Die Stella Polare im Eismeer - Luigi Amedeo von Savoyen - E-Book

Die Stella Polare im Eismeer E-Book

Luigi Amedeo von Savoyen

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Beschreibung

Das Buch handelt von der ersten italienischen Nordpolexpedition 1899 bis 1900. Ludwig Amadeus von Savoyen, Herzog der Abruzzen, den sein berühmter Vorgänger Nansen in jeder Weise durch praktische Ratschläge unterstützte, erwarb in Norwegen einen für die Robbenjagd bestimmten Dampfer, den er "Stella Polare" nannte. Die Expedition begab sich von Archangelsk, wo 120 Zughunde an Bord genommen wurden, zum Kaiser Franz Joseph-Archipel und ging dann in der Teplitz-Bay vor Anker. Dort wurde an Land eine Zelthütte erbaut und der Winter verbracht. Von hier aus hoffte der Herzog den Nordpol mittels einer Schlittenexpedition zu erreichen, die am 11. März 1900 mit 13 Schlitten und 102 Hunden aufbrach. Da dem Herzog zwei erfrorene Finger amputiert werden mussten, konnte er selbst nicht an diesem Zug teilnehmen; an seine Stelle trat als erster Führer Korvettenkapitän Cagni, dessen Bericht über die bestandenen Gefahren und namenlosen Mühsale den Höhepunkt der Darstellung bildet. Trotz der unerhörtesten Anstrengungen wurde der Nordpol nicht erreicht, wohl aber gelangte Cagni mit drei italienischen Bergführern bis zu einem Punkt, der noch weit über jenem hinausliegt, bis zu dem Nansen vorgedrungen war. Am 23. Juni erreichten sie die Teplitz Bay glücklich wieder –– dagegen kehrten Leutnant zur See Graf Querini, Stöcken und Olivier nicht zurück, und es war auch später nicht zu ermitteln, was aus ihnen geworden ist.

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Seitenzahl: 695

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Stella Polare im Eismeer

 

HERZOG LUIGI AMEDEO VON SAVOYEN

 

 

 

 

 

 

 

Die Stella Polare im Eismeer, Luigi Amedeo von Savoyen

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783988682147

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Einleitung.1

Erstes Kapitel. Plan der Expedition.3

Zweites Kapitel. Ausrüstung  und Abfahrt der Expedition.11

Drittes Kapitel. In der Barents-  und Königin-Viktoria-See.27

Viertes Kapitel. In der Barents- und Königin-Viktoria-See. (Fortsetzung)36

Fünftes Kapitel. Kronprinz-Rudolf-Land.46

Sechstes Kapitel. Das Verlassen des Schiffes.56

Siebtes Kapitel. Die letzten hellen Tage.64

Achtes Kapitel. Die Polarnacht.71

Neuntes Kapitel. Die  Vorbereitungen zum Aufbruch.79

Zehntes Kapitel. Aufbruch der Polexpedition.86

Elftes Kapitel. In banger Erwartung der Rückkehr der ersten Gruppe.95

Zwölftes Kapitel. Rückkehr Dr. Cavallis und des Kommandanten Cagni.104

Dreizehntes Kapitel. Verbesserung des Polarrekords durch Cagni.117

Vierzehntes Kapitel. Ein Polarsommer.126

Fünfzehntes Kapitel. Die Befreiung des Schiffes.129

Sechzehntes Kapitel. Rückkehr in die Heimat.139

Bericht des Kommandanten Umberto Cagni über die Schlittenexpedition zum Pol.151

Erstes Kapitel. Aufbruch und Umkehr.151

Zweites Kapitel. Endgültiger Aufbruch der Expedition. Zurücksendung Querinis und Cavallis.174

Drittes Kapitel. Die nördlichste Breite.202

Viertes Kapitel. Rückkehr nach Süden. Verzweifelter Kampf gegen die Drift.234

Fünftes Kapitel. Hungerqualen. Rückkehr.262

Die Rückkehr der zweiten Gruppe.  Die sanitären Verhältnisse der Expedition.306

Die sanitären Verhältnisse der Expedition.330

 

Einleitung.

 

Der Zweck der Expedition der „Stella Polare“ war, sich zu Schiff nach einem möglichst weit im Norden gelegenen Lande zu begeben und vom Winterlager ans mit Schlitten zum Pol vorzudringen. Diese Aufgabe ist nicht gelöst worden. Aber die von Kommandant Cagni geleitete Schlittenexpedition ist bis zu einer Breite gelangt, wie sie bis dahin von einem Menschen noch nie erreicht worden war, und sie hat den Beweis geliefert, dass mit entschlossenen, widerstandsfähigen Männern und vielen auserlesenen Hunden das Nördliche Eismeer bis zum höchsten Breitengrad hin durchmessen werden kann. Der Nutzen der Polarexpeditionen ist oft Gegenstand der Erörterung gewesen. Betrachtet man nur den moralischen Gewinn, der sich aus solchen Expeditionen ergibt, so halte ich ihn für groß genug, um die Opfer aufzuwiegen, die ihretwegen gebracht werden. Wie Männer im täglichen Ringen nach Überwindung der Schwierigkeiten sich stark genug fühlen, es mit noch größeren aufzunehmen, so müssen auch Nationen durch die von den eigenen Söhnen davongetragenen Erfolge sich ermutigt und angetrieben fühlen, im Streben nach Größe und Gedeihen auszuharren. Die Expedition bestand aus Italienern und Norwegern. Die uneigennützige und bereitwillige Unterstützung von Seiten des Kapitäns Evensen und der Norweger, die mit der Schifffahrt im Eise vertraut waren, hat die „Stella Polare“ bis zur höchsten Breite gebracht, die bisher von einem Schiffe im Norden von Europa auf einer Küstenfahrt erreicht worden ist. Der jeder Prüfung gewachsene Mut, die zähe Ausdauer, die physische und moralische Widerstandsfähigkeit gegenüber Entbehrungen und Leiden aller Art bei den Italienern, die an der von Kommandant Cagni geleiteten Schlittenexpedition teilnahmen, haben Italien den ersten Rang unter den Nationen verschafft, die sich dem Pol genähert haben. Italiener und Norweger haben sich auf dieser Fahrt wie Angehörige einer einzigen Nation verhalten. Sie erwiesen sich mehr als meine Gefährten denn als meine Untergebenen. Meine Dankbarkeit gebührt daher allen, weil nur durch das einmütige Zusammenhalten aller der Erfolg dieser meiner Expedition errungen worden ist. Diese Dankbarkeit erstreckt sich auch auf das Andenken der drei Tapferen, welche bei der Schlittenexpedition ums Leben gekommen sind. Ehre ihnen, die um einer edlen Idee willen ihr jugendliches Dasein zum Opfer brachten; möge die Bewunderung, die ich, die die Gefährten auf der „Stella Polare“ und die gesamte zivilisierte Welt für sie fühlen, ihren trauernden Familien zum Troste gereichen! Bevor ich schließe, fühle ich mich verpflichtet, Seiner Exzellenz dem Marineminister Vizeadmiral Morin für die Erlaubnis zu danken, einen großen Teil der Arbeiten im Königlichen Hydrographischen Institut ausführen zu lassen, ebenso allen denjenigen, die mich bei der Abfassung des erzählenden und des wissenschaftlichen Teils unterstützt haben: Kommandant Cagni, Dr. Cavalli, den Leutnants zur See Alessio und Schoch, den Professoren Rizzo Aimonetti, Palazzo, Cappa, Camerano, Salvadori, Pollonera, Giglio-Tos, Nobili, Parona, Mattirolo, Belli, Spezia, Coloiba, Piolti, Ermanuo Ferrero, Dr. Filippo de Filippi und Cavaliere Vittorio Sella.

November 1902

Der Verfasser. 

Erstes Kapitel. Plan der Expedition.

Polwärts zu dringen, nur um den Nordpol zu erreichen, ist wegen der Schwierigkeit des Unternehmens und der Geringfügigkeit der zu erwartenden Vorteil der Zweck nur weniger Expeditionen gewesen. Seit dem 17. Jahrhundert versuchten die Engländer durch das Nördliche Eismeer nach Ostasien zu gelangen. Auf die Reisen Henry Hudsons folgten andere, die jedoch keine Erwähnung verdienen, bis im Jahre 1773 Kommandant C. J. Phipps von der großbritannischen Regierung mit den Schiffen „Racehorse“ und „Carcaß“ einzig zu dem Zwecke ausgesandt wurde, den Pol aufzusuchen. Bei seinem Vordringen im Norden von Spitzbergen wurde Phipps in 80° 48´ Breite vom Eise aufgehalten. Wenn auch die Breite von 81° 30´ von dem Kapitän eines Walfischfängers mit einem Segelschiff erreicht wurde, und im Jahre 1868 Baron Nordenskiöld auf dem Dampfer „Sofia“ auf demselben Wege bis 81° 42´ vordrang, so bewiesen diese Versuche doch die Unmöglichkeit, zu Schiff, fern von jedem Lande, im Nördlichen Eismeere vorwärtszukommen. Wenn die Schiffe vom Eise aufgehalten wurden, warum sollte man nicht versuchen, mit Schlitten auf diesem vorzudringen? Kommandant Parry von der englischen Marine segelte auf der „Hecla“ ab und verließ das Schiff im Juni 1827 in der Treurenbergbucht an der Nordküste Spitzbergens. Auf zwei Booten, die so eingerichtet waren, dass sie auch als Schlitten benutzt werden konnten, fuhr er mit drei Offizieren, 24 Mann und Lebensmitteln für 61 Tage nordwärts, um dann die Boote auf dem Eise weiterzuschleppen. Dieses bestand nicht, wie berichtet worden war, aus einer ebenen Fläche ohne jede Hindernisse; es war im Gegenteil von Wällen durchzogen, auf welche die Boote mit Tauen gezogen werden mussten, und von zahlreichen Kanälen durchschnitten, in denen man die Boote ins Wasser setzen musste, um sie dann am anderen Ufer wieder hochzuwinden, indem man beständig auf- und ablud. In dem infolge der hohen Temperatur weichen Schnee versanken die Matrosen bis an den Gürtel. Obgleich die Tagemärsche viel kürzer waren, als man vorausgesetzt hatte, ließ sich Parry keineswegs von dem Vordringen nach Norden abschrecken, in der Hoffnung, dass sich weiter nördlich die Schwierigkeiten vermindern würden. Aber der Zustand des Eises änderte sich nicht, außerdem trieb dieses täglich bis zu 7 Kilometer nach Süden. Deshalb gab er, 36 Tage nach der Abfahrt, in einer Breite von 82° 45´ den Befehl zur Rückkehr. Diese Breite blieb viele Jahre lang die höchste, die von einem Menschen erreicht worden war, und Parrys Versuch bewies, mit welchen Schwierigkeiten zumal im Sommer eine Schlittenreise im Polarmeere verbunden war. Parry war 61 Tage vom Schiffe abwesend, vom 21. Juni bis zum 21. August. 13 Tage wurden in den Booten, 48 auf dem Eise verbracht. Die Entfernung der Treurenbergbucht (79° 55´ nördl. Br., 16° 48´ östl. L. von Greenwich von dem nördlichsten erreichten Punkte 82° 45´ nördl. Br., 19° 25´ östl. L.) betrug 319 Kilometer. Im Jahre 1875 rüstete die englische Admiralität zum dritten Male eine Expedition zum Zwecke der Erreichung des Pols aus. Die vorhergehenden Reisen hatten gezeigt, dass es sowohl zu Schiff wie mit Schlitten schwierig sei vorwärtszukommen. Wenn man in dem Becken zwischen Grönland und Amerika vordringen würde, hoffte man mit den Schiffen auf einer Küstenfahrt den 83. oder 84. Breitengrad zu erreichen, und von da in dem auf den Winter folgenden Frühjahr bis zum Pol zu gelangen. Die von Kommandant Nares geleitete Expedition bestand aus den Schiffen „Alert“ und „Discovery“, von denen das eine in dem genannten Meeresbecken so weit wie möglich nach Norden fahren sollte, während das andere, in einem sicheren Hafen vor Anker liegend, im Falle, dass dem ersten ein Unglück zustieße, zur Rückbeförderung der Besatzung in die Heimat bestimmt war. Durch den Smithsund gelangten die Schiffe in den Kennedysund und erreichten die Lady-Franklin-Bai. Hier wurde die „Discovery“ in 81° 44´ verlassen, während die „Alert“, im Robesonkanale längs der Küste von Grantland weitersegelnd, bis zu einer Breite von 82° 27´ kam. Die im Herbst unternommenen Expeditionen zur Erkundung des Verlaufs der Küste ergaben, dass sich diese nach Westen erstreckte, und vereitelten somit die Hoffnung, für die Reise zum Pol hier Vorräte lagern zu können. Nichtsdestoweniger sandte Nares zu Beginn des Frühjahrs 1876 Kommandant A. H. Markham mit einem Offizier, 15 Mann, drei Schlitten und Proviant für 70 Tage aus. Dieser konnte nur langsam und mit Mühe vorwärtskommen, da er mehrmals denselben Weg zurücklegen musste, um die schweren Lasten fortzubringen. Nach unsäglichen Anstrengungen erreichte er die Breite von 83° 20´, wo er sich genötigt sah, wegen der Erschöpfung der Leute, unter denen auch Fälle von Skorbut vorgekommen waren, Halt zu machen. Bei der Rückkehr zum Schiff gestaltete sich die Lage immer schwieriger. Zu dem Gewicht der Ausrüstung kam das der Kranken hinzu, die auf den Schlitten befördert werden mussten, und der Expedition wäre es schwerlich geglückt, die „Alert“ zu erreichen, wenn sich nicht ein Freiwilliger bereit erklärt hätte, von dem Schiffe Hilfe zu holen. So war man nur bis zu einer um weniges höheren Breite als Parry gekommen und hatte mit den Schlitten nicht einmal einen ebenso langen Weg zurückgelegt wie dieser, obgleich die Reise in den günstigsten Monaten unternommen worden war. Markham war am 3. April aufgebrochen und am 14. Juni zur „Alert“ zurückgekehrt; er war also 72 Tage vom Schiffe abwesend. Die geradlinige Entfernung der in 82°27´ nördl. Br. und 61° 18´ westl. L. liegenden „Alert“ von dem nördlichsten erreichten Punkte (83° 20´ nördl. Br., 63° westl. L.) betrug 100 Kilometer. Einige Jahre später, 1882, gelang es den Vereinigten Staaten, den Polarrekord England zu entreißen, das ihn lange Jahre hindurch mit der größten Eifersucht verteidigt hatte. Während des Aufenthalts der zu wissenschaftlichen Zwecken unternommenen Expedition des Kapitäns A. W. Greely in der Lady-Franklin-Bai erreichte Kapitän J. B. Lockwood auf Schlitten die Breite von 83° 24´, wobei er an der grönländischen Küste entlang fuhr. Der Umstand, dass er Markham nur um vier Breitenminuten geschlagen hatte, dabei aber von einer um 43 Minuten niedrigeren Breite ausgegangen war, schien zu zeigen, welche Vorteile es mit sich bringen würde, beim Vordringen nach Norden der Küste eines Landes zu folgen, bestätigte aber auch wiederum die große Schwierigkeit, den Pol zu erreichen. Kapitän Lockwood war vom 3. April bis zum 1. Juni, also 60 Tage, von Fort Conger abwesend. Die geradlinige Entfernung von Fort Conger in 81° 44´ nördl. Br. und 64° 45´ westl. L. bis zum nördlichsten Punkte Lockwoods (83° 24´ nördl. Br., 40° 46´ westl. L.) betrug 8 Kilometer. Professor Nansen sollte die auf die Enthüllung des arktischen Geheimnisses gerichteten Wünsche, die durch die Ergebnisse der letzten Expeditionen eine Enttäuschung erfahren hatten, von neuem beleben. Er verließ das bis dahin gebräuchliche System, zu Schiffe längs des Randes in höhere Breiten zu gelangen, um hier den Winter zu verbringen und im nächsten Frühjahr Schlittenexpeditionen auszusenden, und beschloss, die Strömung, welche das Eis im Becken des Nördlichen Eismeeres von Osten nach Westen bewegt, zu benutzen, um sich mit seinem Schiffe in dieses Becken hineintreiben zu lassen. Als er sich unter dem 84. Breitengrade befand, verließ er in der Überzeugung, die „Fram“ würde mit der Drift nie den Pol erreichen, mit einem einzigen Gefährten das Schiff, um den Pol aufzusuchen und von da nach dem Kaiser-Franz-Joseph-Archipel zu gelangen. Unter Benutzung von mit Hunden bespannten Schlitten, wobei die Tiere zur Ernährung der übrigen nach und nach geschlachtet werden mussten und unter Verzichtleistung auf jede Möglichkeit einer Rückkehr, wie er es schon früher in Grönland getan hatte, gelang es dem kühnen Forscher, mit einem Riesenschritt den von seinen Vorgängern erreichten Breitengrad hinter sich zu lassen, indem er die bekannte Zone des Nördlichen Eismeeres bis auf eine Entfernung von 420 Kilometer vom Pol ausdehnte. Er hatte in der Zeit vom 14. März 1895, als die „Fram“ in 84° 4´ nördl. Br. und 101° 33´ östl. L. lag, bis zum 9. August, an welchem Tage er zur Adelaideinsel 81° 38´ nördl. Br., 61° 47´ östl. L.) kam, die Breite von 86° 12´ 18“ in 96° östl. Länge erreicht und dabei eine Entfernung von 927 Kilometer zurückgelegt. Um nach Kap Flora zu kommen, hatte er noch ungefähr 390 Kilometer zurückzulegen. Die Ungewissheit, ob sich nicht große Ländermassen nördlich von den bereits bekannten erstrecken, machte zur Erreichung des Poles eine Reise auf dem Treibeise des Eismeeres nötig. Hier konnte man jedoch nicht daran denken, Proviantniederlagen einzurichten, und um die Schwierigkeiten einer solchen Reise zu vermindern, war es erforderlich, den Ausgangspunkt der Expedition möglichst weit nach Norden zu verlegen. Wie sollte man dies erreichen? Sollte man zum zweiten Mal ein Schiff im Eise treiben lassen oder auf schon bekannten Wegen zu Lande so weit wie möglich vordringen? Die Wiederholung des Versuches der „Fram“, sich weiter im Osten vom Eise einschließen zu lassen, bedeutete einen Aufenthalt von drei, vier Jahren im Polarmeer, die Möglichkeit, erst nach zwei oder drei Jahren die Expedition mit Hilfe von Schlitten zu beenden, und die Notwendigkeit, den Kaiser-Franz-Joseph-Archipel, wo die Schlittenexpedition bei der Rückkehr landen sollte, auf durchaus sichere Weise mit Lebensmitteln zu versorgen. Ich bewundere daher Nansen, der im vollen Bewusstsein der Notwendigkeit, so lange Zeit im Polarmeere zubringen zu müssen, in dieser Weise seine Reise vorbereitete und durchführte. So brennend auch mein Wunsch war, den Pol zu erreichen, war er doch nicht mächtig genug, mich zu einem jahrelangen Aufenthalt in diesen Eiswüsten zu veranlassen. Die Gefahr, dass die Hunde an einer Krankheit eingehen könnten, die Aussicht, sich ganz der Drift des Eismeeres überlassen zu müssen (eine Fahrt, die, wenn sie auch mit derselben Wahrscheinlichkeit des Gelingens wiederholt werden konnte, selbst mit Schiffen von der Bauart der „Fram“ doch ihre Bedenken hatte), ließen es mir nur rätlich erscheinen, an dieser Methode festzuhalten, trotzdem sie unzweifelhaft die beste war, denn sie brachte die Expedition möglichst nahe an ihr Ziel und gestattete zugleich, die Schlittenreise auf einem fern vom Lande befindlichen, daher weniger gestörten Eise auszuführen. Die „Alert“, die in 82° 27´ auf Grantland überwinterte, ist das Schiff, welches auf einer Küstenfahrt den nördlichsten Punkt erreicht hat. Wenn man bedachte, dass es häufig, wenn nicht immer möglich war, mit Dampfschiffen in das Meeresbecken zwischen Grönland und Amerika einzudringen, so war hier der empfehlenswerte Weg. Aber es waren schon zwei Forschungsexpeditionen in dieser Richtung abgegangen, eine norwegische unter Kapitän Sverdrup auf der „Fram“ und eine amerikanische unter Baldwin auf der „Windward“. Diese Unternehmungen und die Schwierigkeiten, die Markham mit den Schlitten gehabt hatte, bewogen mich, von dieser Route abzusehen und mich nach dem Kaiser-Franz-Joseph-Archipel zu wenden, von dem es feststand, dass er sich ungefähr bis zum 82. Breitengrade erstreckte. Die von Payer, Nansen und Jackson angestellten Beobachtungen legten die Vermutung nahe, man würde zu Schiff Kronprinz-Rudolf-Land, die nördlichste Insel des ganzen Archipels, erreichen können. Die Fahrt durch die Barentssee bis Kap Flora konnte für gefahrlos gelten, und wenn man auch nicht zu Schiffe bis zum nördlichsten Punkte der Gruppe gelangte, so würden doch die nördlich liegenden Inseln die Schlittenreise in jeder Weise begünstigen. Da wir nicht sicher waren, Kronprinz-Rudolf-Land zu erreichen, suchten wir die Möglichkeit ins Auge fassen, die Schlittenexpedition von Kap Flora aus, in der Breite von etwa 80°, abzuschicken. Von diesem Punkte waren jedoch bis zum Pol noch 1110 Kilometer zurückzulegen; ebenso lang war die Rückreise, es kam also eine Gesamtstrecke von 2220 Kilometer heraus. Konnte man diese Entfernung mit den verfügbaren Hilfsmitteln und in den wenigen Monaten, in denen die Reise möglich ist, bewältigen? Baron Wrangel konnte in Ostsibirien mit Hilfe vieler, von Hunden gezogener Schlitten, die er zurückschickte, wen sie nach Aufzehrung des Proviants leer wurden, auf vier von ihm geleiteten Expeditionen längs der Küste in den Jahren 1821, 1822, 1823: 1200 Kilometer in 22 Tagen, 1295 Kilometer in 36 Tagen, 1450 Kilometer in 75 Tagen und endlich 2440 Kilometer in 78 Tagen durchfahren. Peary legte auf seinen Reisen 1892 und 1895 über das Inlandeis von Grönland viermal in 140 Tagen von der MacCormik Bay (77° 45´ nördl. Br., 69° 39´ westl. L.) bis zur Independence Bay (81° 37´ nördl. Br., 34° 5´ westl. L.) die Strecke von 823 Kilometer zurück. Es war der Versuch zu machen, ob das, was an den Küsten Sibiriens und auf dem Inlandeise Grönlands möglich gewesen war, sich auch auf dem Eise des Polarmeeres wagen lassen würde. Nansen brachte es in der für die Reise günstigsten Zeit, vom 14. März bis 15. Mai, durchschnittlich nur auf 10 Kilometer täglich. Die „Fram“ lag, als sie von Nansen verlassen wurde, in 84° 4´ nördl. Br. und 101° 33´ östl. L. Die am 7. April 1895 von Nansen erreichte höchste Breite war 86° 12´ 18“ in 96° östl. L. Am 15. Mai befand er sich in 83° 36´ und 64° 22´ östl. L. Während nach den Leistungen Wrangels und Pearys die zur Erreichung des Pols und zur Rückkehr erforderlichen 2200 Kilometer in weniger als 100 Tagen durchfahren werden konnten, so hätte man bei Nansens Geschwindigkeit volle 200 Tage gebraucht. Nun verbietet in den arktischen Gegenden die Finsternis während des Winters jede Bewegung, und im Sommer erschweren der weiche Schnee, sowie die sich bildenden Seen und Kanäle das Vorwärtskommen. Daher kann man zu einer Reise nur 90 bis 100 Tage in den Monaten Februar, März, April und Mai benutzen. Legte man daher die Tagemärsche Nansens zu Grunde, so war es nicht angezeigt, die Expedition zu unternehmen. Die Schwierigkeit, die dem raschen Vorwärtskommen auf dem Eise während des Frühjahrs entgegensteht, rührt namentlich von den Kanälen her, die sich auch bei starker Kälte bilden, und von Pressungswällen, die durch das Übereinandertürmen von Eisfeldern entstehen. Zur Verminderung der durch die Kanäle herbeigeführten Verzögerung der Reise lässt sich nichts tun. Wenn man jedoch über viele Schlitten verfügt, die leicht beladen und von je einem Manne gelenkt werden, so lässt sich mit Hilfe vieler Arme ziemlich rasch ein Weg über die Eisfelder bahnen: die Reise wird dann an den verhältnismäßig ebenen Stellen erleichtert werden. Durch Erhöhung der Zahl der Teilnehmer, so dass bei der Expedition ebenso viele Menschen wie Schlitten sein würden, hoffte ich den Tagesdurchschnitt Nansens übertreffen und mich dem Pearys und Wrangels nähern zu können. Angenommen, man erreicht einen Tagesdurchschnitt von 22 Kilometer, und vorausgesetzt, das Maximalgewicht eines Schlittens betrage, um leicht von Menschen gehandhabt und von acht Hunden über nicht völlig ebenes Gelände gezogen werden zu können, 280 Kilogramm, die tägliche Ration für einen Mann sei nach der Berechnung anderer Forscher 1250 Gramm und die für die Hunde 500 Gramm, und man sei entschlossen, die Hunde nur nach und nach zu schlachten, um die übrigbleibenden mit dem Fleisch zu füttern, wie ließe sich dann das Problem lösen, den Pol zu erreichen und auf das Schiff zurückzukehren? Die gewaltige Entfernung von 2200 Kilometer würde sich nicht von einer einzigen Abteilung ohne Aufenthalt zurücklegen lassen. Entweder würden die Schlitten zu schwer beladen werden, oder man hätte, wie es Nansen erging, diese in größerer Anzahl mitnehmen müssen, als Leute an der Expedition teilnahmen. Es war durchaus notwendig, Depots in den nördlicher gelegenen Gegenden anzulegen und von da aus Hilfsabteilungen zu entsenden, welche die nötigen Lebensmittel für eine weiter vorgehende kleine Anzahl von Menschen mitnehmen sollten. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, die Expedition in drei Gruppen zu teilen, deren jede aus mehreren Leuten bestand. Die erste Gruppe sollte von Kap Fligely bis zum 85. Breitengrad vordringen und Lebensmittel für den Unterhalt der ganzen Expedition während dieser ersten Periode, sowie für ihre eigene Nahrung während der Rückkehr auf das Schiff mitnehmen; eine zweite Gruppe sollte bis zum 88. Breitengrade gehen, mit Lebensmitteln für den Rest der Expedition auf dem Marsche weiter nach Norden und für sich selbst während der Rückkehr, und eine dritte Gruppe endlich sollte vom 88. Breitengrade aus bis zum Pol vordringen. Die einzelnen Gruppen erhielten wegen der mannigfaltigen Ursachen, welche sie von ihrem Wege ablenken konnten, keine Anweisung, nach dem Depot auf Kap Fligely zurückzukehren, sondern sie sollten sich direkt zum Schiffe nach Kap Flora begeben. Dieser Plan hatte in der Gestalt, wie er entworfen war, sicher seine Mängel. Der hauptsächlichste von allen war das zahlreiche Personal und die große Menge des erforderlichen Materials. Wenn auch schon vor der Abreise eine strenge Auswahl der Mitglieder der Expedition stattfinden konnte, so war es trotzdem zu erwarten, dass sich nicht alle für ein derartiges Leben eigneten und dass sich somit wegen der Unfälle, die umso häufiger eintreten mussten, je zahlreicher die Karawane war, auch die Hemmnisse steigerten. Dennoch bot der Plan verschiedene Vorteile: die Möglichkeit, unter den Teilnehmern an der Expedition diejenigen auszusuchen, die den Marsch fortzusetzen vermochten, und die schwächeren zurückzusenden; die große Menge des Materials, die einen Ersatz des Abgenutzten erlaubte, ohne dass man mit Ausbesserungen Zeit verloren hätte, und endlich die große Zahl der Hunde, welche, abgesehen vom Ziehen der Schlitten, auch einen Lebensmittelvorrat bildeten, den man nicht zu transportieren brauchte. Ursprünglich war es meine Absicht, nach dem Kaiser-Franz-Joseph-Archipel zu fahren und dort ein Haus zu errichten, ohne das Schiff überwintern zu lassen, wie es Wellman und Jackson getan hatten. Bei der Ungewissheit jedoch, ob man das Schiff würde sicher zurückschicken können, und auch infolge der Erwägung, dass es der Expedition größere Bequemlichkeiten gewähren konnte, beschloss ich, es als Winterwohnung zu benutzen. Der Plan der neuen Expedition nach dem Eismeere war also der folgende: Aufbruch von Archangelsk, nicht nach dem 10. Juli, nach Kap Flora auf der Northbrookinsel, wo ein Lebensmitteldepot für acht Monate und vier Boote anzulegen ist. Dann Fahrt nach der Königin-Viktoria-See und dort auf den westlichen Inseln des Kaiser-Franz-Joseph-Archipels möglichst weit nach Norden, um einen sicheren Ankerplatz aufzusuchen. Im Herbst und Frühjahr Schlittenexpeditionen, zunächst, um Lebensmittel nach den nördlicheren Gegenden zu schaffen, dann, um zu suchen, die höchste Breite zu erreichen. Nach Rückkehr dieser letzteren Expeditionen zu Anfang des Sommers Verlassen des Winterquartiers und, wenn es zu spät werden sollte, eine zweite Überwinterung: im folgenden Jahre Rückkehr nach Kap Flora mit oder ohne Schiff. Im Falle eines Schiffbruche im Herbst, würde man sich mit Hilfe der an Bord befindlichen und der auf Kap Flora zurückgelassenen Lebensmittel das Leben bis zur Ankunft des Hilfsschiffes fristen, welches zwei Jahre nach der Abfahrt in diese Gegend ausgeschickt werden würde. Ließen sich keine Lebensmittel beschaffen, so sollte je nach den Umständen der Rückzug nach Nowaja Semlja oder Spitzbergen mit Hilfe der Boote angetreten werden, die man auf Kap Flora zurückgelassen hatte. Der Plan der Schlittenexpedition war folgender: mit 12 Mann, 96 Hunden und 12 Schlitten im Frühjahr so zeitig wie möglich vom Winterquartier aufzubrechen und die Depots aufzusuchen und von da, das Land verlassend, auf dem Eise nach dem Pol zu marschieren. Der Proviant ist so berechnet, dass er für den Unterhalt einer Gruppe aus vier Teilnehmern auf 40 Tage, für den einer zweiten Gruppe aus vier Teilnehmern auf 70 Tage und für den einer letzten Gruppe, die wie die vorhergehenden ebenfalls nur aus vier Teilnehmern besteht, auf 90 Tage reicht. Die erste Gruppe, die nur für 40 Tage Proviant mit sich führt, soll 15 Tage nach dem Verlassen des letzten Depots, das sich, wie angenommen wird, unter 82° auf Kap Fligely befindet, auf das Schiff zurückkehren. Die zweite Gruppe mit den Vorräten auf 70 Tage soll sich nach einem 30tägigen Marsche von dem Rest der Expedition trennen. Die letzte Gruppe wird in der Richtung des Pols so weit wie möglich vordringen und sich 40 Tagemärsche von Kap Fligely entfernen. Die Gruppen werden von dem Augenblick der Trennung an voneinander unabhängig. Dank den Depots, die ich auf Kap Fligely anlegen zu können hoffe, rechne ich darauf, von dieser Breite mit genügenden Lebensmitteln für die verschiedenen oben genannten Gruppen aufbrechen zu können, in der Hoffnung, dass es der letzten gelingt, den Pol zu erreichen und dann auf das unter 80° vor Anker liegende Schiff zurückzukehren. Der Plan ändert sich nicht, wie groß auch die Strecke sein mag, die täglich zurückgelegt werden kann. Abgesehen von dem Bestreben, die höchste Breite zu erreichen, wird die Expedition mit den mitgenommenen Instrumenten Untersuchungen über die Schwere und den Erdmagnetismus anstellen, die meteorologischen und hydrographischen Kenntnisse über die besuchten Gegenden zu vermehren und alle im Bereiche der Möglichkeit liegenden Forschungen über Fauna und Flora im Kaiser-Franz-Joseph-Archipel vorzunehmen suchen.

Zweites Kapitel. Ausrüstung und Abfahrt der Expedition.

Das wichtigste der Tiere, welche dem Menschen bei seinen Schlittenexpeditionen auf dem Eise der Polarmeere von Nutzen sein können, ist ohne Zweifel der Hund. Seine Ernährung bietet insofern keine Schwierigkeit, als er unter Umständen das Fleisch von seinesgleichen frisst, was weder Pferde noch Renntiere tun. Bei seinem geringen Gewicht lässt er sich unschwer auf leichten Booten oder auf Eisschollen transportieren, und sein Tod stellt im Verhältnis zu dem eines Pferdes oder Renntiers einen unbedeutenden Kraftverlust dar. Die besten Schlittenhunde finden sich in Grönland und Ostsibirien. Die dänische Regierung hatte jedoch deren Ausfuhr aus Grönland verboten, und auch der Bezug aus Ostsibirien stieß auf Hindernisse. Wir suchten daher die ebenfalls guten westsibirischen Hunde zu kaufen, und im Juli 1898 erhielt Alexander Trontheim, der schon Nansen die Hunde besorgt hatte, den Auftrag, 120 Stück zu beschaffen. Der englische Vizekonsul in Archangelsk, Herr Henry Arthur Cooke, nahm sich mit großem Interesse der Sache an und hatte die Freundlichkeit, den Briefwechsel mit Trontheim zu führen, wofür ich ihm lebhaften Dank schulde. Der „Jason“, ein für die Robbenjagd bestimmter Walfischfänger, war wegen seiner festen Bauart und seiner kräftigen Maschine das beste Schiff, das im Januar 1899 zum Verkauf stand. Er war 1881 in Sandefjord gebaut und konnte 570 Tonnen Ladung an Bord nehmen. Seine Größenverhältnisse waren: Länge des Decks 40 Meter, Breite 9,25 Meter, Tiefgang 5—5,50 Meter. Die Maschine von nominell 60 Pferdestärken konnte ihm eine Schnelligkeit von sechs bis sieben Seemeilen verleihen. Das Schiff hatte einen neuen Kessel, eine Schraube und ein Reservesteuerruder erhalten; weder für die Schraube noch für das Steuer war ein Tunnel vorhanden. Der „Jason“ stand eben im Begriff, unter dem Kommando des Kapitäns Evensen, eines der erfahrensten und mutigsten Führer von Walfischfängern, auf die Robbenjagd auszufahren. Nach Änderung seiner Bestimmung wurden alle eisernen, im Raume verstauten Kisten entfernt bis auf vier, die zur Aufnahme des Trinkwassers dienen sollten; der Kohlenvorrat wurde an Land gebracht, und das Schiff selbst ging nach Laurvik auf die Werft von Colin Archer, wo alle durch die neue Reise nötig gewordenen Reparaturen vorgenommen werden sollten.

Diese Arbeiten waren dreierlei Art: am Rumpfe, an der Takelung und an den Wohnräumen. Im Raume wurden Verstärkungen angebracht, welche sich unten auf die Spanten stützten, während sie oben in der Mitte unter den Deckbalken befestigt waren. Das Zwischendeck, das ursprünglich zur Aufnahme der großen Kisten beweglich eingerichtet worden war, wurde festgemacht. Ferner wurde die Takelung geändert und das Schiff aus einer Schonerbrigg in einen Schoner verwandelt. Diese Umgestaltung wurde infolge der geringen Bemannung notwendig, die noch dazu nur zum kleinen Teil ans Matrosen bestand und daher Mühe gehabt hätte, zwei Masten mit Lateinsegeln zu bedienen. Die zehn 6—6,60 Meter langen Boote des „Jason“ wurden beibehalten. Obgleich sie wegen ihrer Leichtigkeit — sie wogen ohne Ausrüstung nur je 700 Kilogramm — für eine lange Seefahrt nicht genügende Größe besaßen, waren sie zum Transport über das Eis besonders geeignet. Das Mannschaftslogis am Bug wurde geräumt und im Zwischendeck in der Nähe der Maschine eine Unterkunft für die ganze Besatzung geschaffen. Auf diese Weise wurden die zu heizenden Räume zusammengelegt, was den Vorteil einer Ersparnis an Brennmaterial und auch die Möglichkeit bot, eine ziemliche Zeit hindurch die Wärme des Kessels auszunutzen. Am Heck wurde der dort befindliche Aufbau beseitigt und durch eine eigens für die Polargegenden errichtete Kampanje ersetzt, die sich vom Großmast bis zum Steuerruder erstreckte und die Kabinen für die Offiziere, die Ess- und Arbeitszimmer, die Küche, das Instrumentenkabinett und die Lenzpumpen enthielt. Zu den einzelnen Räumen führten Doppeltüren mit hohen Rahmen. Die Kabinen hatten keine Fenster, sondern erhielten das Licht nur durch die Türen und durch drei Luken. Die Pumpeinrichtungen bestanden außer den obenerwähnten Pumpen aus dem Windmotor, der seinen Platz auf dem Deck hatte, aus der Dampfspeisepumpe, und wenn die Maschine im Gange war, aus der Zirkulationspumpe des im Kielraume stehenden Kondensators. Das Schiff besaß wegen seiner geraden Seitenflächen nicht die angemessensten Formen, um eine Pressung auszuhalten. Da es aber nur ein von Walfischfängern vielbesuchtes Meer befahren sollte, um dann im Winter einen Ankerplatz aufzusuchen, so brauchte es keine besondere Konstruktion wie die „Fram“, die eigens dazu bestimmt war, im Eise eingeschlossen zu werden. Dem alten Schiffe, das schon die arktischen und antarktischen Meere befahren hatte und seinen Ruhm Nansen verdankte, der auf ihm zur Durchquerung Grönlands ausgezogen war, wurde sein Name durch einen anderen ersetzt. Die Erreichung des Punktes, in dessen Zenit der allen bekannte Polarstern strahlt, war das Ziel der Expedition. Welcher Name konnte daher für das Schiff passender sein als Stella Polare?

Der Kapitän, jetzige Admiral Schley, der von der amerikanischen Regierung zur Aufsuchung der verunglückten Greely-Expedition ausgesandt worden war und dem es glückte, diese zum Teil zu retten, was sämtlichen zu diesem Zwecke ausgelaufenen Walfischfängern nicht gelang, erklärt in seinem Reisebericht (Schley und Soley, The Rescue of Greely [London], S. 181), dass ein Seeoffizier, dem das Kommando eines nach den Polargegenden bestimmten Schiffes anvertraut ist und der nicht gleich zu Anfang seiner Unerfahrenheit zum Opfer fällt, sich in kurzer Zeit die praktischen Kenntnisse der Walfischfänger aneigne. Ich hatte sofort Bedenken, und später habe ich es auch erfahren, dass in der kurzen Zeit, die zur Erwerbung dieser Kenntnisse nötig ist, Ereignisse eintreten können, die für einen, der zum ersten Male eine derartige Fahrt unternimmt, genügen, die Expedition zum Scheitern zu bringen, oder ihn wenigstens günstige Gelegenheiten versäumen lassen. Wer das Eis der Polarmeere nur aus Büchern kennt und sein Schiff mit einer Mannschaft steuern wollte, die gänzlich aus Leuten von geringer praktischer Erfahrung mit den Eisverhältnissen besteht, würde aus falscher Eigenliebe die Expedition von vornherein gefährden. Ich verzichtete daher auf eine nur aus Italienern zusammengesetzte Bemannung und beschloss, einen tüchtigen, zuverlässigen norwegischen Kapitän zu wählen, dem ich die Führung des Schiffes im Eise anvertrauen konnte, dazu Norweger als Mannschaft anzuwerben und ihnen italienische Matrosen und Bergführer beizugeben, die sich namentlich an den Schlittenexpeditionen beteiligen sollten. Ließ ich das Schiff in Norwegen ausrüsten, so würde es leichter sein, es mit allem für eine längere Fahrt im Eise Erforderlichen zu versehen, und Kapitän und Besatzung würden auch leicht nach Europa zurückkehren können, wenn der Polarexpedition ein Unglück zustoßen sollte. Obgleich mir die Vereinigung einer aus zwei verschiedenen Völkern bestehenden Mannschaft auf einem und demselben, zu einer Fahrt in arktischen Breiten bestimmten Schiffe nicht ganz unbedenklich erschien, war ich doch von Anfang an fest überzeugt, dass das gute Einvernehmen nicht gestört werden würde, wenn der Kommandant alle in gleicher Weise behandelte. Die Zahl der Teilnehmer an der Expedition wurde auf das absolut nötige Maß beschränkt, um das Schiff von Norwegen nach dem Kaiser-Franz-Joseph-Archipel zu bringen und Schlittenreisen zu unternehmen. Wie die Expedition geplant war, hatte sie das Vordringen auf dem Eise des arktischen Meeres zu Hauptzweck, und man musste daher namentlich auf die Wahl der für dieses Unternehmen geeigneten Persönlichkeiten bedacht sein. Es galt, solche Leute auszusuchen, die mit der astronomischen Nautik vertraut waren, die Instrumente zu gebrauchen und Berechnungen anzustellen wussten, um das Land wieder zu erreichen. Außerdem war es in schwierigen Lagen notwendig, dass diese Persönlichkeiten diejenige Autorität hatten, die nur der an das Befehlen Gewöhnte besitzt. Diejenigen, welche diese beiden Eigenschaften am besten vereinigen konnten, waren unzweifelhaft die Offiziere der Kriegsmarine, und an sie wandte ich mich auch mit Zustimmung der Regierung. Der zweite Kommandant der Expedition war schon seit dem Sommer 1898 in der Person des Korvettenkapitäns Umberto Cagni gefunden. Er wollte die wissenschaftlichen Beobachtungen übernehmen. Zu seiner Unterstützung dabei und zur Leitung einer der Gruppen der Schlittenexpedition wählte ich den Leutnant zur See Grafen Francesco Querini und zum Arzt der Expedition den Oberstabsarzt Achille Cavalli Molinelli. Obgleich ich diesen letzteren nicht von Anfang an zur Teilnahme an der Schlittenexpedition bestimmt hatte, bewies er doch später so viel praktischen Sinn und Entschlossenheit, dass er bei dem Versuche, den Pol zu erreichen, zu einem der Gruppenführer ernannt wurde. Neben den Gruppenführern mussten auch alle übrigen Teilnehmer an der Expedition eine ungewöhnliche physische und moralische Widerstandsfähigkeit besitzen. Seit meiner Reise in Alaska war ich überzeugt, dass sich solche Leute leichter unter unseren Alpenführern und Küstenbewohnern finden ließen als anderwärts. Ich nahm daher vier Bergführer und zwei Matrosen der Kriegsmarine mit mir, die namentlich bei dem Transport der Boote auf den Schlitten Verwendung finden sollten. In Archangelsk wurde der in Norwegen geworbene Koch vorteilhaft durch einen italienischen ersetzt. Die norwegische Mannschaft wurde von Herrn Torres Bonnevie zusammengestellt. Die Wahl des Kapitäns fiel sofort auf Evensen, der durch den Verkauf des „Jason“ frei geworden war und sich mit Freuden bereit erklärte, an der Expedition teilzunehmen. Es wurden ein Zweiter Offizier, zwei Maschinisten, ein Bootsmann, ein Zimmermann und drei Heizer angeworben.

Alle kamen gern, im Bewusstsein der Gefahren, denen sie entgegengingen, und voller Begierde, mit Mut und Ausdauer das Geheimnis, das den Nordpol noch umgibt, zu enthüllen und die Wissenschaft durch neue Forschungen zu bereichern.

Die Expedition setzte sich aus folgenden Personen zusammen: Ludwig Amadeus von Savoyen, Königliche Hoheit, Leutnant zur See, 26 Jahre, aus Turin. Kommandant der Expedition. Umberto Cagni, Korvettenkapitän, 36 Jahre, aus Asti. Zweiter Kommandant. Mit den wissenschaftlichen Beobachtungen betraut. Graf Francesco Querini, Leutnant zur See, 31 Jahre, aus Venedig. Mit der Anlegung der mineralogischen Sammlungen und mit der Unterstützung des Kommandanten Cagni bei dessen wissenschaftlichen Beobachtungen betraut. Achille Cavalli Molinelli, Oberstabsarzt, 33 Jahre, aus Sale (Provinz Alessandria). Arzt der Expedition und mit der Anlegung der zoologischen und botanischen Sammlungen betraut. Carl Julius Evensen, 47 Jahre, aus Sandefjord, Kapitän der „Stella Polare“. Andreas Andresen, 28 Jahre, aus Sandefjord. Zweiter Offizier der „Stella Polare“. Henrik Alfred Stökken, 24 Jahre, aus Sandefjord. Erster Maschinist. Anton Torgrinsen, 30 Jahre, aus Laurvik. Zweiter Maschinist.

Zur Teilnahme an der Schlittenexpedition bestimmt:

Giuseppe Petigax, 38 Jahre, aus Courmayeur, Bergführer.

Alessio Fenoillet, 37 Jahre, aus Courmayeur, Bergführer.

Cipriano Savoie, 30 Jahre, aus Pré Saint-Didier, Bergführer.

Felice Ollier, 30 Jahre, aus Courmayeur, Bergführer.

Giacomo Cardenti, Zweiter Bootsmann, 32 Jahre, aus Porto Ferrajo.

Simone Canepa, Matrose zweiter Klasse, 21 Jahre, aus Varazze.

Giuo Gini, 35 Jahre, aus Aequapendeute, Koch.

Karl Christian Hansen, 37 Jahre, aus Laurvik. Erster Bootsmann.

Ditman Olavesen, 25 Jahre, aus Tönsberg. Zimmermanu.

Hans Magnus Dahl, 21 Jahre, aus Christiania. Heizer.

Johan Johansen, 42 Jahre, aus Sandefjord. Heizer.

Ole Johansen, 25 Jahre, aus Laurvik. Heizer.

Die Expedition wurde mit Lebensmitteln auf vier Jahre versehen. In Italien ordneten Kommandant Cagni und der Kommissar erster Klasse Michelangiolo Chiotti, in Norwegen Herr Heim diese wichtige Angelegenheit. Den größten Teil der Einkäufe machte man in Dänemark und Norwegen und berücksichtigte in erster Reihe die Konserven, die auf der ersten Expedition der „Fram“ von Nansen und auf der zweiten von Sverdrup mitgenommen worden waren, wobei wiederum diejenigen, von denen man wusste, dass sie sich gut gehalten hatten, den Vorzug vor denen erhielten, die zwar vortrefflich schmeckten, sich aber noch nicht bewährt hatten. Ein beträchtlicher Teil des Zwiebacks und der Butter, die Pasta (Makkaroni) und der Reis wurden in Italien besorgt. In Breiten, wo mehlhaltige Nahrung eine Notwendigkeit ist, bilden die Pasta ein gutes Ersatzmittel für das Brot, welches man nur mit großen Schwierigkeiten täglich frisch an Bord haben kann und dessen Herstellung an den Lagerplätzen mit Unbequemlichkeiten verbunden ist. Die Lebensmittel wurden sämtlich in luftdicht verschlossenen Büchsen geliefert, eine unerlässliche Bedingung für ihre Erhaltung und zugleich indirekt ein Mittel zur Verhütung des Skorbuts. Man suchte für die größtmögliche Abwechslung zu sorgen, damit die Speisen keinen Überdruß erregten. In geringer Menge wurden auch Weine und Liköre mitgenommen, weil in den arktischen Breiten der übermäßige Genuss von alkoholischen Getränken zwar schädlich, ein mäßiger dagegen nicht allein gesund ist, sondern auch eine anregende moralische Wirkung ausübt, insofern er die Mannschaft erheitern hilft. Die für die in Italien gekauften Lebensmittel gewählte Verpackungsart, sie in Kisten von 25 Kilogramm Inhalt zu verteilen, hätte für alle Vorräte angenommen werden sollen. Die Kisten hätten sich dann leicht handhaben lassen, und es wäre infolge der genauen Kenntnis des Inhalts ein leichtes gewesen, in jedem Augenblick festzustellen, wieviel von jedem Lebensmittel noch vorhanden war.

Pelz- und Wollkleidung nahmen wir in reichlicher Menge mit, um sofort diejenige anlegen zu können, die uns als die geeignetste erschien. Mützen, Handschuhe und Stulpen aus Wolle und Pelz wurden ebenfalls für alle möglichen Temperaturen ausgesucht. Für den Sommer wurde die Expedition mit den gewöhnlichen Matrosenstiefeln und Schuhen ausgerüstet, in denen Füße und Beine trocken bleiben und die leicht anzuziehen sind; für den Winter wurden „Kömager“ mitgenommen, lappische Schuhe aus Robbenfell, von der gewöhnlichen Höhe eines Schuhes, aber ohne Öffnung auf dem Spann, die mit zwei Schnüren am Beine befestigt werden, ebenso „Finsko“, finnische Schuhe aus Renntierfell, mit dem Haar nach außen und von derselben Form wie die Kömager. Außer Strümpfen von jeder Dicke hatten wir noch eine große Menge Heu mit, um es in die Kömager und Finsko zu stopfen. Dann wurden sehr viele wollene Decken, Federbetten, Bettstellen und zwei Lagerzelte gekauft, die für den Fall bestimmt waren, dass die Expedition das Schiff verlassen müsste. In Betreff der Geräte, die für die Expedition auf dem Eise nötig waren, wurden die Angaben Professor Nansens benutzt. Es wurden dieselben Lampen und Kochapparate gewählt, die sich bei ihm so gut bewährt und die mir schon auf der Expedition in Alaska vortreffliche Dienste geleistet hatten. Die Zelte wurden nach dem von Mummery bei seinen Bergbesteigungen benutzten Muster angefertigt, nur etwas größer, und besondere Aufmerksamkeit wurde den Hundeställen gewidmet. Ich ließ alles in Europa herstellen, um uns die Mühe, die Arbeiten im Winter an Bord selbst vornehmen zu müssen, möglichst zu ersparen und um nicht Gefahr zu laufen, sie schlecht ausgeführt zu sehen.

Zu den auf dem alten „Jason“ schon vorhandenen Waffen, die auf allen Walfischfängern üblich sind, kamen noch acht doppelläufige Flinten mit einem Kaliber von 303,20 für die Schlittenexpedition hinzu, ebenso ein Paradox 16, eine Doppelflinte 303 und zwei Euopliagewehre für den gewöhnlichen Gebrauch. Außerdem wurden 200 Kilogramm Schießbaumwolle zum Sprengen des Eises mitgenommen. Außer den gewöhnlichen meteorologischen Beobachtungen, die während des Winters vorgenommen werden sollten, waren die wichtigsten die astronomischen, sowie die über die Schwere und den Erdmagnetismus. Für die Beobachtungen der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit, des Luftdrucks, der Richtung und Stärke des Windes und der Sonnenwärme nahmen wir selbstregistrierende Instrumente mit, um sie mit den Normalbarometern, -thermometern und -hygrometern vergleichen zu können. Für das Studium der Schwere wurde ein Sternecksches Pendel, für die magnetischen Beobachtungen ein Magnetometer von Schneider angeschafft. Besorgt wurden ferner Senkbleie, Strömungsmesser, Thermometer, um die Temperatur und die Dichtigkeit des Wassers in verschiedenen Tiefen und die Bodentemperatur zu bestimmen, sowie ein Theodolit und vier Schiffschronometer. Sechs Taschenchronometer von Longines, Sextanten aus Aluminium und Spiegelhorizonte für die Schlittenreise vervollständigten die Instrumentensammlung. Ein beträchtlicher Teil davon war von dem Hydrographischen Institute der Königlichen Marine geliefert, und ich bin der Regierung, namentlich Admiral Palumbo, dem damaligen Marineminister, für die Bereitwilligkeit, sie mir für die Expedition zu überlassen, äußerst dankbar. Andere Instrumente wurden aus eigenen Mitteln erworben. Dem Korvettenkapitän Ernesto Filippoue und den Professoren Cesare Aimonetti, Nicodemo Jadanza, Giuseppe Lombard, Audrea Naccari, Luigi Palazzo, Francesco Porro, Giovanni Battista Rizzo spreche ich hier meinen Dank aus für die mir gewährte Unterstützung bei der Zusammenstellung des wissenschaftlichen Apparates der Expedition. Zu den Instrumenten kam noch eine Sammlung von Büchern über die Nordpolarländer nebst anderen wissenschaftlichen Werken. Ich hatte beabsichtigt, bei dem Aufbruche der Expedition nach dem Pole Fesselballons zu verwenden. Da das Gewicht eines Schlittens auf 280 Kilogramm festgestellt war und ein Kubikmeter Gas imstande ist, ungefähr ein Kilogramm zu heben, so konnte ein Schlitten, wenn man einen kleinen Ballon von 440 Kubikmeter und einem Eigengewicht von 160 Kilogramm an ihm befestigte, gehoben werden. Es hatten somit 16 Hunde, an zwei übereinander liegende Schlitten gespannt, tatsächlich nur das Gewicht eines einzigen Schlittens zu ziehen. Gingen die Ballons infolge eines Sturmes oder eines anderen Unfalls verloren, so würde sich daraus keine Schwierigkeit ergeben, da man trotzdem den Marsch ungehindert würde fortsetzen können; wenn man die Ballons wenigstens an einigen Tagen hätte verwenden können, so wären zum mindesten die größeren Terrainschwierigkeiten überwunden worden. Ich gab daher Auftrag zur Anfertigung von vier solchen Ballons und zur Beschaffung der für die Herstellung des Wasserstoffgases erforderlichen Apparate. Während in Paris Versuche angestellt wurden, um zu entscheiden, welche Form die geeignetste sei, die Kugelform oder die Gestalt einer Zigarre, wurden in Turin die Gewebe einer Prüfung unterzogen, um festzustellen, ob es möglich sei, die Ballons bei Temperaturen von —30° bis —40° zu füllen. Die in Paris von Kommandant Cagni unternommenen Versuche bewiesen, dass die Ballons in Form einer Zigarre nicht den geringsten Nutzen gewährten, die kugelförmigen dagegen sehr wohl ihren Zweck erfüllen konnten. Die in Turin im Königlichen Industriemuseum unter der Leitung von Professor Lombard angestellten Prüfungen ließen erkennen, dass die Elastizität der lange Zeit sehr niedrigen Temperaturen ausgesetzten Stoffe zu gering war, als dass sich die Ballons in den nordischen Breiten hätten ausdehnen und füllen lassen. Professor Lombard sowohl wie die Fabrik von Godard und Surcouf betonten, es sei erwünscht, einen Raum zur Verfügung zu haben, in dem die Temperatur während der Füllung des Luftballons künstlich etwas unter Null gehalten werden könne. Die Schwierigkeit, einen solchen Raum zu beschaffen, und das beträchtliche Gewicht der Schwefelsäure und der Eisenfeilspäne, die man hätte mitnehmen müssen, um die vier Ballons zu füllen, außerdem die geringe Gewissheit ihrer praktischen Verwendbarkeit ließen mich zu dem Entschluss kommen, das aerostatische Material auf zwei Ballons zu beschränken. Näheres darüber in dem Bericht von Professor Scipione Cappa „Esperienze sul traino col pallone“ in „Osservazioni scientifiche eseguite durante la Spedizione Polare di S. A. R. Luigi Amedeo di Savoia, Duca degli Abruzzi, 1899 — 1900“ (Mailand, Hoepli). Das photographische Material bestand aus einem Dallmayerschen Apparat und verschiedenen Kodaks (einem Bulleye Cartridge-Kodak und einem Folding Kodak Nr. 5), nebst den zur Entwicklung der Negative erforderlichen Chemikalien.

Die Gesamtkosten der Expedition waren folgende (in Mark):

Jason, Kauf und Reparaturen                                              240000

Personal                                                                             128000

Hunde                                                                              13600

Lebensmittel                                                                      137600

Kleidung                                                                            57600

Ausrüstung für die Schlittenexpedition,                                 16000

Wissenschaftliche Instrumente, Bücher, Waffen                    63200

Luftballons und Zubehör                                                    41600

Arzneien und Chemikalien zu photographischen Zwecken     11200

Verschiedenes, Transport, Kohlen                                       28800

737600

Alle diese Vorbereitungen hatten die Zeit von Ende Januar bis Anfang Mai in Anspruch genommen. Am 7. Mai 1899 verließen die Teilnehmer an der Expedition Rom, um sich nach Norwegen zu begeben, am Bahnhof begrüßt von Seiner Majestät König Umberto I. und von den Offizieren der Königlichen Marine. Während Cagni, Graf Querini und Cavalli die Ladung, welche in Christiania angekommen war, ordneten, beschleunigte ich in Laurvik nach Möglichkeit die Abfahrt des Schiffes. Am 28. Mai waren die wichtigsten Arbeiten beendet, und die „Stella Polare“ verließ Archers Werft, um nach Christiania zu dampfen. Ein Schiff, das eine Polarexpedition unternehmen soll, gut zu verstauen, ist keine leichte Aufgabe. Die für solche Reisen bestimmten Schiffe sind nicht allzu groß; die Gegenstände, die an Bord gebracht werden, sind zahlreich und sie müssen so untergebracht werden, dass sie, wenn auch nicht alle, doch zum großen Teil leicht für den täglichen Gebrauch hervorgeholt werden können. Die „Stella Polare“ besaß vier Laderäume: im Kielraum, im Zwischendeck, hinter der Maschine unterhalb der Offizierskajüte und auf dem Deck unter der Ruderpinne. Der Kielraum wurde nur mit Kohlen gefüllt, deren Menge sich zusammen mit der im Kohlenbehälter vorhandenen bei der Abfahrt von Archangelsk auf ungefähr 350 Tonnen belief. Der Bugraum war, um das Vorschiff nicht zu sehr zu belasten, zur Aufbewahrung der Lebensmittel für die Hunde bestimmt. Da diese Lebensmittel größtenteils aus getrockneten Fischen und Hundekuchen bestanden, nahmen sie bei sehr geringem Gewicht viel Raum ein. Im Zwischendeck wurden vorn alle Nahrungevorräte für die Menschen aufbewahrt, während hinten zehn Tonnen Petroleum in vier großen Kisten lagerten. Zu beiden Seiten der großen Zwischendecksluke wurden einesteils die zum Mitnehmen auf den Schlitten bestimmten Lebensmittel, andererseits in einem großen Schrank der Kleidervorrat untergebracht, in einer Weise, dass sowohl das eine wie das andere leicht zu erreichen war, falls man das Schiff rasch verlassen musste. Im Hinterschiffsraum, der von unserer Kajüte aus zugänglich war und die größte Wärme aufwies, da er sich bei der Maschine befand, wurde der Wein aufbewahrt, der so den bestmöglichen Platz erhielt. Am Heck, beim Steuerruder, lag alles, was man beständig zur Hand haben musste, und in einer kleinen Pulverkammer in der Mitte des Zwischendecks befand sich, von der übrigen Ladung getrennt, die Munition. Die Ballons lagen, in Gestelle verpackt, damit sie sich ausdehnen konnten, samt dem Wasserstoffgaserzeuger und dem Kessel auf dem Deck. 36 eiserne Fässer mit ungefähr 12 Tonnen Schwefelsäure lagerten in der Mitte des Verdecks in einem besonderen Verschlage, der mit Bleiplatten verkleidet und mit einer Rinne versehen war, um für den Fall des Auslaufens eine Beschädigung der Deckbohlen zu verhüten. Sechs Tonnen Eisenfeilspäne vollendeten das aerostatische Material. Trotzdem der Kubikinhalt der Laderäume bestimmt worden war und man den Umfang der an Bord zu nehmenden Ladung kannte, kamen ins doch Zweifel über die Genauigkeit der Berechnung, als wir die riesige Menge Kisten betrachteten, die in der „Stella Polare“ Platz finden sollten. Dank der zweckmäßigen Anordnung gelang es jedoch, alles glücklich an Bord zu bringen.

Die Abreise war für den Morgen des 12. Juni festgesetzt worden. Einladungen, Besuche, unerwünschte Zwischenfälle hatten in den letzten Tagen abwechselnd unsere Zeit in Anspruch genommen. Am 8. Juni waren wir in Lysaker, um den Abend bei Herrn und Frau Professor Nansen zu verbringen. Als wir nach einem frohen, durch Tanz verschönten Abend unsere liebenswürdigen Gastfreunde spät verließen, konnten wir in der klaren Nacht nur mit trübem Sinne an die Gegend denken, nach der wir unterwegs waren und wo wir uns den Tanz nur allzu sehr aus dem Sinne schlagen mussten. Am 9. Juni trafen Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin von Neapel ein. Wir waren über ihren Besuch und ihre Wünsche für einen guten Erfolg, die sie uns auszusprechen die Güte hatten, sehr erfreut. Wegen eines Streites über die Versicherung eines Teiles der Mannschaft wurden die Norweger von mir für den Todesfall genau so versichert, wie es bei den italienischen Führern und Matrosen geschehen war. Die Offiziere waren bei einer italienischen Gesellschaft versichert und zwar auf ihren ausdrücklichen Wunsch nur für den Fall einer Verunglückung, die sie zwingen würde, den Dienst zu verlassen.

Am Abend des 11. Juni nahmen wir Abschied von denen, die uns besonders unterstützt hatten. Zuerst vor allen von Professor Nansen, der sich seit dem Winter vollständig zu meiner Verfügung gestellt hatte und mir jede Auskunft gab, die ich wünschen konnte, mich mit seinem Rate unterstützte, sich persönlich vielen Arbeiten unterzog und es mir ermöglichte, in kurzer Zeit die Ausrüstung der Expedition zu vollenden. Niemals werde ich die Stunden vergessen, die ich in Lysaker verlebte, um mir Auskunft zu holen, während welcher Professor Nansen nicht nur meine Fragen beantwortete, sondern auch meinen Wünschen zuvorkam und eine so lebhafte Teilnahme an der neuen Expedition bekundete, als wenn er sie selbst hätte leiten sollen. Nicht nur für seine Belehrungen über die Nordpolarländer, sondern auch für seine große Zuvorkommenheit werde ich ihm stets äußerst dankbar sein. Von Herzen danke ich auch den Professoren Mohn, Collett, Brögger, Geelmuyden und Konsul Hallager für die mir gewährte Unterstützung. Ferner spreche ich ganz Norwegen, der Regierung, den wissenschaftlichen Vereinigungen und den Privatleuten meinen Dank für die Erleichterungen aus, die sie meiner Expedition haben zu teil werden lassen, für die Liebenswürdigkeiten, die sie mir erwiesen haben, und für die guten Wünsche, die sie mir bei der Abfahrt mit auf den Weg gaben.

Am 12. Juni früh waren wir bereit, die Anker zu lichten. Seine Majestät der König von Schweden und Norwegen hatte uns telegraphisch Glück zu unserem Unternehmen gewünscht. Die Schiffe hatten geflaggt. Viele unserer Bekannten befanden sich an Bord. Die Damen hatten Blumensträuße mitgebracht, eine liebenswürdige Aufmerksamkeit für uns, die wir nach Ländern fuhren, wo keine Blumen sprießen. Professor Nansen hatte mir zwei seiner auf der „Fram“ geborenen Hunde geschenkt. Um 11 Uhr verließen wir Christiania, während die Besatzungen der Kriegsschiffe uns durch Zurufe begrüßten und die Festung Salutschüsse abfeuerte. In der Nacht trafen wir in Laurvik ein. Die Norweger wünschten hier noch einmal ihre Familien zu sehen. Wir blieben allein mit den Bergführern und den Matrosen, um die letzten Vorräte einzunehmen. Der Gedanke, dass bis Archangelsk nichts mehr an Bord zu bringen, sondern nur das zu ordnen war, was wir besaßen, ließ mich befriedigt aufatmen. Am 13. Juni setzten wir die Fahrt nach dem Weißen Meere fort. Am Morgen des 28. wurde in der Ferne Kap Swjatoj Roß gesichtet, und zu derselben Zeit machten sich die ersten Anzeichen von Eis bemerkbar, das sich durch die weißliche Farbe des Himmels ankündigte. Am Horizont gewahrten wir infolge der Refraktion seltsame Gestalten, die sich beim Näherkommen in kleine Eisfelder verwandelten. Es war das Eis des Weißen Meeres, das erst jetzt begann, aus dem mächtigen inneren Becken herauszutreten, nachdem es bisher von südlichen Winden zurückgehalten worden war; es war in kleine Felder geborstenes Eis von geringer Härte und geringer Dicke. Ein Dampfer, der uns erreicht und überholt hatte, hatte sich dem Lande genähert, um seinen Kurs fortsetzen zu können. Wir verfolgten denselben Weg. Die „Stella Polare“ zerbrach mit dem Bug mit Leichtigkeit jene kleinen Eisfelder, ohne dadurch aufgehalten zu werden, und holte jetzt den Dampfer ein. Unsere sehr tief liegende Schraube und die starke Welle, der weder der Anprall noch die Härte des Eises etwas anhaben konnten, gestatteten uns, mit unserer gewöhnlichen Schnelligkeit weiterzudampfen, während das andere Schiff gezwungen war, seine Fahrt zu verlangsamen. Das Jahr zuvor hatte ich im Sommer das Weiße Meer gänzlich offen gefunden; jetzt bestätigte die Eismasse die Berichte über die kühle Temperatur des Frühlings und den späten Sommer, die für den Verlauf der Expedition wenig günstig waren. Nachdem wir in die Dwina eingelaufen waren, erreichten wir am Morgen des 30. Juni Archangelsk und ankerten vor der Insel Solombala. :

Als wir unsere offiziellen Besuche bei dem Gouverneur General Engelhardt und dem Vizegouverneur Fürst Gortschakoff, der an Bord der „Stella Polare“ gekommen war, gemacht hatten, begab ich mich mit dem liebenswürdigen englischen Vizekonsul, Herrn Cook, zur Besichtigung der Hunde. Beim Eintritt in ihr Gehege erhoben sie sich, wandten uns die Köpfe zu und stießen ein fürchterliches Geheul aus. Ihr Anblick war nicht sehr vertrauenerweckend; kaum aber hatte ich einen gestreichelt, so sah ich, dass sie nicht so wild waren, als es mir zuerst vorgekommen war. Sie fürchteten den Menschen, vielleicht in Erinnerung an die vielen Prügel, die sie von klein auf erhalten hatten, und wenn sie angebunden bleiben mussten, so geschah dies nur, damit sie sich nicht gegenseitig zerfleischten. Nach kurzer Zeit war dank einer guten Tracht Hiebe, welche die störrischsten bekamen, das Einvernehmen hergestellt. Sie duckten sich nieder, und ich konnte sie nun genau betrachten. Es waren 121, einer mehr als ausbedungen war. Es waren darunter weiße, weiß und schwarze, schwarze, braune, eisengraue; die einen waren von schlanken Körperbau, die anderen schwer und plump, ein Teil hatte dichtes, kurzes Haar, der andere langes, krauses; die Schnauze war bei manchen spitz, bei anderen breit. Alle hatten eine breite Brust, kräftige Beine, spitze, aufgerichtete Ohren und einen langen Schwanz, der bei den einen langhaarig, bei den anderen flockig wie das Fell war und der mehr oder weniger nach oben gekrümmt getragen wurde. Einige glichen großen Füchsen, andere Wölfen, jene bellten, diese heulten. Die größten erreichten eine Höhe von 60 Zentimeter. Infolge der Hitze haarten sie fast alle und sie waren dürr und abgemagert, sei es wegen der ungenügenden Ernährung, sei es wegen der Mückenplage oder wegen der Ermüdung von der langen Reise.

Als ich diese Tiere, auf welche für mich so viel ankam, in einem solchen Zustand erblickte, beschlich mich die große Sorge, sie könnten nicht imstande sein, den geplanten Weg zurückzulegen. Vergebens wiederholte mir Trontheim, dass ich diese Hunde nicht nach ihrem augenblicklichen Aussehen beurteilen dürfe. Es gelang ihm nicht, mich zu überzeugen, und die Märsche Pearys und Wrangels er schienen mir wie ein fernes Ideal, das sich wohl mit anderen Tieren hätte verwirklichen lassen, niemals aber mit denen, die vor mir standen. Die Meute war von Alexander Iwanoff Trontheim, einem in Russland geborenen Norweger, besorgt worden. Er war Ende Mai mit zwei anderen Leuten von Tobolsk abgereist und auf den Flüssen Tobol und Tura bis Tjumen gelangt, dann hatte er auf der Eisenbahn die Strecke von Tinmen bis Koltaß zurückgelegt, um auf der Dwina bis Archangelsk zu fahren; im ganzen war es ein Weg von 2070 Kilometer. Im ersten Drittel des Junis war er in Archangelsk eingetroffen. Längs der Küste des Nördlichen Eismeeres bedienen sich die Eingeborenen Sibiriens, die Ostjaken, Jakuten und Tschuktschen, zum Ziehen außer den Rentieren großenteils auch der Hunde. Baron Wrangel, der drei Jahre in Ostsibirien gelebt und sich auf seinen Reisen der Hunde jener Länder bedient hat, schreibt über sie „Reise des kaiserlich-russischen Flotten-Leutnants Ferdinand v. Wrangel längs der Nordküste von Sibirien und auf dem Eismeer, in den Jahren 1820 bis 1824“ [Berlin 1839], I, 212 fg.: „Unter allen im hohen Norden einheimischen Tieren nimmt der Hund in jeder Rücksicht einen der ersten Plätze ein. Dieses den Menschen gleichsam zum Gesellschafter, zum Wächter und Jagdgefährten bestimmte Geschöpf, das sich wie der Mensch in alle Klimate fügt, sich auf den Inseln der Südsee von Bananen und Kräutern und am Eismeere von Fischgräten nährt, überall ausdauert und sich nützlich erweist, hat hier eine Rolle übernehmen müssen, die ihm in den von der Natur begünstigteren Erdstrichen ganz fremd ist.

„Die Not hat die Bewohner des hohen Nordens bewogen, dieses im Vergleich mit anderen Geschöpfen scheinbar schwache Tier als Zugvieh zu benutzen. Alle an der Küste des Eismeeres, vom Ob bis zu der Beringstraße, in Grönland, Kamtschatka und auf den kurilischen Inseln lebenden Völkerschaften spannen im Winter Hunde vor ihre Schlitten und vollbringen so, mit bedeutenden Lasten, weite Reisen. „Die Hunde haben viel Ähnlichkeit mit dem Wolfe; eine lange, spitz auslaufende Schnauze, spitzige, aufrechtstehende Ohren, einen langen buschigen Schwanz; bei einigen ist das Haar glatt, bei anderen gekraust, bald schwarz, bald weißlich, rotbraun, gefleckt usw. Ebenso verschieden ist auch ihre Größe, doch hält man darauf, dass ein guter Schlittenhund nicht weniger als 1 Arschin 2 Werschok hoch und 1 Arschin 5 Werschok lang sei. Ihr Bellen gleicht mehr dem Wolfsgeheule. Sie bringen ihr ganzes Leben im Freien zu. Im Sommer graben sie sich Gruben in die Erde, um ein kühleres Lager zu haben, oder liegen, um sich der Mücken zu erwehren, den ganzen Tag über im Wasser. Gegen die grimmige Winterkälte suchen sie Schutz unter dem Schnee, wo sie sich eingraben und in tiefen Löchern zusammengekrümmt liegen, die Schnauze mit dem buschigen Schwanze bedeckt. — Jeder Familienwirt hält, außer seinen zum Fahren bestimmten Hunden, noch einen solchen nebst ein paar Hündinnen zur Nachzucht. Von ihren Jungen werden meistenteils nur die männlichen erzogen und zum Fahren gebraucht; die weiblichen aber fast alle ersäuft. Die Auffütterung und Abrichtung der Fahrhunde ist eine Hauptbeschäftigung ihrer Besitzer; beides ist eine besondere Kunst, sowie auch das Fahren und Lenken. — Die im Winter geworfenen Jungen werden zwar schon im nächstfolgenden Herbst zum Anspann gewöhnt, dürfen aber nicht vor dem dritten Jahre zu weiten Fahrten und Reisen gebraucht werden.

Die muntersten, gelehrigsten Hunde werden zu Leithunden ganz besonders abgerichtet, und da der rasche und regelmäßige Lauf des ganzen, gewöhnlich aus zwölf Hunden bestehenden Gespannes, und die Sicherheit des Reisenden von der Geschicklichkeit und Folgsamkeit dieser Leithunde abhängt, so wird die größte Sorgfalt auf ihre Abrichtung gewandt, bis sie dem Zuruf ihres Herrn folgen und selbst beim Wittern irgend eines Tieres ihren Lauf nicht ändern. Letzteres ist beim Abrichten eine der schwierigsten Aufgaben, denn selten findet man einen Hund, der seiner Natur so ganz entsagt hätte, dass er nicht der Spur eines Wildes folgen sollte; gewöhnlich stürzt der ganze Anspann der Witterung nach, und da vermag nichts sie aufzuhalten, bis irgend ein natürliches Hindernis oder ein sonstiger Umstand sie zum Stehen bringt. Bei solchen Gelegenheiten lernt man recht den Wert eines gut abgerichteten Leithundes kennen; mehrmals haben wir Gelegenheit gehabt, die Klugheit, ich möchte sagen die besonnene List, zu bewundern, mit der ein solcher die übrigen Hunde nach und nach von der Verfolgung der Wildspur abzubringen sucht, oder wenn das nicht gelingt, sich plötzlich mit veränderten Lauf und Gebelle nach der entgegengesetzten Seite wendet, als hätte er eine andere Spur entdeckt. Bei Reisen über die weite Tundra, in den dunkeln Nächten, oder wenn die ganze unabsehbare Fläche in einen undurchdringlichen Nebelschleier verhüllt ist, bei Stürmen und Schneegestöbern, wo der Reisende Gefahr läuft, vom Schnee verschüttet, zu erfrieren und sich vergebens nach einer schützenden Powarnä umsieht, da ist nur ein gut abgerichteter Leithund sein Erretter. Wenn das Tier nur einmal auf dieser Fläche gewesen ist und mit seinem Herrn in der Powarnä übernachtet hat, so findet es gewiss den Platz, wo die Hütte tief unter dem Schnee vergraben liegt; mitten auf der ungeheuren Ebene bleibt der Leithund plötzlich stehen, wedelt freundlich und zeigt seinem Herrn an, dass er mit seiner Schaufel, ohne welche niemand hier reist, nur dort nachzugraben brauche, um das gesuchte Nachtlager zu finden.

„Auch im Sommer sind die Hunde hier ebenso nützlich, indem sie bei Flussreisen die Boote stromaufwärts ziehen müssen. Es ist merkwürdig zu sehen, wie sie, wenn Halt gemacht werden soll, oder wenn es wegen eines den Weg versperrenden Felsens nötig ist, das andere Ufer zu gewinnen, dem bloßen Zuruf ihres Herrn gehorchen. Sobald der Ruf erschallt, eilen sie, die Zugleine nach sich schleppend, dem Boot zu, welches dann nach dem gegenüberliegenden Ufer hin rudert; die Hunde folgen demselben schwimmend, und sowie sie das Land erreicht haben, stellen sie sich gleich wieder in die vorige Ordnung, um auf einen zweiten Ruf das Fahrzeug weiter zu ziehen. — Selbst zu Lande werden sie nicht selten, in Ermangelung der Pferde, dazu gebraucht, bei der Vogeljagd die Boote von einem See oder Fluss zu dem anderen hinüber zu schleppen. — Kurz, der Hund ist für die ansässigen Bewohner dieser Gegend ein ebenso nützliches, unentbehrliches Haustier, als es das zahme Rentier für die nomadisierenden ist; das erkennen sie auch in vollem Maße an.“

Eine kleine Anzahl unserer Hunde glich den von Wrangel beschriebenen ostsibirischen. Sie waren nur von kleinerer Gestalt. Die anderen waren Samojedenhunde oder gehörten Kreuzungen verschiedener Rassen an. In der Gegend des unteren Ob, zwischen Ostsibirien und dem Samojedengebiet, wo Trontheim sie erstanden hatte, konnten sich Hunde aus dem einen wie aus dem anderen Teile Sibiriens und ebenso Hunde, die aus Kreuzungen zwischen den östlichen und den westlichen Rassen stammten, vorfinden. Obgleich alle von Trontheim besorgten Hunde zum Ziehen der Schlitten abgerichtet waren, zeigte sich doch später die gewaltige Überlegenheit in der Widerstandsfähigkeit und Kraft des Hundes, der mehr dem von Wrangel beschriebenen Typs glich. So viele Tiere auf dem Deck unterzubringen, war keine leichte Aufgabe, da nur noch wenig Platz zur Verfügung stand. An den Schiffswänden wurden auf beiden Seiten zwei Reihen von Käfigen übereinander angebracht. Das erste Stockwerk ruhte auf dem Deck, das andere befand sich in ein Meter Höhe. Die Käfige waren voneinander durch Bretterwände getrennt. Hier hinein wurden die Hunde zu je vier verteilt und mit Ketten an den Ecken angeschlossen, so dass sie sich nur bewegen konnten, um zu fressen und zu saufen, aber verhindert waren, sich zu beißen. Da der Boden und die Käfige mit Gittern und Wachsleinwand bedeckt waren, konnte man die Käfige waschen und dabei die Hunde vollständig trocken halten. Die Einrichtung bewährte sich vorzüglich, und dank ihr brachten die Tiere einen Monat an Bord zu, ohne allzu sehr zu leiden. Da sie ruhig und stets reinlich blieben, so hatten wir zu unserer großen Befriedigung keine besonderen Unannehmlichkeiten. Am Morgen des 3. Juli wurden wir durch eine angenehme Nachricht geweckt. Graf Oldofredi, Graf Rignon, Cavaliere Silvestri und Oberst Nasalli waren aus Moskau angelangt. Graf Oldofredi überbrachte mit den Grüßen Ihrer Majestäten auch viele Geschenke der Königin und der Herzoginnen Lätitia und Elena von Aosta. Dem Beispiel anderer Expeditionen folgend, hatten sie vor der Abfahrt des Schiffes beschlossen, verschiedene Geschenke in Kistchen zu verpacken, die bei bestimmten Gelegenheiten an Offiziere und Mannschaft verteilt werden sollten. An diesen angenehmen Besuch schloss sich am folgenden Tage der Seiner Excellenz des Botschafters Grafen Morra di Lavriano, der mir auch den auf dem Zylinder eines Phonographen aufgenommenen Gruß des Personals der Botschaft in Petersburg überbrachte. General Morra reiste am nämlichen Abend wieder ab; er hinterließ bei uns allen und namentlich bei mir eine dankbare Erinnerung an seinen Besuch. Am 9. Juli begrüßte das flaggengeschmückte Schiff den vorüberfahrenden Großfürsten Wladimir, der von Katharinenhafen zurückkehrte. Er hatte die Güte an Bord zu kommen, um das Schiff zu besichtigen und der Expedition einen guten Erfolg zu wünschen. Obgleich die „Stella Polare“ zur Abfahrt in die Polargegenden bereit lag, war sie doch nicht in der Verfassung, fürstliche Besuche empfangen zu können. Das Verdeck und die Innenräume waren mit Gegenständen angefüllt, und erst am Abend zuvor hatte man mit der Kohlenübernahme aufhören müssen, mit Rücksicht auf den Tiefgang des Schiffes, welcher die für die Schifffahrt auf der Dwina zulässige Höchstgrenze erreicht hatte.

 

 

Drittes Kapitel. In der Barents- und Königin-Viktoria-See.