Dunkle Geheimnisse & strahlendes Glück - Sherryl Woods - E-Book

Dunkle Geheimnisse & strahlendes Glück E-Book

SHERRYL WOODS

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Beschreibung

PORTUGAL, DIE LIEBE UND DU

Auf einem eleganten Anwesen in Portugal lernt Catherine ihren Traumprinzen kennen: den attraktiven Eduardo, Conte de Pontalegre. Es ist die große Liebe - bis sie ein dunkles Geheimnis entdeckt, das eine Zukunft mit ihm unmöglich zu machen scheint ...

DAS GEHEIMNIS DER DEVANEYS

Alice weiß, das gibt es nur einmal auf der Welt! Einen Mann sehen und die Magie des Augenblicks spüren: Patrick Devaney, groß, breitschultrig und mit einer faszinierend-düsteren Ausstrahlung. Sie will ihn! Bei einem Treffen auf seinem Hausboot geht Alice aufs Ganze - allerdings ohne Erfolg! Patrick küsst sie zärtlich, streichelt sie sanft, aber vor dem letzten Schritt scheut er zurück. Niedergeschlagen zweifelt Alice schon an ihrer Anziehungskraft. Sie ist fest entschlossen, Patrick zu vergessen. Erst als sie von einer Freundin erfährt, dass Patrick sie liebt, aber glaubt, sich niemals binden zu können, keimt Hoffnung in Alice auf. Das dunkle Geheimnis der Devaneys wird ihr Glück nicht zerstören!

DIE SCHWERE DER SÜMPFE

Welche Gründe hat Jones Larabee, sich in Lousianas Sumpfgebieten zu verstecken? Faith ist der Mann ein Rätsel. Da küsst er sie, als ginge es um sein Leben, und weist sie dann zurück. Als Faith endlich zu ahnen beginnt, was hinter seinem rätselhaften Verhalten stecken könnte, beschließt sie, um seine Liebe zu kämpfen. Doch Larabees Geheimnis ist ein Schock und lässt eine Beziehung in weite Ferne rücken …

RÜCKKEHR NACH CONNEMARA

Kathleen kann es kaum glauben: Ihr Mann hat ihr die Hälfte des Familiensitzes Ballykisteen Manor vererbt. Und ausgerechnet dem gefährlich attraktiven Lorcan FitzGerald gehört der andere Anteil! Niemals darf er ihr Geheimnis erfahren, sonst verliert sie alles … Und dann steht er vor ihr: Der Mann, den sie immer geliebt hat - Freund oder Feind?

DAS GEHEIMNIS DES SIZILIANERS

Zärtlich, leidenschaftlich, vermögend, treu: Vittorio d'Severano ist Jills Traummann - bis sie zufällig das dunkle Geheimnis ihres Geliebten entdeckt! Entsetzt flieht sie. Aber wenn einem ein mächtiger Sizilianer auf der Spur ist, kommt man nicht weit ...

EIN KUSS, DER KEINE ZWEIFEL LÄSST

Auf der Suche nach ihrem Vater kehrt Moriah nach Hause zurück - in die Arme ihrer Jugendliebe Kane. Aber auch eine stürmische Liebesnacht fegt alte Zweifel nicht einfach weg. Deshalb zögert Moriah, ihr größtes Geheimnis zu verraten. Zu lange. Jemand anders kommt ihr zuvor …

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Seitenzahl: 1196

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Catherine George, Sherryl Woods, Karen Leabo, Sara Wood, Jane Porter, Laurie Paige

Dunkle Geheimnisse & strahlendes Glück

IMPRESSUM

Portugal, die Liebe und du erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1992 Catherine George Originaltitel: „Haunting Alliance“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXKLUSIVBand 134 - 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Claudia Biggen

Umschlagsmotive: Jupiterimages / ThinkstockPhotos

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733777210

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Sobald die leichte Anspannung nach dem Start vorüber war, lehnte Catherine sich bequem zurück und beobachtete, wie das Flugzeug auf dem Weg nach Oporto das neblige Südengland unter sich zurückließ. Catherine räkelte sich voll Vorfreude bei dem Gedanken an den Urlaub, der vor ihr lag.

Einige ihrer Freunde glaubten zwar, ihr ganzes Leben bestünde aus einem einzigen langen Urlaub. Doch sie verteidigte hartnäckig ihren Entschluss, etwas von der Welt kennen zu lernen, bevor sie sich endgültig niederließ. Designermode auf einem Kreuzfahrtschiff zu verkaufen, war außerdem ein härterer Beruf, als es die meisten Leute sich vorstellen konnten. Wenn Catherine allerdings nicht an Bord gewesen wäre, als das Schiff letzten Juni an einem sonnigen Tag in Lissabon angelegt hatte, wäre sie Ana sicher nie wieder begegnet.

Von allen Anlaufhäfen mochte Catherine Lissabon am meisten. Sobald wie möglich war sie an Land gegangen. Während Catherine einen Blick auf die hübschen Handtaschen in einem Geschäft in der Rua Augusta warf, hörte sie plötzlich eine kräftige Stimme ihren Namen rufen. Aufgeregt wirbelte sie herum und stand der zierlichen Gestalt von Ana Maria Barroso gegenüber. Anas elegante Kleidung wies keinerlei Ähnlichkeit mehr mit den Jeans und Pullovern auf, die sie während des Jahres in Putney als Catherines Zimmergenossin getragen hatte.

Ana umarmte Catherine stürmisch, küsste sie auf beide Wangen und musterte sie anschließend vergnügt.

„Que maravilha, dich hier zu treffen! Machst du Urlaub, querida?“

Catherine erwiderte die Umarmung herzlich und erklärte, sie würde noch immer auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten. „Ich bin nur für ein paar Stunden an Land gegangen. Das Schiff legt um fünf Uhr nachmittags wieder ab.“

Bis dahin beanspruchte Ana jede Minute von Catherines Gesellschaft für sich. Die beiden hatten sich natürlich viel darüber zu erzählen, was sich seit ihrem letzten Zusammensein ereignet hatte.

Wie geplant hatte Ana nach dem College in der Touristikbranche bei ihrem Bruder mitgearbeitet. Aber nun, berichtete sie Catherine, würde sich Eduardo nach einem neuen Sklaven umsehen müssen, der ihm half. „Ich werde nämlich heiraten“, beendete sie fröhlich ihren Bericht.

Catherine prostete Ana strahlend mit ihrem Glas Mineralwasser zu. „Meine Gratulation. Dabei dachte ich, du wärest fest entschlossen, niemals zu heiraten.“

Ana errötete und zuckte mit den Schultern. „E verdade, cara, aber ich war dumm. Ich wusste damals nicht, was ich jetzt weiß.“

„Und was ist die große Erkenntnis, die du gemacht hast?“

„Liebe“, erwiderte Ana schlicht.

„Ich verstehe. Wer ist denn der Glückspilz?“

„Carlos da Cunha.“ Ana strahlte.

Catherine runzelte die Stirn. „Sag mal, ist das nicht der Mann, den dein Bruder von Anfang an für dich ausgewählt hat?“

„E, sim. Ich war wütend, weil Eduardo meine Hochzeit arrangieren wollte. Als ich mich dagegen auflehnte, machten wir … wie sagt man … reinen Tisch?“

„Verstehe. Und sobald dein Bruder dich nicht mehr drängte, sahst du Carlos mit ganz anderen Augen.“

„Exatamente!“, erwiderte Ana fröhlich. „Außerdem habe ich festgestellt, dass Carlos sich wünscht, dass ich ihm bei der Arbeit helfe. Das hat alles geändert. Ich liebe die Touristik, weißt du. Es ist ein so interessantes Gebiet, und man lernt so viele Menschen kennen. Ich wollte nicht nur eine dona de casa werden, wie meine Schwestern.“

„Arbeitet Carlos denn auch in der Tourismusbranche?“

„Er hat eine Ausbildung als advogado – als Anwalt – wie Eduardo. Doch nun wollen seine Eltern nach Estoril ziehen, und Carlos soll auf ihrer Quinta da Floresta im Limatal bleiben. Er bewundert Eduardos Erfolg und will sein Haus ebenfalls für Gäste herrichten.“ Ana seufzte zufrieden. „Also erklärte ich Carlos, wenn wir eine wirkliche Partnerschaft schlössen und zusammenarbeiten könnten, würde ich ihn heiraten. Carlos schwor bei seinem Leben, dass ich alles tun könnte, was ich wollte, immer. Und als er …, als er …“ Sie hielt mitten im Satz inne, und ihre Wangen röteten sich erneut.

Catherine lächelte liebevoll. „Und als er dir eine Liebeserklärung machte, war es um dich geschehen.“

Catherine tätschelte Anas Hand und kam sich plötzlich viel älter vor als die Freundin, obwohl sie doch nur ein, zwei Monate auseinander waren. „Ich hoffe, du wirst sehr glücklich.“

„Ich erwarte keine Wunder. Ich werde hart an meiner Ehe arbeiten“, versicherte Ana, bevor sie Catherine aufforderte, nun alle ihre Neuigkeiten zu berichten.

„Ich habe angefangen, mich nach einem Job an Land umzusehen“, begann Catherine seufzend. „Ich denke, es ist an der Zeit, etwas Richtiges zu tun. Nicht etwa, dass meine Arbeit auf dem Schiff ein Zuckerlecken wäre. Ich bin stundenlang ohne Unterbrechung in der Boutique auf den Beinen, erledige die Buchführung, arrangiere Modeschauen und versuche, in der engen Kabine, die ich mit einem anderen Mädchen teile, keine Platzangst zu bekommen. Dafür verdiene ich ja gutes Geld, lerne viele interessante Menschen kennen und habe die Möglichkeit, noch etwas von der Welt zu sehen, bevor ich mich niederlasse.“

„Und Dan? Du hast gar nicht von ihm gesprochen. Seid ihr nicht mehr zusammen?“

Catherines Miene wurde verschlossen. „Nein. Gleich nach dem Examen machte er auf kränkende Weise deutlich, dass in seinen Zukunftsplänen kein Platz für mich sei. Als ich von dem Job auf dem Kreuzfahrtschiff hörte, bewarb ich mich sofort darum. Die Reisen waren eine Möglichkeit, mein angeknackstes Selbstbewusstsein wieder aufzurichten.“ Nachdenklich strich Catherine ihr dichtes schwarzes Haar zurück. „Und was ist mit dir, Ana? Hast du deinen Kummer überwunden?“

Die Freundin nickte ernst. „Mais ou menos. Ich gräme mich noch immer, naturalmente. Aber das Leben geht schließlich weiter, não é?“ Ihre Miene erhellte sich. „Jedenfalls werde ich nie vergessen, wie du mir beigestanden hast, als ich so unglücklich war. Meine Mutter und meinen Bruder so kurz hintereinander zu verlieren, war so schrecklich, dass ich ohne deine Hilfe sicher nicht mit diesem Unglück fertig geworden wäre.“ Sie fasste über den Tisch nach Catherines Hand. „Doch wir wollen von schönen Dingen sprechen. Jetzt, wo der Zufall uns wieder zusammengeführt hat, musst du versprechen, zu meiner Hochzeit zu kommen. Am besten reist du ein, zwei Wochen vorher an und machst erst ein wenig Urlaub auf der Quinta das Lagoas. Ich würde mich so über deine Gesellschaft freuen. Meine Schwestern sind ständig mit ihren eigenen Familien beschäftigt.“ Sie schnitt eine Grimasse. „Ich bin nur wegen der baptismo von Leonors jüngstem Sohn in Lissabon und kann es gar nicht erwarten, zurück nach Hause zu meiner Arbeit zu kommen. Sag, dass du mich besuchst und eine Weile auf der Quinta bleibst. Das würde mich so freuen.“

Dieses Angebot hätte man natürlich unmöglich ausschlagen können, und Catherine wollte das auch gar nicht. Sie war schon immer von Anas Geschichten über ihre Familie und ihr Haus in Minho, im Norden Portugals, gefesselt gewesen.

Auf ihrer letzten Fahrt war sie dann eine Woche vorher in Southampton von Bord gegangen, zur großen Erleichterung ihrer Mutter, die sich darüber beschwerte, dass sie ihre Tochter viel zu selten zu Gesicht bekam. Manchmal hatten sie es kaum geschafft, ein, zwei Stunden gemeinsam in Southampton zu verbringen, bevor das Schiff wieder auslief.

Der Flughafen bei Oporto war winzig, verglichen mit Heathrow in London. Sie war froh, dass sie eine Sonnenbrille mitgenommen hatte, und wickelte sich rasch noch einen Seidenschal um das Haar, als Schutz gegen die Sonne, die hier niederbrannte, ganz im Gegensatz zu dem feuchten, nebligen London, das sie hinter sich gelassen hatte. Wie immer, wenn sie nach Portugal kam, war jeder, mit dem sie sprach, freundlich und höflich, genau wie der junge Mann von der Mietwagenfirma. Zu ihrer Überraschung wartete dieser vor dem Terminal auf sie.

„Miss Ward?“, sprach er sie an und wies dabei auf das Firmenabzeichen an seinem Revers.

Catherine lächelte erfreut. Sie hatte eigentlich erwartet, ihn suchen zu müssen. So waren die notwendigen Formalitäten jedoch in bewundernswert kurzer Zeit erledigt, und Catherine bekam die Schlüssel für einen fast neuen Wagen ausgehändigt.

Eine Zeit lang fuhr sie besonders aufmerksam, um sich auf das Fahren auf der rechten Straßenseite einzustellen, das ihr anfangs sehr merkwürdig vorkam. Doch bald hatte sie sich daran gewöhnt und konnte nun auch auf die Landschaft links und rechts von der Fahrbahn achten, die die Küste entlang von Oporto nach Viana do Castelo und weiter nach Valenca do Minho führte.

Catherine hatte Ana gegenüber bewusst den Zeitpunkt ihrer Ankunft offen gelassen, sodass sie nun nicht unter dem Druck stand, sich beeilen zu müssen. Irgendwie hatte das ländliche Portugal sowieso eine Ausstrahlung, die jede Hast unsinnig erscheinen ließ. Sie nahm sich vor, diese unerwartete Erholungspause in Portugal voll auszukosten, bevor sie den nächsten Schritt ihrer beruflichen Laufbahn in Angriff nehmen wollte.

Endlich kam ein Schild in Sicht, auf dem Pontalegre stand. Der letzte Teil ihrer Reise führte sie von der Autobahn hinunter auf eine Straße, die sich an den Ufern des Flusses Lima entlang schlängelte.

Catherine fand problemlos die Quinta das Lagoas, deren Einfahrt leicht durch das eindrucksvolle, gewölbte Tor an der Straße zu erkennen war. Catherine lenkte das Auto durch das Tor auf den schmalen Schotterweg.

Überrascht betrachtete sie das Haus, dem sie sich näherte. Anna hatte die Quinta das Lagoas immer wie einen Bauernhof beschrieben. Doch auf Catherine wirkte das weitläufige Gebäude mehr wie ein stattlicher Landsitz.

Als sie vom hellen Sonnenlicht in den dunklen Schatten des Hauses geriet, war sie geblendet und konnte einen Augenblick lang nichts mehr sehen. Erschrocken stellte sie dann plötzlich fest, dass ihr ein zerbeulter Lieferwagen entgegenkam. Sie trat fest auf die Bremse, und ihr Kopf wurde hart nach hinten geschleudert, als ihr Auto Zentimeter vor dem anderen Fahrzeug zum Stehen kam.

Während Catherine Sterne vor den Augen flimmerten, wurde die Tür geöffnet und der Sicherheitsgurt gelöst. Geschickte Hände hoben sie aus dem Wagen und stellten sie auf die Füße. Es dauerte ein, zwei Sekunden lang, bis Catherine sich wieder gesammelt hatte und feststellte, dass sie an der Schulter eines kräftigen Mannes lehnte, der Hitze auszustrahlen schien und einen sehr maskulinen Duft verströmte. Rasch befreite sie sich, obwohl ihr noch immer schwindelig war, und lächelte ihren Retter verlegen an. Sogar in ihrem verwirrten Zustand erkannte sie, dass es sich um einen wirklich beachtenswerten Mann handelte. Von seinem feuchten, gelockten Haar rann Schweiß über sein staubiges Gesicht. Sein braun gebrannter, muskulöser Oberkörper war nackt über der ausgeblichenen Jeans, die an den Knien abgetrennt war. Der Mann sagte irgendetwas in eindringlichem Ton zu ihr, doch Catherine war zu benommen, um nach ihrem Sprachführer zu suchen und die Bedeutung der Worte zu entschlüsseln.

„Desculpe-me“, krächzte sie, als sie eine Gruppe Männer bemerkte, die ähnlich gekleidet waren und die Szene mit Interesse aus dem Hintergrund beobachteten. Endlich kam Rettung in Form eines Freudenschreis von der Galerie, die um den oberen Stock des Hauses führte.

Ana eilte die Stufen hinunter, um Catherine zu umarmen, und entschuldigte sich wortreich, weil sie nicht sogleich zur Stelle gewesen sei, um sie zu begrüßen. Fast gleichzeitig überschüttete sie den Mann mit einer Fülle unmissverständlicher Schimpfworte, während dieser sie beide mit schiefem Lächeln betrachtete. Ana winkte ihm zu, er solle sich entfernen, während sie ihren Gast die Stufen hinaufführte in eine Empfangshalle, in der Catherine zunächst jeden Gedanken an den Zwischenfall vergaß.

„Willkommen auf der Quinta das Lagoas“, begrüßte Ana sie fröhlich.

Mit unverhohlener Bewunderung betrachtete Catherine den Marmorfußboden des Raumes, die Holzdecke und die weiß verputzten Wände, an denen Ölgemälde und geschmackvolle Keramikteller hingen.

„Wie gefällt dir mein Heim, Catherine?“, erkundigte sich Ana eifrig. „Hattest du einen guten Flug? Wie hast du hergefunden, querida? Ich habe mir Sorgen gemacht! Du hättest erlauben sollen, dass dich jemand abholt …“

„Halt, halt“, protestierte Catherine lachend. „Dein Zuhause ist herrlich, ich hatte einen guten Flug, ich genoss die Fahrt hierher sehr. Schade, dass ich meine Ankunft so verpatzt habe.“

„Bist du sicher, dass du nicht verletzt bist? Bestimmt? Dann will ich dir das Haus zeigen …“

„Ana!“ Eine kräftige Frau in mittleren Jahren erschien in der Tür. Auf ihrem Gesicht lag ein vorwurfsvoller Ausdruck. „Espera!“

„Das ist Maria Fernanda, Catherine. Sie ist schon immer bei uns“, stellte Ana vor.

Catherine reichte der Frau zur Begrüßung die Hand. „Guten Tag, freut mich, Sie kennen zu lernen.“

„Muito prazer“, erwiderte die Frau und schüttelte mit freundlicher Miene Catherines Hand, „Bemvindo – willkommen auf der Quinta das Lagoas.“

„Sie ist ein Tyrann und beherrscht uns alle“, behauptete Ana, während sie zärtlich den Arm um die Schultern der Frau legte.

„Bobagem!“, protestierte Fernanda und tätschelte Anas Hand. „Dein Gast muss erschöpft sein. Zeig Dona Catherina erst einmal nur ihr Zimmer, rapariga. Danach kannst du sie in die sala bringen, damit sie eine Tasse Tee trinkt, bevor du ihr den Rest des Hauses zeigst.“

„Sim, senhora“, salutierte Ana. Dann nahm sie Catherine bei der Hand und führte sie in eine Ecke des Raumes zu einer Wendeltreppe aus Stein.

„Bis nach der Hochzeit haben wir keine turistas hier“, erklärte sie, während sie vor Catherine zwei Treppenwindungen nach oben vorausging. „Deshalb haben wir dich in der Hochzeitssuite oben im Turm untergebracht, querida.“

„Meine Güte, wie herrlich!“, rief Catherine erfreut aus, als sie Ana in ein entzückendes Zimmer folgte. Das Bett war das dominierende Möbelstück im Raum. Es hatte ein Kopfstück aus Rosenholz, in das verschlungene Muster von Weinblättern und Trauben geschnitzt waren. Das Turmzimmer bot einen herrlichen Blick über die ganze Quinta, mit den langen Reihen von Weinreben, die sich an Stäben hochrankten.

Fasziniert lehnte Catherine am offenen Fenster und atmete die frische, reine Luft ein, die nach Blüten, Erde und Pflanzen duftete. „Hier ist es wunderschön“, wandte sie sich an Ana. „Wie hast du es nur in England ausgehalten und das alles gegen Nebel, Regen und Menschenmassen eintauschen können?“

„Dort gab es auch viele Vorteile“, versicherte ihr Ana lächelnd. Sie öffnete die Tür in einer Ecke des Zimmers. „Hier ist dein Badezimmer. Eduardo und ich schlafen in den neuen Räumen im Erdgeschoss, wo früher der Wein gelagert wurde. Fernanda und ihr Ehemann Manoel wohnen in einem Nebengebäude zum Hof.“

„Dann bin ich hier oben also ganz allein?“

„Sim.“ Ana blickte ihre Freundin besorgt an. „Macht dir das etwas aus? Wir haben auch noch andere Zimmer …“

„Ausmachen?“ Catherine umarmte sie vergnügt. „Die letzte Zeit verbrachte ich eingepfercht mit einem anderen Mädchen in einer engen Kabine, in der man sich kaum umdrehen konnte. Hier, mein Engel, werde ich mir wie im Paradies vorkommen.“

Nachdem Ana sie allein gelassen hatte, nahm Catherine die Sonnenbrille und den Seidenschal ab und machte sich im Bad frisch. Sie bürstete ihr glattes schwarzes Haar, bis es ihr glänzend über die Schultern fiel. Dann steckte sie die rosa und weiß gestreifte Bluse ordentlich in den Bund ihrer Jeans und verließ das Zimmer.

Während sie langsam die Treppe hinunterstieg, staunte sie über die Dicke der Wände. Unten in der Halle wurde sie von Ana erwartet, die sie durch ein paar schwere Holztüren mit Eisenbeschlägen führte.

„Du musst dich doch förmlich nach Tee sehnen, Catherine. Fernanda hat angeordnet, dass wir ihn hier trinken sollen.“ Mit erwartungsvollem Gesichtsausdruck begleitete sie Catherine in die sala, die größer, aber weniger einschüchternd war als die Eingangshalle. Dort gab es einen Kamin aus Stein, vor dem sich weiche Sofas und Sessel um einen niedrigen Tisch gruppierten. An den Wänden waren geschnitzte Truhen und kleine Tische angeordnet, auf denen Blumen standen, und überall hingen gerahmte Fotos.

„Ana, was für ein Raum. Ich kann nicht glauben, dass ihr diesen Ort Touristen überlasst.“

„Aber das tun wir. Und bis jetzt ist er immer mit Respekt behandelt worden. Wir haben nur drei quartos – Schlafzimmer – im Haus verfügbar, weißt du. Deines und die beiden anderen im Turm. Dann gibt es noch die casas de campo, die kleinen Gebäude rings um den patio. Diejenigen Gäste, die dort untergebracht sind, sind eingeladen, den Abend in der sala zu verbringen, wenn sie wollen.“

Catherine war tief beeindruckt. „Ich glaube, wenn dieser Ort mir gehörte, könnte ich es nicht ertragen, ihn Fremden zu überlassen.“

„Wenn du das Geld brauchst, könntest du“, entgegnete Ana nüchtern. „Ohne das Einkommen durch die Touristen wäre es sehr schwer, die Quinta und das Stadthaus in Pontalegre zu erhalten.“

Für die Hochzeit würde man in die Casa das Camelias in die Stadt ziehen, informierte Ana die Freundin. „Dort haben wir im Moment Gäste. Aber nächste Woche sind wir für uns, um die dia do casamento vorzubereiten.“

„E verdade“, pflichtete ihr Fernanda bei, die den Tee hereinbrachte. „Ana hat mir viel von Ihnen erzählt, Dona Catherina. Aber ich hätte nie gedacht, dass eine Engländerin so viel Farbe besitzen könnte. Sie könnten eine von uns sein.“

„Das war ein großes Lob“, erklärte Ana, als sie und Catherine wieder allein waren. „Fernanda hält nicht viel von Komplimenten.“

„Ich fühle mich geehrt.“

„Vielleicht überrascht es dich, dass eine Bedienstete so – so familiär ist, aber Fernanda kam bei meiner Geburt als mein Kindermädchen zu uns ins Haus“, erklärte Ana. „Als ich in die Schule ging, übernahm sie allmählich mehr und mehr Aufgaben, bis sie nicht nur governanta, sondern auch Köchin und Boss der Quinta das Lagoas wurde. Eduardo ist der einzige, dem sie Respekt zollt.“

„Man kann aber deutlich sehen, dass sie dich vergöttert, Ana.“

„Pois é!“, stimmte Ana übermütig zu. „Das hab’ ich ja auch verdient, não é?“

„Du bist sehr bescheiden.“ Catherine lachte und nahm die Tasse Tee entgegen, die Ana ihr reichte. „Wundervoll, genau das brauche ich jetzt. Übrigens muss ich noch meine Sachen aus dem Auto holen.“ Sie verzog das Gesicht. „Hoffentlich entschädigt dich mein Hochzeitsgeschenk für den Schreck bei meiner Ankunft.“

„Denk nicht mehr daran. Wahrscheinlich ist dein gesamtes Gepäck inzwischen schon in dein Zimmer gebracht worden.“

„Von dem verführerischen Landarbeiter, der mich aus dem Wagen geholt hat?“, fragte Catherine neugierig.

Ana runzelte nachdenklich die Stirn. „Verführerisch …?“ Sie unterbrach sich und fing an zu kichern. In diesem Moment erschien ein Mann auf der Türschwelle am anderen Ende des Zimmers.

Catherine wurde es ganz heiß, als der fragliche Landarbeiter auf sie zukam. Inzwischen hatte er die abgeschnittenen Jeans mit einem hellen Leinenanzug und Seidenhemd getauscht. Von Schweiß und Schmutz war nichts mehr zu sehen, und nun, da Catherines Wahrnehmungsvermögen wieder einwandfrei funktionierte, erkannte sie sofort seine Ähnlichkeit mit Ana. Seine Gesichtszüge waren allerdings etwas markanter, seine Nase gebogener, und er hatte jetzt leicht amüsiert die Augenbrauen hochgezogen. Die Art, wie er durch das Zimmer auf sie zuschlenderte, ließ keinen Zweifel daran, dass er jedes Wort ihrer letzten Unterhaltung gehört hatte.

Als Catherine gerade allen Mut zusammennahm, um sich bei ihm zu entschuldigen, blieb er abrupt stehen, und das Lächeln gefror auf seinem gut aussehenden Gesicht.

Eine Weile herrschte gespannte Stille, während Eduardo Barroso seine Manieren gänzlich vergessen zu haben schien. Mit ungläubigem Gesichtsausdruck starrte er Catherine verblüfft an, bis Ana endlich eine scharfe Bemerkung in Portugiesisch machte. Daraufhin nahm er sich mit sichtlicher Mühe zusammen und verbeugte sich formell in Richtung Catherine.

„Catherine, das ist mein Bruder“, stellte Ana vor, während sie ihn wütend anfunkelte. „Ihr seid euch zwar schon begegnet, aber ich habe ihn dir nicht gleich vorgestellt, weil er so schmutzig war. Miss Catherine Ward, darf ich bekannt machen, Eduardo Duarte e Abreu Barroso, Conde de Pontalegre.“

2. KAPITEL

Etwas überrascht zu erfahren, dass Anas Bruder einen Titel besaß, reichte Catherine ihm die Hand.

„Muito prazer“, sagte sie, wobei sie höflich lächelte. „Ich hoffe, das ist korrekt.“

Eduardo Barroso nahm ihre Hand, verneigte sich leicht und berührte sie kaum wahrnehmbar mit den Lippen. Als er sich aufrichtete und ihre Hand wieder losließ, lag auf seinem Gesicht ein ausgesucht liebenswürdiger Ausdruck. „Vollkommen korrekt“, antwortete er in einem Englisch, das so gut war wie das seiner Schwester. „Aber die Freude ist ganz auf meiner Seite, Miss Ward. Ich bin entzückt, Ihnen endlich persönlich zu begegnen. Seit langem hege ich den Wunsch, Ihnen für die Freundlichkeit zu danken, die Sie Ana während ihres großen Kummers erwiesen haben.“

Seine Stimme hatte einen verführerischen, leicht rauen Klang und war sehr melodiös. Doch Catherine vermisste die Spontaneität in seiner Begrüßung, die irgendwie einstudiert wirkte.

„Ich habe nur sehr wenig getan“, entgegnete sie zögernd. „Ana hat mir gegenüber übrigens nie Ihren Titel erwähnt. Um noch mehr peinliche Fehler zu vermeiden, sollten Sie mir vielleicht sagen, wie ich Sie am besten anrede.“

Plötzlich erschien ein charmantes Lächeln auf seinem braun gebrannten Gesicht, und die formelle Steifheit schien wie weggewischt. „Nennen Sie mich einfach bei meinem Namen, por favor. Mein Titel wird außer auf offiziellen Dokumenten nicht mehr benutzt. Ana hat sich nur einen Scherz erlaubt.“ Tadelnd schüttelte er den Kopf über seine Schwester, die erleichtert wirkte, weil ihr Bruder sich wieder natürlich gab.

„So, ich habe mir also einen Scherz erlaubt? Und was ist mit dir, Eduardo?“, meinte sie schonungslos. „Du warst sehr überrascht bei Catherines Anblick. Porquê? Ich habe dir oft genug erzählt, wie bildhübsch sie ist.“

„Trotzdem“, sagte er galant, wobei er sich gegen den Kaminsims lehnte, „war ich nicht auf eine solche Schönheit vorbereitet.“

„Bobagem, Eduardo. Da steckt mehr dahinter.“

Er fuhr sich mit der Hand durch das dunkel gelockte Haar. „Nichts Schlimmes, das schwöre ich.“ Dann warf er seiner Schwester einen beschwichtigenden Blick zu. „Es ist nur so, dass Miss Ward durch einen merkwürdigen Zufall stark einer Dame ähnelt, die ich kannte.“

„Quem?“, wollte Ana wissen.

Seine Miene wurde verschlossen. „Das war vor langer Zeit, querida.“

Ungeduldig schüttelte Ana den Kopf „Nossa Senhora, Eduardo, warum tust du so geheimnisvoll?“

Catherine entschied, dass jetzt ein günstiger Moment sei, sich zurückzuziehen. „Vielleicht würdet ihr beiden mich für eine Weile entschuldigen? Ich möchte gerne auspacken und vor dem Abendessen ein Bad nehmen.“

„Unser Haus steht ganz zu Ihrer Verfügung, Miss Ward“, versicherte Eduardo. „Bitte fühlen sie sich hier wie zu Hause. Wenn Sie später herunterkommen, darf ich Ihnen dann unseren berühmten weißen Portwein als Aperitif vor dem Essen anbieten?“

„Danke, sehr gern.“ Catherine lächelte gelassen, bevor sie Ana flüchtig umarmte. „Bis später.“

„Nimm dir so viel Zeit, wie du willst, querida“, meinte Ana. „Das Abendessen kann warten. Soll ich dich zu deinem Zimmer bringen?“

Catherine versicherte ihr, sie könne den Weg allein finden. Sie war überzeugt, dass Eduardo noch immer von ihrem Anblick geschockt war, obwohl er ihr mit charmantem Lächeln und höflichem Kopfneigen die Tür aufgehalten hatte. Die Vorstellung, sie, Catherine, hätte eine Doppelgängerin, löste eine irgendwie unheimliche Empfindung in ihr aus.

Nach dem peinlichen Vorfall, weil sie Eduardo für einen seiner eigenen Landarbeiter gehalten hatte, war Catherine dankbar, eine Weile allein zu sein. Zunächst verstaute sie ihre Sachen im Kleiderschrank und in der Kommode. Dann öffnete sie behutsam Anas Hochzeitsgeschenk und überprüfte die sechs verzierten Porzellantassen aus Staffordshire, die aus dem achtzehnten Jahrhundert stammten. Erleichtert stellte Catherine fest, dass das luftgepolsterte Verpackungsmaterial das Porzellan vor Schaden bewahrt hatte. Dann ging sie in das moderne Badezimmer, das mit portugiesischen Fliesen in blau und gelb ausgelegt war, und ließ heißes Wasser in die Wanne ein. Während sie badete, überlegte sie, was sie zu ihrem ersten Abendessen auf der Quinta das Lagoas anziehen sollte.

Ihr Job an Bord des Kreuzfahrtschiffes hatte ihr die Möglichkeit geboten, gelegentlich Designermode zu stark reduzierten Preisen zu kaufen.

Mit dem Bild von Eduardo Barrosos lässiger Eleganz vor Augen, ging Catherine später aufmerksam ihre Kleider durch. Dabei fiel ihr ein, welchen starken Eindruck er, leicht verschwitzt und mit nacktem Oberkörper, bei ihrer ersten Begegnung auf sie gemacht hatte. Schnell verscheuchte sie diese Vorstellung wieder und auch ihre ursprüngliche Idee, einen weißen Baumwollpullover und eine blaue Hose anzuziehen. Stattdessen entschied sie sich für einen schmalen schwarzen Leinenrock und eine weiße Seidenbluse. Sie befestigte ein schweres Silberarmband am Handgelenk und steckte ihr Haar mit zwei silberverzierten Kämmen zurück. Anschließend schminkte sie sich geschickt, wie sie das von einem Mädchen aus dem Schönheitssalon an Bord gelernt hatte.

Als Catherine einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel warf, schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Ihr wurde bewusst, dass sie sich viel mehr Mühe gab als sonst, um besonders gut auszusehen. Und der Grund dafür war nicht schwer zu erraten: Der legendäre Eduardo, über den Ana schon so viel erzählt hatte. Catherine war schon seit langem neugierig auf ihn gewesen, und die Begegnung mit ihm hatte sie nicht enttäuscht. Sein Titel hatte allerdings wie ein Schock auf Catherine gewirkt, obwohl das bei ihr, der bürgerlichen Catherine Ward, sowieso keine Rolle spielte. Der Conde de Pontalegre, ob er nun diesen Titel benutzte oder nicht, war vermutlich, wie das in diesen Kreisen üblich war, schon seit seiner Geburt einer hiesigen reichen Erbin mit passendem Stammbaum versprochen.

Als Catherine mit der Schachtel, die das Porzellan enthielt, und einer Tragetasche mit Geschenken, die sie im Flugzeug gekauft hatte, nach unten ging, fand sie Eduardo Barroso allein in der sala vor. Wie sie vermutet hatte, trug er jetzt ein Jackett und hatte eine Krawatte umgebunden.

„Warum haben Sie nicht um Hilfe gebeten, Miss Ward?“, empfing er sie und sprang auf, um ihr die Last abzunehmen. „Das ist schwer.“ Er stellte die Schachtel und die Tasche auf den Tisch.

„Eigentlich nicht, nur unhandlich.“ Catherine lächelte. „Sie können sich nicht vorstellen, wie lästig das im Flugzeug war. Sehr zum Missfallen des Stewards hielt ich die Schachtel auf meinen Knien. Ich wollte sie nicht aus den Augen lassen.“

„Ist sie denn so wertvoll?“

„Darin ist Anas Hochzeitsgeschenk, das sehr zerbrechlich ist. Meine Mutter meinte, ich sei verrückt, etwas zu kaufen, das man so schlecht mit dem Flugzeug transportieren kann.“

„Aber Sie ließen sich offensichtlich nicht davon abhalten.“

„Nein. Das ist eine meiner schlechten Eigenschaften. In einigen Dingen bin ich störrisch wie ein Maulesel.“

„Aber sehr viel hübscher.“ Aufmerksam und mit unverhohlener Bewunderung betrachtete er sie so lange, bis sie schließlich nervös wurde. „Perdoe-me“, entschuldigte er sich dann. „Ich wollte Sie nicht anstarren. Aber nun, wo ich die Gelegenheit habe, Ihr Gesicht näher zu betrachten, bin ich viel beruhigter.“

Fragend blickte sie ihn an. „In welcher Hinsicht?“

„Weil ich entdeckt habe, dass Ihre Augen die Farbe von Bernstein haben.“

„Und das ist von Bedeutung?“

Eduardo Barroso neigte den Kopf. „Die Dame, der Sie so stark ähneln, hatte graue Augen, so klar wie ein Regentropfen. Kommen Sie“, forderte er sie auf und wies auf das Sofa. „Trinken Sie ein Glas von dem angekündigten Portwein. Ich habe Fernanda gebeten, das Abendessen heute ein wenig später zu servieren und hier in der sala.“ Er nahm eine Karaffe und füllte zwei Gläser. „Fernanda hat zwar widersprochen, wie das ihre Art ist. Doch ich dachte mir, Sie würden es vorziehen, hier ungezwungener zu essen, statt in der sala de jantar, die sich mehr für große Gesellschaften eignet.“

„Da haben Sie recht.“ Catherine probierte den Port. „Der Wein ist sehr gut“, meinte sie anerkennend

„Der rote Portwein, den wir nach dem Essen genießen werden, wird von meinen Landsleuten sogar als Heilmittel für Todkranke bezeichnet. Sie können sich später darüber ja selbst ein Urteil bilden.“

Eine Weile plauderten sie ungezwungen, wie alle Leute, die sich eben erst kennen gelernt hatten. Eduardo erkundigte sich nach Catherines Reise, wollte wissen, wie ihr die Landschaft gefiel, durch die sie gefahren war, und entschuldigte sich dann für sein schlechtes Benehmen bei ihrem ersten Zusammentreffen. „Ich befürchtete so sehr, Sie wären verletzt, dass ich mein Englisch völlig vergaß.“

„Eigentlich sollte ich mich entschuldigen“, widersprach Catherine. „Ich habe einfach nicht gesehen, dass mir ein Lieferwagen entgegenkam.“

„Sind Sie ganz sicher, dass Sie sich nicht verletzt haben?“

„Mein Hals fühlt sich ein wenig steif an“, gab sie zu. „Aber nicht so schlimm, um sich deswegen Umstände zu machen.“

„Aha. Die Briten mögen keine Umstände, não é?“

„Ich kann nicht für alle sprechen, auf mich trifft das jedenfalls zu.“

Eduardo hob die Augenbrauen. „Ich hoffe, ich werde mir das merken.“

Catherine trank genüsslich ihr Glas aus.

„Darf ich Ihnen nachschenken, Miss Ward?“

„Nein, danke.“ Catherine warf ihm einen herausfordernden Blick zu. „Und wenn Sie weiter bei ‚Miss Ward‘ bleiben, Senhor Conde, fühle ich mich verpflichtet, Sie mit Ihrem Titel anzureden.“

„In diesem Fall wird es mir natürlich eine Ehre sein, Sie beim Vornamen zu nennen“, antwortete er sofort.

Es entstand eine kurze Pause, während sie versuchten, sich gegenseitig einzuschätzen. Dann stellte Eduardo abrupt sein Glas auf den Tisch. „Sie sind sehr taktvoll, Catherine.“

„Taktvoll?“

„Sie haben keine Bemerkung über mein schlechtes Benehmen verloren, als wir uns vorgestellt wurden. Ich versichere Ihnen, es ist sonst nicht meine Art, Gäste auf diese Weise zu begrüßen.“

„Das habe ich auch nicht angenommen.“

„Wollen Sie nicht den Grund dafür wissen?“

„Natürlich, schon. Aber bitte fühlen Sie sich nicht verpflichtet, ihn mir zu verraten, wenn Sie das nicht wirklich wollen.“

Eduardo senkte den Blick. „Eines Tages werde ich die ganze Geschichte erzählen. Im Augenblick genügt es vielleicht, wenn Sie wissen, dass Sie eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit einem schönen Mädchen haben, das ich kannte, als ich noch sehr jung war. Isabel Cardoso war eine Verwandte, die bei uns wohnte. Sie starb, kurz bevor Ana geboren wurde.“

„Dann müssen Sie damals allerdings sehr jung gewesen sein.“

„Das stimmt, und sie, coitada, erst achtzehn.“

„Sie hat Ihnen wohl sehr viel bedeutet?“, meinte Catherine sanft.

„Sie war meine erste Liebe, sem dúvida“, gab er melancholisch zu.

Als Ana ins Zimmer stürmte, sah er erleichtert auf. Sie hatte gerade mit Carlos telefoniert und strahlte vor Glück. „Como vai, ihr beiden“, rief sie fröhlich. „Carlos lässt meine englische Freundin grüßen, und Fernanda will wissen, ob sie das Dinner servieren kann.“

„Das kann sie“, sagte Eduardo und sprang auf. „Es ist schon spät. Catherine muss hungrig sein nach diesem anstrengenden Tag.“

Catherines anfängliche Freude auf das bevorstehende Abendessen war nun allerdings durch Eduardos Bemerkungen über Isabel Cardoso leicht gedämpft. Zum Glück verstrich noch einige Zeit, bis tatsächlich gegessen wurde. Als dann schließlich der erste Gang aufgetragen wurde, und eine Schale dampfender caldo verde vor Catherine stand, war der Anflug von Traurigkeit wieder vorüber.

„Haben Sie diese Suppe schon einmal probiert?“, erkundigte sich Eduardo.

„Nein, noch nie. Auf meinen kurzen Abstechern nach Lissabon habe ich meistens Fisch gegessen, falls überhaupt genügend Zeit blieb, ein Restaurant aufzusuchen.“ Dankbar für den Wechsel zu alltäglichen Themen, lächelte Catherine Eduardo an.

„Heute Abend hat Fernanda die chourico, das ist eine geräucherte Knoblauchwurst, weggelassen“, erklärte Ana. „Aus Rücksicht auf unseren englischen Gast bestehen die Zutaten nur aus Kohl, Kartoffeln und ihren geheimen Zaubersprüchen als Würze.“

„Kindskopf“, neckte Eduardo seine Schwester. „Schmeckt es Ihnen, Catherine?“

Sie versicherte ihm, das sei der Fall. Inzwischen waren sie beim Hauptgang angelangt, der aus knusprigem Hühnchen, gewürzt mit Rosmarin und Zitrone bestand.

„Ich glaube, Fernanda ist tatsächlich eine Zauberin“, meinte Catherine, nachdem sie gekostet hatte. „Bestimmt hat sie einen Zauberspruch über dieses wundervolle Hühnchen gesprochen.“

„Um den Zauber vollkommen zu machen“, sagte Eduardo, während er ihr Weinglas füllte, „und weil das Ihr erster Besuch in Minho ist, gibt es zu diesem Gang natürlich vinho verde.“

„Stammt er von Ihren eigenen Trauben?“, fragte Catherine, die den leichten frischen Geschmack mochte.

Ana nickte. „Der beste Jahrgang aus der vergangenen Dekade, não é, Eduardo?“

„Ich habe einige Flaschen für besondere Gelegenheiten aufbewahrt“, erwiderte Eduardo und prostete Catherine zu.

„Ich fühle mich geschmeichelt. Vom Fenster des Turmzimmers aus habe ich gesehen, dass Sie viel Land besitzen. Verkaufen Sie den Wein?“

Zu ihrer Überraschung erklärte Eduardo, dass nur ein paar Hektar Land rings um die Quinta für Eigenanbau zur Verfügung standen. Der Rest des Besitzes war in Parzellen aufgeteilt und an rendeiros verpachtet, die eigenen Wein, Getreide und verschiedene Gemüsesorten anbauten.

„Zur Zeit meines Vaters war das anders“, fuhr er fort. „Die gesamte Quinta das Lagoas ebenso wie die Casa das Camelias in Pontalegre war sein Erbe. Als Vater starb, stand Pedro nach dem Gesetz maximal ein Drittel zu.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Jetzt bin ich Erbe eines Drittels, und der Rest wurde aufgeteilt zwischen meinen Schwestern.“

Ana blickte ihn mitfühlend an. „Eduardo hatte nie erwartet, den Titel zu erben, Catherine“, erklärte sie. „Als … als Pedro und unsere Mutter so plötzlich starben, begann er gerade als – wie sagt man doch gleich – als aufstrebender Anwalt in Lissabon.“

„Das ist vorbei. Nun bin ich Hotelier, Bauer und Mechaniker“, äußerte Eduardo ein wenig selbstmitleidig. „E vida mesmo – so ist das Leben. Wir müssen nehmen, was es bringt und das Beste daraus machen, não é?“

Catherine hob das Glas. „Darauf trinke ich. Sie sprechen mir aus der Seele.“

Während alle drei miteinander anstießen, kam Fernanda herein, um die erfreulich leeren Teller abzuräumen. Sie lächelte zufrieden, als Catherine sie wegen des wundervollen Essens lobte. Stolz brachte sie zum Abschluss eine Schale mit frischen Früchten, eine große Platte mit Käse, den Catherine für Brie hielt, und einen Korb mit leichten, knusprigen Brötchen auf den Tisch.

„Versuchen Sie etwas von dem Käse, Catherine“, forderte Eduardo sie auf. „Er stammt aus dem Hochland der Sierra d’Estrela und ist ein richtiger Leckerbissen.“

Catherine schmeckte der Käse sehr gut und auch die frisch gebackenen Brötchen, die man dazu aß.

„Wie kommt es eigentlich, dass Fernanda so erstaunlich gut Englisch spricht?“, erkundigte sie sich.

„Hat Eduardo dir das nicht erzählt?“, fragte Ana. „Nachdem Isabel Cardoso gestorben war – das Mädchen, dem du so ähnlich siehst, wie Eduardo behauptet –, engagierte unser Vater eine englische Dame als Gouvernante für meine Schwestern.“

Eduardo nickte zustimmend. „Unsere Mutter ist englischer Herkunft. Deshalb ist es Tradition gewesen, auch immer Englisch in unserer Familie zu sprechen. Als Isabel dann … als eine neue Gouvernante gebraucht wurde, hatte unsere Mutter den Einfall, Mrs. Dent zu fragen, ob sie sich um ihre Kinder kümmern wollte.“

„Es genügte ihr nicht, meinen Schwestern und mir die englische Sprache beizubringen. Dona Laura hatte auch bald die jüngeren Bediensteten so weit, dass sie ebenfalls sauber und fließend Englisch sprachen, besonders Fernanda. Nur Pedro, der zu dieser Zeit nicht in Portugal war, entging ihrer Aufmerksamkeit. Unsere Mutter war natürlich sehr froh darüber, dass ihre Kinder unter der Obhut einer älteren Dame standen, nachdem …“ Er beendete den Satz nicht und brachte das Thema auf die Hochzeitsvorbereitungen. Dadurch vergaß Ana für den Rest des Abends jeden Gedanken an Isabel und Catherines außergewöhnliche Ähnlichkeit mit ihr.

Als sie sich vom Tisch erhoben, um am Kamin ihren Kaffee zu trinken, überreichte Catherine der erfreuten Ana ihr Hochzeitsgeschenk zusammen mit einem Parfüm aus dem Duty-free-Shop. Etwas zögernder schenkte sie Eduardo eine Flasche Glenlivet Whisky.

Ana schlang die Arme um Catherine und küsste sie geräuschvoll, bevor sie sich ihren Geschenken zuwandte. Eduardo dagegen beschränkte sich darauf, Catherine irritierend anzulächeln, während er ihre Hand küsste. Diesmal berührte er bewusst mit den Lippen ihre Haut, bevor er mit Worten seinen Dank ausdrückte.

„Ich hoffe, Sie mögen diese Marke“, meinte sie, verwirrt über die Hitze, die ihren Körper durchströmte und die von der Stelle auszugehen schien, die seine Lippen berührt hatten.

„Ich habe kein Geschenk erwartet“, erwiderte er. „Sie sind sehr freundlich.“

„Ein Zeichen meiner Anerkennung für die Einladung.“

Ana stieß einen Freudenschrei aus und hielt zwei der wunderschönen weißen Porzellantassen hoch, die mit blauen und goldenen Rändern verziert waren.

„Du hast in Putney immer abwechselnd Tee und Kaffee getrunken“, wandte sich Catherine an die Freundin. „Deshalb schienen mir diese Tassen ein passendes Geschenk zu sein. Ich hoffe, du hast nicht schon jede Menge davon.“

Anna stellte die Tassen behutsam zurück, um Catherine noch einmal herzlich zu umarmen. „Keine so erlesenen wie diese.“

„Und auch keine so wertvollen“, bemerkte Eduardo scharfsinnig. „Achtzehntes Jahrhundert, Catherine, nicht wahr?“

„Ja, sie stammen aus dem achtzehnten Jahrhundert“, bestätigte sie. „Vielleicht finde ich ja eines Tages ein Milchkännchen und eine Zuckerdose dazu. Für diesmal konnte ich nur die Tassen ergattern.“

„Und dir auch leisten, du Verschwenderin“, meinte Ana. „Ich muss sie Fernanda zeigen, und dann werde ich Carlos anrufen, um ihm von dem Geschenk zu erzählen. Com licença, querida?“ Mit wehendem Rock stürmte sie davon.

„Ich wollte gerade um Nachsicht für ihre Jugend bitten“, bemerkte Eduardo trocken. „Aber dabei fiel mir ein, dass Sie und Ana gemeinsam studiert haben. Das bedeutet, sie können nicht viel älter sein als meine Schwester mit ihren zweiundzwanzig Jahren.“

Catherine warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Sehe ich denn so viel älter aus?“

Eduardo schenkte sich Kaffee nach. „Nicht älter, nur reifer. Sie wirken auf mich wie eine erwachsene, selbstbewusste junge Dame.“

„Meine Mutter behauptet immer, ich kam schon erwachsen zur Welt.“ Catherines Miene verdüsterte sich, und rasch wechselte sie das Thema, indem sie die erste Frage stellte, die ihr in den Sinn kam. „Weshalb ist Isabel Cardoso eigentlich so jung gestorben?“

„Sie ertränkte sich“, gab Eduardo mit ernster Stimme Auskunft.

Erschrocken sah Catherine ihn an. „Oh, das tut mir leid. Ich hätte nicht gefragt, wenn …“

„Isabel ließ sich durch unerwiderte Liebe in den Tod treiben“, sprach Eduardo weiter, als hätte er sie nicht gehört.

„Wie schrecklich.“

„E verdade.“ Fragend sah er auf. „Finden Sie es schwer zu verstehen, dass ein Mädchen aus diesem Grund Selbstmord begeht, Catherine?“

„Ich fürchte schon.“

„Wie würden Sie mit einem solchen Problem umgehen?“

Ihre Miene wurde abweisend. „Mein hypothetisches Opfer würde versuchen, Arbeit zu finden, durch die ein möglichst großer Abstand zum Objekt der Schwärmerei geschaffen würde, und damit die Angelegenheit rasch und gründlich zu verarbeiten“, wich Catherine absichtlich aus.

Eduardo sah sie forschend an. „Und hatte diese hypothetische Frau, die Sie eben beschrieben, damit Erfolg?“

„Sie sprechen meine Sprache wirklich gut.“

„Danke, damit wird aber meine Frage nicht beantwortet.“

„Ja“, erwiderte Catherine beiläufig. „Sie ist darüber hinweg.“

„Das freut mich.“

„Dann hat Ana Ihnen also erzählt, dass … dass ich mir einmal irrtümlicherweise große Hoffnungen gemacht habe?“

Eduardo zögerte. „Verzeihen Sie mir, wenn ich zu weit gehe, Catherine, doch Ana erzählte mir, dass Sie einen noivo hatten, als Sie auf dem College waren. Stimmt das?“

„Das stimmt. Ich war verlobt. Zumindest glaubte ich das.“ Catherine zuckte mit den Schultern. „Aber sobald wir unseren Abschluss hatten, konnte Dan es nicht erwarten, sich in die große Geschäftswelt zu stürzen. Es gab keinen Platz mehr für mich in seinen Zukunftsplänen.“ Beiläufig, als sei er sich dessen gar nicht bewusst, griff Eduardo nach ihrer Hand. „Und war dieser Gentleman im Geschäftsleben dann tatsächlich erfolgreich?“

„Oh, ja. Dort herrscht das perfekte Milieu für jemanden ohne Skrupel wie Dan.“ Catherine verzog spöttisch den Mund. „Rückblickend weiß ich, dass ich sehr dumm gewesen bin. Aber als ich studierte, war ich zu naiv und unerfahren, um zu merken, dass meine mädchenhafte Schwärmerei nicht ganz auf Gegenseitigkeit beruhte. Es reichte eben nicht zum Heiraten.“

„Sie haben sich viel aus ihm gemacht?“

„Ja, viel.“

„Und jetzt?“

„Jetzt bin ich älter, hoffentlich klüger und mache mir nichts mehr aus ihm.“ Sanft entzog sie Eduardo die Hand, damit er nicht merkte, wie nervös seine Berührung sie machte. Sie hatte sich schon einmal wegen eines Mannes zum Narren gemacht und nicht die Absicht, das ein zweites Mal geschehen zu lassen.

Anas Rückkehr setzte der Unterhaltung ein Ende, die für Catherines Seelenfrieden sowieso viel zu persönlich geworden war. Kurz darauf entschuldigte sich Eduardo bedauernd mit dem Hinweis, auf ihn würde noch eine Menge Arbeit warten. Er ließ die beiden Mädchen allein, damit sie ungestört Erinnerungen aus ihrer gemeinsamen Studienzeit austauschen konnten.

„Ich dachte, dein Bruder wäre langst verheiratet“, schwindelte Catherine, um Ana zum Erzählen zu bringen.

„Eigentlich müsste er das wirklich schon sein. Frauen finden ihn nämlich sehr attraktiv, du nicht auch?“, erkundigte sich Ana mit glänzenden Augen.

„Sehr“, gab Catherine zu.

Stolz nickte Ana. „In seinem Leben hat es viele Frauen gegeben, de certeza. Eine von ihnen, Antonia Soares, ist am längsten geblieben.“ Sie verzog das Gesicht. „Der Tod meiner Mutter und meines Bruders Pedro verursachte viel … Aufruhr. Sagt man so? Eduardos Leben veränderte sich dramatisch.“

Die Verantwortung für die Quinta das Lagoas und das Stadthaus, mit denen es nicht zum Besten stand, hatten wie eine schwere Last auf Eduardo Barrosos Schultern gedrückt. Zum einen blieb nicht mehr genügend Zeit, um seine Karriere als Anwalt in Lissabon fortzusetzen, und zum anderen reichte das ererbte Geld nicht aus, um den Familienbesitz in seiner ursprünglichen Form zu bewahren.

„Beide Häuser“, erzählte Ana, „gehören seit zweihundert Jahren der Familie. Um sie zu behalten, war Eduardo gezwungen, einen Teil des Landes an rendeiros zu verpachten. Außerdem musste er einen Zuschuss von der Regierung beantragen, um die Häuser für turismo de habitaçeão herzurichten. Das heißt so viel wie Urlauber in Privathäusern unterzubringen, weißt du? Um den Zuschuss zu bekommen, musste Eduardo sich von Anfang an verpflichten, diese Unterkünfte zehn Jahre lang zur Verfügung zu stellen.“

Um diese Auflage zu erfüllen, hatte Eduardo Barroso seine Karriere als Anwalt aufgeben müssen. Obwohl, wie Ana meinte, seine Ausbildung trotzdem nicht umsonst gewesen war.

Catherine war beeindruckt. Sie bewunderte den Mann, der bereit gewesen war, sein Leben für die Familie drastisch zu verändern, als es hart auf hart kam. „Und was wurde aus dieser Frau?“, konnte sie nicht widerstehen zu fragen.

„Antonia?“ Ana zuckte mit den Schultern. „Eduardo hat mich nicht eingeweiht. Wenn er in Lissabon geblieben wäre, wären sie vermutlich verheiratet. Ich glaube, sie will ihre Karriere in Lissabon nicht aufgeben. Sie ist ebenfalls Anwältin, weißt du. Sie ist klug, sehr hübsch und hat eine messerscharfe Zunge. Zum Glück kommt sie nur selten hierher. Aber Eduardo verbringt manchmal ein paar Tage in Lissabon.“

So etwas war ja zu vermuten gewesen, dachte Catherine, als sie diese Neuigkeiten hörte. „Kommt sie auch zur Hochzeit?“

„Ja. Ich musste sie einladen, verstehst du?“ Ana lächelte, als Catherine gähnte. „Du bist müde. Wir wollen Eduardo gute Nacht wünschen, und dann solltest du zu Bett gehen.“

3. KAPITEL

Am Morgen, als Catherine aufwachte, schien der Schlaf, den sie endlich gefunden hatte, dann doch wieder alles ins rechte Licht gerückt zu haben. Sie hatte für sich entschieden, ihre Reaktion auf Eduardo Barroso sei entweder Einbildung oder läge an den Gefühlen, die durch die traurige kleine Geschichte ausgelöst worden waren, die er ihr erzählt hatte. Im hellen Licht des Tages war es leicht, Eduardo wieder auf den Platz zu verweisen, auf den er gehörte. Für sie, Catherine, war er Anas Bruder und mehr nicht. Sie hatte nicht vor, sich wegen eines Mannes zum Narren zu machen, den sie nach der Hochzeit ihrer Freundin nie wieder sehen würde.

Sie zog ein T-Shirt und eine Jogginghose an, band das Haar lose zusammen und ging nach unten in die Sala. Dort stieß sie auf Eduardo, der im blauen Polohemd und in einer hellen Hose allein am Tisch saß, auf dem für zwei gedeckt war.

Mit dem ihr inzwischen vertrauten Lächeln stand er auf, um sie zu begrüßen. Und das genügte. Sämtliche Theorien, die Catherine gerade aufgestellt hatte über Eduardos Stellenwert für sie persönlich und gesunden Menschenverstand im Allgemeinen, flogen geradewegs durch die offene Verandatür hinaus in den Sonnenschein.

„Bom dia.“ Eduardo hielt ihr den Stuhl, als sie sich setzte. „Haben Sie gut geschlafen, Catherine?“

„Guten Morgen.“ Sie faltete eine gestärkte Serviette auseinander und hoffte, ihr Lächeln würde nichts über ihre verwirrten Gefühle verraten. „Ich schlief sehr gut, bis mich die Kirchenglocken weckten.“

„Aha. Für uns gehören sie hier schon so sehr zum alltäglichen Leben, dass wir sie gar nicht mehr bewusst wahrnehmen.“

„Ich bevorzuge das Läuten meines Weckers“, erwiderte sie. „Schläft Ana noch?“

„Wir besuchten gemeinsam die Frühmesse. Anschließend riet ich ihr, sich noch einmal hinzulegen, damit sie sich vor ihrer Hochzeit nicht verausgabt.“ Er lächelte. „Um ehrlich zu sein, freue ich mich außerdem über die Gelegenheit, mit Ihnen allein zu frühstücken.“

Catherine war von dieser Bemerkung so angetan, dass sie beim Eingießen beinahe Kaffee verschüttet hätte.

„Ich würde Sie gern fragen, wie es Ihnen geht, nachdem ich Ihnen gestern diese Geschichte anvertraute“, fuhr er fort und nahm dankend die Tasse Kaffee, die sie ihm anbot.

Catherines Freude wurde etwas gedämpft. „Nun, ich bin neugierig, aber mir ist nicht länger unheimlich zu Mute. Meine Ähnlichkeit mit Ihrer Isabel gehört einfach zu den außergewöhnlichen Zufällen, die sich im Leben ab und zu ereignen. Heißt es nicht, jeder habe irgendwo einen Doppelgänger?“

Eine Weile schwieg er, während er aufmerksam ihre Gesichtszüge studierte, als würde er noch immer nicht seinen Augen trauen. „Natürlich haben Sie recht. Gestern war ich überzeugt, ich hätte mich getäuscht, weil Sie Isabel unmöglich so sehr gleichen können. Aber heute, im hellen Licht des Morgens, ist die Ähnlichkeit nach wie vor vorhanden.“

Sie runzelte die Stirn. „Trotzdem hoffe ich, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich Sie bitte, mich von jetzt an einfach als Catherine Ward zu betrachten und nicht als ein merkwürdiges Abbild Ihrer verstorbenen Cousine.“

Eduardos Blick wurde kühl. „Pois é. Es ist eigentlich nicht meine Gewohnheit, über Isabel zu sprechen. Ich bedauere, dass es überhaupt notwendig geworden ist, Sie mit dieser Geschichte zu belasten.“

Damit hat er mich deutlich auf meinen Platz verwiesen, dachte Catherine. „Wir wollen das einfach vergessen, nicht wahr? Ist heute nicht ein wundervoller Tag?“

„Ja, wirklich“, äußerte er amüsiert. „Ihr Engländer wollt euch immer über das Wetter unterhalten.“

„Ihr Portugiesen nehmt euren Sonnenschrein eben als selbstverständlich“, gab sie zurück, während sie Butter auf ein Brötchen strich.

„Möchten Sie gern ein englisches Frühstück? Sie brauchen nur ein Wort zu sagen.“

Catherine betrachtete die Köstlichkeiten auf dem Tisch und schüttelte den Kopf. Es gab eine Platte mit hauchdünnen Schinkenstreifen, Toast, frisches und eingemachtes Obst, einen Korb mit süßem Gebäck und einen mit knusprigen Brötchen. „Danke, aber ich glaube, es steht mehr als genug auf dem Tisch. Normalerweise frühstücke ich gar nicht.“

„Das sollten Sie aber. Es ist gesund, den Tag mit einem guten Essen zu beginnen.“

„Das behauptet meine Mutter auch“, erwiderte Catherine. „Wenn ich den Tag immer an einem Ort wie diesem beginnen könnte, mit einer Aussicht wie dieser da draußen, dann würde ich vielleicht frühstücken, aus purem Vergnügen, hier zu sitzen.“

„Mir geht es genauso“, meinte Eduardo sanft. „Aber nicht nur wegen der Aussicht, die ich von Kind an kenne. Für mich besteht das Vergnügen in Ihrer charmanten Gesellschaft.“

„Nicht etwa, weil ich ein Abbild Ihrer Isabel bin?“

Eduardos Miene wurde ernst, „Ich dachte, wir wollen Isabel vergessen? Aber da Sie mich schon fragen, die Antwort lautet nein, das ist nicht der Grund. Die Ähnlichkeit ist groß, sem dúvida, doch es gibt feine Unterschiede. Ihre Züge gleichen ihren, allerdings wirkt Ihr Gesicht entschlossener, Catherine. Isabel besaß nicht diese Stärke, und ihre Oberlippe hatte auch nicht diesen sinnlichen Schwung …“

Catherine errötete. „Bitte! Sie machen mich verlegen.“

„Perdoe-me. Das war nicht meine Absicht.“ Rasch wechselte er das Thema und fragte, was sie unternehmen wolle, sobald Ana sich zu ihnen gesellt habe. „Vielleicht möchten Sie Pontalegre besichtigen? Ich muss noch kurz zu Elsa, der Haushälterin der Casa das Camelias, um sicherzustellen, dass für die augenblicklichen Gäste alles vorhanden ist. Doch anschließend könnte ich Sie und Ana zum Mittagessen in ein Restaurant führen. Falls Sie das möchten“, fügte er betont höflich hinzu.

„Sehr gern. Aber bitte machen Sie sich keine Umstände. Ich könnte auch einfach den eigenen Wagen nehmen und mit Ana nach Pontalegre fahren. Dann könnten Sie über Ihre Zeit frei verfügen. Falls Sie das möchten“, ahmte sie ihn nach und lächelte dabei.

Eduardo hielt ihr seine Tasse hin, damit sie ihm noch einmal Kaffee nachschenkte. „Heute ist Sonntag. Sogar jemand wie ich muss einmal entspannen. Bevor Sie gestern ankamen, habe ich wie ein Tier auf dem campo geschuftet. Am Abend habe ich mich dann bis spät in die Nacht in Prozessakten vertieft. Außerdem, da Sie uns nur so kurz besuchen, fordere ich auch ein wenig von Ihrer Zeit, Catherine.“

„Fordern?“

„Manchmal lassen mich meine Sprachkenntnisse im Stich.“ Er strahlte sie an. „Welches Wort würden Sie vorziehen? Bitten? Verdienen? Wünschen?“

Argwöhnisch betrachtete sie ihn. „Sie nehmen mich auf den Arm. Wie wäre es mit einem schlichten ‚Wollen‘?“

„Perfeito“, antwortete er und blickte Catherine dabei so intensiv an, dass sie schnell wegsah.

„Wann wird Ana aufstehen?“

„Quem sabe?“, meinte er. „Bis sie kommt, möchten Sie vielleicht das restliche Haus besichtigen?“

Alle Zimmer, die Catherine noch nicht gesehen hatte, befanden sich im unteren Stockwerk. Eduardo zeigte ihr die Räume, in denen früher der Wein gelagert worden war, und die nun als Schlafzimmer für Ana und ihn dienten. Außerdem gab es ein großes Esszimmer, das im prunkvollen Herrschaftsstil eingerichtet war, mit Möbeln aus dunklem Holz und vielen Wappen an der Wand. Nebenan, in der Küche, stießen sie auf Fernanda, die Gemüse putzte. Sie begrüßte Catherine herzlich und zeigte ihr bereitwillig ihr Reich. Die Küche war vollständig mit, blauen, weißen und gelben Fliesen ausgelegt. Von den Deckenbalken hingen Knoblauch- und Zwiebelstränge, Kräuterbündel und getrocknete Trauben.

Nachdem Eduardo Fernanda mitgeteilt hatte, dass sie mittags auswärts essen würden, begleitete er Catherine zu der Treppe, die zu ihrem Raum führte. Er runzelte die Stirn, als sie die Absicht äußerte, ihr Zimmer aufzuräumen.

„Fernanda kann das erledigen“, entgegnete er.

„Aber das braucht sie nicht. Ich bin sehr wohl fähig, mein Bett allein zu machen.“

„Ich glaube, Sie können sehr viele Dinge allein machen, Catherine.“ Er blickte ihr tief in die Augen und verbeugte sich dabei leicht. Dann sah er ihr nach, wie sie die Treppe hinaufeilte, bis sie außer Sicht war.

Nachdenklich machte Catherine ihr Bett und brachte das Zimmer in Ordnung. Sie fragte sich, ob es klug gewesen war, Anas Einladung überhaupt anzunehmen. Die Quinta das Lagoas war ein wunderschönes Haus, und Anas Freude über ihren Besuch war so offensichtlich, dass sie natürlich gern hier war. Doch sie durfte es nicht zulassen, mit ihrem Bruder zu vertraut zu werden. Sie hatte ihn sich als verheirateten Mann in den besten Jahren vorgestellt. Aber weder das eine noch das andere traf auf ihn zu. Zudem war er der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war. Das Klügste war, in seiner Nähe einen kühlen Kopf zu bewahren. Eine unglückliche Liebesgeschichte reichte ein für alle Mal.

Catherine schob ihre Gewissensbisse beiseite, als sie sich zu Ana und Eduardo gesellte, um mit ihnen nach Pontalegre zu fahren. Die kleine, hübsche Stadt mit den eleganten Häusern gefiel ihr sofort. Einige der Häuser mit den verwitterten zimtfarbenen Dächern standen auf der südlichen Seite des Flusses, doch die meisten Gebäude erhoben sich am steilen nördlichen Ufer. Die beiden Stadtteile waren mit einer Brücke verbunden, die noch aus der Zeit der Römer stammte. Nun gab es zu beiden Seiten des Flusses eine breite Sandbank, und flussabwärts war für den Autoverkehr eine moderne Brücke aus Beton gebaut worden, während die antike nur noch von Fußgängern benutzt wurde.

„Und morgen“, erklärte Ana, als Eduardo den Wagen durch enge Gassen fuhr, die von sonntäglichen Spaziergängern wimmelten, „wirst du die Flussufer vor lauter Ständen und Markisen gar nicht mehr sehen können. Alle vierzehn Tage findet hier nämlich eine feira statt. Das ist einer der größten Märkte im Land.“

Catherine stieß einen erschrockenen Laut aus, als Eduardo den Wagen unbekümmert in eine Kopfsteinpflastergasse lenkte, die auf den ersten Blick senkrecht nach oben zu führen schien.

„Entspannen Sie sich“, forderte er sie, mit einem Seitenblick auf ihr versteinertes Gesicht, auf. Doch Catherine wurde erst ruhiger, als sie am höchsten Punkt der Gasse anlangten, die sich dort zu einem kleinen gepflasterten Platz verbreiterte, der von einem großen rechteckigen Gebäude beherrscht wurde. Von der Straße aus blickte man auf eine prächtige Fassade mit Balkonen, während der Rest des Gebäudes hinter Mauern aus Granit verborgen war. Die Architektur sei typisch für Portugal im siebzehnten Jahrhundert, erklärte Eduardo, nachdem sie ausgestiegen waren. Unten wies die Mauer bis auf zwei enge Fenster links und rechts vom Haupteingang keine Öffnungen auf. Im oberen Stockwerk führten eine symmetrische Reihe Türen zu Balkonen hinaus, deren eisengeschmiedete Geländer das Haus wie eine schwarze Spitzenschärpe umgaben.

„Willkommen in der Casa das Camelias“, sagte Eduardo feierlich. Er führte Catherine in eine geräumige, schattige Eingangshalle, während eine Glocke ertönte und ihre Ankunft verkündete.

„Wir wohnen esquerda“, erklärte Ana und wies dabei auf eine Doppeltür, durch die ein Korridor in den linken Flügel führte.

„Die Schlafzimmer für die Gäste sind im rechten Teil des Hauses.“

Dieses Haus machte auf Catherine einen ganz anderen Eindruck als die Quinta. Ehrfürchtig betrachtete sie die Gewehre und Musketen, die über Helmen und Schilden an den Wänden befestigt waren. Überall hingen an den Fenstern die vertrauten Vorhänge, die mit dem Familienwappen bestickt waren, und die Räume, durch Doppeltüren miteinander verbunden, waren mit antiken Möbeln und Kunstobjekten eingerichtet. Es gab auch eine Bibliothek, in der die Regale vom Boden bis zur Decke reichten, mit vielen ledergebundenen Büchern, die offensichtlich sehr alt und wertvoll waren.

„Kommt, wir wollen mit Elsa in unserer kleinen privaten sala Kaffee trinken. Sie werden feststellen, dass sich dieser Raum von all dieser alten, verblichenen Pracht unterscheidet.“

Elsa war eine kräftige, fröhliche Frau, ganz in Schwarz gekleidet. Mit Hilfe von zwei jungen Mädchen aus der Stadt führte sie die Casa das Camelias. Anders als Fernanda war sie nicht in den Genuss von Dona Lauras Privatunterricht gekommen. Trotzdem reichte ihr etwas ungewöhnliches Englisch aus, um ihre Freude auszudrücken, Anas Studienfreundin kennen zu lernen, während sie den Kaffee servierte. Man hielt sich dabei in der wirklich gemütlichen kleinen sala auf. Die Glastüren zum Balkon standen offen und boten einen verlockenden Blick auf den abgeschiedenen Garten hinter den hohen Mauern.

„Du kannst dir den Garten später ansehen“, versprach Ana und schenkte den Kaffee ein. „Wie findest du die Casa das Camelias?“

Eduardo sah sie neugierig an, als sie versuchte, eine Antwort zu formulieren. „Gefällt Ihnen das Haus nicht?“

„Natürlich gefällt es mir. Wie sollte das auch anders sein. Aber ich ziehe die Quinta vor“, gestand sie. „Dieses Haus ist sehr schön, aber es wirkt mehr wie ein Museum als wie ein Heim.“

„Für uns ist es ein Heim“, entgegnete Ana. Sie sprang auf: „Ich muss Elsa noch einiges von Fernanda ausrichten. Com licença, Catherine.“ Sie eilte in die angrenzende Küche und ließ eine spannungsgeladene Stille zurück.

„Tut mir leid, dass Sie sich nichts aus der Casa das Camelias machen“, nahm Eduardo schließlich wieder das Gespräch auf.

Catherine begegnete seinem Blick. „Das stimmt nicht. Es ist ein wunderschönes Haus.“

„Allerdings ist es auch eine Last“, meinte er düster. „Manchmal wünschte ich, ich hätte es nach Pedros Tod verkauft. Damals wurde ich sogar dazu gedrängt.“

„Bedauern Sie es, dass Sie Ihre Karriere als Anwalt aufgegeben haben?“

Er zuckte mit den Schultern. „Es ist sinnlos, etwas zu bedauern, das sich nicht ändern lässt.“

Catherines Miene drückte so viel Mitgefühl aus, dass sich sein Gesichtsausdruck änderte. Seine Augen begannen plötzlich intensiv zu glitzern.

„Was ist los?“, fragte sie rasch.

„Verzeihen Sie mir. Es ist nur, weil Sie so …“

„Weil ich Isabel so ähnlich sehe?“ Catherine funkelte ihn wütend an, und als er daraufhin lachte, fühlte sie, wie ihr das Blut in die Wangen stieg.

Langsam stand Eduardo auf und während er sie nicht aus den Augen ließ, setzte er sich auf das Sofa neben Catherine. „Ich wollte gerade sagen, dass Sie wirklich sehr schön sind. Und zwar Sie“, betonte er. „Miss Catherine Ward aus England, von der ich so viel gehört habe, die ich jedoch erst gestern Abend zum ersten Mal traf. Das kommt mir irgendwie merkwürdig vor, denn eigentlich habe ich das Gefühl, ich würde Sie schon gut kennen.“

Sie rückte ein wenig von ihm ab. „Das meinen Sie nur wegen Isabel“, sagte sie leicht nervös.

„Wir wollen Isabel vergessen.“ Er griff nach ihrer Hand und zog sie an die Lippen. Doch Catherine sprang auf und ging ans andere Ende des Zimmers zum Fenster.

„Ich wollte, ich könnte das“, äußerte sie hitzig und drehte ihm den Rücken zu.

Sie hörte, wie Eduardo aufstand. Jeder Nerv in ihrem Körper war angespannt, als er dicht hinter ihr stand, so dicht, dass sie seine Wärme durch den Stoff ihrer Bluse fühlen konnte und seinen heißen Atem im Nacken spürte. Catherine blieb regungslos stehen. Ihr Herz klopfte heftig. Bestimmt würde er sie gleich in die Arme nehmen. Stattdessen stieß er jedoch einen leisen Fluch aus und zog sich gerade noch rechtzeitig zurück, bevor Ana ins Zimmer stürzte. Sie verkündete, Elsa wolle nichts davon hören, dass sie zum Mittagessen in ein Restaurant gingen, und bestünde darauf, ihnen eine leichte Mahlzeit zuzubereiten. Das Essen sei in einer Stunde fertig.

„In der Zwischenzeit“, schlug Ana vor, „werden wir dir die Stadt zeigen.“

„Haben Sie Lust, Catherine?“, erkundigte sich Eduardo.

„Sehr“, versicherte sie und hoffte, ihr Lächeln würde die tiefe Enttäuschung verbergen, die sie wegen der Störung empfand.

Als sie sich zu Fuß auf den Weg machten und durch die gepflasterten Gassen spazierten, hielt Catherine sich dicht bei Ana. Sie hatten den festen Vorsatz, sich so weit wie möglich von Eduardo entfernt zu halten. Ein Blick von ihm in ihre Richtung bewies ihr jedoch, dass er ihre Absicht durchschaute.

Er machte sie auf verschiedene Kirchen und Wahrzeichen der Stadt aufmerksam und zeigte ihr den früheren Gefängnisturm, der erst seit kurzer Zeit in eine Bibliothek umgewandelt worden war.

Es war sehr angenehm, die Alleen mit den Platanen am Ufer des Flusses entlang zu wandern. Catherine fühlte sich überraschend heimisch, als sie sich unter die Leute mischten, die aus den verschiedenen Kirchen drängten und sich im Sonnenschein gemächlich auf den Heimweg machten.

„Wollen wir auf dem praça etwas trinken?“, fragte Eduardo, als sie sich auf den Rückweg machten. Doch Ana schüttelte entschieden den Kopf.

„Elsa wird das Essen fertig haben. Außerdem dürfen wir uns nicht verspäten, weil Carlos heute Abend mit uns auf der Quinta isst. Er freut sich darauf, Catherine kennen zu lernen.“

Eduardo tippte seine Schwester scherzhaft mit dem Finger an. „Vielleicht liebt er dich nicht mehr, wenn er erst deine hübsche Freundin sieht.“

„Das ist schon möglich, sem dúvida“, gab Ana gelassen zu.

„Ich habe doch nur gescherzt, rapariga“, versicherte er ihr. „Kommt jetzt, meninas, lasst uns zurück zum Haus gehen. Ich möchte Elsa nicht verärgern, besonders“, fügte er ernst hinzu, „wo ich doch nun bald verlassen werde und das Geschäft allein führen muss. Ich werde in doppelter Hinsicht abhängig sein. Einmal von Elsa und einmal von Fernanda.“

„Haben Sie bis jetzt denn noch keinen Ersatz für Ana finden können?“, erkundigte sich Catherine.

„Niemanden“, erklärte Ana lachend. „Er ist wirklich sehr schwer zufrieden zu stellen. Deshalb ist er auch noch immer solteiro. Keine Frau hat bis jetzt seinen Ansprüchen genügt.“

Eduardo warf seiner Schwester einen warnenden Blick zu, als sie die steile Gasse hoch zur Casa das Camelias stiegen. „Ich hatte noch keine Zeit, mir eine Frau zu suchen“, sagte er kurz. „Außerdem bin ich sicher, dein Gast interessiert sich nicht für solch ein langweiliges Thema.“

Falsch, dachte Catherine und folgte Ana ins Haus. Das Thema interessierte sie mehr, als das der Fall sein sollte.

Das einfache Essen wurde im formellen Esszimmer eingenommen, dessen glänzender Fußboden aus grauen und rosa Granitplatten bestand.

„Wird hier dein Hochzeitsessen stattfinden?“, wollte Catherine wissen.

„Oh, nein“, entgegnete Ana. „Dazu werden zu viele Gäste kommen. Das Buffet wird draußen im Hof aufgebaut, der am Abend beleuchtet ist. Und nach dem Essen wird getanzt.“

„Wie Sie feststellen werden“, bemerkte Eduardo trocken, „wird Anas Hochzeit wahrscheinlich keiner gleichen, die Sie bisher erlebt haben, Catherine.“

Während Eduardo sich mit Elsa beriet, nahm Ana die Freundin nach dem Essen mit nach draußen, um ihr den Garten zu zeigen.