geladen hat, aber es muss sein. Vor einer Stunde ist er von zwei Landgendarmen abgeholt worden.«

»Tycho abgeholt? Von Gendarmen?« Graf Enzo neigte sich vor. »Aber Mutter!«

Gräfin Sidonies Hand fuhr erregt durch die Luft. »Lass mich ausreden. Tycho muss nicht bei Sinnen gewesen sein. Er hat im Wald ein junges Mädchen vergewaltigt.«

»Vergewaltigt?« Graf Enzo sprang auf »Das kann doch nicht sein! Tycho kann genug Mädchen haben, die sich ihm freiwillig hingeben.«

Gräfin Sidonie hob die Hände, ihre Fingerspitzen pressten sich an die Schläfen. »Gott hat mich mit meinen Söhnen gestraft. Wie kannst du so etwas überhaupt in den Mund nehmen? Du redest …«

Graf Enzo fiel seiner Mutter ins Wort. »Ich rede, wie es natürlich ist, Mutter. Wenigstens in dieser Situation werde ich mir das erlauben dürfen. Mir scheint diese Sache schlimm genug zu sein, wenn sie stimmt. Wozu also daran vorbeireden? Ich wollte ja nur sagen, dass die ganze Sache mit der Vergewaltigung mich schockiert. So etwas tut doch nur ein kranker Mensch.«

Es war Gräfin Sidonie anzusehen, wie sehr die freie Art ihres Sohnes sie schockierte, aber sie hatte jetzt etwas gehört, an das sie sich klammerte. »Ja, krank muss Tycho auch sein. Sonst hätte er so etwas nicht zum wiederholten Mal getan. Du musst wissen, dass wir schon einmal Schwierigkeiten hatten. Wir konnten sie aus der Welt schaffen. Mit Geld. Tycho hatte mir versprochen, nie mehr rückfällig zu werden. Er hat sein Versprechen nicht gehalten. Der Vater des Mädchens lässt nicht mit sich reden, er hat Tycho angezeigt. Es wird zu einem Prozess kommen. Ich sehe keine Möglichkeit, ihn zu verhindern. Irgendwo ist auch mein Einfluss zu Ende. Und Tycho hat es leider nicht verstanden, sich Freunde zu machen. Mir kommt es vor, als hätten alle in der Umgebung nur darauf gewartet, gegen ihn auszusagen. Das ist der Dank der kleinen Leute, die sich auf unserem Weingut ihr Geld verdienen.«

Graf Enzo hatte sich wieder gesetzt. »Wir sind nicht mehr im Mittelalter, Mutter. Das scheint nur Tycho zu glauben. Er musste wohl einen Denkzettel bekommen.«

Gräfin Sidonie sah ihren Sohn entsetzt an. »So sprichst du, Tychos Bruder?«

Graf Enzos Gesicht wurde hart. »Warum soll ich über solch ein Verbrechen bei meinem Bruder anders urteilen, als ich es bei einem Fremden tun würde?«

»Ist dir nicht bewusst, was jetzt auf uns zukommt, Enzo?«

»Doch, Mutter. Man wird mit dem Finger auf uns zeigen, die Presse wird sich dieses Falles sensationslüstern annehmen und …«

Gräfin Sidonie presste die Hände an die Ohren. »Ich bitte dich, schweig!«

Graf Enzo senkte den Kopf. »Also gut, sprechen wir nicht darüber.« Plötzlich stand er auf und trat vor seine Mutter. Er zog ihre Hände an die Lippen. »Mutter, wir werden es zusammen durchstehen. Den Colanos kann in der weiten Umgebung niemand Böses nachsagen. Vater war sehr geschätzt, du wirst respektiert, und ich habe viele Freunde. Wir werden zu Tycho stehen, was er auch getan hat, und damit dem Klatsch am ehesten ein Ende bereiten.«

Gräfin Sidonie entzog ihm ihre Hände. »Damit ist es nicht getan. Wir müssen Gott ein Opfer bringen, um ihn zu versöhnen und um allen zu zeigen, dass wir sühnen.« Ihre Augen leuchteten jetzt in fanatischem Glanz.

»Was meinst du?«, fragte Enzo. Er war stets unangenehm berührt, wenn seine Mutter auf diese Weise ihre bigotte Frömmigkeit zeigte.

»Du musst Priester werden, Enzo.«

Graf Enzo sah aus, als habe er seine Mutter nicht verstanden, dann legte sich ein nachsichtiges Lächeln um seinen Mund. Er setzte sich wieder und sagte kein Wort.

»Hast du mich nicht verstanden, Enzo?« Jetzt neigte sich Gräfin Sidonie vor.

»Doch, Mutter, aber ich kann deinen Wunsch nicht erfüllen.«

»Die Erfüllung dieses Wunsches ist die einzige Möglichkeit, Gott zu versöhnen, Enzo.«

»Das sagtest du schon, Mutter. Aber warum sollte ich ein Opfer bringen, wenn mein Bruder eine Schandtat auf sein Gewissen geladen hat? Das will Gott nicht.« Graf Enzos Stimme klang sehr fest und überzeugt.

»Du willst mich nicht verstehen, weil du immer zu frei denkst, Enzo. Gut, wenn du so hartnäckig bist, dann rede ich nicht mehr von einem Wunsch, dann muss ich dir befehlen, ins Priesterseminar nach Rom zu gehen.«

Graf Enzo wurde blass. »Das kannst du mir nicht befehlen, Mutter. Ich bin volljährig.«

»Du bist ein Colano. Der Einzige, der die Schuld auf unserem Namen tilgen kann. Das bist du auch deinem Vater schuldig.«

»Lass Vater aus dem Spiel. Er hätte ein solch unsinniges Opfer nie von mir verlangt.«

»Er war ein gläubiger Mensch.«

»Das mag sein. Aber was hat das mit deiner Forderung zu tun? Ich eigne mich nicht zum Priester, sonst hätte ich diesen Beruf früher ergriffen.« Graf Enzo sprang so erregt auf, dass sein Stuhl polternd auf den Boden stürzte. Er rannte ans Fenster und riss es auf. »Ich will Weinbauer sein, draußen in der freien Natur schaffen können, ich will eine Familie gründen.« Er drehte sich um. »Mutter, ich werde heiraten und nicht Priester werden. Ich hätte dir heute ohnehin gesagt, dass ich Schloss Bergfried bald verlassen werde. Ich suche mir ein kleines Weingut, auf dem ich mit der Frau glücklich sein kann, die ich über alles liebe. Es ist Steffi Simon. Sie hat mein Wort.«

Gräfin Sidonie lehnte sich schwer atmend zurück. »Du bist nicht besser als Tycho.«

Eine Glutwelle schoss in Graf Enzos Gesicht. »Bitte, wiederhole das nicht, Mutter. Was Steffi und mich verbindet, ist Liebe.«