Die Stadtbienen - Erika Mayr - E-Book
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Die Stadtbienen E-Book

Erika Mayr

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Beschreibung

Erika Mayr ist leidenschaftliche Stadt-Imkerin. In ihrer Biografie erzählt sie von ihren ersten Schritten im Imkerverein Charlottenburg, vom herrlichen Duft des Honigs und natürlich vom Leben mit ihren fabelhaften Stadtbienen. Ein Buch, das inspiriert und Lust aufs Imkern macht. Faszinierende Dinge passieren in Erika Mayrs Bienenstöcken auf dem Dach eines Hochhauses: Die pelzigen Tierchen tanzen, kümmern sich umeinander und produzieren flüssiges Gold. Der Honig der Stadtbienen schmeckt nicht nur außergewöhnlich nuanciert, sondern ist auch äußerst rein und sehr gesund. Unterhaltsam und mit geballtem Bienenwissen erzählt Erika Mayr wie sie Imkerin wurde, von der Perfektion der Wabe und warum es heute wichtiger ist denn je, die Bienen zu unterstützen. Der Enthusiasmus der Stadt-Imkerin wirkt ansteckend, ihre Botschaft überzeugend: Gemeinsam können wir eine bessere Welt schaffen – für uns und für die Bienen.

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Seitenzahl: 296

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Erika Mayr

Die Stadtbienen

Wie ich Imkerin wurde und mein Leben zu summen begann

Aufgezeichnet von Anne Kunze

Knaur e-books

Über dieses Buch

Erika Mayr ist leidenschaftliche Stadt-Imkerin. In ihrer Biografie erzählt sie von ihren ersten Schritten im Imkerverein Charlottenburg, vom herrlichen Duft des Honigs und natürlich vom Leben mit ihren fabelhaften Stadtbienen. Ein Buch, das inspiriert und Lust aufs Imkern macht.

Faszinierende Dinge passieren in Erika Mayrs Bienenstöcken auf dem Dach eines Hochhauses: Die pelzigen Tierchen tanzen, kümmern sich umeinander und produzieren flüssiges Gold. Der Honig der Stadtbienen schmeckt nicht nur außergewöhnlich nuanciert, sondern ist auch äußerst rein und sehr gesund. Unterhaltsam und mit geballtem Bienenwissen erzählt Erika Mayr wie sie Imkerin wurde, von der Perfektion der Wabe und warum es heute wichtiger ist denn je, die Bienen zu unterstützen. Der Enthusiasmus der Stadt-Imkerin wirkt ansteckend, ihre Botschaft überzeugend: Gemeinsam können wir eine bessere Welt schaffen – für uns und für die Bienen.

Inhaltsübersicht

WidmungVorwort von Jürgen TautzVorwort der AutorinFrühlingserwachenLandliebe und Stadtlust: Eine Bayerin zieht nach Berlin»Werden Sie doch Gärtnerin!«GroßstadtfieberKeine MenschenseeleIn der JägerstubeOh, wie schön ist Kanada!Schnee und EinsamkeitIm besetzten HausBarbesitzerinWie viel Natur hat die Stadt zu bieten?Ein harmonisches LebenUrban Beekeeping in Detroit: Eine gute Idee entwickelt sichGemeinsame Arbeit, gemeinsame LiebeGleichgesinnteApokalyptische AtmosphäreDie BienenbewegungVon der Theorie zur Praxis: Ich werde ImkerinEs wird ernstAcht GroßväterMein ImkerpateIch habe 20 000 Tiere!Ein unvergessliches GeschmackserlebnisDas Jahr neigt sich dem Ende zuNeonfarben müssen es seinApis mellifera: Das Wunder der BienenDer Bien, ein SuperorganismusDie Perfektion der WabeTemperaturregelungLustselbstmörderTanzen!PropolisDas erste Jahr beginnt: Meine Bienen haben Geschichten zu erzählenAlleine auf dem KünstlerhausdachSie fliegen wieder!Schwarmmonat MaiSchon wieder AlarmNeue Völker braucht der StandDarf der Mensch eingreifen?Mittendrin statt nur dabei: Die Berliner ImkerschuleZwei Königinnen zu vielBienenstich und KaffeeGemeinsame BäumeHonig ist mehr als die Summe seiner BestandteileErnteglückZwischen Bar, Blumen und BienenIm Sommer ist alles andere als Urlaub angesagtAuch Einfüttern will gelernt seinSoziale KontrolleWinterpauseTeil einer MarkeDer WachskreislaufTrendwende: Rettet die Bienen!Deutschland, Imkerland?VorsitzendeDie Begeisterung weitergebenIn den RapsDie Biene Mayr und ihre FreundeEin Gegenpol zur Globalisierung: Bienen als Schlüssel zu einem modernen, nachhaltigen LebenAlles bio?Tauschen statt kaufenFleisch und HonigSchicht: Arbeiten im postindustriellen ZeitalterEs ist nicht alles gut, was neu istWas man tun kannMein Leben hat angefangen zu summenBilteilGlossarLiteraturDanksagungNetzwerk Blühende Landschaft
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Ich widme dieses Buch allen Menschen, die sich dem Zauber der Bienen nicht entziehen können

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Vorwort von Jürgen Tautz

Bienenexperte und gemeinsam mit Diedrich Steen Autor des Bestsellers »Die Honigfabrik«

 

 

Liest man den Titel »Die Stadtbienen«, fragt man sich vielleicht, was es mit den Insekten und der Stadt auf sich hat. Leben Bienen nicht eigentlich viel eher auf dem Land, dort, wo saftige Wiesen zu finden sind? Natürlich gibt es Bienen auf dem Land, aber: Unsere Welt ist im Umbruch. Sie wird urbanisiert, die Städte wachsen – und die Honigbienen sind mit dabei!

Warum dies von großer Bedeutung ist – auch und gerade für uns Menschen –, möchte ich auf den folgenden Seiten aufzeigen. Und Ihnen Lust machen auf Erika Mayrs wunderbares Buch und natürlich auf die Bienen.

 

Seit Beginn dieses Jahrtausends lebt erstmals in der Geschichte der Menschheit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, Tendenz steigend. Mit allem damit verbundenen sozialen Wandel, allen Risiken und allen Chancen. Das enge Zusammenrücken von Menschen in Ballungszentren, die sogenannte Landflucht, hatte und hat ganz unterschiedliche Ursachen, über die viel nachgedacht und geschrieben wird. Aber aller Anfang ist rasch identifiziert. Die Urvoraussetzung für diese Entwicklung ist das Sesshaftwerden der Menschen.

 

Bis vor etwa zehntausend Jahren betrug die weltweite Bevölkerung geschätzte fünf Millionen Menschen. Mehr waren auf der Basis einer Jäger-Sammler-Wirtschaft nicht satt zu bekommen. Mit der Entwicklung des Ackerbaus zu Beginn der Jungsteinzeit änderte sich dies dramatisch, als zur Voraussetzung für die Sesshaftwerdung, Wildgräser und Blütenpflanzen als Nahrungsmittel kultiviert wurden. Gräser sind windbestäubt, aber alle Obst- und die meisten Gemüsesorten sind auf Bestäuberinsekten angewiesen. Hier beginnt die Beziehung zwischen Mensch und Honigbiene.

 

Man könnte es auf die verkürzte Formel bringen: Der Bienenstaat hat dem Menschen geholfen, auf seinem Weg zur Stadtentwicklung die ersten Schritte zu gehen.

Indem die Honigbienen nun in großem Stil in die Städte zurückkommen, schließt sich ein Kreis.

 

Würden Imker früherer Generationen dieses Buch lesen, sie würden sich verwundert die Augen reiben. Aber Wilhelm Busch, ein begeisterter Imker, würde heute diesem Aspekt sicherlich einen Teil seiner Bienenbildergeschichte »Schnurrdiburr« widmen und möglicherweise den Bienenschwarm (»Schnurrdiburr! Da geht er hin!«) aus einem modernen Bienenstock vom Dach eines Hochhauses mitten in einer Großstadt starten lassen.

 

Was haben die Honigbienen davon, in der Stadt plaziert zu werden? Was hat die Natur davon? Was haben die Menschen davon, die sich in der Stadt Bienen halten? Was haben Städter ganz allgemein von der Anwesenheit von Bienenvölkern in Städten?

Die Antworten auf diese Fragen umfassen relevante Aspekte des menschlichen Daseins und tiefgehendere Zusammenhänge in der Natur.

 

Honigbienen erschaffen sich im Bienenstock ihre eigene Welt. Um diese aufrechtzuerhalten, sind sie auf die außen liegende Umwelt angewiesen. Für die Bienen sind es vor allem blühende Pflanzen, die von größter Wichtigkeit für ihr (Über)leben sind: Aus dem Nektar der Blüten stellen die Bienen den Honig her, der vor allem als Energielieferant im Bienenstock dient. Der Blütenstaub, die Pollen, liefert in erster Linie die zum Aufbau des Bienennachwuchses benötigten Proteine. Zu Nektar und Pollen kommen noch Propolis von Knospen und sauberes Wasser, die ebenfalls im Stock Verwendung finden. Für eine optimale Versorgung der Bienenvölker sollte die Auswahl an Blüten vielfältig, das heißt artenreich und über die gesamte Bienensaison von Frühjahr bis Herbst verfügbar sein.

 

In Regionen unserer Erde, in denen die Landwirtschaft immer mehr ertragsoptimiert, mechanisiert und industrialisiert wird, sind die Bedingungen immer weniger bienenfreundlich. Hier weicht die Artenvielfalt dem eintönigen Anbau von Nutzpflanzen. Natur ist hier weder artenreich, noch sind Blüten über die gesamte Bienensaison vorhanden.

Großflächig extrem einseitiges Trachtangebot in Form angebauter Nutzpflanzen wie dem Raps, ein verbleibendes sehr enges Zeitfenster der Blütentracht (nach der Ernte bleibt den Bienen nichts) und eine massive Reduzierung natürlicher Blühflächen bestimmen das Erscheinungsbild.

All dies führt zu der fatalen Situation, dass immer wieder Bienenvölker auf dem Land mitten im Sommer verhungern – eine vollkommen neue Erscheinung.

Aber eine hochintensive Landwirtschaft bringt weitere Probleme für die Honigbienen mit sich. Riesige Monokulturen müssen gegen Schadinsekten verteidigt werden, die sich in diesen Schlaraffenländern explosionsartig vermehren würden, auch weil natürliche Feinde dezimiert sind. Das geschieht in Form von sogenannten Insektiziden, hochwirksamen Giften, die schädliche Insekten in Schach halten sollen. Als Kollateralschaden wird in Kauf genommen, dass neben den Schädlingen auch andere Insekten getötet werden – wie die Bienen.

Solange die Verhältnisse so bleiben, wie sie sind, wird den Honigbienen das Landleben also zunehmend zur Last.

 

Ganz anders sieht die Blütenvielfalt in der Stadt aus. Hier nutzen Menschen Blumen in erster Linie zur Erhöhung der eigenen Lebensqualität, als Zierde auf dem Fenstersims, im Garten und in Parks. Vom zeitigen Frühjahr bis in den Herbst hinein blüht es hier vielerorts farbenfroh. Und das zunächst ohne besonders gezielte bienenfreundliche Maßnahmen.

Stadtbienen-Haltung bedeutet aber nicht nur, Bienenvölker in der städtischen Umwelt anzusiedeln. Es bedeutet auch, sich darum zu bemühen, den Bienen in ihrer Umwelt mehr zu bieten, als sowieso vorhanden ist. So gehen die Aussaat bienenfreundlicher Blumenmischungen für Grünanlagen und Blumenkästen Hand in Hand mit der Ansiedlung von Bienen. Derartige Maßnahmen dienen aber nicht nur den Honigbienen, sondern einem breiten Spektrum an weiteren Insektenarten, wie solitären Wildbienen, Schmetterlingen, Käfern, Wanzen und vielen Insekten mehr. Und eine intakte Insektenwelt ist wiederum selbst die Basis für weitere Organismen, wie Reptilien und Vögel. Hilft man den Bienen, hilft man einem ganzen Netzwerk an Lebewesen – wenn man so will, hilft man der gesamten Natur, die sich so in einer Stadt entfalten kann.

 

Wieso hält man sich Bienen, auch in der Stadt?

Solange man nicht selbst ein Bienenvolk betreut, findet man auf diese Frage vielleicht nur materielle, rationale Gründe. Hat man aber erst einmal selbst Bienen, merkt man, dass vieles, das weder rational noch materiell begründet ist, für die Haltung von Bienen spricht. Und noch etwas: Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich bald schon die Besitzverhältnisse umdrehen. Es scheint zwar so, als besäßen wir die Bienen, doch in Wirklichkeit haben uns diese erstaunlichen Insekten fest im Griff, wenn wir ihrer Faszination erst einmal erlegen sind.

Natürlich ist es wunderbar, Honig, geerntet aus eigenen Bienenstöcken, selbst zu genießen oder damit als ein besonderes Geschenk anderen eine Freude zu machen. Für den Bienenhalter sind Bienen jedoch sehr viel mehr als der goldene Ertrag, den sie liefern. Sie bieten ein großes Stück Lebensqualität, das tief in die Gefühlswelt hineinwirkt. Der Umgang mit Bienen zwingt zur Ruhe, er entschleunigt. Versenkt man sich in die Betrachtung eines Bienenvolkes, führt das zu großer innerer Ruhe, zu einem Gefühl von Stimmigkeit. Man sollte einmal das Gehirn eines Menschen, der das Summen der Bienen, das gleichförmig emsige Durcheinanderfliegen vor dem Stockeingang und den angenehmen Stockduft als Gemisch von Wachs, Honig und Blüten in sich aufnimmt, mit einem modernen bildgebenden Verfahren aufzeichnen. Würde man dann eine solche Darstellung einem Experten vorlegen, sollte es nicht überraschen, wenn dieser Experte zu dem Ergebnis kommt, dass dies das Gehirn eines meditierenden Menschen ist. Alles auf Ruhe, Entspannung und Ausgleich geschaltet.

 

Spinnt man eine optimistische Vision über die Beschaffenheit und das Erscheinungsbild der Megastädte der Zukunft, sieht man Ballungsräume, in denen es der Mensch geschafft hat, die Natur mit den Wohn-, Arbeits- und Verkehrsverhältnissen in Einklang zu bringen. Ja mehr noch, in denen die Natur als Verbündeter ihren Beitrag leistet, dem Menschen in urbaner Umgebung gesunde Lebensverhältnisse zu schaffen. Da spielen schon heute in Modellüberlegungen die Pflanzen eine entscheidende Rolle: Als Produzenten von Sauerstoff, als Vernichter von CO2, als Entgifter, als Klimaregulierer, als Nahrungsmittel – und vieles mehr.

 

Diese Modelle am Reißbrett oder PC-Bildschirm zeichnen eine Momentaufnahme einer vom Menschen regulierten Pflanzenwelt. Doch die Realität sieht anders aus. Blühende Pflanzen haben eigenwillige Lebensläufe und brauchen Bestäuberinsekten, um sich fortpflanzen, um bestehen zu können. Honigbienen, die mit enormen Bestäuberleistungen glänzen und die von allen Bestäuberinsekten am besten zu halten sind, werden ihren festen Platz in den Planungen kommender Städte haben, mehr als es derzeit noch der Fall ist.

 

Obwohl es immer mehr Stadtimker gibt, ist die Zahl der Bienen-Enthusiasten derzeit noch überschaubar. Und doch führt ihre Begeisterung dazu, dass die Natur in unseren Städten vielfältiger wird – ein großer Vorteil für Bienen und Menschen.

Stadtimker wie Erika Mayr sind Pioniere und ihre Bienen Vorboten einer Entwicklung, die notwendig wird, wenn wir uns selbst und künftigen Generationen den Weg in eine lebenswerte Zukunft bereiten wollen. Eine Zukunft, die stärker noch als heute in der urbanen Welt stattfinden wird, die hoffentlich bunt, lebendig und vom Summen der Bienen erfüllt ist.

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Vorwort der Autorin

Seit ich mit dem Imkern begonnen habe, sind beinahe zehn Jahre vergangen. Jahre, in denen sich vieles in der Welt verändert hat, eines aber doch immer gleich geblieben ist: Bienen machen einfach glücklich. Mein Buch zeugt von der zauberhaften Anfangsstimmung dessen, was zwischenzeitlich zu einem regelrechten Bienentrend angewachsen ist. Denn: Immer mehr Menschen interessieren sich für die Bienenhaltung.

 

In den Stadtgebieten gibt es heute ein großes Angebot an Imkerkursen, die meist schon Monate vor Beginn ausgebucht sind. Das Modell »Imkerpate« mit dem ich selbst das Imkern gelernt habe (siehe Seite 85), ist zurzeit nur sehr begrenzt möglich. Es gibt einfach viel mehr Menschen, die es lernen möchten, als jene, die es zeigen könnten. Zwischenzeitlich gibt es auch viele Jungimker, die gar keinen Anschluss an eine Initiative oder einen Verein suchen. Im Netz gibt es so viel Information zur Imkerei, dass es möglich ist, sich individuell zu organisieren. Einerseits ist es toll, dass man heute so viele Möglichkeiten hat, an Wissen zu gelangen, und man einfach loslegen kann. Andererseits kann genau das auch als Nachteil aufgefasst werden: Denn Imkerei hat – vor allem, wenn sie in einem dicht besiedelten Gebiet stattfindet – mit Austausch zu tun. Damit, eine gemeinsame Richtung zu finden – wie das Bienenvolk, der beste »Lehrmeister« für die Imkerschaft.

 

Es gibt viele Antworten auf die Frage, warum der Trend gerade in den letzten Jahren aufgetaucht ist: Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt, darunter auch viele, die sich für die Natur interessieren. Es sind aber nicht nur jene Naturliebhaber, die sich nach Beständigkeit im Alltagstrubel sehnen, nach der »echten Welt«. So geht es auch vielen Menschen, die den ganzen Tag im Büro vor dem Computer verbringen. Sie suchen in ihrer freien Zeit nach etwas, das nichts mit Bildschirmen zu tun hat, nach etwas, das man mit den Händen macht, das man be-greifen kann, das Teil ist des großen Ganzen namens »Natur«. Das bedeutet auch: Man ist nicht nur ein Rädchen im Getriebe, sondern ist verantwortlich für das, was geschieht. Als sich die Urban-Gardening-Bewegung Anfang der Nullerjahre in vielen Städten etablierte, überall interkulturelle Gärten aus dem Boden sprossen und Menschen wieder anfingen, Gemüse auszusäen und zu ernten, entstanden Gemeinschaften, die ein Stück Land miteinander bewirtschafteten. Es gab auf einmal wieder die Möglichkeit, Stadtbauer zu werden. Weil Fläche in Städten schwer zu bekommen ist, fingen ein paar Leute an, Landwirtschaft ohne eigenen Grund und Boden zu betreiben. Sie orientierten sich ganz einfach nach oben, auf die ungenutzten Flächen auf den Häusern. So etablierten sich auch die ersten Dachimker, die ihre Bienen vor allem im öffentlichen Raum fliegen ließen.

Auch wenn es immer Leute gegeben hat, die in der Stadt imkerten, geschah dies früher eher im Verborgenen. Die Imker wollten kein Aufsehen erregen, die Menschen im Flugkreis ihrer Bienen nicht verängstigen. Sie hielten ihre Völker im städtischen Wald, in Schrebergärten im eigenen Garten und verkauften ihren Honig an der Haustür oder auf dem Markt. Doch nun tauchten viele Bilder von den Dachbienenständen in den Medien auf. Sie gingen um die Welt und verzauberten alle, die sich vorher nicht mit dem Thema »Bienen in der Stadt« beschäftigt hatten. Plötzlich kamen Journalisten von Zeitschriften und lokalen Zeitungen, junge Professoren mit ihren Kunst- und Modestudenten, Schüler, die ihre Abschlussarbeit über Bienen schreiben wollten. Sie alle sprachen und schrieben über das neu ins Bewusstsein gedrungene Thema »Stadtbienen« und den köstlichen Stadthonig. Von allen Seiten gab es nun Informationen über Bienen, es begann ein regelrechter Bienen-Hype – so wurde die Stadtimkerei neu interpretiert.

 

Doch es gab auch schlechte Nachrichten: Das Bienensterben breitete sich aus. In vielen Teilen der westlichen Welt kam es zu Völkerverlusten (und es kommt immer noch dazu, der Prozess hält an). Das Bienensterben ist Teil des grassierenden Insektensterbens und weist darauf hin, dass etwas Grundlegendes in unserem Umgang mit der Natur falsch läuft. Für das ausbeuterische Verhalten muss jemand bezahlen: In diesem Fall ist das die vielfältige Bestäuberwelt. Auch der steigende Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wurde häufig moniert, der sich stark negativ auf die Bienengesundheit auswirkt (die Landbienen verlieren dadurch ihre Orientierung und finden nicht mehr in den Stock zurück). Und weil das Land mit Energiepflanzen (Nutzpflanzen wie Mais, die vom Wind und nicht von Insekten bestäubt werden) zugepflastert wird, mangelt es an Bienenweide – ein weiteres Problem, das immer bedrohlichere Ausmaße angenommen hat. Aufgrund unterschiedlicher Berichte – die Stadtimker wurden positiv, die Landimkerei eher negativ dargestellt – kam es zu einem Ungleichgewicht in der Imkerschaft. Verlief die Grenze früher zwischen Hobby- und Berufsimkern, verläuft sie heute zwischen Stadt- und Landimkerei. Wie in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft tut sich auch hier ein Graben auf zwischen urban/jung und ländlich/älter. Doch das hilft uns allen nicht weiter. Wir bewohnen die gleiche Welt und müssen Wege finden, gut miteinander auszukommen. Und zumindest uns Imkern geht es allen ja um dasselbe: Wir lieben es, mit unseren Honigbienenvölkern zu arbeiten und einfach mit ihnen zu sein. Wir lieben ihren Honig und wir lieben es, von der Faszination Honigbienenvolk zu erzählen. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen als Bienenbotschafter von der »Größe« der »Kleinen« zu erzählen. Denn diese kleinen Luftbewohner leisten Großes für uns Menschen: Ohne ihren Einsatz bei der Bestäubung würde uns ein weit weniger vielfältiges Angebot an Gemüse und Obst zur Verfügung stehen, blühende Wiesen wären ein rarer Anblick. Bienen bringen die Landschaft zum Blühen, sie machen unser Leben bunter und süßer. Wir müssen dafür sorgen, dass sie überall einen Lebensraum finden, der sie in ihrer Entwicklung unterstützt.

Positiv ist es, dass überall in Deutschland die Imkerzahlen steigen. Es gibt heute deutlich mehr Bienenvölker als noch vor zehn Jahren, jedoch leiden sie unter den sich verschlechternden Umweltbedingungen. Der globale Bienenhandel bringt gefährliche Krankheiten mit sich, in Form von eingeschleppten Parasiten, denen das Bienenvolk erst einmal nicht gewachsen ist. Der Kampf gegen die Varroamilbe ist noch nicht vorüber. Alternative Heilungsmethoden gewinnen zwar an Bedeutung – es wird mit Wärme- und Soundbehandlungen experimentiert. Doch bisher gibt es keine echte Alternative zur Säurebehandlung, obwohl alle wissen, dass sie der Bienengesundheit nicht förderlich ist. Außerdem werden, wie erwähnt, Blüten in der Landschaft immer weniger und Pflanzenschutzmittel immer aggressiver eingesetzt. Es gibt zwar ökologischen Landbau – der wird auch intensiv von biozertifizierten Imkern genutzt –, aber im Vergleich zur gesamten landwirtschaftlichen Fläche ist er verschwindend gering. Die Agrarindustrie braucht keine Bienenvölker. Es sind die Menschen, die Bienenvölker brauchen. So liegt es in unseren Händen, uns für Bienen und all die anderen Insekten einzusetzen. Denn jeder kann einen Beitrag leisten: Natur setzt sich aus vielen kleinen Teilen zusammen, die alle Pflege und Aufmerksamkeit benötigen. Ob es der Boden ist, den man schützt, der Wald, die Wiesen oder die Insekten, die uns mit ihren Ökosystemleistungen verwöhnen, jeder kann sich auf individuelle Art und Weise einbringen. Jeder noch so kleine Beitrag hat seinen Wert. Wie der Superorganismus Bienenvolk (siehe S. 121) sind wir gemeinsam stark. Die Summe der kleinen Handlungen kann etwas bewegen, so können wir es schaffen, Lebensräume und Nischen in der Natur zu erhalten.

 

In den letzten zehn Jahren hat sich aber nicht nur die Welt der Imker gewandelt. Das Internet durchdringt alle Lebensbereiche, die neuen Medien diktieren eine neue Zeitlichkeit: Die Gegenwart gewinnt immer stärker an Gewicht. Die Geschichten, die heute erzählt werden, Erlebnisse, Gedanken und Eindrücke, Bilder aus dem Hier und Jetzt, sie alle werden in Echtzeit mit anderen geteilt, auch wenn diese nicht am selben Ort sind. Diese Gleichzeitigkeit ist neu, chaotisch und manchmal ziemlich überfordernd. Es ist nicht immer leicht, die eigene Richtung zu halten. Bei der Beschäftigung mit einem Bienenvolk, so scheint es, erlebt man genau denselben Zustand: Das Volk wirkt chaotisch, es herrscht ein großes, gleichzeitiges Gewimmel. Aber da ist ein wichtiger Unterschied: Bei den Bienen gibt es eine klare Richtung. Man kann sie erkennen, doch das braucht Zeit und Aufmerksamkeit. Das ist es, was die Bienenvölker von uns fordern. In dem vielen Trubel und der ständigen Abgelenktheit entschleunigen sie unser Leben und sind deswegen gerade in der heutigen Zeit Gold wert.

Die Arbeit an den Bienenvölkern verlangt Konzentration und Hier-Sein. Die (sinnlichen) Erlebnisse am Stand sind eindrücklich. Aus welchem Blickwinkel man das Bienenvolk auch betrachtet, es taucht immer etwas auf, das einen überrascht. Die einen schwärmen vom Wabenbau, die anderen von der Sanftheit der Völker, die nächsten vom Honigertrag oder von der Anpassungsfähigkeit der Insekten. Jeder sieht etwas von sich vor sich.

Bienen und Menschen passen einfach sehr gut zusammen - in optima forma. Sie fördern unsere Kommunikationsfähigkeit (nach außen gehen) und gleichzeitig den inneren Dialog (nach innen gehen), und all das unter dem Mantel der Achtsamkeit.

 

Die Imkerei ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und Honig ist nach wie vor ein geschätztes Nahrungsmittel. Es ist wieder möglich, ausgezeichneten lokalen Honig zu finden. Übrigens muss nicht jeder Imker werden, um die Bienenwelt zu unterstützen. Auch ein kleiner Beitrag hat seinen Wert, wie beispielsweise ortsansässige Imker zu unterstützen, indem man bei ihnen Honig zu einem fairen Preis erwirbt. Als Bienenbotschafterin möchte ich mit meinem Buch die Faszination für Honigbienen weitergeben und zeigen, wie viel Freude es macht, Zeit mit ihnen zu verbringen. Ich möchte auch daran erinnern, dass wir eine gemeinsame Aufgabe haben: unsere Umwelt zu gestalten, die Natur in unserer Umgebung zu schützen und zu pflegen und die Welt der Bienen zu respektieren. Denn unser Leben ist so viel reicher, wenn es Bienen gibt, die uns erfreuen: mit ihrem Treiben, ihrem Summen und ihrem köstlichen Honig.

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Frühlingserwachen

Sonntagmorgens um neun fahre ich in meinem weißen Sprinter zum Aqua Carrè in Kreuzberg, einem hohen orangegelben Klinkerbau mit Rundbögen aus dem Jugendstil. Früher wurde hier in den Butzke-Werken unter anderem der Aqua-Druckspüler produziert, heute beherbergt das denkmalgeschützte Gebäude ein Künstlerhaus sowie die Ritter Butzke, einen der bekanntesten Clubs Berlins. Von hier sind es nur ein paar Meter gen Süden bis zum Landwehrkanal, östlich fängt nach wenigen Schritten, hinter den Prinzessinnengärten, einem Gemeinschaftsgarten am Moritzplatz, die Oranienstraße an, das Herzstück des alten, kämpferischen Kreuzberg.

Im Eingang zum ersten Hof lehnen ein paar Typen in engen Jeans, bunten Hemden und weißen Turnschuhen. Sie haben die Nacht durchgefeiert und blinzeln nun müde in die Sonne. Elektromusik wummert aus der Ritter Butzke. Ich gehe durch die Clubgänger hindurch. Wie ich wohl für sie aussehe in meiner weißen Imkerjacke mit dem angenähten Netzhut, die Socken von unten über die Jeans gestülpt, damit keine Bienen in die Hosenbeine fliegen? Wahrscheinlich wie ein Gespenst, das sich aus der Nacht in den Tag hinübergerettet hat.

Ich überquere den ersten Hof, in den bereits Sonnenstrahlen fallen. Der Aufgang ist rechts von mir, sechs Stockwerke steige ich hinauf. Mit jeder Stufe werde ich fiebriger, ungeduldiger: Wie geht es meinen Bienen? Haben alle den Winter überlebt? Ab dem fünften Stock renne ich fast. Oben angekommen, sammle ich mich wieder. Vorsichtig klettere ich durch die kleine Luke und setze einen Fuß auf die grauen Dachplatten. Am Ende des Daches, geschützt von der Wand eines kleinen Verschlages, erspähe ich meine acht Bienenvölker: Styroporkisten mit rot, blau und gelb angemalten Böden. Ich bin am Ziel.

Als ich mich den Bienen über das Dach nähere, pfeift der Wind. Von rechts blinkt der Fernsehturm auf dem Alexanderplatz. Links liegen hintereinander die vielen grauen, gleichförmigen Kreuzberger Mehrfamilienhäuser. Ich sehe hohe Straßenbäume und wilde Grünflächen. Bei den Bienen angekommen, öffne ich vorsichtig die Fluglöcher, die ich über den Winter verkleinert hatte. Ich halte den Atem an und warte. Langsam wagen sich die Bienen aus allen Bienenstöcken nach draußen. Sie haben alle überlebt, keines meiner Völker ist über den Winter gestorben.

Freude und Erleichterung breiten sich in mir aus. Aber da ist noch mehr; ein Gefühl in mir, das mich plötzlich ganz ruhig werden lässt.

In Gedanken versunken, betrachte ich die Bienen, ihr mittlerweile emsiges Treiben. Ich sehe ihnen dabei zu, wie sie zum ersten Mal in diesem Jahr ausfliegen und den Frühling begrüßen, ein wunderbares Schauspiel, das ich staunend und beinahe ehrfürchtig genieße. Ich beobachte, wie sie wegfliegen und wieder ankommen, jede einzelne von ihnen als Teil eines großen Ganzen. Eine Gemeinschaft, ein in sich geschlossenes System, dem sich jede Biene unterordnet, in dem sie einen festen Platz und eine Aufgabe hat, die sie immer wieder aufs Neue zum Wohl des ganzen Bienenvolkes erfüllt.

Es hat beinahe etwas Mystisches, dieses Treiben und Summen, die ständige Bewegung der Tiere, die scheinbar wie durch eine unsichtbare Kraft gesteuert werden. Jede Biene an ihrem Platz. So fügt sich eins ins andere, vom Kleinen zum Großen, bis alles wie von Zauberhand ineinandergreift und funktioniert.

Von diesem Anblick in den Bann gezogen, beobachte ich das Spektakel hier oben auf dem Dach, und mein Blick schweift schließlich weiter über die Mehrfamilienhäuser, die Grünflächen und Straßen von Kreuzberg. Auch hier pulsiert das Leben, herrschen dauernde Bewegung und buntes Treiben. Ein großes Ganzes, kommt es mir in den Sinn, in dem jeder seinen Platz hat. Es kommt nur darauf an, ihn zu finden und dabei nicht von der eigenen Flugbahn abzuweichen. Bei diesem Gedanken muss ich unwillkürlich lächeln.

Diese Erkenntnis habe ich meinen Bienen zu verdanken.

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Landliebe und Stadtlust: Eine Bayerin zieht nach Berlin

Ich wäre nie darauf gekommen, dass ich einmal imkern würde – und dazu noch in Berlin –, obwohl ich immer schon sehr naturverbunden war, schließlich war mein Vater Landwirt. Ich wurde im oberbayerischen Schlehdorf in der Nähe vom Kochelsee im Werdenfelser Land geboren, auf dem landwirtschaftlichen Betrieb eines Dominikanerinnenklosters. Als ich vier Jahre alt war, zogen wir aus den Bergen weg in ein Dorf bei Augsburg, weil mein Vater gerne einen großen ackerbaulichen Betrieb leiten wollte. Unsere ganze Verwandtschaft blieb in Oberbayern.

Mein Opa mütterlicherseits war sogar Imker. Leider habe ich ihn nie an seinem Bienenwagen gesehen. Ich kann mich nur an den guten Honig erinnern, den wir in großen Blecheimern zu Hause hatten. Der Honig war immer kristallisiert: ein Sommerhonig von den Blumenwiesen rund um den Bayersoier See, von dunkelgelber Farbe, süß, aber auch ein wenig herzhaft. Das ist heute noch mein Lieblingshonig, denn er erinnert mich an meine Heimat und den Ort meiner Kindheit. Da mein Opa um die Bestäubungsleistung der Bienen wusste, stellte er seinen Bienenwagen immer in die Streuobstwiesen. Auf diese Weise schaffte er die optimale Voraussetzung für die Tiere, in das Blütenparadies um sie herum auszuschwärmen. Um dann, so wie es der Kreislauf der Natur vorsieht, ihren Honig zu ernten, mit dem die Bienen einen wichtigen Beitrag für unsere Nahrung leisten. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen also, und diesen Gedanken finde ich sehr schön.

 

Nach der Grundschule besuchte ich zunächst das Gymnasium, wechselte aber in der siebten Klasse auf die Realschule, wo es mir besser gefiel. Denn diese Schule ließ mir mehr Zeit, mich für Dinge zu engagieren, die nicht im Lehrplan standen. Zum Beispiel organisierte ich den Verkauf von Umweltschutzpapier und gesundem Pausenbrot und begeisterte meine Klassenkameraden dafür. Von der neunten Klasse an war ich auch Schülersprecherin und verantwortete die Schülerzeitung. Das machte mir großen Spaß.

Mein Interesse für die Umwelt hängt bestimmt damit zusammen, dass mein Vater mit Leib und Seele Landwirt war. Obwohl er konventionelle Landwirtschaft betrieb, sorgte er sich um den Boden. Wenn er seine Kulturen spritzen musste, tat er das morgens um vier, mit der neuesten Technik und so sparsam wie möglich. Er vermittelte mir dieses Umweltbewusstsein und begeisterte mich für die Grundzüge der Landwirtschaft, die Bodenverhältnisse, das Wetter und die Ansprüche der Pflanzen.

Meine Mutter baute alles, was es bei uns zu essen gab, selbst an. Ihr ging das immer ganz leicht von der Hand. »Man darf halt das Säen nicht vergessen, wachsen tut es von alleine«, sagte sie stets. Noch immer haben wir einen großen Garten zu Hause, in dem meine Eltern ihre Lebensmittel anbauen. Und noch immer stammt alles, was sie essen, aus ihrem Garten.

 

Meine eineinhalb Jahre ältere Schwester wurde Naturwissenschaftlerin. Sie hat auch ein starkes Interesse an Biologie, jedoch mehr an Molekularbiologie und Biochemie. Sie ist sehr zielstrebig und präzise: eine Spezialistin. Ich bin dagegen eher eine Generalistin.

Nach der mittleren Reife besuchte ich zwei Jahre die Fachoberschule und arbeitete parallel mit Kindern und Behinderten. Wieder reizte mich die Vielfältigkeit, das Ausprobieren und Entdecken von neuen Möglichkeiten. Meine Schwester überzeugte mich schließlich, mit der Schule weiterzumachen. »Du musst das Abitur machen, damit du später studieren kannst, Erika«, ermahnte sie mich.

Nach meinem Fachabitur zog es mich aber nicht an die Hochschule. Meine Schwester lebte bereits in München, wo sie Medizin studierte. Und auch ich hatte das Gefühl, dass es Zeit war, von zu Hause wegzugehen. Am liebsten wollte ich einmal um die ganze Welt.

Ich hatte natürlich nicht viel Geld, und so wurde aus der Weltreise ein sechsmonatiger Trip nach Indien. Ohne ein größeres Ziel vor Augen, ließ ich mich dort zunächst treiben und fuhr, den Empfehlungen anderer Reisender folgend, von Ort zu Ort. Möglichst günstig natürlich, weil meine Reisekasse nicht mehr erlaubte. Ich schlief auf dem Boden und wickelte mich in Tücher, anstatt Kleider anzuziehen. Kein einziges Mal schaute ich in den Spiegel.

Es war für mich zutiefst beeindruckend zu erleben, wie die Menschen in Indien, die so vieles zu ertragen hatten, sich dem Leben unterordneten und trotz aller Entbehrungen nie ihre Würde verloren. Meine Reise führte mich schließlich zu einer heiligen Stätte in Südindien, wo ich sechs Wochen ganz alleine verbrachte. Diese Zeit und das Alleinsein prägten mich sehr. In Indien machte ich die Erfahrung, dass es egal ist, in welcher Umgebung und unter welchen Umständen man lebt. Denn es kommt darauf an, dass es einem damit gutgeht, und wenn man auf dem richtigen Weg ist, dann wird sich alles fügen. Ich befasste mich auf dieser Reise mit dem kosmischen Prinzip des Karma, das besagt, dass jede Ursache eine Wirkung hat und jede Wirkung eine Ursache. Jede unserer Taten erzeugt eine Energie, die mit der gleichen Intensität wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt. Gleiches muss Gleiches erzeugen, und jeder Mensch ist der Schöpfer seines Schicksals.

Dieser Gedanke elektrisierte mich, denn ich war noch auf der Suche nach diesem Schicksal, nach meinem Platz und meiner Aufgabe. Doch ich spürte bereits, dass ich auf dem richtigen Weg war, und ich vertraute darauf, dass die Dinge sich fügen würden.

 

Zurück in Deutschland, erlitt ich einen totalen Kulturschock. Wie ungewohnt für mich allein schon ein Badezimmer war, das fließende Wasser aus der Leitung! Die ersten zwei Tage nach meiner Rückkehr verbrachte ich bei meiner Schwester in München und hatte ernsthafte Schwierigkeiten, mich wieder an das Leben hier und das Tempo unseres Alltags zu gewöhnen. Um etwas zur Ruhe zu kommen, beschloss ich, zu meinen Eltern weiterzufahren. Also stieg ich ins Auto und machte mich auf den Weg Richtung Augsburg. Es wurde die anstrengendste Fahrt meines Lebens: Mit 60 Stundenkilometern klebte ich auf der rechten Spur der Autobahn und dachte nur: Was ist denn hier los? Die Geschwindigkeit, mit der die anderen Autos um mich herum fuhren, verstand ich überhaupt nicht mehr. Fix und fertig kam ich schließlich bei meinen Eltern an.

»Werden Sie doch Gärtnerin!«

Als ich mich einigermaßen wieder eingelebt hatte, musste ich mich erneut der Frage stellen, wie es nun weitergehen sollte. Es gab so vieles, was mich interessierte, doch ich bin einfach kein Mensch, der sich den einen großen langfristigen Plan ausdenkt. Viel mehr liegt es mir, Situationen auf mich wirken zu lassen und aus dieser Erfahrung heraus eine bestimmte Richtung einzuschlagen und so die Dinge in Bewegung zu setzen. Alles, was nach meiner Rückkehr aus Indien für mich feststand, war, dass ich in den Bergen, in meiner heimatlichen Umgebung bleiben und am liebsten mit einem Naturstoff arbeiten wollte. Also fasste ich den Entschluss, eine Schreinerlehre zu machen.

Schreinereien habe ich gesucht, Fabriken habe ich gefunden: Maschinenfabriken. Welchen Betrieb ich mir auch ansah, die Schreiner saßen im Staub, mit großen Kopfhörern auf den Ohren, und schnitten Holz, um so schnell wie möglich an ihre Auftraggeber liefern zu können. Das war zu grob für mich und zu weit weg von dem, was ich mir vorstellte. Doch langsam wurde die Zeit knapp, und wenn ich mich nicht bald entschied, musste ich wieder ein Jahr warten, bis ich mit einer Ausbildung anfangen konnte. In meiner Not ging ich daher zur Berufsberatung.

»Ich will körperlich arbeiten und draußen in der Natur sein«, sagte ich der Beraterin. »Etwas gestalten und Neues ausprobieren können.«

Ihre Antwort kam prompt: »Werden Sie doch Gärtnerin, da arbeiten Sie mit Pflanzen.«

Gleich am nächsten Tag besuchte ich eine Baumschule, um mich mit der Arbeit dort vertraut zu machen: unter freiem Himmel mit den Händen in der Erde wühlen, Bäume und Blumen pflanzen und Gärten anlegen. Genau das macht mir Spaß, dachte ich.

 

Und ich hatte Glück. Schon wenige Tage später fand ich eine Lehrstelle in einer Baumschule. Aufgeregt und voller Neugier trat ich meine Ausbildung an. Aber schon nach vier Wochen bekam ich Streit mit meinem Chef, einem älteren, unangenehmen Mann mit furchtbaren Manieren. Ich wollte etwas lernen, interessierte mich für Landschaftsbau. Stattdessen gruben wir Auszubildenden lediglich Bäume aus und setzten sie wieder ein. In der Berufsschule schwärmten die anderen von dem, was sie in ihren Ausbildungen alles lernten. Also ging ich zu meinem Chef und forderte von ihm, mir mehr beizubringen. Doch er dachte gar nicht daran, sondern drohte an, mich rauszuschmeißen.

Daraufhin suchte ich mir eine neue Lehrstelle, diesmal in einem Betrieb mit Landschaftsbau. Dort habe ich viel gelernt, vor allem über Stauden und Gehölze. Um die Pflanzen für den Verkauf auszuzeichnen, musste man sie nach Alter und Wuchs bestimmen. Knapp die Hälfte der Zeit waren wir unterwegs im Landschaftsbau. Wir legten Gärten und Teiche an, bauten Wege und Mauern. Zwar waren die vielen Erd- und Steinarbeiten körperlich sehr anstrengend, doch die Resultate waren aller Mühe wert. Bereits nach wenigen Tagen hatte sich eine öde Fläche in einen wunderbaren Garten verändert, und wenn wir ein Jahr später zur Pflege kamen, konnte man das große Ganze schon deutlich erkennen.

Eigentlich gefiel es mir gut in diesem neuen Betrieb. Bloß fragte mich der Chef immer so von oben herab, ob er mir mehr bezahlen solle, damit ich mir ordentliche Kleidung leisten könne, weil ich immer zerrissene Jeanshosen trug. Ich mache mir nicht viel aus Klamotten, und vor allem sah ich nicht ein, was meine Jeans mit meiner Arbeit als Landschaftsgärtnerin zu tun hatte. Obwohl ich jeden Tag mein Bestes gab und mich voll engagierte, war ich immer die Letzte, die eingeteilt wurde, und auf die guten Baustellen durfte ich nie mitfahren. Trotzdem war mir klar, dass dieser Beruf richtig für mich war, und so zog ich die Lehre durch. Nach zwei Jahren hatte ich den Gesellenbrief in der Tasche und schaute mich nun nach einem Betrieb um, wo ich mich besser einbringen konnte.

Großstadtfieber

Meine Schwester lebte mittlerweile in Berlin und lud mich immer wieder ein, sie dort zu besuchen. Doch ich wusste überhaupt nicht, was ich in Berlin sollte. Ich genoss nach wie vor die Nähe zur Natur und zu den Bergen und stellte mir das Leben in einer großen Stadt anstrengend vor: die vielen Menschen, der Verkehr, der Lärm. Ich dachte, das wäre überhaupt nichts für mich, schätzte ich doch die Freiräume, die man hatte, wenn man in einem großen Haus statt einer kleinen Wohnung lebte.

Mit Anfang zwanzig konnte ich den Überredungskünsten meiner Schwester nicht länger standhalten und fuhr mit der Mitfahrzentrale nach Berlin. Die Stimmung dort gefiel mir so gut, dass ich alles Negative sofort vergaß. Es war unglaublich. Dauernd schien die Sonne, auf den Straßen saßen nur junge Leute und unterhielten sich. Von Hektik, Anonymität und Lärm keine Spur. Was ist denn hier los?, dachte ich beglückt.

Meine Schwester wohnte am Prenzlauer Berg. Mit ihrer Vespa düsten wir durch die Stadt. Wir erkundeten die Cafés und Clubs, die Plätze und Grünanlagen. Es war wundervoll, die unglaubliche Vielfalt an Menschen, an Gesichtern, an unterschiedlichen Kulturen zu erleben. Diese bunte Mischung und die entspannte Stimmung faszinierten mich sofort. So was kannte ich aus Augsburg, wo ich während meiner Ausbildung gewohnt hatte, überhaupt nicht. In Berlin gab es überall etwas zu entdecken, und alle Leute waren freundlich. Obwohl oder vielleicht gerade weil die Stadt so riesig war, schienen sich viele ihrer Einwohner auf die direkte Umgebung, in der sie lebten, zu konzentrieren. Da wurden Flohmärkte organisiert, Freiluftkinos veranstaltet, Gemeinschaftsgärten angelegt, und alle schienen mitzumachen, je nachdem, wofür sich jeder Einzelne interessierte und was er einbringen konnte. Diese Verbundenheit, dieser Gemeinschaftssinn begeisterten mich.

Es war so toll, dass ich überrascht dachte: Wow! So