Süße Magnolien - Momente des Glücks - Sherryl Woods - E-Book

Süße Magnolien - Momente des Glücks E-Book

SHERRYL WOODS

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Beschreibung

Wer in die Zukunft blicken möchte, muss die Schatten der Vergangenheit hinter sich lassen … Band vier der Süßen Magnolien.

Als Jeanette beim Aufbau des Fitness-Spa in Serenity neue Freundschaften schließt, findet sie endlich das Gefühl von Gemeinschaft, das sie bisher in ihrem Leben vermisst hat. Doch selbst ihre neugewonnenen Freundinnen, die drei Süßen Magnolien, können den tiefen Riss zwischen Jeanette und ihrer Familie nicht kitten.
Noch dazu wird sie mitten in die Planung eines Stadtfestes verwickelt, und dabei ist ihr überhaupt nicht nach Festlichkeit zumute – ebenso wenig wie dem attraktiven Stadtverwalter Tom, mit dem sie zusammenarbeiten soll. Doch als die Dekorationen angebracht werden und sich ein Hauch von Feierlichkeit um die Stadt legt, merkt Jeanette, dass sie nach vorne schauen muss, um das Glück in ihr Leben zu lassen.

Neuanfänge in Serenity – unvergleichliche Südstaaten-Wohlfühl-Atmosphäre von New-York-Times-Nr.-1-Bestsellerautorin Sherryl Woods.

Lesen Sie auch die anderen Bände der Süße Magnolien-Reihe:
1. Ein Traum wird wahr
2. Ein neuer Tag beginnt
3. Ein Wunder geschieht
4. Momente des Glücks

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Buch

Wer in die Zukunft blicken möchte, muss die Schatten der Vergangenheit hinter sich lassen … Band vier der Süßen Magnolien

Als Jeanette beim Aufbau des Fitness-Spa in Serenity neue Freundschaften schließt, findet sie endlich das Gefühl von Gemeinschaft, das sie bisher in ihrem Leben vermisst hat. Doch selbst ihre neugewonnenen Freundinnen, die drei Süßen Magnolien, können den tiefen Riss zwischen Jeanette und ihrer Familie nicht kitten.

Noch dazu wird sie mitten in die Planung eines Stadtfestes verwickelt, und dabei ist ihr überhaupt nicht nach Festlichkeit zumute – ebenso wenig wie dem attraktiven Stadtverwalter Tom, mit dem sie zusammenarbeiten soll. Doch als die Dekorationen angebracht werden und sich ein Hauch von Feierlichkeit um die Stadt legt, merkt Jeanette, dass sie nach vorne schauen muss, um das Glück in ihr Leben zu lassen.

Neuanfänge in Serenity – unvergleichliche Südstaaten-Wohlfühl-Atmosphäre von New-York-Times-Nr.-1-Bestsellerautorin Sherryl Woods.

Lesen Sie auch die anderen Bände der Süße-Magnolien-Reihe.

1. Ein Traum wird wahr

2. Ein neuer Tag beginnt

3. Ein Wunder geschieht

4. Momente des Glücks

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Sherryl Woods

Süße Magnolien

Momente des Glücks

ROMAN

Ins Deutsche übertragen von Michael Krug

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Welcome to Serenity« bei Mira Books, Toronto 2008.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2008 by Sherryl Woods.

Translation copyright © 2023 by Blanvalet Verlag,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München.

All rights reserved including the right of reproduction in whole or

in part in any form. This edition is published by arrangement with

Harlequin Books S.A.

This is a work of fiction. Names, characters, places and incidents are either

the product of the author’s imagination or are used fictitiously, and any

resemblance to actual persons, living or dead, business establishments,

events or locales is entirely coincidental.

Redaktion: Daniela Bühl

Umschlaggestaltung: © bürosüd, München

Umschlagillustration:www.buerosued.de

LO · Herstellung: sam

Gesamtherstellung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN: 978-3-641-30048-7V001

www.blanvalet.de

Liebe Freunde,

ursprünglich war die Reihe der süßen Magnolien nur auf drei Bücher ausgelegt. Aber die Resonanz darauf war überwältigend, und mir hat es solche Freude bereitet, über diese Frauen zu schreiben, dass ich die Reihe einfach fortsetzen musste! Welcome to Serenity, Jeanettes Geschichte, ließ mir keine Ruhe. Und da das Buch ursprünglich zur Weihnachtszeit veröffentlicht werden sollte, war es sinnvoll, das in die Erzählung einzubauen.

Aber während ich Weihnachten uneingeschränkt liebe, hat Jeanette offensichtlich seit geraumer Zeit ihre Probleme damit. Ihre Vergangenheit zu erforschen und sie mit einem Mann zusammenzubringen, der eigene schlechte Erinnerungen in der Hinsicht hat, schien mir genau das Richtige zu sein, um Konflikte in Serenity in South Carolina zu schüren, einer Gemeinde, die ihre Feiertage liebt, vor allem Weihnachten.

Wenn Sie diese Geschichte zum ersten Mal lesen, während Ihr eigener Baum entsteht, hoffe ich, dass sie ein paar schöne Weihnachtserinnerungen aufleben lässt!

Also willkommen zurück in Serenity und bei den süßen Magnolien. Ich hoffe, Ihre eigenen Freundschaften sind so tief und lohnend wie jene auf diesen Seiten.

Alles Gute

Sherryl

KAPITEL 1

Der entspannende Lavendelduft in der Handcreme, die Jeanette Brioche in ihre verkrampften Finger einmassierte, trug nicht das Geringste dazu bei, ihre blankliegenden Nerven zu beruhigen. Vor wenigen Stunden hatte Maddie Maddox, ihre Chefin im Corner Spa, eine Besprechung für sechs Uhr angesetzt. Unmittelbar nach Jeanettes letztem Termin mit einer Kundin. Maddie hatte nicht gesagt, worum es ging. Allerdings legte ihre verkniffene Miene nahe, dass es keine Feier sein würde, wie sie und ihre Freundinnen Dana Sue und Helen sie oft spontan organisierten.

Da Jeanette von Natur aus zu Besorgnis neigte und hinter jeder Ecke eine Katastrophe lauern sah, beschloss sie, es hinter sich zu bringen, obwohl es noch nicht ganz sechs war. Ihr Magen krampfte sich beklommen zusammen, als sie durch den Flur zu Maddies Büro ging.

Nachdem Jeanette an die nur angelehnte Tür geklopft hatte, trat sie mitten hinein in ein heilloses Chaos. Maddie hielt völlig zerzaust den zappelnden sechs Monate alten Cole im Arm und versuchte, ihn zu füttern. Gleichzeitig tobte die zweijährige Jessica Lynn ungestüm durchs Zimmer und warf alles in Sicht zu Boden. Maddies sonst so sortierte Ordner bildeten ein wildes Gewirr, Muster von ihren Lieferanten lagen überall verstreut. Eine Flasche Handlotion ohne Deckel war umgekippt.

»Hilf mir!«, sagte Maddie zu Jeanette, die sich prompt Jessica Lynn schnappte und die Kleine kitzelte, bis sie unkontrolliert lachte.

»Schlechter Tag?«, erkundigte sich Jeanette. Sie spürte, wie sich der Krampf in ihrem Magen lockerte, als ihr Jessica Lynn mit klebrigen, nach Handlotion mit Rosenduft riechenden Fingern die Wange tätschelte. Nur schien Jeanettes biologische Uhr umso lauter zu ticken, je mehr Zeit sie mit Jessica Lynn und Cole sowie Helens kleinem Mädchen verbrachte. Noch hatte der Wecker nicht geklingelt, aber sie spürte, dass er es bald würde, weil sie den Geruch von Babypuder allmählich ansprechender fand als die Kräuterdüfte im Spa.

»Schlechter Tag, schlechte Woche und höchstwahrscheinlich ein schlechter Monat«, antwortete Maddie.

Die müde Erwiderung bestätigte so ziemlich den Grund für ihre verdrossene Miene vorhin. Maddie hatte bereits drei Kinder gehabt, als sie vor wenigen Jahren Cal Maddox geheiratet hatte. Mittlerweile waren zwei weitere hinzugekommen. Ihr ältester Sohn Ty studierte an der Duke University und galt dort als der Star des Baseballteams. Kyle fand an der Highschool nach Maddies Scheidung von seinem Vater endlich sein inneres Gleichgewicht wieder. Und Katie war gerade neun Jahre alt geworden und hielt bislang wenig davon, eine große Schwester statt das Nesthäkchen der Familie zu sein.

Es stand außer Frage, dass Maddie schon im Privatleben alle Hände voll zu tun hatte. Quasi nebenher leitete sie auch noch das Corner Spa, einen florierenden Fitnessclub mit Wellnessangeboten für Frauen aus Serenity, South Carolina und darüber hinaus. Jeanette hatte keine Ahnung, wie ihre Chefin das alles stemmte. An den meisten Tagen gelang es ihr mit Bravour. An diesem hingegen sah sie völlig überfordert aus.

»Soll ich dem Wonneproppen hier eine Schönheitsbehandlung verpassen?«, fragte sie Maddie, während sich Jessica Lynn zu befreien versuchte.

»Eigentlich müsste Cal jeden Moment hier sein, um die beiden abzuholen«, antwortete Maddie. »Dann können wir zwei reden.«

Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, trat ihr Ehemann ein, erfasste die Lage mit einem grinsenden Blick und nahm Jeanette die sich windende Jessica Lynn ab.

»Wie geht’s meinem Lieblingsmädchen?«, fragte er, warf die Kleine hoch, fing sie auf und drückte ihr einen lauten Schmatz auf die Wange, der sie freudig quieken ließ.

»Ich dachte, ich wäre dein Lieblingsmädchen«, brummelte Maddie gespielt verärgert.

Cal schien weder das zerzauste Haar seiner Frau noch ihr fehlendes Make-up oder die Flecken von Babynahrung auf ihrer Bluse zu bemerken. Er setzte seine zweijährige Tochter ab, beugte sich zu Maddie und küsste sie lang und innig. »Du bist meine Lieblingsfrau«, sagte er schließlich zu ihr. »Und das ist viel, viel besser.«

Neidisch beobachtete Jeanette, wie Maddie statt einer Antwort die Hand auf seine Wange legte und ihm in die Augen sah. Es war, als fühlten sich die beiden völlig allein im Raum. Dana Sue und Ronnie Sullivan sowie Helen Decatur und Erik Whitney waren genauso vernarrt ineinander. In ihren zweiunddreißig Jahren hatte Jeanette noch nie eine Liebe wie jene zwischen diesen Paaren erlebt. Kein Wunder, dass sich ihr jedes Mal in ihrer Nähe beinah ein sehnsüchtiges Seufzen entrang.

Tatsächlich wirkten sie alle so glücklich, dass sie Jeanette in Versuchung führten, noch einmal einer festen Beziehung eine Chance zu geben. Dem hatte sie seit mittlerweile drei Jahren abgeschworen – seit sie sich von dem Mann getrennt hatte, der eifersüchtig auf ihr Engagement für das Corner Spa gewesen war. Da Cal, Ronnie und Erik allesamt ihre Frauen nicht nur vergötterten, sondern auch deren jeweilige Karriere unterstützten, wusste Jeanette, dass es solche Männer sehr wohl zu finden gab. Sie hatte bisher nur noch nicht genug Glück gehabt.

Endlich löste Maddie mit rosigen Wangen den Blick von ihrem Ehemann. »Gerade noch die Kurve gekriegt, Coach Maddox«, sagte sie. Damit spielte sie auf Cals Job als Baseballtrainer der Highschool an. In jener Eigenschaft war er früher auch der Mentor ihres ältesten Sohns gewesen. »Würdest du jetzt die zwei Krümelmonster hier wegschaffen, damit ich ein vernünftiges Gespräch mit Jeanette führen kann?«

»Gern doch«, erwiderte Cal, setzte den kleinen Cole in seinen Kinderwagen und hob sich Jessica Lynn wieder in die Arme. »Soll ich vom Sullivan’s was zum Abendessen holen?«

Maddie nickte. »Ich hab schon angerufen. Dana Sue richtet die Bestellung für dich her. Du brauchst nur kurz in der Gasse zu parken und den Kopf in die Küche zu stecken. Sie oder Erik reichen dir das Essen raus.«

»Alles klar.« Grinsend salutierte Cal verspielt. »Bis später. Schönen Abend noch, Jeanette. Lass dich von ihr bloß zu nichts überreden.«

»Still und raus«, befahl Maddie, warf ihm einen strengen Blick zu und scheuchte ihn aus dem Büro.

Jeanette beäugte Maddie misstrauisch, als sie die Tür hinter ihrem Mann schloss. »Wozu willst du mich denn überreden?«

»Ach, hör nicht auf ihn«, gab Maddie zurück, obwohl ihre Miene ein wenig schuldbewusst blieb. »Ist keine große Sache.«

Was bedeutete, dass es sehr wohl eine war, folgerte Jeanette. Sie arbeitete bereits seit der Eröffnung des Betriebs mit Maddie zusammen und kannte sie inzwischen ziemlich gut. Mittlerweile lief der Laden wie geschmiert – nicht zuletzt dank Maddies Gabe, die Schwierigkeiten der ans Personal verteilten Aufgaben kleinzureden. Schönreden beherrschte sie meisterlich. Jeanette hatte gelernt, sich vor diesem abwiegelnden Ton in Acht zu nehmen.

»Raus mit der Sprache«, verlangte Jeanette.

»Wenn ich’s mir recht überlege, ist es eigentlich viel zu schön draußen, um drinnen zu bleiben. Was hältst du davon, wenn wir uns süßen Tee holen und uns auf der Terrasse unterhalten?«, schlug Maddie vor und verließ das Büro bereits in Richtung des kleinen Cafés, das zum Spa gehörte.

Als Jeanette hinter ihr hertrabte, zog sich der beklommene Knoten in ihrem Magen wieder zusammen.

Nachdem sie sich im Schatten einer riesigen Sumpfeiche niedergelassen hatten, die sie vor dem Großteil der untergehenden Sonne abschirmte, trank Maddie einen ausgiebigen Schluck von ihrem Tee, seufzte zufrieden und schenkte Jeanette ein strahlendes Lächeln, das jedoch ein wenig gezwungen wirkte. »Wie läuft das Geschäft?«

Um ein Haar hätte Jeanette laut aufgelacht. »Die Antwort darauf kennst du wohl besser als ich. Komm schon, Maddie. Rück einfach raus damit. Was hast du auf dem Herzen?«

Maddie stellte ihren Tee behutsam auf dem Tisch ab und beugte sich mit ernster Miene vor. »Du weißt doch, dass ich in letzter Zeit alle Hände voll zu tun habe, oder?«

»Klar weiß ich das«, erwiderte Jeanette. Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, erschrak sie unverhofft. »Du kündigst doch nicht etwa, oder?«

»Himmel, nein«, entgegnete Maddie. »Das Corner Spa ist für mich genauso wichtig wie für Helen und Dana Sue. Ich bin stolz darauf, was wir hier geschaffen haben, und mit wir meine ich auch dich. Du hast großartige Arbeit bei den Wellnessangeboten geleistet. Ich hab nicht vor, von Bord zu gehen.«

»Gott sei Dank.« Mit einem erleichterten Seufzen lehnte sich Jeanette zurück. Sie hatte den Betrieb beide Male geleitet, während Maddie im Mutterschaftsurlaub gewesen war. Daher wusste sie, dass sie mit dem Tagesgeschäft zurechtkam, nur wollte sie es nicht. Die Verantwortung für den Wellnessbereich genügte ihr vollauf. Massagen, Gesichtsbehandlungen, Pediküre, Maniküre – dafür war sie ausgebildet worden, davon verstand sie etwas. Das Fitnessstudio, das sie persönlich als bessere Folterkammer betrachtete, überließ sie lieber den hervorragenden hauseigenen Personal Trainern. Und der Papierkram und das Marketing, die nötig waren, damit der Laden in der Region führend blieb, überstiegen ihren Horizont. Außerdem gefiel ihr der tägliche Umgang mit den Kundinnen. Maddie kam selten dazu, ihr Büro zu verlassen.

»Okay, zurück zum eigentlichen Thema«, sagte Maddie. »Was ich sagen wollte, ist, dass Jessica Lynn und Cole gerade sehr viel Aufmerksamkeit brauchen. Ganz zu schweigen davon, dass ich Kyle und Katie in der Spur halten muss. Außerdem bin ich immer noch mehr oder weniger frisch verheiratet.« Sie grinste. »Zumindest gibt Cal mir nach wie vor das Gefühl.«

»Ist nicht zu übersehen«, merkte Jeanette ironisch an.

»Kurzum, ich kann nicht frei über meine Zeit verfügen.«

»Okay«, sagte Jeanette verhalten.

»Das Corner Spa gehört inzwischen zu den erfolgreichsten Betrieben der Stadt. Damit geht eine gewisse Verantwortung einher«, fuhr Maddie fort. »Wir müssen uns quasi als Gemeindevertreter hervortun.«

Jeanette nickte.

»Was bedeutet, dass sich jemand von uns bei Aktivitäten und Veranstaltungen der Stadt engagieren muss.« Sie sah Jeanette mit ernster Miene an. »Dabei reicht es nicht, nur einen Scheck auszustellen oder mitzumachen. Wir müssen eine führende Rolle einnehmen, in Ausschüssen und dergleichen.«

Jeanettes Augen weiteten sich, als ihr allmählich ein Licht aufging. »Oh, nein«, entfuhr es ihr. Der Knoten in ihrem Magen krampfte sich fester zusammen. »Du willst doch nicht etwa andeuten, was ich denke, oder?«

Maddie setzte eine Unschuldsmiene auf. »Keine Ahnung. Was denkst du denn?«

»Weihnachten.« Jeanette brachte das Wort kaum heraus, ohne dabei zu erschaudern.

Wie alle Feiertage wurde auch Weihnachten in Serenity mit großem Pomp begangen – Dekoration, die es mit jeder Inszenierung des Nussknackers aufnehmen konnte, die Ankunft des Weihnachtsmanns, Auftritte der örtlichen Chöre, Zuckerstangen und kleine Geschenke für jedes Kind im Ort. Die gesamte Stadt erstrahlte vor Lichtern, die Gartendekorationen reichten von geschmackvoll bis kitschig. Die Einwohner von Serenity liebten es. Alle begrüßten die Weihnachtszeit mit der kindlichen Begeisterung Fünfjähriger.

Alle außer Jeanette. Sie betrachtete Weihnachten als etwas, das sie über sich ergehen lassen musste, und die Feiertage als etwas, das es zu überleben galt. Nicht als eine Zeit der Freude, in der man feierte und sich gesellig mit Nachbarn traf. So war es bereits seit Jahren. Tatsächlich versuchte sie meistens, über die Feiertage Urlaub zu nehmen. Dann verbrachte sie die Zeit abgekapselt mit DVDs aller Filme, die sie im vergangenen Jahr verpasst hatte.

»Auf keinen Fall«, teilte sie Maddie mit. »Keine Chance. Ich lasse mich nicht für das Weihnachtsfest einspannen.«

»Komm schon, Jeanette. Bitte«, flehte Maddie. »Es sind nur ein paar Treffen, um sicherzustellen, dass die Lichterketten aufgehängt, die Bäume beleuchtet und die Kirchenchöre zum Singen eingeladen werden. Du lebst lang genug hier, um den Ablauf zu kennen. Und du gehörst zu den am besten organisierten Menschen, die ich kenne.«

»Und zu den wohl unwilligsten Menschen auf dem Planeten, die es machen wollen«, gab Jeanette mit ernster Miene zurück. »Glaub mir, Maddie, du willst mich nicht in der Nähe der Pläne der Stadt für die Weihnachtsfeiertage haben. Der Grinch ist nichts im Vergleich zu mir. Wenn’s nach mir ginge, würde Weihnachten gestrichen.«

Maddie wirkte aufrichtig erschüttert. »Warum? Wie kann man Weihnachten nicht lieben?«

»Ist bei mir einfach so, okay?«, erwiderte Jeanette verkniffen. »Das kann ich nicht für dich machen, Maddie. Geht einfach nicht. Alles andere, aber nicht das. Ich passe auf deine Kinder auf, übernehme hier zusätzliche Aufgaben, was immer du brauchst. Aber ich lasse mich nicht für das Fest einspannen.«

»Aber …«

»Ich mach’s nicht, Maddie. Basta.«

Und damit stand Jeanette zum ersten Mal in ihren drei Jahren im Corner Spa auf, kehrte ihrer Chefin den Rücken zu und ging davon. Maddie blieb mit fassungslos aufgeklapptem Mund zurück.

* * *

Tom McDonald war seit einer Stunde und fünfzehn Minuten Gemeindedirektor von Serenity, als Bürgermeister Howard Lewis sein Büro betrat. Der Mann ließ den fülligen Körper auf einen Stuhl plumpsen und sagte: »Reden wir über Weihnachten.«

Tom bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick, der die Idee im Keim ersticken sollte. »Meinen Sie nicht, wir sollten uns eher auf das Budget konzentrieren, Howard? Darüber wird bei der nächsten Gemeinderatssitzung abgestimmt. Bis dahin muss ich Bescheid darüber wissen, wo die Prioritäten in Serenity liegen.«

»Ich kann Ihnen sagen, was oberste Priorität hat«, erwiderte Howard unbeirrt und entschlossen. »Weihnachten. Das begehen wir in Serenity ganz groß. Und es muss richtig gemacht werden, also müssen Sie sofort ein Treffen einberufen. Holen Sie die Leute von der Handelskammer und ein paar Unternehmer ins Boot. Ich gebe Ihnen Namen dafür.«

Während Tom überlegte, wie er am besten ablehnen könnte, wurde Howards Miene nachdenklich.

»Wissen Sie«, meinte der Bürgermeister schließlich, »wir könnten neue Dekoration für den Hauptplatz gebrauchen, weil wir inzwischen ein paar neue Geschäfte in der Stadt haben. Vielleicht diese großen beleuchteten Schneeflocken. Ich finde, dieses Jahr sollten die Feierlichkeiten wie in alten Zeiten im Zentrum stattfinden. Der Park ist zwar auch toll, aber der Hauptplatz vermittelt eher was von guter, altmodischer Weihnachtsstimmung, finden Sie nicht?«

Tom ignorierte die Frage. »Ist neue Dekoration im aktuellen Budget vorgesehen?«, fragte er, um sich mit einem praktischen Vorwand die Verlegenheit zu ersparen, seine Abneigung gegen Weihnachten zuzugeben.

»Glaub ich kaum«, antwortete Howard schulterzuckend. »Aber es lassen sich immer ein paar Dollar für Notfälle abzweigen. Ermessensfonds. Nennt man das nicht so?«

»Beleuchtete Schneeflocken qualifizieren sich wohl kaum als Notkauf.« Unwillkürlich fragte sich Tom, ob er während seiner Amtszeit in Serenity viele Diskussionen dieser Art führen würde. Falls ja, würde es eine frustrierende Erfahrung werden.

Howard wischte seine Einwände weg. »Sie finden bestimmt einen Weg. Hauptsache, Sie fangen gleich damit an.«

»Wir haben September, Howard«, merkte Tom an, dessen Unbehagen direkt proportional zur unerschütterlichen Entschlossenheit des Bürgermeisters wuchs.

Auch diese Erinnerung wischte Howard weg. »Und es dauert seine Zeit, alles zu organisieren, vor allem, wenn man auf Freiwillige angewiesen ist. Wissen Sie ja bestimmt. In Ihrem Lebenslauf steht alle mögliche Organisationserfahrung. Nutzen Sie die.«

»Da Sie so begeistert von dem Projekt zu sein scheinen, finde ich, Sie sollten es leiten«, sagte Tom und schaffte es nicht, einen verzweifelten Unterton aus der Stimme herauszuhalten. Wenn er noch eine Minute lang auch nur daran denken müsste, eine Weihnachtsfeier zu organisieren, würde ihm der Schweiß ausbrechen.

Er war in einem Haushalt aufgewachsen, in dem die Weihnachtsvorbereitungen kaum später begannen. Eigens beauftragte Dekorateure gestalteten jedes Zimmer im Erdgeschoss der Familienvilla in Charleston in ein durchgestyltes Weihnachtswunderland, bevor der Reigen der gesellschaftlichen Empfänge unmittelbar nach Thanksgiving begann. Und wehe, seine Schwestern oder er wollten eines der Päckchen unter den verschwenderisch geschmückten Bäumen auswickeln. Bei den meisten handelte es sich ohnehin nur um leere Kartons. Wie so vieles im Hause McDonald war auch das mehr Schein als Sein.

Ihm wurde bewusst, dass Howard ihn mit skeptischem Blick musterte. »Haben Sie was gegen Weihnachten?«, erkundigte sich der Bürgermeister.

»In religiöser Hinsicht nicht das Geringste«, antwortete Tom schnell. »Mir geht es nur darum, dass es keine effektive Nutzung meiner Zeit ist, Dekoration und dergleichen zu organisieren. Dann ist da noch das heikle Thema religiöser Darstellungen auf öffentlichem Gelände. Trennung von Kirche und Staat und so. Damit müssen wir vorsichtig sein. Dagegen gehen die Gerichte heutzutage streng vor.«

»Unsinn«, widersprach Howard. »Wir sind hier in Serenity. Niemand hat Einwände gegen Weihnachten.« Er stand auf. »Ich will vor der Ratssitzung nächsten Donnerstag einen Fortschrittsbericht darüber von Ihnen sehen. Verstanden?«

Tom konnte kaum dem Drang widerstehen, die Augen zu schließen und um Geduld zu beten. »Verstanden«, gab er kurz angebunden zurück.

Ihn die Feier organisieren zu lassen, dachte er mürrisch, war ungefähr so, als betraute man den Grinch damit.

* * *

Wäre Jeanette dem Alkohol zugetan gewesen, hätte ihr Gespräch mit Maddie sie direkt in die nächstgelegene Kneipe gejagt. Stattdessen flüchtete sie zu Sullivan’s und einer doppelten Portion von Dana Sues berühmtem Apfel-Brotpudding mit Zimteis. Die Bestellung – oder eine Meldung der Kellnerin über ihre miese Stimmung – lockte prompt Dana Sue aus der Küche.

Die Besitzerin des erfolgreichsten gehobenen Restaurants von Serenity, gleichzeitig Miteigentümerin des Corner Spa, stellte eine große Dessertschale vor Jeanette ab und nahm ihr gegenüber Platz.

»Was ist los?«, fragte sie mit besorgter Miene.

Jeanette zuckte zusammen. Sie hätte wissen müssen, dass es ein Fehler war herzukommen. Alle süßen Magnolien – so nannten sich Maddie, Dana Sue und Helen – waren entschieden zu intuitiv, ganz zu schweigen von neugierig und zudringlich. »Wie kommst du drauf, dass irgendwas nicht stimmt?«, gab sie zurück und machte sich über den Brotpudding her.

»Zunächst mal bestellst du so gut wie nie ein Dessert, und schon gar keine doppelte Portion. Und dann ist da noch der grimmige Ausdruck in deinem Gesicht.« Dana Sue musterte sie. »Außerdem hat Maddie angerufen und mir erzählt, dass du aufgebracht über ein Gespräch zwischen euch beiden bist. Sie hatte so eine Ahnung, dass du hier aufschlagen könntest.«

»Gibt’s eigentlich irgendwas, worüber ihr drei euch nicht austauscht?«, fragte Jeanette gereizt, bevor sie sich einen weiteren Löffel hausgemachtes Zimteis einverleibte, das auf dem warmen Dessert schmolz. Wäre sie in normalerer Stimmung gewesen, die Kombination von zarten Äpfeln und cremigem Speiseeis hätte sie in Verzückung versetzt.

»Wir haben auch unsere Geheimnisse«, versicherte Dana Sue ihr. »Aber wir sind immer prompt zur Stelle, wenn eine von uns Unterstützung braucht. Und du bist mittlerweile eine von uns. Das weißt du schon, oder?«

»Nein, bin ich nicht«, widersprach Jeanette, obwohl ihre Augen dabei leicht feucht wurden. »Ich bin nicht hier aufgewachsen. Ihr drei kennt euch schon ein Leben lang. Ihr macht praktisch seit einer Ewigkeit alles zusammen. Als Außenseiterin kann ich keine süße Magnolie sein.«

»Um Himmels willen, es ist ja nicht so, als hätten wir irgendwelche Statuten darüber. Du bist eine, wenn wir es sagen«, entgegnete Dana Sue. »Das bedeutet, dass es uns zusteht, uns um dich zu sorgen und uns in dein Leben einzumischen. Also erzähl mir, was mit Maddie passiert ist.«

»Sie hat’s dir nicht gesagt?«

»Sie hat nur erwähnt, dass es irgendwas mit Weihnachten zu tun hat. Hat offen gestanden nicht viel Sinn für mich ergeben. Niemand kriegt Stress wegen Weihnachten.« Ihr Gesichtsausdruck wurde nachdenklich. »Außer, man schiebt die Einkäufe bis Heiligabend vor sich her. Aber daran kann’s auch nicht liegen. Wir haben erst September.«

»Mit Weihnachtseinkäufen hat es definitiv nichts zu tun«, bestätigte Jeanette. Wenn es nur möglich gewesen wäre, hätte sie das Thema an der Stelle abgewürgt. Doch Dana Sues bohrender Blick teilt ihr mit, dass es dazu nicht kommen würde. Jeanette seufzte resigniert. »Sie will mich im Weihnachtskomitee der Stadt haben.«

»Okay«, sagte Dana Sue langsam. »Ich sehe das Problem nicht. Hast du keine Zeit dafür?«

»Die könnte ich mir nehmen, wenn ich wollte«, räumte Jeanette widerwillig ein. »Aber ich will eben nicht.«

»Wieso nicht?«

»Ist einfach so. Reicht das nicht als Grund?« Sie stopfte sich einen weiteren Löffel Brotpudding in den Mund. Damit hatte sie bereits mehr gegessen, als sie sollte. Von dem ganzen Zucker wurde ihr allmählich ein wenig flau.

»Wenn’s dir so widerstrebt, in dem Ausschuss mitzuarbeiten, weiß ich genau, dass Maddie dich nicht zwingen wird«, beruhigte Dana Sue. »Aber vielleicht solltest du ihr erklären, warum.«

Jeanette schüttelte den Kopf. Für eine Erklärung müsste sie entschieden zu viele schmerzhafte Erinnerungen ans Licht zerren. »Darüber will ich nicht reden. Können wir es dabei belassen?«

Dana Sue musterte sie mitfühlend. »Du weißt, dass Maddie eine Glucke ist. Wenn sie die Geschichte dahinter nicht kennt, wird sie sich Sorgen machen und dich so lange nerven, bis sie weiß, was los ist. Mein Rat wäre, es einfach hinter dich zu bringen und damit herauszurücken.«

»Nein«, entgegnete Jeanette rundheraus. »Ihr habt mich für das Spa eingestellt. Von Weihnachten war dabei nie die Rede. Wenn das ein so großes Problem ist, gehöre ich vielleicht nicht hierher.«

»Das ist doch lächerlich!«, stieß Dana Sue mit entsetzter Miene hervor. »Natürlich gehörst du hierher. Wir lieben dich wie eine Schwester. Du wirst sicher nicht gehen, nur weil du nicht im Ausschuss fürs Weihnachtsfest der Stadt mitarbeiten willst. Maddie wird schon was einfallen. Vielleicht kann Elliot es übernehmen. Oder irgendjemand sonst im Spa.«

Bei der Erwähnung des erstklassigen Personal Trainers hellten sich Jeanettes Züge auf. »Elliot wäre gut. Seit er mit Karen zusammen ist, wird er bei praktisch jedem Feiertag im Kalender total rührselig.« Die Idee gefiel ihr. »Außerdem würde er sich bestens für die anfallenden körperlichen Tätigkeiten eignen. Auf Leitern klettern, Sachen aufhängen, so was alles. Ganz zu schweigen davon, was für eine Augenweide er ist. Wenn er dabei ist, werden sich sämtliche Frauen in der Stadt sofort freiwillig für den Ausschuss melden.«

»Gute Argumente«, meinte Dana Sue grinsend. »Solltest du bei Maddie unbedingt anbringen. Also, was hältst du davon, wenn ich dir jetzt was Richtiges zu essen bringe? Der Wels ist heute Abend besonders gut.«

Jeanette schüttelte den Kopf und schob die halb leere Schale mit Brotpudding von sich. »Ich bin voll.«

»Und fühlst du dich besser?«, fragte Dana Sue.

»Hundert Prozent besser«, bestätigte Jeanette. »Danke, Dana Sue.«

»Jederzeit«, erwiderte sie und erhob sich vom Tisch. »Aber bevor du eine endgültige Entscheidung über die Sache mit dem Ausschuss triffst, solltest du vielleicht noch etwas bedenken.«

Jeanette erstarrte. Sie hatte gedacht, die Sache wäre abgehakt. Sie würde zu Maddie gehen, Elliot für die Aufgabe vorschlagen, und damit hätte es sich. Argwöhnisch beäugte sie Dana Sue. »Ach ja?«

»Der neue Gemeindedirektor leitet den Ausschuss.«

»Und?«

»Er war neulich Abend mit dem Bürgermeister hier«, sagte Dana Sue. »Der Mann ist ein richtiger Schnuckel.« Sie grinste. »Und wie ich höre, ist er Single.«

Sofort verengte Jeanette die Augen zu Schlitzen. »Darum geht’s also? Du und Maddie wollen mich verkuppeln?«

»Fiele uns nicht im Traum ein«, entgegnete Dana Sue mit einer Unschuldsmiene. »Ich berichte dir nur, was ich weiß, damit du eine fundierte Entscheidung treffen kannst.«

»Die hab ich schon getroffen«, gab Jeanette mit Nachdruck zurück. »Und ich suche keinen Mann. Du hast mir damit bloß einen Grund mehr geliefert, die Finger davon zu lassen.«

Dana Sue lächelte wissend. »Ich meine, mich zu erinnern, dass Maddie haargenau dasselbe gesagt hat, kurz bevor sie mit Cal vor den Traualtar getreten ist. Und Helen hat vor der Hochzeit mit Erik sogar noch heftiger protestiert. Und ich erst – oh Mann, was hab ich wild entschlossen behauptet, keinerlei Interesse mehr an Ronnie zu haben. Und sieh uns jetzt an.«

Jeanette erbleichte. »Aber mir ist es ernst.«

Dana Sue schmunzelte. »War es uns auch, Süße. War es uns auch.«

Nach all den Fehlern, die Jeanette bei der Wahl ihrer Männer schon begangen hatte, war ihr Leben in letzter Zeit erfrischend ruhig verlaufen. Friedlich. Und so gefiel es ihr. Tat es wirklich. Gut, vielleicht beneidete sie Maddie, Dana Sue und Helen um ihre grundsoliden Beziehungen. Aber Männer wie ihre waren rar gesät. Und Jeanette wusste aus Erfahrung, dass sie diese Sorte leider nicht anzog.

Sie bedachte Dana Sue mit einem strengen Blick. »Halt dich aus meinem Liebesleben raus.«

»Ich wusste gar nicht, dass du eines hast«, gab Dana Sue zurück.

»Genau das meine ich. Und so soll es auch bleiben.«

»Berühmte letzte Worte«, kommentierte Dana Sue, als sie ging.

»Ich mein’s ernst«, rief Jeanette ihr nach. »Wirklich.«

Dana Sue winkte nur. Obwohl Jeanette ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie, dass die Frau grinste. In dem Moment beschloss sie, damit anzufangen, Margaritas zu trinken wie der Rest der süßen Magnolien. So könnte sie bei der nächsten Krise schnurstracks in eine Bar steuern, statt in ein Hornissennest aus weisen Ratschlägen und gutgemeinter Einmischung zu stechen.

KAPITEL 2

In Tom brodelte es noch wegen der Besprechung mit dem Bürgermeister, als er das Büro verließ und den Weg zum Serenity Inn antrat. Die Aussicht auf einen langen, sinnentleerten Abend in seinem Hotelzimmer empfand er als wenig verlockend. Er brauchte Bewegung, genug Anstrengung, um sämtliche Gedanken an das lächerliche Gespräch aus dem Kopf zu vertreiben.

Auf dem Weg zu seinem Zimmer erkundigte er sich an der Rezeption bei Maybelle Hawkins, ob es in der Stadt ein Fitnessstudio gab. Sie runzelte die Stirn über die Frage.

»Na ja, da wäre Dexter’s Gym, aber um ehrlich zu sein, ist der Laden ein ziemliches Loch. Ich hab zwar gehört, dass Dexter recht gute Geräte hat. Aber mehr, als hin und wieder einen neuen Anstrich an die Wände zu klatschen, hat er in den letzten dreißig Jahren nicht gemacht. Männer scheint das nicht zu stören, aber die Frauen haben sich jahrelang vergeblich darüber beschwert.«

»Also ist Dexter’s Gym die einzige Möglichkeit?« Schweißgeruch störte Tom ebenso wenig wie heruntergekommenes Dekor. Allerdings bezweifelte er, dass ein solcher Laden die Geräte in Schuss hielt, auch wenn Maybelle meinte, sie wären gut. »Ich bilde mir ein, ich hätte mal in einer Regionalzeitschrift was über einen Laden namens Corner Spa gelesen.«

Maybelles Augen leuchteten auf. »Das ist ’ne völlig andere Geschichte«, sagte sie. »Schon das Eintreten ist ein beruhigendes Erlebnis. Die Besitzerinnen haben ein altes viktorianisches Haus an der Ecke Main Street und Palmetto Lane in etwas ganz Besonderes verwandelt. Ich hab dort zwar keines der schicken Geräte benutzt, aber ich hatte eine Gesichtsbehandlung und ein Schlammbad. Schlamm! Können Sie sich das vorstellen? Und ganz ehrlich, ich hab mich danach besser als je zuvor gefühlt.«

Tom nickte. »Klingt perfekt«, befand er. Vage hatte er in Erinnerung, dass der Artikel eine ähnliche Lobeshymne gewesen war.

»Ja, nur das können Sie vergessen«, erwiderte Maybelle mit einem seltsam triumphierenden Funkeln in den Augen.

»Wieso das?«

»Nur Frauen haben Zugang. Nachdem sie Dexter so viele Jahre angefleht haben zu renovieren, haben sie jetzt endlich einen eigenen Platz.«

»Soll das heißen, das Corner Spa diskriminiert?« Verärgerung regte sich in ihm. »Und es hat noch niemand dagegen geklagt?«

Maybelle sah ihn mit verständnisloser Miene an. »Warum sollte das jemand? Es ist einfach ein Spa für Frauen. Ihr Männer habt doch seit Jahren eure Privatclubs und Golfplätze. Jetzt tun sich ein paar Frauen zusammen und eröffnen etwas nur für Frauen, und Sie wollen klagen? Oh bitte.«

Innerlich zuckte Tom leicht zusammen. Tatsächlich war sein Vater Mitglied in mehreren solchen exklusiven, nur für Männer zugänglichen Privatclubs. Aber darum ging es nicht. Bei diesem Spa handelte es sich offenbar um ein öffentliches Geschäft.

»Jetzt hören Sie aber auf«, sagte er. »Sie müssen doch wissen, dass es moralisch falsch und wahrscheinlich sogar illegal ist.« Das würde er recherchieren müssen. Dafür könnte er in den juristischen Fachbüchern nachschlagen, die sein Vater in der Hoffnung gekauft hatte, Tom würde eines Tages eine eigene Kanzlei in Charleston eröffnen und seinen Abschluss in Jura tatsächlich nutzen.

Maybelle wirkte von seinem Argument völlig unbeeindruckt. »Das müssten Sie schon mit einer der Eigentümerinnen klären. Wovon ich aber abrate. Helen Decatur ist die scharfsinnigste Anwältin der Stadt. Niemand bei klarem Verstand legt sich mit ihr an.«

Langsam nickte Tom. So verärgert, wie er über den Verlauf seines ersten Arbeitstags gerade war, fand er es durchaus reizvoll, einem offenkundig geschlechterdiskriminierenden Betrieb auf die Zehen zu steigen. Er könnte seine üble Laune an diesem Kampf abreagieren, statt einen vergeblichen gegen Howard wegen der Weihnachtsfeierlichkeiten anzuzetteln.

Andererseits könnte es der Anfang vom Ende seiner Karriere als Gemeindedirektor werden, wenn er gleich nach seiner Ankunft in der Stadt eine beliebte Anwältin und Geschäftsinhaberin verklagte. Er würde darüber nachdenken müssen.

Vorerst schenkte er Maybelle ein zerstreuendes Lächeln. »Danke für die Informationen.«

Nach einem kurzen Abstecher in sein Zimmer, wo er sich umzog – in Jeans, ein altes T-Shirt der University of South Carolina und Turnschuhe –, trat er mit forschen Schritten den Weg in die Innenstadt an. Wahrscheinlich würde er bei Dexter’s landen, aber erst wollte er sich dieses schicke Spa ansehen.

Er bog mehrmals falsch ab, doch schließlich fand er es. Das alte viktorianische Haus strahlte etwas Klassisches und Einladendes aus.

Er stieg die Stufen zur Veranda hinauf und spähte durch ein Fenster. Die Ausstattung drinnen sah erstklassig aus. Um die zehn Frauen rackerten auf Laufbändern und Crosstrainern. Allerdings sichtete er auch ein paar Männer. In der Hoffnung, dass sich Maybelle bei den Mitgliedschaftsbeschränkungen geirrt hatte, wollte er gerade die Tür öffnen und reingehen, um sich zu vergewissern, als er Schritte hinter sich hörte.

»Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sich eine Frau und ließ ihn abrupt innehalten. Trotz des freundlichen Südstaatentonfalls in ihrer Stimme klang die Frage eher herausfordernd als hilfsbereit.

Er drehte sich um und erblickte eine Fee von einer Frau mit sehr kurzem dunklem Haar und großen, dunklen Augen. Ohne den Akzent in ihrer Stimme hätte er sie für eine Europäerin gehalten. Ihre Kleidung vermittelte französisches Flair. Obwohl das Outfit selbst – eigentlich nur Jeans und ein T-Shirt – ohne Weiteres vom örtlichen Discounter stammen konnte. Trotzdem erinnerten ihn die flachen Schuhe und das kunstvoll umgelegte Halstuch an das angeborene Modebewusstsein, das er in einem nach dem College in Paris verbrachten Sommer, am linken Ufer der Seine erlebt hatte. An jene Tage dachte er gern zurück – und an die Frauen, die er dort kennengelernt hatte.

Tom schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln. »Kommt drauf an. Haben Sie hier zufällig was zu sagen?«

»Ich bin keine der Eigentümerinnen, falls Sie das wissen wollen. Maddie trifft sich mit allen potenziellen Lieferanten. Ich kann Ihnen ihre Karte geben.«

»Ich bin kein Lieferant. Ich will beitreten.«

»Tut mir leid. Nur für Frauen.«

»Aber ich sehe da drin ein paar Männer«, protestierte Tom.

»Personal Trainer. Die einzigen Männer, die während der Geschäftszeiten drinnen gestattet sind. Ich beschreibe Ihnen gern den Weg zu Dexter’s, wenn Sie sich in der Stadt nicht auskennen.«

»Das finde ich schon«, gab er knapp zurück. »Wissen Sie, diese Exklusivität für Frauen ist wahrscheinlich illegal.«

Die Andeutung beunruhigte sie nicht im Geringsten.

»Das bezweifle ich schwer«, sagte sie nur und wirkte belustigt. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Helen Decatur – eine der Eigentümerinnen – das bei der Gründung berücksichtigt hat. Ihre Karte kann ich Ihnen auch geben, wenn Sie wollen.«

Tom verdrängte die rechtlichen Fragen vorerst, musterte die Frau abwägend und ließ den Blick dabei so lang auf ihr ruhen, dass es sie verunsichern sollte. »Und wann bieten Sie mir Ihre Karte an?«

»Gar nicht, wenn Sie nicht zufällig Hautcremes, Produkte für Aromatherapien oder Wellness-Kleidung zu verkaufen haben. Und leider haben wir ja bereits festgestellt, dass dem nicht so ist.«

In ihrer Stimme schwang eine Häme mit, die ihn irritierte. Doch statt es sich anmerken zu lassen, ließ er seinen Charme spielen. »Jammerschade, oder? Vielleicht finden wir ja eine andere Gemeinsamkeit.«

Abrupt verschwand das belustigte Funkeln aus ihren bemerkenswerten Augen. »Wohl kaum«, erwiderte sie frostig. »Schönen Abend noch.«

Damit öffnete sie die Tür, trat ein und knallte sie ihm vor der Nase zu. Irgendwie ahnte er, dass sie auch noch abgeschlossen hätte, wenn das Spa nicht noch eine Stunde geöffnet gewesen wäre.

Tom starrte ihr nach. Plötzlich trat seine Verärgerung über die Diskriminierung gegen Männer hinter seine Faszination von dieser temperamentvollen Frau zurück, die ihm gerade die kalte Schulter gezeigt hatte. Als angehender Erbe des Vermögens der McDonalds hatte er wenig Erfahrung mit Zurückweisung, vor allem nicht in den gehobenen gesellschaftlichen Kreisen von Charleston. Und er stellte fest, dass ihm Zurückweisung nicht gefiel. Da sich die Erfahrung obendrein auf die eben erst verlorene Schlacht gegen den Bürgermeister türmte, trübte sie seine Stimmung umso mehr.

Sein Vater würde sagen, dass er diesen miesen Tag, den er in Serenity hatte, dafür verdiente, dass er nicht den illustren, schon bei seiner Geburt für ihn geplanten Karriereweg eingeschlagen hatte. Die Vorstellung der Häme im Gesicht seines Vaters ließ ihn den Rücken straffen und den Entschluss fassen, den nächsten Tag besser werden zu lassen. Er hatte eine Menge zu beweisen, nicht nur seinem Vater, sondern auch sich selbst.

Tom war nach Serenity gekommen, weil er solche Kleinstädte mochte. Und weil er fand, dass er ihnen etwas zu bieten hatte. Seine Jahre als Planer und Finanzleiter einer anderen Gemeinde hatten ihn auf Serenity und darauf vorbereitet, alle etwaig anfallenden Probleme zu bewältigen. Wenn er sich mit einem anspruchsvollen Bürgermeister herumschlagen und eine harmlose Zurückweisung von einer faszinierenden Frau wegstecken musste, dann konnte er das.

Nach einem letzten, sehnsüchtigen Blick durchs Fenster des Corner Spa beschloss er, auf Training bei Dexter’s zu verzichten. Stattdessen joggte er zurück zum Serenity Inn für eine wenig ansprechende Mahlzeit aus irgendetwas zum Mitnehmen und einem Bier.

* * *

Nach der beunruhigenden Begegnung mit dem Mann auf der Veranda zog sich Jeanette in ihr Büro zurück, um den auf ihrem Schreibtisch angesammelten Papierberg wenigstens ein bisschen zu verringern. Der Zeitpunkt erschien ihr so gut wie jeder andere, um sich mit diesem unangenehmen Aspekt ihrer Arbeit herumzuschlagen.

Leider stellte sie fest, dass sie sich nicht darauf konzentrieren konnte. Immer wieder drängten sich ihr ungebetene Bilder des Mannes auf, den sie gerade kennengelernt hatte. Der Gedanke, dass er sich mit Helen anlegen könnte, brachte sie zum Lächeln. Er hatte so selbstsicher geklungen. Es wäre ein Heidenspaß zu beobachten, wie Helen ihm das eine oder andere über das Gesetz beibringen würde.

Und obwohl sie Männern abgeschworen hatte, es hatte ein leichtes Kribbeln in ihrer Magengrube ausgelöst, unverhohlen bewundernde Blicke von einem attraktiven Mann zu erhalten, wenn auch nur für wenige Minuten. Es war lange her, dass ein Mann sie so angesehen hatte. Oder vielleicht war es nur lange her, dass sie es bewusst wahrgenommen und dabei etwas empfunden hatte.

Natürlich würde sie deswegen nichts unternehmen, ermahnte sie sich streng und wandte sich mit neuer Entschlossenheit dem Papierkram auf ihrem Schreibtisch zu.

Sie hatte gerade den Monatsbericht für August fertiggestellt, als Elliot an ihre Tür klopfte und eintrat. Mit seinem glänzenden schwarzen Haar, dem olivfarbenen Teint und dem durchtrainierten Körper verkörperte er wandelnde Werbung für Fitness. Außerdem war er einer der nettesten Kerle weit und breit. Er stammte aus einer lebensfrohen Großfamilie und stand kurz davor, eine alleinerziehende Mutter zu heiraten, die sehr harte Jahre hinter sich hatte. Er und Karen hatten eigene stürmische Zeiten zu überstehen gehabt, da seine streng katholische Familie anfangs kategorisch dagegen gewesen war, dass er eine geschiedene Frau heiraten wollte. Letztlich jedoch hatte Karen sie für sich gewonnen.

»Es ist ziemlich spät«, stellte er fest.

»Musste Papierkram nachholen«, erwiderte Jeanette mit verzogenem Gesicht. »Ist schon Feierabend? Ich hab die Zeit aus den Augen verloren.«

»Hab vor fünf Minuten die letzten Kundinnen nach Hause geschickt und die Türen verriegelt. Wenn du so weit bist, fahre ich dich nach Hause.«

Jeanette bedachte ihn mit einem eigenartigen Blick. »Passt schon. Ich kann laufen. So weit ist es nicht.«

Elliot schüttelte sofort den Kopf. »Heute Abend nicht. Vorhin hat ein Typ durchs Fenster hereingelinst. Ich hab ihn vorher noch nie gesehen. Einige der Frauen sind nervös geworden. Sie wollten schon den Sheriff rufen. Aber als ich draußen nachgesehen habe, war er weg.«

Jeanette lächelte und schüttelte den Kopf. »Auf dem Weg herein hab ich mit ihm geredet. Der ist harmlos. Er wollte sich in den Fitnessclub einschreiben. Ich hab ihm erklärt, dass er das nicht kann. Schätze, er ist neu in der Stadt. Nach unserem Gespräch ist er gegangen.«

Elliots Stirn blieb gerunzelt. »Gefällt mir trotzdem nicht. Hat er dir seinen Namen genannt?«

»Nein, aber ich hab auch nicht danach gefragt. Hör auf, dir Sorgen zu machen. Ich bin eine halbwegs gute Menschenkennerin.« Gut, nicht unbedingt bei Männern, aber das war was anderes. »Der Kerl hatte ein adrettes Auftreten und eine gewählte Ausdrucksweise. Der ist für niemanden eine Bedrohung.«

Noch während Jeanette es aussprach, fragte sie sich, ob es auch wirklich stimmte. Der Mann mochte nicht gefährlich auf die Weise sein, an die Elliot dachte, für sie jedoch konnte er sehr wohl eine Bedrohung darstellen. Bevor sie ihn so frostig hatte abblitzen lassen, hatte sie durchaus auf seinen flüchtigen Flirtversuch angesprochen. Obwohl sie es gar nicht gewollt hatte.

Er war attraktiv. Okay, sehr attraktiv sogar. Sexy. Nicht so muskulös wie Elliot, aber auf schlanke, drahtige Weise fit. Seine mehr grauen als blauen Augen hatten verschmitzt gefunkelt. Sein adrett gestutztes braunes Haar wies goldene Highlights auf, die von viel im Freien verbrachter Zeit herrührten. Und wenn er lächelte, zeigte sich ein Grübchen. Der Anblick hätte sie beinah aus den Socken gehauen, was sie völlig verblüfft hatte. Sie hatte sich für immun gegen so etwas gehalten.

Obwohl er leger gekleidet gewesen war, konnte sie sich ihn mühelos mit Hemd und Krawatte vorstellen. In einem maßgeschneiderten Anzug. Sie schätzte ihn als Karrieremenschen ein.

Elliot wirkte nicht überzeugt. Er entfernte einen Stapel Papier vom Stuhl für Gäste, ließ sich darauf nieder, hievte die Füße auf den Schreibtisch und holte ein Handy heraus.

»Was hast du vor?«, fragte Jeanette.

»Karen anrufen und ihr sagen, dass ich mich verspäte.«

»Warum?«

Er grinste. »Weil ich hier nicht ohne dich weggehe. Das würde an meinem guten Ruf als netter Kerl kratzen. Als ich das letzte Mal eine der süßen Magnolien aus den Augen gelassen habe, obwohl mir mein Bauchgefühl davon abgeraten hat, wäre sie deswegen um ein Haar umgekommen.«

Jeanette zuckte zusammen. Sie erinnerte sich an den Vorfall. »Du warst nicht verantwortlich dafür, was mit Helen passiert ist. Der Ehemann ihrer Mandantin war fest entschlossen, sich an ihr zu rächen. Niemand hätte ihn davon abhalten können.«

»Mag sein«, gab er ihr vergnügt recht. »Trotzdem gehe ich kein Risiko ein.«

Nach einem Blick auf seine sture Kieferpartie gab sich Jeanette geschlagen. »Oh, Herrgott noch mal. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du zu spät bei Karen auftauchst.« Sie stand auf. »Gehen wir.«

Er bedachte sie mit einem selbstgefälligen Blick. »Gute Entscheidung. Willst du mit uns essen? Ich koche Mamas berühmte Paella mit Meeresfrüchten.«

»Du kochst?«, fragte Jeanette ungläubig, als sie nach draußen gingen. »Deine Frau arbeitet in einem Restaurant.«

»Genau deshalb sollte sie nicht auch noch an ihrem freien Tag zu Hause kochen müssen.«

Staunend sah Jeanette ihn an. »Warum kannst du keine Brüder statt lauter Schwestern haben?«

Elliot schmunzelte. »Ich habe Cousins. Willst du einen kennenlernen? Natürlich kann mir keiner das Wasser reichen, aber der eine oder andere ist zumindest nah dran.«

»Sind ihre Egos so groß wie deins?«

»Doppelt so groß«, erwiderte er.

»Dann nicht. Ich denke, ich bleibe lieber solo.«

Elliot schüttelte den Kopf. »Jammerschade. Du bist eine wunderschöne Frau und hast ein gutes Herz. Du solltest dein Leben mit jemand Besonderem teilen.«

Jeanette seufzte. »Hab ich früher auch mal gedacht.«

»Sag so was nicht«, mahnte Elliot, als er sie in sein Auto steigen ließ. »Der Richtige könnte gleich um die Ecke warten.«

Unwillkürlich dachte Jeanette daran, wie sie sich vorhin unter dem Blick jenes Fremden gefühlt hatte. Vielleicht hatte Elliot recht. Vielleicht war es wirklich ein wenig verfrüht, die Hoffnung auf Liebe fahren zu lassen.

* * *

Mary Vaughn Lewis hatte ihren prall gefüllten Tagesplaner auf dem Schreibtisch ausgebreitet und versuchte, sämtliche Daten darin auf ihr neues Smartphone zu übertragen. Ihre Tochter, die mittlerweile im zweiten Jahr in Clemson studierte, hatte darauf bestanden, dass sie eines brauchte. Mary Vaughn war davon weniger überzeugt, weil sie von Computern ungefähr so viel verstand wie ihre Perserkatze zu Hause. Andererseits konnte sie es sich nicht leisten, der modernen Zeit hinterherzuhinken. Die Menschen hatten bestimmte Erwartungen an die erfolgreichste Immobilienmaklerin von Serenity. Hinzu kam ihre Rolle als Präsidentin der Handelskammer der Stadt. Und sie brauchte wirklich dringend etwas, um den Überblick über ihre Termine zu behalten. Rory Sue hatte geschworen, dieses Gerät wäre die Lösung.

Als es unverhofft klingelte, erschrak sie so heftig, dass sie es um ein Haar zu Boden fallen gelassen hätte. Es dauerte einen Moment, bis sie herausfand, wie man einen Anruf entgegennahm.

»Ja, hallo, Mary Vaughn Lewis am Apparat«, murmelte sie unsicher.

»Mama, ich bin’s. Bin ich der erste Anruf auf deinem neuen Smartphone?«

»Bist du tatsächlich«, sagte Mary Vaughn zu ihrer Tochter und strahlte beim Klang von Rory Sues Stimme.

»Kein Wunder, dass du dich so komisch anhörst. Aber du wirst begeistert davon sein, sobald du dich damit auskennst. Versprochen.«

»Tja, wir werden sehen. Was gibt’s, Schatz?« Mary Vaughn glaubte kaum, dass der Anruf mitten in der Woche etwas damit zu tun hatte, dass ihre Tochter wissen wollte, wie sie mit der neuen Technik zurechtkam. Wohl eher mit einer Bitte um Geld zum Shoppen. Rory Sue würde selbst dann weiter einkaufen, wenn ein Laden um sie herum in Flammen stünde. Und irgendwie würde es ihr dabei noch gelingen, der Verkäuferin einen speziellen Brandrabatt abzuschwatzen. Eine Fähigkeit, die sie sich von ihrer Mutter abgeschaut hatte, obwohl es Mary Vaughn lieber gewesen wäre, wenn sie stattdessen ein paar typische Südstaaten-Tugenden gelernt hätte.

»Ich wollte mit dir über Weihnachten reden«, sagte Rory Sue.

»Über Weihnachten? Im September?«

»Ja. Ich dachte mir, ich spreche es lieber gleich an, statt dich auf den letzten Drücker damit zu überrumpeln.«

Sofort wurde Mary Vaughn hellhörig. »Mich womit überrumpeln?«

»Na ja, ich dachte mir, weil wir eh keine wirklich traditionelle Feier haben, also nicht so wie früher, als ich klein war …«

Mit anderen Worten, vor Mary Vaughns Scheidung von Sonny, mit der sie das Leben ihrer Tochter ruiniert hatte, dachte sie verdrossen und wartete auf die nächste Breitseite.

»Also, da dachte ich mir, vielleicht lässt du mich über die Feiertage wegfahren«, fügte Rory Sue hastig hinzu. »Nach Aspen. Jills Familie fährt jedes Jahr zum Skifahren hin. Sie hat mich eingeladen mitzukommen. Nur müsste ich ihr sofort Bescheid sagen. Wenn ich nicht kann, fragt sie nämlich jemand anders.«

»Nein«, erwiderte Mary Vaughn, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. »Weihnachten verbringt man mit der Familie. Da gondelt man nicht mit Fremden durch die Gegend.«

»Jill ist keine Fremde. Sie ist seit zwei Jahren meine Mitbewohnerin.«

Mary Vaughn hätte ihre Tochter mit dem Hinweis korrigieren können, dass sie das zweite Jahr gerade erst begonnen hatte, doch sie sparte sich den Atem. Stattdessen sagte sie: »Du kennst ihre Familie kaum, und ich kenne sie überhaupt nicht.«

»Du machst dir doch nur Sorgen darüber, wie es aussieht, wenn ich zu Weihnachten nicht nach Hause komme«, warf Rory Sue ihr vor. »Du hast Angst, dass die Leute dich dann für eine Versagerin als Mutter halten. Darum geht’s in Wirklichkeit, nicht wahr? Dich interessiert nur dein Image in dieser bescheuerten Kleinstadt.«

Zu Mary Vaughns Bedauern stimmte das teilweise. Ihr widerstrebte zutiefst, dass ihr eigenes Kind, das sie mehr als alles andere liebte, nicht mal Weihnachten mit ihr verbringen wollte. Wie erbärmlich war das? Mary Vaughn wollte einfach nicht wie früher von den Bewohnern der Stadt bemitleidet werden. Sie hatte ihr gesamtes Erwachsenenleben daran gearbeitet zu ändern, wie die Leute sie sahen.

Der zweite Teil der Wahrheit jedoch, der wichtigste Teil, war der, wie einsam sie sich fühlen würde. Was sollte sie tun, wenn Rory Sue nicht nach Hause käme? In ihrem großen Haus sitzen und die Wände anstarren? Den kleinen Keramikbaum anmachen, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte, und Eierlikör trinken, bis sie vergessen würde, dass sie völlig allein war? Nein, das trostlose Bild, das sie vor Augen hatte, durfte sich nicht einstellen.

Schon in wenigen Jahren könnte Rory Sue allein in einer weit entfernten Stadt leben. Dann würde sie über die Feiertage womöglich nicht nach Hause kommen können. Oder vielleicht würde sie sogar eine eigene Familie haben, und Mary Vaughn müsste zum Feiern in irgendeine fremde Stadt reisen. Aber noch nicht dieses Jahr. Dieses Jahr wollte Mary Vaughn ihre Tochter hier in Serenity haben. Sie wollte traditionelle Weihnachten, und sie würde sie bekommen, auch wenn Rory Sue ihr übelnahm, dass sie darauf bestand.

»Nein«, sagte sie erneut rundheraus.

»Du willst nicht mal darüber nachdenken?«, hakte Rory Sue flehentlich nach.

»Nein, kommt nicht in Frage. Und versuch erst gar nicht, deinen Vater anzurufen, um ihn auf deine Seite zu ziehen. Du kannst uns nicht mehr gegeneinander ausspielen. Das hat vielleicht funktioniert, als du zehn warst, aber jetzt nicht mehr. Wir sind beide älter und klüger.«

Zu ihrer Erleichterung kicherte Rory Sue. »Glaubst du wirklich?«

»Ich weiß es«, betonte Mary Vaughn mit Nachdruck. »Ich hab dich lieb und verspreche dir, dass wir hier in Serenity das schönste Weihnachten aller Zeiten haben werden.«

»Das ist so was von nicht möglich«, erwiderte Rory Sue. »Bis dann, Mama.«

»Bis dann, Schatz.«

Mary Vaughn beendete den Anruf fest entschlossen, ihr Versprechen zu halten, selbst wenn sie dafür mit Rory Sues geliebtem Vater reden müsste – ihrem sehr von ihr entfremdeten Ex-Mann.

* * *

Jeanette war Maddie den ganzen Vormittag aus dem Weg gegangen. Das Thema ihrer Mitarbeit im Planungsausschuss für das Weihnachtsfest der Stadt war noch längst nicht vom Tisch, das wusste sie. Zwangsläufig würde sich daraus außerdem ein Gespräch darüber ergeben, warum Jeanette alles im Zusammenhang mit Weihnachten so sehr widerstrebte. Sie rechnete sogar damit, dass Maddie die großen Geschütze – Dana Sue und Helen – auffahren würde, bevor es ausgestanden wäre.

Wenn es um etwas wie das ging, bildeten die süßen Magnolien ein eingeschworenes Team. Jeanette mag mittlerweile ein Mitglied darin sein, aber die anderen waren länger dabei und standen daher im Rang über ihr. Und wenn eine aus irgendeinem Grund aus der Spur geriet, taten sich die anderen gegen sie zusammen. Das hatte sie bereits mehr als einmal erlebt. Und ihr graute davor. Die Begegnung mit Dana Sue am vergangenen Abend war lediglich ein Vorgeschmack darauf gewesen, was Jeanette heute erwartete. Und je mehr sie darüber nachgedacht hatte, Maddie zu überreden, das Projekt an Elliot zu übergeben, desto weniger glaubte sie, dass ihre Chefin den Vorschlag ernst nehmen würde – schon gar nicht, wenn Maddie sie verkuppeln wollte.

»Du wirkst mir nicht ganz so aufgeweckt wie sonst«, sagte Mary Vaughn Lewis, während Jeanette ihr den Hals und das Gesicht mit Feuchtigkeitscreme einschmierte. Die Frau zählte schon so lange zu ihren Stammkundinnen, dass sie sich angefreundet hatten und gegenseitig duzten.

»Tut mir leid«, erwiderte Jeanette und rang sich ein Lächeln ab. »Mir gehen schon den ganzen Tag andere Dinge durch den Kopf.« Dann wechselte sie bewusst das Thema. »Wie geht’s deiner Tochter? Freut sie sich darüber, wieder an der Uni zu sein? Sie ist an der Clemson, richtig?«

Normalerweise genügte eine Frage über Rory Sue, und schon redete Mary Vaughn drauflos. Das tat sie zwar auch diesmal, doch Jeanette spürte eine unterschwellige Anspannung in ihrer Kundin, während sie schilderte, wie gut sich ihre Tochter beim Studium machte.

»Die Worte klingen zwar alle schön und gut«, merkte Jeanette nach einer Minute an. »Aber irgendwas bedrückt dich. Glaubst du, sie ist unglücklich?«

»Das ist sie meinetwegen«, gestand Mary Vaughn. »Ich lasse sie über Weihnachten nicht zum Skifahren nach Aspen fahren.«

»Warum nicht?«

»Weil man die Feiertage nun mal im Kreis der Familie verbringt«, sagte Mary Vaughn, als wäre es ein Gesetz.

»Nicht unbedingt«, entgegnete Jeanette vorsichtig. »Ich meine, es kann toll sein, wenn sich alle gut miteinander verstehen. Aber die Hälfte der Familien, die ich kenne, sind total zerrüttet. Da wären alle viel glücklicher, wenn sie über die Feiertage keine zehn Minuten miteinander verbringen müssten.«

»Und gehört deine Familie dazu?«

»Du hast ja keine Ahnung«, erwiderte Jeanette, bevor sie schnell den Mund schloss. Sie hatte bereits zu viel preisgegeben. Also musste sie das Thema rasch wieder auf Mary Vaughn und ihre Tochter lenken. »Vielleicht könntest du ja auch nach Aspen fahren. Dann hättet ihr beide, was ihr wollt. Du wärst mit Rory Sue zusammen, und sie könnte mit ihrer Freundin Ski fahren. Was hält dich denn in Serenity?«

»Tradition«, beharrte Mary Vaughn. »Außerdem würde es ihrem Vater das Herz brechen, sie über die Feiertage nicht zu Hause zu haben. Zu Weihnachten dreht sich bei Sonny alles um die Familie. Genau wie bei seinem Vater.«

»Du meinst Bürgermeister Lewis«, sagte Jeanette.

Mary Vaughn nickte. »Ich kann dir sagen, der Mann denkt das ganze Jahr an kaum was anderes als daran, den Weihnachtsmann für die Kinder zu spielen. Serenitys Weihnachtsfest ist ihm das Liebste auf der Welt. Als Präsidentin der Handelskammer kann ich nicht daran vorbei, im Ausschuss für die Feierlichkeiten mitzumachen. Du kannst mir glauben, dass ich mich alles andere als darauf freu. Howard und ich sind selbst an guten Tagen bestenfalls wie Katz und Hund. Und die guten Tage sind eher selten.«

Jeanette bedachte sie mit einem aufrichtig mitfühlenden Blick. »Schon mal dran gedacht, es zu delegieren?«

»Du meinst, ich soll eine Vertretung hinschicken und damit andeuten, der Ausschuss für das Weihnachtsfest wäre nicht das Allerwichtigste in meinem Leben? Das kann nicht dein Ernst sein. Das würde Howard mir ewig vorhalten.«

»Maddie will mich als Vertreterin für das Corner Spa in den Ausschuss stecken«, plauderte Jeanette aus. »Ich hab abgelehnt.«

Mary Vaughns Augen leuchteten auf. »Hast du nicht!«, protestierte sie. »Du musst es machen. Damit rettest du mir den Verstand. Bitte, Jeanette, versprich mir, dass du’s dir anders überlegst. Wenn wir zusammen in dem Ausschuss sind, kann es lustig werden.«

Jeanette hatte keine Ahnung, wie Mary Vaughn darauf kam, zumal sie sich trotzdem mit ihrem ehemaligen Schwiegervater herumschlagen müsste, einem der aufgeblasensten Bewohner von Serenity.

»Maddie lässt dich vielleicht vom Haken«, fügte Mary Vaughn hinzu. »Aber ich akzeptiere kein Nein als Antwort. Ich will, dass du sofort zusagst. Bitte. Wir machen uns einen Heidenspaß daraus. Du und ich können diesen verknöcherten alten Männern ein bisschen Feuer unter dem Hintern machen. Ich weiß, dass du Herausforderungen genauso toll findest wie ich. Sag ja.« Hoffnungsvoll wartend sah sie Jeanette an.

Jeanette seufzte. »Vielleicht«, knickte sie schließlich ein. Zu mehr wollte sie sich vorerst nicht hinreißen lassen. Leider wurde ein klares, unmissverständliches Nein schwieriger und schwieriger.

KAPITEL 3

Tom hatte für Freitag noch einen weiteren Termin im Kalender. Danach wollte er nach Charleston für einen Pflichtauftritt bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung seiner Mutter. Er hatte versprochen, über Nacht zu bleiben. Gleich am Samstagmorgen jedoch wollte er wieder in Serenity sein, um sich nach einer Wohnung oder einem Haus umzusehen.

Sein Telefon klingelte. »Cal Maddox ist für Sie hier«, trällerte die unermüdlich fröhliche Teresa.

»Sollte ich wissen, wer das ist?«

Sie seufzte. »Bin gleich da.«

»Darum habe ich Sie nicht gebeten«, murmelte er, sprach jedoch bereits mit der toten Leitung. Seine Bürotür öffnete sich … und schloss sich wieder.

Mit ihrem kurzen, stahlgrauen Haar, ihrer molligen Figur und ihrer Vorliebe für geblümte Blusen und pastellfarbene Hosen wirkte Teresa, als sollte sie zu Hause sein und Kekse backen. Aber sie leitete das Büro mit der Effizienz eines militärischen Ausbilders. Im Augenblick betrachtete sie ihn mit mütterlichem Unmut.

»Wenn wir miteinander auskommen wollen, müssen Sie mir schon zuhören, wenn ich mit Ihnen rede«, schimpfte sie. »Oder zumindest lesen, was ich in den Kalender schreibe, den ich Ihnen jeden Morgen gebe.«

Tom zuckte zusammen. »Tut mir leid«, murmelte er und wühlte in Papier, bis er den fein säuberlich erstellten Tagesplan fand, den er kaum eines Blickes gewürdigt hatte. Stattdessen hatte er eigene Notizen auf einen Übersichtskalender gekritzelt. Dieser Termin stand nicht darauf.

»Okay, hab ihn«, bestätigte er, als er ihn auf Teresas Aufstellung entdeckte. »Cal Maddox, Baseballtrainer der Highschool.« Mit ausdruckslosem Blick sah Teresa ihn an. »Warum will er zu mir? Mit dem Schulwesen hab ich nichts zu tun.«

Sie bedachte ihn mit einem ungeduldigen Blick und deutete auf den Zettel mit ihrem Kalender.

»Betreff: Start eines Programms für die Little League in der Stadt«, las er laut vor.

Sie nickte. »Ich mache meine Arbeit. Sie werden sich an mein System gewöhnen müssen.«

Tom konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. So gut wie überall, wo er bisher gearbeitet hatte, stand es dem Chef zu, das System vorzugeben. »Ich werd mich bemühen«, versprach er pflichtbewusst.

Sie musterte ihn unverhohlen skeptisch. »Na, mal sehen«, erwiderte sie mit einem leisen Schnauben. »Soll ich Cal jetzt reinschicken?«

»Bitte.«

Eine Minute später trat der Coach mit einem Grinsen im Gesicht ein. »Was haben Sie gemacht, um Teresa so zu verärgern?«

Tom zögerte kurz, dann zuckte er mit den Schultern. »Praktisch alles, was ich mache, verärgert Teresa. Zuletzt hab ich’s versäumt, ihre Notizen zu lesen.«

Cal streckte eine schwielige Hand aus und schlug mit Tom ein, bevor er sagte: »Nur, damit Sie’s verstehen – Teresa hat Serenity die letzten fünfzehn Jahre lang praktisch geleitet. Für sie sind Sie ein Eindringling.«

»Sie war Gemeindedirektorin?« Die Information verblüffte Tom. »Das hat niemand erwähnt.«

»Nein, das nicht«, erwiderte Cal lachend. »Aber Ihre Vorgänger haben ihr den Betrieb so ziemlich überlassen. Wenn Sie den Job auf Ihre Weise machen wollen, sollten Sie Teresa nach und nach daran gewöhnen.«

»Werd ich mir merken«, sagte Tom und war dankbar für den Tipp. Die Erkenntnis rückte die von Anfang an gespannte Beziehung zu seiner Sekretärin in ein neues Licht. Tom deutete auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich. Was kann ich für Sie tun? In Teresas Notiz steht etwas davon, dass sie ein Programm für die Little League starten wollen.«

Cal reichte ihm eine Mappe. »Da steht alles drin. Die Vorteile für die Stadt, die Kosten, Betriebe, die bereits zugesagt haben, die Teams zu sponsern, und andere Gemeinden mit ähnlichen Sommerprogrammen.«

»Und was brauchen Sie von mir?«

»Die Startfinanzierung«, erwiderte Cal. »Der Betrag ist auch da drin. Und ich brauche noch einen Trainer. Wir haben nämlich genug Kinder und Jugendliche für mindestens zwei Mannschaften. Ein Trainer betreut die jüngeren, einer die älteren Jungs.«

Tom bedachte ihn mit einem fragenden Blick. »Schlagen Sie gerade vor, dass ich Trainer werden soll?«

Cal nickte. »Sie haben doch für die Clemson gespielt, oder? First Base, wenn ich mich recht erinnere.«

Tom staunte. »Wie um alles in der Welt können Sie das wissen? Ich hab nur ein Jahr fürs College gespielt, bevor ich mich verletzt habe und es bleiben lassen musste.« Dann weiteten sich seine Augen. »Cal Maddox?«, sagte er, als ihm der Name endlich ins Bewusstsein sickerte. »Sie haben für die Atlanta Braves gespielt?«

Cal nickte. »Kurz. Mir hat auch eine Verletzung einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber ich war dabei, als die Berichte der Scouts über Sie eingegangen sind. Sie waren als heißer Anwärter für eine Profilaufbahn eingestuft. Was Sie in meinen Augen als Coach für die Little League in Serenity qualifiziert. Denken Sie darüber nach?«

»Zuerst muss das Programm unter Dach und Fach sein«, erwiderte Tom. Er deutete auf die Mappe. »Ich gehe Ihren Vorschlag am Wochenende durch und sehe mal, ob er ins Budget passt, das demnächst beschlossen wird. Danach reden wir weiter.«

»In Ordnung.« Cal stand auf und wandte sich zum Gehen.

»Eine Frage noch. Sie sind doch Sportler. Wo kann man in der Stadt anständig trainieren?«

Der selbstbewusste Mann vor ihm wirkte durch die Frage seltsam verunsichert. »Wenn Sie schwören, es niemandem weiterzuerzählen, verrate ich es Ihnen«, sagte er schließlich.

»Vertraulichkeit ist mein zweiter Vorname«, versicherte Tom ihm.

Cal beugte sich näher, als fürchtete er, Teresa oder sonst jemand könnte etwas mitbekommen. »Ich schleiche mich nach den Öffnungszeiten ins Corner Spa.«

Ungläubig starrte Tom ihn an. »Sie nehmen mich auf den Arm! Mir hat man unmissverständlich gesagt, dass der Laden für Männer tabu ist.«

»Das ist er auch«, bestätigte Cal. »Aber ich bin mit einer der Eigentümerinnen verheiratet. Sie tut so, als würde sie es nicht merken, wenn ich mir von Zeit zu Zeit ihren Schlüssel leihe. Sollte mich da drin jemals jemand erwischen, würde meine Frau mich natürlich den Wölfen zum Fraß vorwerfen und leugnen, mich zu kennen. Und erst recht würde sie nie zugeben, dass sie mir stillschweigend erlaubt, mich dort reinzuschleichen.«

Tom lachte. »Klingt nach einer interessanten Beziehung.«

»Sie haben ja keine Ahnung«, erwiderte Cal. »Maddie ist eine faszinierende Frau und das Beste, was mir je passiert ist. Sie beide laufen sich bestimmt bald über den Weg, erst recht, wenn aus der Sache mit der Little League etwas wird.«

»Ich freue mich schon darauf«, erwiderte Tom. »Und ich melde mich innerhalb der nächsten Woche wegen Ihres Vorschlags.«

»Danke. Schönes Wochenende.«

Tom dachte an die förmliche Veranstaltung, die ihn an diesem Abend erwartete, und an die unvermeidliche Belehrung durch seinen Vater, die ihm wohl morgen blühen würde.

Keine guten Voraussetzungen für ein schönes Wochenende.

* * *

Jeanette hatte einen weiteren Tag überstanden, ohne Maddie über den Weg zu laufen. Sie hoffte, es würde so bleiben. Als sie ihre Tragetasche und Handtasche ergriff und durch den Nebeneingang verschwinden wollte, tauchte Maddie auf.

»Willst du dich davonschleichen?«, fragte sie unbekümmert.

Jeanette grinste. »Hab ich zumindest versucht, ja.«

»Kannst du noch eine Minute bleiben?«

»Ist das eine Bitte oder ein Befehl?«

»Eine Bitte natürlich«, betonte Maddie. Sie hielt zwei Gläser mit Tee und eine transparente Schachtel mit zwei Stücken von Jeanettes Lieblingsgebäck, Milchbrötchen mit Preiselbeer-Orange-Füllung. »Ich hab Bestechung dabei.«

Seufzend steuerte Jeanette auf die Terrasse zu. Maddie folgte ihr.

Nachdem sie Platz genommen hatten, nahm Jeanette einen Bissen von dem fluffigen Gebäck. Sie runzelte die Stirn. Es war noch warm. »Wo kommt das her? Ich weiß, dass wir heute nichts davon im Café hatten. Hab nämlich nachgesehen.«

»Ich hab Dana Sue gebeten, einen Schwung davon zu backen und herzuschicken«, gab Maddie zu. »Sie sind erst vor ein paar Minuten eingetroffen, frisch aus dem Ofen.«

»Du willst echt unbedingt, dass ich in dem Weihnachtsausschuss mitarbeite, oder?«, sagte Jeanette und genoss einen weiteren Bissen. Vor lauter Trostessen und Maddies Bestechung würde sie noch aufgehen wie ein Hefeteig.