Die Sprache der Liebe - Sherryl Woods - E-Book

Die Sprache der Liebe E-Book

SHERRYL WOODS

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Beschreibung

Irgendwie kann Gina das Wiedersehen mit ihren vier Freundinnen nicht so richtig genießen - ständig fühlt sie sich beobachtet. Tatsächlich entdeckt sie, dass ihr der Anwalt Rafe aus Manhattan nach Winding River gefolgt ist. Glaubt er wirklich, sie sei eine Betrügerin? Oder hat er noch einen anderen Grund, sie zu beschatten? Gina spürt, dass es zwischen ihnen ganz gewaltig knistert …

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Seitenzahl: 200

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IMPRESSUM

Die Sprache der Liebe erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2001 by Sherryl Woods Originaltitel: „To Catch A Thief“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1358 - 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Patrick Hansen

Umschlagsmotive: jacoblund / GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733757274

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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PROLOG

Das Büro im „Café Toscana“ in der Upper West Side von Manhattan war kaum größer als ein Besenschrank, und darin befanden sich ein Schreibtisch, ein Stuhl sowie ein Bücherregal voller Kochbücher, Nährwerttabellen, Speisekarten und Kartons mit handgeschriebenen Rezepten. Der Raum reichte gerade mal für eine Person aus, aber im Moment war Gina Petrillos Panik weniger auf Platzangst als auf die gerichtliche Vorladung zurückzuführen, die sie in der Hand hielt.

„Ich bringe ihn um“, murmelte sie. Ihre Finger zitterten, und schließlich segelte das Dokument auf den Schreibtisch. „Wenn ich Bobby in die Hände kriege, erwürge ich ihn.“

Sie hatte Roberto Rinaldi auf der Hotelfachschule in Italien kennengelernt. Er war nicht nur ein leidenschaftlicher Gourmet, sondern auch ein genialer Koch. Gina hatte sich auf Anhieb ausgezeichnet mit ihm verstanden, was allerdings mehr mit einzigartigen Saucen-Rezepten und der einfallsreichen Verwendung von Pasta als mit Erotik zu tun hatte.

Sie hätte Bobby nicht mal in die Nähe ihres Bettes gelassen, denn Frauen gegenüber war er ebenso launisch wie im Umgang mit Zutaten. Dauernd experimentierte er mit beiden. Er kam damit durch, denn er war charmant und seine Küsse waren so unwiderstehlich wie seine köstlichen Kreationen – jedenfalls behaupteten seine zahlreichen Eroberungen das.

Gina hatte seine romantischen Avancen beharrlich ignoriert und sich allein auf seine Fähigkeiten in der Küche konzentriert. Er war der schöpferischste Chefkoch, dem sie auf ihren Reisen begegnet war, und das wollte etwas heißen. Nachdem sie das College verlassen hatte, war sie auf einige der besten Fachschulen in Europa gegangen. Obwohl ihr die französische Küche gut gefallen hatte, von der Haute Cuisine in Paris bis zur ländlichen Kost der Provence, gehörte ihr Herz der italienischen Kochkunst. Ob diese kulinarische Vorliebe nun angeboren war oder nicht, als sie das erste Mal eine nach Knoblauch, Tomaten und Olivenöl duftende römische Küche betreten hatte, hatte sie sich sofort zu Hause gefühlt.

Genauso war es auch Bobby ergangen. Seine Rezepte waren originell und wagemutig. Gina bezweifelte, dass er jemals schlichte Nudeln mit Tomatensauce oder gar Ravioli aus der Dose gegessen hatte.

Vor fünf Jahren hatten sie beschlossen, eine Partnerschaft zu gründen, durch Bobbys finanzielle Kontakte nach Investoren zu suchen und in New York ein Restaurant zu eröffnen. Es hatte ein weiteres Jahr gedauert, bis alles geregelt war, aber es war die Opfer wert gewesen – auch die langen Nächte, in denen sie Farbe abgekratzt und Fußböden abgeschliffen hatten. Mit dem „Café Toscana“ hatten sie beide sich einen Traum erfüllt.

Offenbar war es für Bobby aber auch ein Mittel gewesen, schnell reich zu werden. Laut der Vorladung, die sie vor einer Stunde bekommen hatte, hatte Bobby nicht nur Einnahmen des Restaurants, sondern auch Gelder ihrer stillen Teilhaber unterschlagen. Ein Anruf bei der Bank hatte bestätigt, dass das Geschäftskonto geplündert worden war. Die Pachtzahlung war überfällig, und mehrere Lieferanten mussten bezahlt werden.

Gina wusste, dass sie selbst an dieser Katastrophe schuld war. Sie hatte Bobby die Geschäftsführung überlassen, weil sie sich mehr für Kochen und Marketing interessierte. Dass ein Außenstehender, nämlich der Anwalt der betrogenen Anleger, mehr über ihre Geschäfte wusste als sie selbst, das war erniedrigend. Und es schien keine Rolle zu spielen, dass sie selbst alles für den Erfolg des Restaurants getan hatte. Ihre Schuld war ebenso groß wie die ihres Kompagnons, der mit Geld durchgebrannt war. Jedenfalls las die Vorladung sich so.

Gina dachte an all das, was sie dem „Café Toscana“ geopfert hatte, einschließlich ihres Privatlebens. Ihre High-School-Freundin Lauren Winters, die in Hollywood ein Superstar geworden war, hatte ihr geholfen, das Restaurant trotz der harten Konkurrenz zur angesagtesten Adresse von Manhattan zu machen. Es war auf Wochen hinaus ausgebucht. Die Prominenz ließ sich gern dort blicken, und das Café stand oft in den Klatschspalten. Im vergangenen Jahr hatte der angeschlossene Partyservice ein Dutzend der wichtigsten Wohltätigkeitsbälle ausgerichtet. Aufgrund der vielen Folgeaufträge hatte Gina fast rund um die Uhr gearbeitet.

Wo war all das Geld geblieben? Hatte Bobby es bereits in einen weiteren Schwindel gesteckt? Oder in eine neue Kollektion italienischer Designer-Anzüge? Oder in Schmuck für seine neueste Geliebte? Auf dem Konto war es jedenfalls nicht. Und auch nicht in Bobbys Schreibtisch. Den hatte Gina vor einer Stunde aufgebrochen und darin nichts als Mahnungen gefunden.

Sie hatte versucht, ihn zu Hause anzurufen, aber der Anschluss war bereits abgemeldet. Sein Handy war ausgeschaltet. Der Kerl war spurlos verschwunden.

Und genau deshalb war dieser Anwalt namens Rafe O’Donnell jetzt hinter ihr her. Offenbar war er überzeugt, dass sie Bobbys Komplizin war.

Wie gelähmt saß Gina da. Wenn sie kein Geld auftrieb, würde sie den Bankrott erklären und das Restaurant schließen müssen.

„Ich muss mir etwas einfallen lassen“, murmelte sie verzweifelt.

Das würde ihr hier allerdings nicht gelingen. Sie brauchte frische Luft und den weiten Himmel über sich. Sie musste nach Hause, nach Winding River in Wyoming.

Sie würde das Café für eine Weile ihrer Assistentin überlassen und diesen O’Donnell anrufen, um ihre Aussage zu verschieben. Dabei hätte sie sich am liebsten in ein Mauseloch verkrochen.

In ein paar Tagen würde das Klassentreffen ihres High-School-Jahrgangs stattfinden. Ihre Freundinnen – die Unzertrennlichen, wie sich seit damals nannten – würden ihr Mut machen. Und wenn sie darum bat, würde sie auch Ratschläge bekommen. Lauren würde bestimmt auf der Stelle einen Scheck ausstellen. Emma war Anwältin, und Karen und Cassie würde es gelingen, sie wieder zum Lachen zu bringen.

Gina seufzte.

Vielleicht würden sie ihr sogar eine Schrotflinte anbieten – für den Fall, dass Roberto Rinaldi ihr jemals wieder über den Weg lief.

1. KAPITEL

„Gina Petrillo ist wohin?“ Rafe O’Donnell fuhr hoch.

„Nach Wyoming. Sie hat vor einer Stunde angerufen und ihren Termin für die Aussage verschoben“, wiederholte Lydia Allen lächelnd.

Wüsste Rafe es nicht besser, müsste er annehmen, dass seine langjährige Sekretärin sich über Ginas Flucht freute.

„Habe ich gesagt, dass es okay ist, den Termin zu verschieben?“, fragte er gereizt.

„Sie waren den ganzen Tag im Gericht“, erwiderte sie kein bisschen eingeschüchtert. „Wir ändern solche Termine doch dauernd.“

„Aber nicht, damit eine Betrügerin sich nach Wyoming verziehen kann“, beschwerte er sich.

„Sie wissen nicht, ob Gina Petrillo eine Betrügerin ist“, tadelte Lydia. „Schon mal was von der Unschuldsvermutung gehört?“

Rafe beherrschte sich nur mühsam. „Ich habe es nicht nötig, mich von einer Großmutter juristisch belehren zu lassen.“

Wie immer ignorierte sie die Kränkung. „Mag sein. Aber ich habe in dem Restaurant gegessen. Und die meisten Partner dieser Kanzlei ebenfalls. Wenn Sie nicht so ein Arbeitstier wären, hätten Sie das bestimmt auch schon getan. Das Essen ist großartig. Gina Petrillo ist eine freundliche und hübsche junge Frau, keine Betrügerin.“

Aha, dachte Rafe, Lydia kennt sie also.

„Das sagen Sie“, begann er sanft. „Haben Sie zufällig Psychologie studiert? Oder Zugang zu den Geschäftsbüchern des ‚Café Toscana‘? Oder gar einen Beweis für Gina Petrillos Unschuld?“

„Nein, den habe ich nicht“, entgegnete sie. „Und Sie haben bisher auch keinen für Ginas Schuld. Aber im Unterschied zu anderen bin ich eine sehr gute Menschenkennerin.“

Stimmt, dachte er. Meistens jedenfalls war sie das.

„Diesem Roberto traue ich alles zu“, fuhr Lydia fort. „Er konnte einem nie in die Augen sehen.“

„Danke, Miss Marple. Roberto Rinaldi ist nicht der Einzige, der das Geld genommen haben könnte.“

Ein guter Teil des unterschlagenen Geldes gehörte Rafes Mutter. Sie hatte sich von Robertos Charme bezaubern lassen. Rafe wusste nicht, wie ihre Beziehung ausgesehen hatte, aber wie er seine Mutter kannte, war sie nicht nur platonisch gewesen. Er konnte und wollte ihre Schwächen ebenso wenig übersehen wie sein Vater vor der Scheidung, aber er durfte nicht zulassen, dass man sie betrog.

„Roberto ist spurlos verschwunden“, erwiderte Lydia. „Sie sollten sich auf ihn konzentrieren.“

„Das würde ich, wenn ich ihn finden könnte. Genau deshalb will ich ja mit Gina Petrillo reden. Vielleicht weiß sie, wo er ist. Aber jetzt weiß ich nicht mal mehr, wo sie ist.“

„Ich habe es Ihnen doch gesagt. Sie ist in Wyoming.“

„Das ist ein großer Staat. Könnten Sie vielleicht etwas genauer werden.“

Sie runzelte die Stirn. „Es gibt keinen Grund, sarkastisch zu sein.“

Rafe seufzte. „Wissen Sie denn nun, wo sie ist, oder nicht?“

„Natürlich weiß ich das.“

„Dann buchen Sie mir den nächsten Flug dorthin.“

„Ich bezweifle, dass Winding River einen Flughafen hat. Ich werde mich aber erkundigen“, versprach sie mit unerwarteter Fröhlichkeit.

Rafe hatte wenig Lust, in der Wildnis des Westens nach einer flüchtigen Betrügerin zu suchen, aber das war nun mal sein Job. „Sagen Sie alle meine Termine ab, und sorgen Sie dafür, dass ich spätestens morgen Abend fahren kann.“

„Wird gemacht, Chef. Ich sage für nächste Woche alles ab. Sie müssen mal ausspannen.“

Lydias Eifer weckte sein Misstrauen. „Ich muss nicht ausspannen“, protestierte er. „Ich erledige diese Sache über das Wochenende und bin am Montag zurück.“

„Warten Sie lieber ab.“

Rafe kniff die Augen zusammen. „Was soll das?“

„Ich mache nur meinen Job“, gab sie mit unschuldiger Miene zurück.

Er verstand beim besten Willen nicht, warum sie so versessen darauf war, ihn nach Wyoming zu verfrachten. Sie war nicht der Typ von Sekretärin, der die Abwesenheit des Chefs dazu nutzte, heimlich einkaufen zu gehen oder die Mittagspause zu verlängern. Nein, sie war der Typ, der sich um sein Privatleben sorgte und ihn mit wohlgemeinten Ratschlägen um den Verstand brachte.

Urplötzlich ging ihm ein Licht auf.

„Lydia!“, rief er ihr nach.

„Sie brauchen nicht zu schreien“, kam es zurück. „Ich bin direkt vor der Tür.“

„Wenn Sie mir ein Zimmer in Winding River buchen, sorgen Sie dafür, dass ich es allein bewohne.“

Sie tat schockiert. „Natürlich.“

„Sehen Sie mich nicht so an. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich ganz aus Versehen ein Doppelzimmer mit einer Frau teile, die ich Ihrer Ansicht nach besser kennenlernen sollte.“

„Ich habe noch nie …“

„Schon gut“, unterbrach er sie. „Buchen Sie ein Einzelzimmer für mich allein, Lydia, sonst werden Sie den Rest Ihrer Zeit bei Whitfield, Mason und Lockhart im Archiv verbringen.“

Sie lächelte. „Das bezweifle ich, Sir. Ich kenne alle Geheimnisse dieser Kanzlei.“

Rafe seufzte. Nun, das stimmte.

Wenn in Winding River ein Klassentreffen stattfand, wurde gleich drei Tage lang gefeiert. Am Freitagabend gab es ein Grillfest, am Samstag tagsüber ein Rodeo, abends einen Ball und am Sonntag ein Picknick. Und das alles ging nahtlos in die alljährlichen Feiern zum vierten Juli über.

Gina ging es vor allem darum, ein paar ruhige Stunden mit ihren besten Freundinnen zu verbringen. Nur für eine Weile wollte sie nicht an Roberto Rinaldi und das finanzielle Desaster denken, das er ihr hinterlassen hatte.

„Warum gehen wir nicht einfach ins ‚Hartbreak‘, trinken Bier und hören Musik?“, schlug sie vor, als die anderen sie am Freitagabend von der Veranda ihrer Eltern abholten und zum Wagen führten.

„Bier und Musik gibt es auch beim Barbecue“, erinnerte Emma. „Und seit wann lässt du dir eine Party entgehen? Früher war nur Cassie noch wilder als du.“

„Ich wünschte, sie wäre heute dabei.“

„Sie hat versprochen, morgen zum Ball zu kommen“, erwiderte Karen. „Du weißt genau, warum sie heute nicht hier ist.“

„Weil sie Cole begegnet ist“, bestätigte Gina. „Und weil sie nur um ein Haar verhindern konnte, dass er seinen Sohn sieht.“

„Sie wehrt sich gegen das Unausweichliche“, meinte Karen.

„Das mag sein. Ich finde es auch schade, dass sie nicht hier ist, aber wir sollten uns dadurch nicht den Abend verderben lassen“, meinte Lauren. „Los, Mädchen, steigt schon ein. Ich lebe schon viel zu lange von Salat und brauche dringend etwas Gegrilltes.“ Sie schob die anderen zu dem schicken Geländewagen, den sie für die Dauer ihres Besuchs gemietet hatte.

Zwanzig Minuten später hielten sie auf dem Parkplatz der Schule, in der sie so viel erlebt hatten. Die fünf Mädchen – weit und breit als die Unzertrennlichen bekannt – hatten Lehrern und Mitschülern mehr Streiche gespielt als jeder andere Absolvent der High School von Winding River. Cassie war die Anführerin gewesen und hatte die meisten der Streiche ausgeheckt, aber die anderen hatten nur zu gern mitgemacht.

Jetzt lebte Karen auf einer Ranch in der Nähe, Lauren in Hollywood. Cassie versuchte noch immer, Cole Davis zu verheimlichen, dass sie einen gemeinsamen Sohn hatten, und Emma war eine erfolgreiche Anwältin in Denver. Neben Emma und Lauren gehörte Gina zu den Erfolgreichen des Quintetts. Sie hatte sich damals das dringend benötigte Taschengeld als Kellnerin in „Stella’s Diner“ verdient. Jetzt gehörte ihr eins der exklusivsten Restaurants von New York.

Wenn die wüssten, dachte Gina betrübt, als sie sich dem Footballfeld näherten. Am nördlichen Ende stand eine Bühne, am anderen Ende war der Drehspieß aufgebaut, an dem das Schwein gegrillt wurde. Dazwischen gab es lange Tische mit allen erdenklichen Gerichten, gespendet von den Restaurants der Stadt. In riesigen mit Eis gefüllten Wannen wurde Limonade und Bier gekühlt.

Überall auf dem Rasen lagen Decken, aber noch saß niemand darauf. Jeder war auf der Suche nach ehemaligen Klassenkameraden, die er oder sie seit dem Schulabschluss vor zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Plötzlich fühlte Gina, wie Lauren ihr den Ellbogen in die Seite stieß. „He!“, rief sie und drehte sich zu ihrer Freundin um. „Was soll das?“

Die Freundin, die in der Schule die Klügste gewesen war, zeigte zur Tribüne hinüber, wo ein einzelner Mann saß, die langen Beine ausgestreckt, die Arme auf die Bank über ihm gelegt. Er sah aus, als würde er nicht dazugehören, und war sündhaft attraktiv. Aber Gina hatte sich geschworen, nie wieder auf einen gut aussehenden Mann hereinzufallen.

„Wer ist das?“, fragte Lauren. „Er kann unmöglich auf der Schule gewesen sein. Einen wie ihn würde ich nie vergessen.“

Gina zwang sich, den Fremden genauer zu betrachten. Kein Zweifel, er sah großartig aus und hatte eine weltmännische Ausstrahlung. Selbst in Jeans und einem offenbar nagelneuen Hemd würde niemand ihn für einen Cowboy halten. Dazu wirkte er einfach zu großstädtisch, dazu war das kastanienbraune Haar zu gepflegt, der Teint zu blass, die Wangenknochen etwas zu aristokratisch. Alles an ihm verriet den blaublütigen Yankee.

„Und?“, drängte Lauren. „Kennst du ihn?“

Gina war sicher, dass sie ihn noch nie gesehen hatte, und verstand um so weniger, warum ihr Herz einen kleinen Satz zu machen schien. Vielleicht war er der Ehemann einer ehemaligen Mitschülerin, der sich unter all den unbekannten Leuten unwohl fühlte. Plötzlich kam es ihr vor, als wäre sein durchdringender Blick direkt auf sie gerichtet. Nicht auf Lauren, die normalerweise jeden Mann in Sichtweite faszinierte, sondern auf sie, Gina Petrillo, mit dem unzähmbaren Haar, den zu breiten Hüften und dem zehn Jahre alten Sommerkleid.

Lauren, verwöhnt durch ständiges Rampenlicht, schien nicht zu merken, dass das Interesse des Fremden nicht ihr galt. Sie lächelte Gina zu. „Komm, finden wir heraus, wer er ist.“

Gina wollte sie bitten, nicht zu ihm zu gehen, aber sie wusste, dass Lauren ihre Warnung ignorieren würde. Es gab niemanden auf der Welt, der Lauren davon abhalten konnte, ihre Neugier zu stillen, auch wenn das eher neu war. Auf der High School war sie ebenso schüchtern wie fleißig gewesen. Es hatte ihrem Selbstwertgefühl den dringend benötigten Schub verpasst, von Millionen von Fans bewundert zu werden.

Demonstrativ kehrte Gina der Szene den Rücken zu und ging davon, um sich ein Bier zu holen. Sie wollte gerade den ersten Schluck aus der Dose nehmen, als hinter ihr Laurens Stimme ertönte.

„Oh, das bist du ja! Gina, dieser unglaublich attraktive Mann sucht übrigens nach dir. Was für ein Glück du hast.“

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch drehte Gina sich um.

„Gina Petrillo, Rafe O’Donnell“, stellte Lauren vor, bevor sie ihrer Freundin zuzwinkerte und sie beide stehen ließ, als hätte sie gerade ein künftiges Traumpaar miteinander bekannt gemacht.

Der Name traf Ginas wie ein Schlag. Sie sah dem Mann in die tiefblauen Augen. Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als würde sie den Namen nicht kennen. Sie würde sich nicht einschüchtern lassen, sondern ruhig bleiben. Er sollte nicht glauben, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte.

„Sie sind ziemlich weit gereist, nicht wahr, Mr. O’Donnell?“

„Ebenso wie Sie, Ms. Petrillo.“

„Nein, das hier ist meine Heimat“, entgegnete sie mit fester Stimme.

„Und New York?“

„Dort arbeite ich nur.“

„Nicht mehr lange, wenn es nach mir geht.“

Sie hob das Kinn. „Dann sind die Fronten ja klar. Gut, dass Sie weder Richter noch Geschworener sind, sonst würde ich jetzt vor Angst zittern.“

„Das sollten Sie auch. Ich mache meinen Job sehr gut.“

„Und was ist Ihr Job, Mr. O’Donnell? Personen ohne Gerichtsverhandlung für schuldig zu erklären?“

„Die Wahrheit herauszufinden, Ms. Petrillo. Leider haben Sie sich vor Ihrer Aussage gedrückt.“

Entrüstet starrte sie ihn an. „Ich habe mich vor gar nichts gedrückt. Sehen Sie in Ihren Kalender. Ich habe lediglich den Termin verschoben.“

„Ohne meine Erlaubnis.“

„Ihre Sekretärin schien damit kein Problem zu haben.“

„Nun ja, Lydia vergisst manchmal, wer das Kommando in der Kanzlei hat“, erwiderte er resigniert.

Unter anderen Umständen hätte Gina sich über ihn amüsiert. „Das finden Sie sicher sehr ärgerlich.“

„Meistens ist es nur unangenehm.“

„Ja, das kann ich mir vorstellen.“

Zu ihrer Überraschung schmunzelte er. „Ich hatte wirklich tolle Pläne für dieses Wochenende.“

„So? Mit den Kindern zum Football? Oder mit der Frau auf einen Wohltätigkeitsball?“

„Keine Kinder. Keine Frau.“

Das überraschte sie. „Ein heißes Date?“

„Auch nicht.“

„Sie wollten das Wochenende doch sicher nicht allein verbringen, Mr. O’Donnell.“

„Leider doch. Trotzdem wäre es recht unterhaltsam geworden. Vor meiner Abreise habe ich mir per Gerichtsbeschluss Zugang zu den Geschäftsbüchern des ‚Café Toscana‘ verschafft. Jemand hat die Bücher gestern Morgen abgeholt. Wie ich höre, war Ihre Assistentin sehr hilfsbereit. Wirklich schade, dass Sie und Ihr Partner nicht so kooperativ sind. Übrigens, wo finde ich diesen Rinaldi?“

Nur mit Mühe unterdrückte Gina ein Aufstöhnen. Das erklärte, warum Deirdre bereits mehrere Nachrichten für sie hinterlassen hatte. Sie hatte nicht zurückgerufen, weil sie an diesem Wochenende nicht an das Restaurant denken wollte.

„Sie hätten zu Hause bleiben sollen“, sagte sie. „Und wenn Sie Bobby finden, lassen Sie es mich wissen. Es gibt ein paar ausgesuchte Ausdrücke, mit denen ich ihn gerne persönlich bedenken würde.“

„Soll ich etwa glauben, dass er untergetaucht ist, ohne Ihnen Bescheid zu sagen?“

„Ehrlich gesagt, mir ist egal, was Sie glauben. Und jetzt fliegen Sie nach New York zurück, Mr. O’Donnell. Warum nehmen Sie nicht die Abendmaschine?“

„Weil ich dem Piloten des Charterjets, der mich hergebracht hat, freigegeben habe.“

„Wie rücksichtsvoll von Ihnen. So ein Charterflugzeug ist nicht billig. Wissen Ihre Mandanten, wie Sie mit ihrem Geld um sich schmeißen?“

„Oh, dieser Ausflug geht auf mich“, erwiderte er gelassen, während er sich auf dem überfüllten Spielfeld umsah, demonstrativ die Nase in die Luft hielt und schnupperte. „Bei einer solchen Veranstaltung war ich schon lange nicht mehr.“

„Für einen so wahrheitsliebenden Menschen wie Sie, Mr. O’Donnell, ist das ziemlich geflunkert. Sie waren noch nie bei einer solchen Veranstaltung, habe ich recht?“ Gina musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Angesehenes Internat an der Ostküste, danach Harvard, schätze ich. Wenn Sie überhaupt je auf einem Klassentreffen waren, dann bestimmt in einem noblen Hotel oder eleganten Club. Und ein Pferd dürften Sie bisher nur aus der Nähe gesehen haben, weil es in New York berittene Polizisten gibt.“

„Ich war auf staatlichen Schulen und danach in Yale, nicht in Harvard.“

„Nicht gerade ein gewaltiger Unterschied.“

„Ich rate Ihnen, das nicht zu laut zu sagen. Wir klammern uns an die Illusion unserer Überlegenheit.“

„Klammern Sie sich an was Sie wollen, aber tun Sie es anderswo“, forderte sie ihn spitz auf. „Ich bin hier, um eine schöne Zeit mit meinen Freundinnen zu verleben.“

„Ich bleibe.“

„Haben Sie Angst, dass ich auch noch untertauche? Oder hoffen Sie, dass ich das Geld unter der Matratze in meinem alten Kinderzimmer versteckt habe?“

Er lächelte. „Und? Haben Sie?“

„Nein. Und ich kann Ihnen mein Rückflugticket zeigen. Fliegen Sie wieder New York, Mr. O’Donnell. Wir sehen uns pünktlich in zwei Wochen.“

„Wir könnten es gleich hier und jetzt hinter uns bringen“, meinte er.

„Ohne meinen eigenen Anwalt? Wohl kaum.“

Er zuckte mit den Schultern. „Dann werden Sie sich leider an mich gewöhnen müssen. Wie lange wollen Sie denn hier bleiben?“

„Zwei Wochen.“

Er wirkte nicht sehr erfreut, nickte jedoch. „Also zwei Wochen.“

Sie seufzte. „Wie sie wollen. Ich hole mir noch ein Bier.“

„Das wird Ihnen nicht helfen zu vergessen, dass ich hier bin.“

„Nein, sicher nicht. Aber es wird Ihre Anwesenheit erträglicher machen.“ Sie salutierte. „Wir sehen uns vor Gericht, Mr. O’Donnell.“

„Oh, ich werde Sie viel früher sehen“, widersprach er. „Ich werde Sie nicht aus den Augen lassen.“

Schade, dass er hier war, um sie ins Gefängnis zu bringen. Sonst hätte sie sich vielleicht sogar gefreut, von ihm verfolgt zu werden.

Die Musik hatte eingesetzt, und niemand tanzte so gern wie Gina. Das Bier würde ein paar Minuten warten müssen. Sie sah Rafe O’Donnell an.

„Können Sie Two-step?“

„Was ist das?“

Sie warf ihm einen mitleidigen Blick zu und griff nach seiner Hand. „Lassen Sie sich einfach von mir führen.“

Er lernte schneller, als sie erwartet hatte. Er war zwar kein Naturtalent, aber wenigstens stolperte er nicht über seine Füße oder trat auf ihre.

„Sie nehmen jede Herausforderung an, was?“, scherzte sie.

„Es gibt nur wenig, was ich nicht tun würde, um zu gewinnen.“

„Reden wir noch übers Tanzen?“

„Haben wir das je?“

Gina seufzte erneut. „Ich glaube, ich werde jetzt mein Bier trinken“, sagte sie, noch bevor die Musik endete, und wandte sich ab, drehte sich jedoch noch ein letztes Mal zu ihm um. „Lassen Sie meine Freundinnen aus dem Spiel.“

„Ich werde nichts sagen“, versprach er. „Vorläufig.“

„Hören Sie, Mr. O’Donnell …“

„Da wir uns in nächster Zeit gut kennenlernen werden, sollten Sie mich Rafe nennen.“

„Meine Freundinnen wissen nichts von dieser Sache, und ich will, dass es so bleibt.“

„Warum? Ihre Freundin Lauren verdient zehn Millionen pro Film. Sie könnte Ihnen einen Scheck ausstellen, und alles wäre erledigt. Sie müssten mich nie wieder sehen.“

„Ja, das könnte sie, aber das hier ist nicht Laurens Problem, sondern meins.“ Sie schaute ihm in die Augen. „Nein, es ist Bobbys.“

„Aber er lässt Sie seine Suppe auslöffeln, nicht wahr?“

Sie hob die Hände. „Nicht jetzt. Gute Nacht, Mr. O’Donnell.“

Sie kehrte ihm den Rücken zu und ging davon, aber bei jedem Schritt spürte sie, wie er sie mit seinem Blick verfolgte. Sie war heilfroh, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte, denn es war ihm gelungen, sie gründlich aus der Fassung zu bringen.

In der Mitte des Spielfelds lief sie Lauren über den Weg.

„Was hast du mit dem tollen Typen gemacht?“

„Der tolle Typ ist eine Giftschlange“, schimpfte Gina.

„Was hat er denn getan?“, fragte Lauren besorgt.

Gina lächelte. „Schon gut. Beruhige dich. Ich werde mit ihm fertig.“

„Bist du sicher?“

„Absolut sicher“, antwortete sie.