Die Tagebücher - Richard Burton - E-Book

Die Tagebücher E-Book

Richard Burton

0,0
26,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Schauspieler, Jetset-Prominenter und Mann von Elizabeth Taylor - Richard Burton zählt zu den Weltstars der 1960er und 1970er Jahre. Seine Tagebücher von 1965 bis 1972 sind das Zeugnis eines Filmstars, der sich zwischen der Höhe seines Ruhms und Reichtums und der Tiefe seiner Abstürze befindet. Die Lebensaufzeichnungen Burtons wurden von seiner vierten Frau und Witwe Sally im Jahre 2007 an die Swansea University in Wales übergeben und sind nach fünfjähriger Aufarbeitung 2012 mit großem Echo in England erschienen. Nun liegen sie zum ersten Mal auf Deutsch vor. Die Tagebücher geben einen neuen und anderen, intimen Einblick in Burtons und Taylors Leben, ihre turbulente Beziehung und in die Glamourwelt von Theater, Film und Prominenz, die sie bewohnten. Burton erweist sich in den Tagebüchern als gebildeter, feinfühliger und äußerst witziger Chronist seines Lebens und seiner Zeit, der nicht nur ein Talent zum Schauspielern hatte, sondern auch noch etwas ganz anderes konnte: schreiben.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



RICHARDBURTON

DIE TAGEBÜCHER

HERAUSGEGEBEN UND MIT EINER EINLEITUNG VON CHRIS WILLIAMS

AUS DEM ENGLISCHEN VON STEFFEN JACOBS, ANNA-CHRISTIN KRAMER, ANNA-NINA KROLL, NICOLAI VON SCHWEDER-SCHREINER, ARMGARD SEEGERS& ANDREAS SIMON DOS SANTOS

Die englische Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel »The Richard Burton Diaries« bei Yale University Press, New Haven und London. Copyright © Swansea University.

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage, Oktober 2013

Copyright © 2013 Haffmans & Tolkemitt GmbH, Inselstraße 12, D-10179 Berlinwww.haffmans-tolkemitt.de

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografi schen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Internet, auch einzelner Text- und Bildteile, sowie der Übersetzung in andere Sprachen.

Lektorat: Katharina Theml, Büro Z, Wiesbaden. Korrektorat und Register: Ekkehard Kunze, Büro Z, Wiesbaden. Umschlagbild: © Douglas Kirkland/Corbis. Umschlaggestaltung: Hendrik Hellige. Herstellung von Urs Jakob, Werkstatt im Grünen Winkel, CH-8400 Winterthur. Satz: Kösel, Krugzell. E-Book Konvertierung: Calidad Software Services, Puducherry, India

ISBN 978-3-942989-54-1E-Book ISBN: 978-3-942989-58-9

INHALT

Anmerkung zur Druckfassung

Einleitung von Chris Williams

DIE TAGEBÜCHER

1965

1966

1967

1968

1969

1970

1971

1972

ANHANG

Dank

Filmografie

Personenregister

Ortsregister

ANMERKUNGZUR DRUCKFASSUNG

Die hier vorgelegte deutsche Druckfassung der Tagebücher ist etwas kürzer als die englische Ausgabe. Die Jahre 1939/40 sowie die wenigen Eintragungen aus 1960 wurden weggelassen, da es sich bei diesen nur um kurze Notizen und kein fortlaufendes Tagebuch handelt; auch zwischen 1975 und 1980 hat Burton nur noch sporadisch Tagebuch geführt. Die deutsche Ausgabe umfasst das Tagebuchwerk Richard Burtons zwischen den Jahren 1965 und 1972 – in dieser Zeit führte Burton sein Tagebuch am intensivsten, und die Lektüre versetzt den Leser daher direkt in sein aktives Schauspieler- und Beziehungsleben.

Der Gesamtumfang des Textes der englischen Druckfassung wurde von den englischen Herausgebern etwa um ein Viertel gekürzt. In sehr wenigen Fällen bedeutete dies die Auslassung eines gesamten Tageseintrags, zumeist jedoch handelt es sich um die Entfernung weniger interessanten, sich wiederholenden oder offenkundig belanglosen Materials. Solche editorischen Kürzungen sind durch eckige Klammern mit Auslassungspunkten gekennzeichnet und sollten nicht mit Burtons gelegentlicher Praxis verwechselt werden, eine Auslassung durch Gedankenstriche mit dazwischen gesetzten Auslassungspunkten zu markieren.

EINLEITUNG

»Er ist ein zutiefst gebildeter und bemerkenswert unbefangener Mensch. Er verbindet in ungewöhnlichem Maß Bildung und Intuition. Er ist ein brillanter Schauspieler (tatsächlich ist er Schau spieler durch und durch), aber auch ein Feind des Vulgären und ein Mann, der mit der Langeweile im Hader liegt. Weder glaubt er an eine gesellschaftliche Elite, noch wird er sich in einem Elfenbeinturm verkriechen. Er ist ein Arbeiter mit Geist, aber was bleibt, ist der Arbeiter. Glücklicherweise ist er in keiner Hinsicht ein Snob. … Er mag, worum ich ihn beneide, aufrichtig jeden Menschenschlag. Er ist kultiviert, ohne zynisch zu sein. Er ist großzügig, ohne sich selbst größer zu machen. Er ist ein erstklassiger Schauspielkollege, dessen Persönlichkeit ich rückhaltlos bewundere.«

William Redfield über Richard Burton, 1964

»Tagebücher? Autobiografie? Die Zeit wird Aufschluss geben und hält vielleicht eine Überraschung parat.«

Emlyn Williams beim Gedenkgottesdienst für Richard Burton, St. Martin-in-the Fields, London, 30. August 1984

Diese Einleitung zu Richard Burtons Tagebüchern dient einer Reihe von Zwecken. Zunächst skizziert sie in groben Zügen das Leben von Richard Jenkins, später Richard Burton, von seiner Geburt 1925 bis zum Jahr 1965, dem Beginn seiner »Tagebuchjahre«.

Der zweite Abschnitt befasst sich mit Herkunft und Zweck der Tagebücher. Warum führte Burton sie? Welches Publikum schwebte ihm vor? Inwieweit lassen sich Lücken bei den Einträgen erklären?

Der dritte Teil weitet diese Überlegungen aus und fragt nach dem Wert der Tagebücher insbesondere im Kontext der vielen Biografien von Burton und Elizabeth Taylor, die für sich in Anspruch nehmen, die Geschichte eben dieser Zeit zu erzählen. In welchem Maße, so ist zu fragen, korrigieren sie frühere Publikationen? Lässt sich in den Tagebüchern eine tiefere »Wahrheit« entdecken als in Burtons vielen Interviews, oder sind sie Übungen in Selbstbetrug, denen man nicht mehr über den Weg trauen darf als anderen Quellen?

Am Ende folgt noch ein Wort über die Grundsätze, nach denen die Tagebücher ediert und für die Publikation vorbereitet wurden.

RICHARD BURTON: EINE BIOGRAFISCHE SKIZZE, 1925–1965

Richard Walter Jenkins wurde am 10. November 1925 im Haus der Familie im Dorf Pontrhydyfen im Afan-Tal in der walisischen Grafschaft Glamorgan geboren. Sein Vater, 1876 am selben Ort zur Welt gekommen, hieß ebenfalls Richard Walter Jenkins und war Bergmann. Seine Mutter, die 1883 als Edith Maud Thomas das Licht der Welt erblickte, war Schankkellnerin gewesen und stammte aus Llangyfelach im Norden von Swansea rund zehn Kilometer westlich von Pontrhydyfen. Richard senior und Edith heirateten im Jahr 1900. Ihr ältestes Kind, Thomas Henry, wurde 1901 geboren. Bis 1925 folgten vier weitere Söhne – Ivor (*1906), William (*1914), David (*1914) und Verdun (*1916) – sowie vier Töchter: Cecilia (*1905), Hilda (*1918), Catherine (*1921) und Edith (*1922). Zwei weitere Töchter, beide mit Namen Margaret Hannah, starben im Kindesalter (1903 bzw. 1908). Richard junior war also das zwölfte Kind und der sechste Sohn einer selbst für Bergmannsfamilien Anfang des 20. Jahrhunderts überaus fruchtbaren Ehe.

Pontrhydyfen war ein Bergbaudorf. Die Bergwerke waren der Hauptarbeitgeber der Gegend, wenn es auch ein paar Kilometer weiter südlich in Cwmafan und Port Talbot eine größere Vielfalt von Industriearbeitsplätzen gab. In der Hochzeit des Bergbaus unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Pontrhydyfen eine große Zeche mit Stollenmine namens Cynon Colliery, wo 700 Männer beschäftigt wurden, sowie die Zechen Merthyr Llantwit und Argoed, von denen jede etwa 100 Männern Arbeit gab. Kleinere Unternehmen, die je etwa 20 Männer beschäftigten, wurden in Graig Lyn und Wern Afon betrieben. Es gab noch andere Bergwerke in der Umgebung bei Cymmer im Norden sowie im Süden in Cwmafan.

Die steilen Talhänge bestimmen von jeher die Landschaft der Gegend und geben der Region ein voralpines Gepräge. Zwei große Viadukte steigern die dramatische Wirkung noch: eine siebenbögige Eisenbahnbrücke aus rotem Backstein und, das Haus der Familie Jenkins überragend, das frühere Bont-Fawr-Aquädukt, mit dem Wasserräder in der seit langem geschlossenen Oakwood-Eisenhütte betrieben wurden. Dieses vierbögige Bauwerk aus Pennant-Sandstein trug 1925 einen schmalen Weg.

Pontrhydyfen verfügte über die üblichen Einrichtungen einer südwalisischen Bergwerksgemeinde. Es gab einen Pub (Miner’s Arms), einen Genossenschaftsladen, eine Grundschule, eine anglikanische Kirche (St. John’s) und zwei nicht-anglikanische Kirchen. Die Jenkins-Familie ging in die Bethel Welsh Baptist Church. In Burtons Familie wurde zu Hause Walisisch gesprochen, alle bis auf die jüngsten Kinder beherrschten jedoch auch fließend Englisch.

1925 hatte der südwalisische Kohlebergbau seine besten Tage hinter sich. Die Kohle des Reviers war immer hochwertig, aber auch, hauptsächlich aufgrund geologischer Faktoren, teuer gewesen. Viele ihrer bevorzugten Exportmärkte waren im Ersten Weltkrieg verloren gegangen oder wurden nun von Konkurrenten bedroht, die zu günstigeren Preisen liefern konnten. Langwährende strukturelle Schwierigkeiten wurden 1925 durch die Rückkehr zum Goldstandard verschärft, was den Export verteuerte, durch die Deutschland eingeräumte Vergünstigung, seine Reparationen gemäß dem Versailler Vertrag zum Teil in Form von Kohle abzugelten, sowie durch eine Reihe von Streiks, darunter eine dreimonatige Arbeitsniederlegung 1921. Eine große Auseinandersetzung wurde 1925 mit knapper Not vertagt, doch erschien eine letzte Machtprobe zwischen den notorisch unnachgiebigen Arbeitgebern der Kohleindustrie und den ebenso widerborstigen Gewerkschaften unausweichlich.

Die Krise des Kohlebergbaus hatte für Familie Jenkins nachhaltige Folgen, denn nicht nur Richard senior arbeitete unter Tage, auch seine Söhne Tom, Ivor, Will, David und Verdun waren Bergleute geworden. 1926, das Jahr nach Richards Geburt, erwies sich für die Kohleindustrie als traumatisch. Ein siebenmonatiger Streik hatte verheerende Auswirkungen auf das südwalisische Kohlerevier und stürzte viele Familien in Elend und Schulden. Die Zeche von Richard Jenkins senior wurde genau wie die meisten anderen in unmittelbarer Nachbarschaft geschlossen, sodass er gezwungen war, eine Reihe von Gelegenheitsarbeiten anzunehmen.

Doch so groß das Elend im Kohlerevier auch war, im Jahr 1927 ereilte Familie Jenkins ein noch schlimmeres Unheil. Am 25. Oktober gebar Richards Mutter Edith ihr dreizehntes Kind, Graham. Sechs Tage später erlag sie im Alter von 44 einer Sepsis.

An der Reaktion der Jenkins-Familie auf diesen Schicksalsschlag offenbarten sich sowohl ihre Stärken wie ihre Schwächen. Richard senior – von jeher ein schwerer Trinker und Spieler, der seine Ausgaben nicht im Griff hatte – fehlte offenbar das nötige Verantwortungsgefühl. Zum Glück galt das nicht für seine älteren Kinder, und so kam der neugeborene Graham ein paar Kilometer entfernt bei Bruder Tom und dessen Frau Cassie in Cwmafan in Pflege. Der zweijährige Richard wurde noch weiter fortgeschickt: nach Taibach, ein Bezirk von Port Talbot an der Küste, wo er bei Schwester Cecilia (»Cis« oder »Cissie«) und ihrem Ehemann Elfed James unterkam.

Cis war 20 Jahre älter als ihr Bruder. Sie war alt genug, um seine Mutter zu sein und übernahm diese Rolle in vieler Hinsicht. Sie und Elfed waren beim Tod Ediths erst seit vier Monaten verheiratet und lebten in einem Reihenhaus in der Caradog Street in Taibach. Elfed James war, wie so viele andere, Bergmann und fuhr täglich in die Zeche Goitre gleich nördlich von Taibach ein. Er und Cis hatten sich in der (kongregationalistischen) Gemeinde der Gibeon Welsh Independent Chapel kennengelernt, wo Elfeds Vater Diakon war. Elfed war zwar des Walisischen mächtig, fühlte sich aber anscheinend im Englischen am wohlsten, und so sprach man im James-Haushalt wie im Großteil von Taibach und Port Talbot Englisch. Ein Jahr, nachdem sie Richard zu sich genommen hatte, kam im November 1928 Marian zur Welt, Cis’ und Elfeds erstes eigenes Kind. Eine zweite Tochter, Rhianon, folgte im Dezember 1931.

Im Alter von fünf kam Richard auf die Eastern Primary School, mit acht wechselte er auf die Eastern Boys’ School. Er war ein begabter, wenn nicht herausragender Schüler mit einem starken Interesse an Sport (besonders Rugby) und Büchern. Er nutzte ausgiebig die örtliche Leihbibliothek an der Station Road. Richards Neigungen wurden von Meredith Jones, einer seiner Lehrerinnen an der Boys’ School, gefördert, und im Juni 1937 bestand er die Prüfung für ein Stipendium an der Port Talbot Secondary School, eine von zwei Oberschulen der Stadt. Das war eine beachtliche Leistung: Die meisten Jungen besonders aus der Arbeiterklasse, wie Richard es eindeutig war, gingen diesen Schritt nicht, selbst wenn sie begabt genug waren.

Wie es scheint, machte Richard in seiner neuen Umgebung Fortschritte und blühte auf. Seine schulischen Leistungen waren vielversprechend, am deutlichsten traten in den frühen Jahren auf der Oberschule aber wohl seine sportlichen Talente zutage. Er war als fähiger Außenstürmer beim Rugby anerkannt, aber auch ein guter Cricketspieler. Nach Misshelligkeiten in der Gemeinde von Gibeon Chapel folgten Cis und Elfed 1933 ihrem vergraulten Pastor Dr. John Caerau Rees in eine neugegründete Gemeinde, Noddfa (»Zuflucht«), die ursprünglich in dessen eigenem Haus zusammenkam, später in der Bibliothek in Taibach. 1939 öffnete Noddfa schließlich ein eigenes Gemeindehaus an der Station Road, das Richard an den meisten Sonntagen besuchte. Die Gemeinde bot weit mehr als Gottesdienste und war in vielerlei Hinsicht noch wichtiger als Ort des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Richard lernte Orgel spielen und entwickelte ein Talent für Gesang und Rezitation, das er bei vielen der walisischen Literatur-, Musik- und Gesangsfeste, den sogenannten Eistedd fodau, die in Afan und den nahegelegenen Tälern veranstaltet wurden, vorzeigen konnte.

In Richards frühen Jahren war das Geld im Hause James anscheinend knapp. Die Familie zog Anfang der 30er Jahren ein paar 100 Meter die Caradog Street hinauf in ein reizvolleres, halb freistehendes Haus, das sie ganz für sich hatte. Davor hatte sie zur Miete gewohnt, nun war eine Hypothek abzubezahlen. Doch eine regelmäßige, gut bezahlte Beschäftigung war nicht leicht zu finden bzw. zu halten, und die finanzielle Lage oft prekär. Richard verdiente sich mit Jobs etwas Taschengeld: Er trug Zeitungen aus, sammelte Altpapier als Verpackung für Fish and Chips und Tierdung von den Hängen oberhalb von Taibach, den er als Gartendünger verkaufte. Von dem Verdienst ging er fast wöchentlich ins Kino, kaufte sich Bücher und Kleidung.

Blickte Richard 1940 trotz des Kriegs, der auf dem Kontinent und am Himmel über Port Talbot wütete, noch in eine hellere Zukunft, so verdüsterte sich 1941 das Bild. Im April dieses Jahres verließ er aus heiterem Himmel die Schule und gab, zumindest fürs Erste, seine schulischen Ambitionen auf. Der Plan, im Juni seine Abschlussprüfung abzulegen, wurde fallen gelassen, stattdessen nahm er eine Stelle in der Herrenbekleidungsabteilung der genossenschaftlichen Großhandelsgesellschaft von Taibach gleich auf der anderen Straßenseite der Bibliothek und der Noddfa-Kirche an der Station Road an. Der Grund dafür war offenbar eine finanzielle Krise im James-Haushalt, nachdem sein Schwager Elfed erkrankt war und seine Arbeit verloren hatte; zum Teil mochte für die Schwierigkeiten auch der Einbruch der Kohleindustrie infolge der Besetzung Frankreichs im Jahr 1940 verantwortlich gewesen sein. Die Familie James hatte Einfluss in der Kooperative, eine mächtige Institution mit über 6500 Mitgliedern und neun Zweigstellen in der Region; später stieg Elfed in ihre Geschäftsleitung auf.

Zu Richards Glück war diese Unterbrechung nur von kurzer Dauer. Seine alte Lehrerin Meredith Jones sah weiter nach dem Rechten und drängte ihn, in die Schule zurückzukehren. Zu seinen Förderern gehörte auch County Councillor Llewellyn Heycock, Schulbeirat an Richards Oberschule und Vorsitzender des Glamorgan Education Committee, sowie Leo Lloyd, Leiter der Theatergruppe des Taibach Youth Club. Rektor C. T. Reynolds war zwar nicht begeistert, Richard wieder aufzunehmen, tat es jedoch im September 1941 dennoch.

Es war in diesem letzten Abschnitt von Richards schulischer Karriere, in dem sich der Einfluss des Englischlehrers Philip Burton am stärksten geltend machte. Richard kannte Burton schon von seiner Teilnahme an der Schulaufführung von George Bernard Shaws Der Kaiser von Amerika, aber erst nach seiner Rückkehr in die Schule im Herbst 1941 entspann sich ein engeres Verhältnis zwischen den beiden.

Philip Burton wurde 1904 in Mountain Ash in der Grafschaft Glamorgan geboren. Seine Eltern waren englischer Herkunft, die Familie gehörte der anglikanischen Kirche an. Obwohl Philip seinen Vater schon mit 14 durch ein Grubenunglück verlor, schaffte er es zum Studium an das University College of South Wales and Monmouthshire in Cardiff und legte ein doppeltes Examen in Mathematik und Geschichte ab. Nach dem Studium nahm er 1925 eine Stelle als Lehrer an der Port Talbot Secondary School an und entwickelte ein starkes Interesse für das Theater und die Nachwuchsförderung. Stücke von ihm wurden veröffentlicht und von BBC Radio als Hörspiele dramatisiert, und als Regisseur brachte er eine Reihe gelungener Aufführungen an der Schule und am Talbot YMCA, dessen Vorsitzender er geworden war, auf die Bühne. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er Hauptmann der Luftwaffe und baute als Kommandeur die Port-Talbot-Staffel des Flugausbildungscorps auf.

Zwischen Herbst 1941 und Frühjahr 1943 entwickelte sich zwischen Richard Jenkins und Philip Burton eine starke, wechselseitig fruchtbare Beziehung. Burton war ein sehr gebildeter Mann, der großzügig seine Zeit zur Verfügung stellte. Richard besaß einen beträchtlichen Ehrgeiz, etwas zu leisten und im Leben voranzukommen. Erst schien sich der Sport als bester Weg nach vorn anzubieten, aber unter Ermutigung und Anleitung von Philip Burton eröffnete sich nun eine akademische Perspektive. Vielleicht war Philip Burton für Richard in mancher Hinsicht eine Art Ersatzvater – zu einer Zeit, als seine Beziehung zu seinem Schwager möglicherweise angespannt war.

Burton bereitete es große Freude, junge Talente zu fördern und sich für sie einzusetzen. Sein früherer Protegé Owen Jones hatte ein Stipendium der Royal Academy of Dramatic Art bekommen und trat in Shakespeare-Produktionen im Old Vic in London an der Seite von Laurence Olivier auf.

Richard und Philip verbrachten innerhalb und außerhalb der Schule bald viel Zeit miteinander. Richard wurde in einer Reihe von Theateraufführungen der Schule, des YMCA und des Flugausbildungscorps besetzt, und Burton beriet ihn bei der Stimmbildung und der Anpassung seines Akzents. Als im März 1943 in Philip Burtons Unterkunft in der Connaught Street in Port Talbot ein Zimmer frei wurde, zog Richard dort ein.

Die Beziehung zwischen Richard und Philip erhielt im Dezember 1943 einen rechtlichen Rahmen, als Philip bis zum Erreichen der Volljährigkeit mit 21 Jahren Richards Vormund wurde. Auch eine Adoption war in Erwägung gezogen worden, aber Philip fehlten 20 Tage am gesetzlich verlangten Mindestaltersunterschied von 21 Jahren. Von nun an benutzte Richard den Nachnamen Burton, und als Richard Burton wurde er dann einem breiteren Publikum bekannt.

Von nun an veränderte sich Richards Welt, sein Horizont weitete sich beträchtlich. Im Sommer 1943 bestand er die Abschlussprüfung (in Englisch, Geschichte, Geografie, Walisisch, Mathe und Chemie) mit dem erforderlichen Notendurchschnitt für die Immatrikulation an einer Universität. Unter den Fittichen der Royal Air Force erhielt er die Zulassung zu einem Kurzstudium an der Universität Oxford über eine Dauer von sechs Monaten, das im Frühjahr 1944 begann. In der Zwischenzeit hatte er sein professionelles Debut als Schauspieler.

Philip Burton hatte bei dem Dramenautor und Schauspieler Emlyn Williams, der walisischsprachige Schauspieler für eine Produktion von The Druid’s Rest suchte, ein Vorsprechen arrangiert. Richard bekam die Rolle und trat ab dem 22. November 1943 im Liverpooler Royal Court Theatre und ab dem 26. Januar 1944 in London auf. In Oxford spielte er bei der Inszenierung von Maß für Maß der Friends of Oxford University Dramatic Society mit, die in den Kreuzgängen von Christ Church unter der Regie von Nevill Coghill aufgeführt wurde.

Die Einziehung zum Kriegsdienst unterbrach Richards Theaterkarriere. Als sein kurzer Aufenthalt im Exeter College in Oxford zu Ende ging, begann er eine Ausbildung zum Navigator bei der Royal Air Force Babbacombe in der Nähe von Torquay. Es gab weitere Abordnungen, darunter nach Heaton Park in der Nähe von Manchester, und gelegentlich wurde Richard beurlaubt, um in einer von Philip Burtons Hörspielproduktionen für BBC Radio aufzutreten. Im Mai 1945 befand er sich auf einem Schiff Richtung Kanada zu einer weiteren Schulung, als der Krieg in Europa zu Ende ging. Burton blieb in Kanada, um sich für mögliche Bombenangriffe auf Japan ausbilden zu lassen, kam aber bis Kriegsende im August 1945 zu keinem Kampfeinsatz.

Es vergingen 28 Monate nach dem Ende des Krieges, bis Richard Burton aus der Royal Air Force entlassen wurde. Die meiste Zeit davon verbrachte er auf Stützpunkten der RAF in Großbritannien – in Norfolk, Gloucestershire und Wiltshire –, trotzdem konnte er mit gelegentlichen Arbeiten für Radio und Fernsehen die Schauspielerei in Gang halten.

Am 16. Dezember 1947 wurde Burton schließlich demobilisiert. Er folgte einem Angebot, das er 1943 in Oxford erhalten hatte, und trat an Hugh »Binkie« Beaumont von der Casting-Agentur H. M. Tennent heran. So begann seine hauptberufliche Schauspielerkarriere mit einer vertraglichen Wochengage von zehn Pfund. Vom 24. Februar 1948 an spielte Burton im Lyric Theatre im Londoner Stadtteil Hammersmith and Fulham unter der Regie von Daphne Rye in einer Produktion von Anna Castle den Mr. Hicks. Weitere Rollen folgten: in Dark Summer und Shaws Kapitän Brassbounds Bekehrung. Dabei blieb Burtons Aktivität nicht auf das Theater beschränkt: Emlyn Williams besetzte ihn für die Rolle des Gareth in seinem Film The Last Days of Dolwyn, der 1949 in die Kinos kam.

Bei den Dreharbeiten zu Dolwyn lernte Burton seine erste Frau Sybil Williams kennen. Sie war fünf Jahre jünger als Burton und stammte wie er aus dem Kohlerevier von Südwales; ihr Vater war Obersteiger in Tylorstown in Rhondda Fach gewesen. Sybil hatte die Londoner Academy of Music and Dramatic Art besucht und spielte in Dolwyn eine kleine Nebenrolle. Die beiden heirateten am 5. Februar 1949 im Standesamt Kensington und begannen ihr Eheleben in einem gemieteten Zimmer in Daphne Ryes Haus in Fulham. Später zogen sie in die Lyndhurst Road, Hampstead. Nicht lange nach ihrer Heirat gab Sybil die Schauspielerei auf.

Von Anfang an strebte Richard Burton eine zweigleisige Karriere als Bühnen- und Filmschauspieler mit Auftritten im Radio an, eine Vielseitigkeit, die er beibehielt, als sich die ersten Erfolge einstellten. Er reüssierte eindrücklich in Christopher Frys Stücken Der Hirt mit dem Karren sowie Die Dame ist nicht fürs Feuer, das nicht nur in London, sondern auch in New York zur Aufführung kam. Er erhielt lukrative Gagen für Auftritte in britischen Filmproduktionen wie Now Barabbas (1949), Schicksal zwischen Ebbe und Flut (1950), The Woman with No Name (1950) und Green Grow the Rushes (1951). Aber was Burton wirklich auf den Weg zum großen Schauspieler brachte, waren die Shakespeare-Rollen, die er ab 1951 übernahm, zuerst in Stratford-upon-Avon, später am Old Vic in London. Burton tat sich im Historienzyklus unter der Regie von Anthony Quayle in Stratford 1951 besonders als Prinz Heinrich und Heinrich V. hervor, was die Produktionsfirma Twentieth Century-Fox auf ihn aufmerksam machte, die ihn vom ungarisch-britischen Regisseur und Filmproduzenten Alexander Korda ablöste.

1952 ging Burton nach Hollywood und spielte an der Seite von Olivia de Havilland in Meine Cousine Rachel (dt. 1953), was ihm seine erste Nominierung für einen Academy Award eintrug. Darauf folgte Die Wüstenratten (1953) und dann eine weitere Nominierung für einen Academy Award (diesmal als bester Schauspieler statt als bester Nebendarsteller) für Das Gewand (1953). Zu dieser Zeit traf Burton zum ersten Mal Elizabeth Taylor, damals verheiratet mit dem Schauspielkollegen Michael Wilding.

Die folgenden drei Jahre wechselte er zwischen Filmrollen und Bühnenengagements hin und her. Er feierte am Old Vic 1953 und 1954 rauschende Erfolge in den Inszenierungen von Hamlet und Coriolanus, 1955 in Heinrich V. und 1956 in Othello. Seine Filmbilanz war durchwachsener: Die Streifen, die er zwischen 1954 und 1956 bei Twentieth Century-Fox drehte – König der Schauspieler, Alexander der Große, Der große Regen, Treibgut der Leidenschaft –, waren nicht so erfolgreich wie erwartet und konnten ihn nicht als einen der »führenden Männer« Hollywoods etablieren. Vielleicht war seine größte fassliche Leistung in dieser Zeit (fasslich in dem Sinn, dass wir anders als von den Bühnenauftritten noch eine Aufnahme davon besitzen) sein Auftritt in Dylan Thomas’ Hörspiel Under Milk Wood (dt. Unter dem Milchwald), das die BBC im Januar 1954 produzierte.

Das Jahr 1957 brachte eine große Veränderung in Burtons Leben. An fang des Jahres zogen er und Sybil in das kleine Schweizer Dorf Céligny in der Nähe von Genf, wo sie eine Villa kauften, die sie Le Pays de Galles nannten (»Wales« auf Französisch). Obwohl er häufig woanders lebte, sollte sie bis zu seinem Tod Burtons Zuhause bleiben. Der Schritt erfolgte aus steuerlichen Gründen und sorgte dafür, dass er von nun an in jedem Jahr nur 90 Tage in Großbritannien verbringen konnte. Das beendete praktisch seine Bühnenkarriere in England und verpflichtete ihn stärker auf Filmprojekte, besonders solche, die sich außerhalb von Großbritannien drehen ließen. Im März 1957 starb sein leiblicher Vater (im Alter von 81) daheim in Wales, aber Richard reiste nicht zu seiner Beerdigung. Sechs Monate später wurden Richard und Sybil nach einigen Jahren frustrierten Wartens Eltern: Tochter Kate kam am 10. September zur Welt; ein zweites Kind, Jessica, wurde am 26. November 1959 geboren.

Obwohl wohnhaft in der Schweiz, arbeitete Burton weiterhin hauptsächlich in den USA und, in geringerem Maße, in Großbritannien. Es folgten weitere mittelmäßige Filme – Jeder zahlt für seine Schuld, Titanen (beide 1960) –, aber auch ein bemerkenswerter Erfolg: die Rolle des Jimmy Porter in der Kinoadaption von John Osbornes Blick zurück im Zorn. Osborne schrieb auch das Drehbuch für die BBC-Fernsehproduktion A Subject of Scandal and Concern von 1960, in der Burton die Hauptrolle spielte.

Ebenfalls 1960 übernahm Burton den Part des König Artus im Musical Camelot, das nach einigen Wochen in Toronto und Boston am 3. Dezember am Broadway aufgeführt wurde. Es war ein Riesenerfolg und passte perfekt zum Zeitgeist der Präsidentschaft von John F. Kennedy (Burton wurde ins Weiße Haus eingeladen und freundete sich besonders mit Robert Kennedy an). Inklusive eines Auftritts in der Ed Sullivan Showgewann Burton damit eine öffentliche Präsenz in den USA zurück, wie er sie seit 1953 nicht mehr genossen hatte. 1961 erhielt er einen Preis vom New York Drama Critic’s Circle (einen »Tony«) für die beste Darstellung in einem Musical. Burtons Referenzen für »Starqualitäten« und Verve waren praktisch wiederhergestellt, und sein bravouröser Auftritt in Camelot trug ihm unmittelbar das Angebot von Twentieth Century-Fox ein, die ursprünglich Stephen Boyd zugedachte Rolle des Mark Anton in der Großproduktion Cleopatra zu übernehmen, die in Schwierigkeiten steckte.

Im September 1961 flog Burton nach Rom, um zur Besetzung zu stoßen, zu der Elizabeth Taylor in der Titelrolle und Rex Harrison als Julius Cäsar gehörten. Sybil und die Kinder reisten ihm nach, und die Familie teilte sich eine Villa mit Roddy McDowall, der ebenfalls wegen seiner Rolle in Camelot für die Produktion verpflichtet worden war. Im Januar 1962 spielte Burton seine ersten Szenen an der Seite von Taylor, und zwischen beiden entwickelte sich rasch eine Liebesbeziehung.

Taylor, sechseinhalb Jahre jünger als Burton, war zu dieser Zeit der größte weibliche Hollywoodstar, ein Rang, den ihr nur noch Marilyn Monroe streitig machte. Sie war im dritten Ehejahr mit ihrem vierten Ehemann, dem Sänger Eddie Fisher. Zuvor war sie mit Conrad »Nicky« Hilton verheiratet gewesen (1950/51), Michael Wilding (1952 – 1956) und Michael Todd (1957/58). Sie war Mutter dreier Kinder: Michael (*1953) und Christopher (*1955) mit Michael Wilding; und Liza (*1957) mit Mike Todd. Sie und Fisher waren dabei, ein deutsches Mädchen namens Maria zu adoptieren.

Außereheliche Beziehungen waren Burton durchaus nicht fremd, einige wie die mit Claire Bloom und Susan Strasberg waren ziemlich ernst gewesen. Sybil hatte diesen Zustand offenbar akzeptiert, zuversichtlich, dass Richard die Sicherheit seiner Ehe nie verlassen oder den Verlust seiner Kinder riskieren würde. Dieses Mal jedoch entwickelten sich die Dinge anders. Die Ehe von Taylor und Fisher war brüchiger, und Taylor zögerte nicht lange, sie zu beenden. Burton war ohne Zweifel hin- und hergerissen. Von Schuldgefühlen geplagt, doch zugleich von Taylor eingenommen, führte er in der ersten Hälfte 1962 ein sehr offenkundiges Doppelleben. Er gab wiederholt öffentliche Erklärungen ab, in denen er jede ernste Absicht in seiner Beziehung zu Taylor abstritt, wurde jedoch immer wieder in ihrer Gesellschaft abgelichtet.

Zeitgenössische und spätere Darstellungen der Liebe zwischen Burton und Taylor sind Legion. Biografen zeichnen häufig ein sympathischeres oder nachsichtigeres Bild von der Haltung der beiden während dieser Zeit, unterstellen aber auch immer wieder einmal ein unterschiedliches Maß an Berechnung der Protagonisten. In Burtons Tagebüchern findet sich praktisch kein Kommentar, der Einblick in sein Verhältnis zu Taylor gewährt, doch nach den wenigen Hinweisen zu urteilen, fällt es schwer, in seiner Beziehung zu Taylor die Sucht nach Ruhm und Reichtum zu erkennen, wie einige meinten. Was genau in Burton zu jedem Zeitpunkt in dieser schließlich 15 Monate währenden Phase vorging, als er zwischen Ehefrau und Kindern und seiner Geliebten hin- und herschwankte, ist wohl un möglich zu beurteilen. Alles, sein Zögern, sein Schwanken und sein offenbar exzessiver Alkoholgenuss, scheint jedoch darauf hinzudeuten, dass ihm bewusst war, wie folgenschwer seine bevorstehende Entscheidung sein würde.

Schließlich rang sich Burton durch und entschied sich für Taylor. Sie hatten sich nach den Dreharbeiten zu Cleopatra im Juli 1962 getrennt, begannen sich aber einige Wochen darauf schon wieder zu treffen (Taylor hatte sich kurz zuvor ein Chalet in Gstaad zugelegt). Ihre Affäre setzte sich den Herbst und Winter über in London fort, wo sie während der Dreharbeiten zu Hotel International angrenzende Suiten im Dorchester Hotel bewohnten. Zu dieser Zeit waren Sybil, Kate und Jessica ebenfalls in London und wohnten in dem Haus, das Burton in Squire’s Mount am Rand von Hampstead Heath gekauft hatte. Erst im April 1963, als Sybil mit den Kindern nach New York abreiste, wurden klare Verhältnisse geschaffen. Am 5. Dezember wurde sie von Richard wegen Verlassens und grausamer und unmenschlicher Behandlung geschieden, erhielt das Sorgerecht für Kate und Jessica und bekam eine Abfindung von einer Million Dollar.

In der Zwischenzeit hatte Burton zwei seiner besten Filme gedreht: Becket neben Peter O’Toole in London und Die Nacht des Leguan mit Ava Gardner und Deborah Kerr in Mexiko. Taylor legte eine Karrierepause ein und wich bei beiden Produktionen nicht von seiner Seite. In Mexiko hat-ten sie in dem kleinen Ort Puerto Vallarta gewohnt. Später kauften sie das Haus, das sie dort gemietet hatten – Casa Kimberley –, und ließen es in den folgenden Monaten und Jahren renovieren und erweitern. Das Adoptionsverfahren für Maria lief weiter, mit Burton als Adoptivvater anstelle von Eddie Fisher, von dem sich Elizabeth im März 1964 scheiden ließ.

Zu dieser Zeit waren Burton und Taylor in Toronto, wo Burton für seine Rolle in einer Hamlet-Produktion unter der Regie von John Gielgud probte. Am 15. März, eine Woche nach Taylors Scheidung von Fisher, heirateten Burton und Taylor in Montreal. Anfang April kam Hamlet an den Broadway, der Beginn einer Rekordspielzeit von 17 Wochen mit enormer Publicity. Eine verfilmte Fassung – die einzige Aufzeichnung von Burton in einer Shakespeare-Aufführung – ist erhalten. Nach der Spielzeit erschienen Burton und Taylor im August 1964 in ihrem ersten Film zusammen: … die alles begehren, gedreht in Kalifornien und Paris. Das Werk war kaum der Rede wert, nun wurden jedoch auch Pläne für eine weitere Zusammenarbeit bei Wer hat Angst vor Virginia Woolf? geschmiedet.

An diesem Punkt, zwischen den beiden letztgenannten Filmen, begannen im Januar 1965 Burtons »Tagebuchjahre«. Burton stand zu dieser Zeit kurz vor einer seiner besten Filmrollen – Alec Leamas in Der Spion, der aus der Kälte kam –, gedreht in London, Dublin, Deutschland und den Niederlanden. Danach verbrachten Burton und Taylor verspätete Flitterwochen in Frankreich und der Schweiz, bevor sie in die USA reisten, um Woolf zu drehen. Die folgenden siebeneinhalb Jahre führte Burton Tagebuch, und am besten verfolgen wir seine weiteren Geschicke durch seine eigenen Worte.

URSPRUNG UND ZWECK DER TAGEBÜCHER

»Für wen, fragte er sich plötzlich, legte er dieses Tagebuch an? Für die Zukunft, für die Kommenden.«

George Orwell, 1984

»… niemand hat je ein Tagebuch nur für sich geschrieben.«

Thomas Mallon, A Book of One’s Own

Richard Burton führte Tagebücher, die vollständig oder teilweise eine Spanne von 15 Jahren seines Lebens abdecken. Sie bilden keine fortlaufende Reihe. Das erste ist ein Taschentagebuch, das Richard, damals noch Jenkins mit Nachnamen, im November 1939 im Alter von 14 geschenkt bekam und bis Ende 1940 führte. Das Nächste, das von 1960, als Burton mit seiner Frau Sybil in der Schweiz lebte, ist wenig mehr als ein unvollständiger Terminkalender mit einigen Einträgen in (ziemlich wackeligem) Französisch. Dann, 1965, beginnt das erste einer Serie von Tagebüchern, die bis zum März 1972 reichen. Die früheren sind handgeschrieben, die späteren getippt. Das Erste ist ein gebundener Band, die anderen in Ordnern oder Heftern zusammengehaltene Loseblattsammlungen. Insgesamt beläuft sich diese Sequenz auf beinahe 350 000 Wörter und bildet den zentralen Kern von Burtons Aufzeichnungen. Nach 1972 gibt es Fragmente: ein Tagebuch von 1975 geht über acht Monate, ein paar Seiten aus dem März 1977 und ein umfänglicheres Tagebuch, das die zweite Hälfte von 1980 abdeckt, sowie eines, das Aufzeichnungen vom Frühlingsanfang 1983 enthält. Zusammengenommen gibt es von November 1939 bis April 1983 annähernd 390 000 Wörter, die 93 über 44 Jahre verteilte Monate abdecken. Dieses Buch enthält die Tagebücher von 1965 bis 1972, Burtons »Tagebuchjahre«.

Der Ausdruck »zusammengenommen« stellt einen künstlichen Zusammenhalt disparater Konvolute her. Das hier nicht abgedruckte Tagebuch von 1940 führte nicht Richard Burton, sondern Richard Walter Jenkins, der im Alter von 14 kaum ahnte, was ihn im Leben erwarten würde. Das ist natürlich die Quelle seines Charmes und seiner Kraft, aber es gehörte nicht zu irgendeiner bewusst angelegten Reihe. Die Tagebücher von 1965 bis 1972 bilden zwar tatsächlich ein kohärentes Ganzes, variieren aber von Jahr zu Jahr enorm: das von 1965 hat insgesamt weniger als 5000 Wörter; das von 1971 beläuft sich auf über 105 000. Und was die darauf Folgenden betrifft, mögen sie nicht die Einzigen sein, die es je gab, doch nur sie haben offenbar überdauert.

Die hier veröffentlichten Tagebücher wurden 2006 von Richard Burtons Witwe Sally der Swansea University übergeben. Sie bilden den Kern der Richard-Burton-Sammlung, zu der auch Korrespondenz, Filmposter, Presseausschnitte, Fotografien, eine Sammlung von Burtons Büchern und vielfältiges audiovisuelles Material gehörten.

Eine wichtige Überlegung bei der Beurteilung der Tagebücher ist, in wieweit ihre Existenz anderen bekannt war oder ob ihr Inhalt vollständig privat gehalten wurde.

Was die erste Frage betrifft, scheint es äußerst unwahrscheinlich, dass irgendjemand in Richards Nähe nichts von seinem Journal wusste. Sein Tagebuch von 1940 mag wohl ein Geburtstagsgeschenk gewesen sein, und wir wissen, dass Elfed James dort (Ausfallendes) hineingekritzelt hat. Das Tagebuch von 1960 hat wahrscheinlich Burtons Frau Sybil zu Gesicht bekommen. Das Tagebuch von 1965 war ein Geschenk von Elizabeth Taylor, die auch einige Einträge beisteuerte. Danach war Burton zwar beinahe die einzige Person, die in seinen Tagebüchern schreibt (Elizabeth trug ein Handvoll weiterer Einträge bei, und es gibt einen – »Richard ist der Beste« – von Brook Williams von 1970), er tippte die Ereignisse des Tages aber auf einer Reiseschreibmaschine, häufig unter den Augen der Familie und Haushaltsmitglieder. Die Tatsache, dass Richard, zumindest in bestimmten Zeitspannen seines Lebens, Tagebuch führte, war öffentlich bekannt: Es wurde in Interviews kommentiert und in der Korrespondenz angemerkt.

Wenn Burton bei seinem Journal nicht zu Heimlichkeit neigte, inwieweit war er bemüht, seinen Inhalt vertraulich zu halten? Wie gesagt schrieb Elizabeth Taylor selbst in einige der Tagebücher. Danach deutet nichts darauf hin, dass Richard ihren Inhalt vor seiner zweiten Frau geheim zu halten versuchte. Tatsächlich scheint er sie ermutigt zu haben, nach Belieben hineinzuschauen, und bemerkte am 31. Dezember 1968, dass Taylor »freien Zugang« habe und der Inhalt der Tagebücher »sie normalerweise zum Kichern« bringe. Und im August 1980 las Burton Passsagen aus seinem Tagebuch seiner dritten Frau Susan vor.

Wenn Burtons Tagebücher zumindest seinen Ehefrauen offenstanden, sollte man meinen, dass dies Einfluss darauf gehabt haben muss, was er hineinschrieb. Wir haben einige Belege für Selbstzensur: Im August 1971 verzichtete er darauf, seine Sorgen über den Gesundheitszustand von Elizabeths Mutter zu Papier zu bringen, aus Angst, dass sie auf diese Einträge stoßen würde. Doch zur selben Zeit konnte Burton bemerkenswert offen über den Zustand seiner Beziehung zu Taylor schreiben und unerschrocken einige Details ihrer Erkrankungen ausbreiten. Die Erklärung könnte sein, dass Burton nichts dabei fand, ein Porträt seiner Ehe mit »Warzen und all dem« zu zeichnen, vorausgesetzt, er konnte sich sicher sein, dass es von niemand außer ihm selbst und Taylor gelesen wurde. Nur sehr wenig deutet zum Beispiel darauf hin, dass die Kinder, Mitglieder der Entourage oder Freunde die Tagebücher lasen.

Im Januar 1969 bemerkte Burton, dass er den letzten Band seines Tagebuchs nicht finden könne, und vermutete, es an einem derart sicheren Ort versteckt zu haben, dass er sich nun nicht mehr daran erinnern konnte. So war es tatsächlich: Die Tagebücher fanden sich im Weinkeller im Chalet Ariel. »Es wäre sehr unschön, wenn es in die falschen Hände fiele. Es verrät zu viel über andere Leute, vor allem über mich selbst. Es ist fürs Alter von E. und mir gedacht.«

Wenn das nahelegt, dass Burton für die Tagebücher ein sehr beschränktes Publikum vorschwebte, zumindest zur Zeit der Abfassung und vielleicht für die absehbare Zukunft, so wirft es auch die Frage auf, warum er überhaupt Tagebuch führte. Die Antwort darauf schließt notwendigerweise die Tagebücher von 1940 und 1960 aus, die nicht Teil eines größeren Plans gewesen zu sein scheinen. Es finden sich aber kaum direkte Hinweise auf seine Absichten: Als Burton 1965 das Tagebuch beginnt, eröffnet er es nicht mit einem Ausblick oder einer Rechtfertigung. Womöglich gab es ja ein früheres Tagebuch, mit dem er 1964 begann, vielleicht nach seiner Heirat mit Taylor, aber dafür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Statt sich erst Gründe zurechtzulegen, fing Burton also vielleicht einfach an zu schreiben. Eventuell war ihm selbst gar nicht so richtig klar, was er damit bezweckte.

Wenn man sich auf die Tagebuchjahre von 1965 bis 1972 beschränkt, könnte man argumentieren, dass sie nicht in der Absicht geführt wurden, im Rohzustand veröffentlicht zu werden. Sie wurden in relativ flüssigem Englisch verfasst (wenn auch mit Tippfehlern und überraschend willkürlichen Rechtschreibfehlern), sind im Wesentlichen frei von Abkürzungen und verschlüsselten Botschaften und folglich selten schwer zu enträtseln. Aber sie sind nicht in dem geschliffenen, sorgfältig gearbeiteten Stil von Burtons veröffentlichten Artikeln für Zeitungen und Magazine gehalten. Stattdessen lesen sie sich wie grobe Notizen, Ideen, Erinnerungen, ein täglicher Katalog von Menschen und Orten, Mahlzeiten und Unterhaltungen. Sie dienten als private Aufzeichnungen seines Lebens, als Gedächtnisstütze, auf die er vermutlich zu einem späteren, nicht näher umrissenen Zeitpunkt zurückzukommen plante.

Zu genau welchem Zweck er einmal darauf zurückgreifen würde, wird nirgends ausdrücklich erwähnt, doch scheint es, dass Burton das Tagebuchschreiben als eine gute Angewohnheit betrachtete, eine Korrektur seiner, wie er selbst es sah, latenten Faulheit, als Weg, um sich zu zwingen, »meine Gedanken in einer Art unaufgeräumter Ordnung« zu halten (9. Januar 1969). In solchen Kommentaren mag man ein Bewusstsein vom erlösenden Wert der Arbeit, eine Verbeugung vor dem protestantischen Arbeitsethos erkennen. Burton war kein Mensch, der mit seiner Persönlichkeit, seinen Leistungen und Aussichten zufrieden war. Er war ohne Zweifel ruhelos, überwiegend unzufrieden, maß sich an seinen Ambitionen und an den Leistungen anderer. Tagebuchschreiben war eine Art und Weise, dieses beständige Getriebensein, diese Sehnsucht nach Selbstverwirklichung und Vollendung festzuhalten.

Burton konnte sich auch abfällig über seine Schreibbemühungen äußern, wenn er von »idiotischen Einträgen« (13. November 1968) oder vom Journal als »dieses armselige Tagebuch« spricht (20. März 1969), das »erstaunlich langweilig« sei (15. Juni 1970). Manchmal hatte er Mühe, eine einzige Seite auf der Schreibmaschine zu füllen; an anderen Tagen quollen die Worte nur so aus ihm heraus. Wenn er sein Tagebuch unterbrach, lieferte er die Gründe gelegentlich nach: zu viel war geschehen (»Wie merkwürdig, dass ich es nicht aufschreibe, wenn die Dinge sich überschlagen« – 1. November 1969); »akute Unzufriedenheit« (20. März 1969); zu viel getrunken, zu lange geschlafen, Gefühl, nichts zu sagen zu haben, was der Aufzeichnung lohne (»wann immer ich in letzter Zeit mit dieser Schreibmaschine konfrontiert bin, fühle ich mich so schal wie ein Schluck Wasser« – 31. Mai 1970). Aber häufig wird für die Lücken keine Erklärung gegeben, und in den Tagebüchern ab 1975 findet sich überhaupt kein Kommentar mehr wie in der umfänglicheren Reihe von 1965 bis 1972.

Die einzige Bemerkung darüber in diesen späteren Jahren stammt aus einem Gespräch mit Dick Cavett in dessen Talkshow 1980. Zu seinen Tagebüchern befragt, erwiderte Burton: »Sie sind praktisch unlesbar … Ich hab gelegentlich mal wieder einen Blick hineingeworfen … aber in Wirklichkeit habe ich die letzten drei oder vier Jahre nur sporadisch Tagebuch geschrieben.« Burton spricht dann davon, dass er gelegentlich Passagen aus dem Journal entnehme und ausarbeite, »die dann im Ladies’ Home Journal, in der Vogue, die Leute, die das meiste Geld bezahlen, im Cosmopolitan und solche Sachen erscheinen, aber nur sehr selten«. Als er einem guten Freund klagte, dass sich sein Schreibimpuls verflüchtigt habe (»zeitweise, wie ich hoffe«), habe dieser geantwortet, dass Burton eben offensichtlich »zu glücklich« sei, ein Erklärung, die Burton im Gespräch mit Cavett nicht ganz einleuchten will: »Ich bin früher glücklich gewesen und habe weitergeschrieben, ich weiß immer noch nicht recht warum. Jedenfalls schreibe ich es gelegentlich weiter.«

Anscheinend nur selten las Burton seine Einträge noch einmal oder versuchte, eine Erzählung zu schreiben, die mehrere aufeinanderfolgende Tage umspannte. Am 23. Juli 1969 merkte er an, dass er anfangen müsse, »dieses Tagebuch zusammenzufügen. Ich lege das Blatt immer in die nächstbeste Schublade und kann dann nicht mehr nachsehen, was ich worüber oder über wen geschrieben oder nicht geschrieben habe.«

Möglicherweise dachte Burton daran, eines Tages seine Autobiografie zu schreiben. Im Oktober 1968 notierte er, dass man ihm eine Million Dollar für das Tagebuch vom Umfang eines Monats angeboten hätte. Er war nicht sehr überzeugt, dass es interessant sein würde, und hielt die Vorstellung für »verrückt«. Im August 1976 schrieb der Agent Robbie Lantz an Burton, besorgt, dass er an einem Buch, womöglich seiner Autobiografie sitze; es gibt keine Spur von Burtons Antwort. Nach den Hinweisen im Tagebuch selbst zu urteilen, war er sich über ein autobiografisches Projekt unschlüssig: Er war sich unsicher, ob es wirklich ein Publikum für sein Leben gäbe, und betrachtete das ganze Genre der Schauspielerautobiografie mit Argwohn. Gewiss, wäre ihm ein längeres Leben beschieden gewesen, hätte er es sehr wohl für lohnenswert halten können: Dass er einiges Talent für Autobiografisches hatte, wird an den zehn aus Tagebuchmaterial ausgearbeiteten Artikeln deutlich, die er veröffentlichte, besonders bei »A Christmas Story«, »Meeting Mrs Jenkins« und seinen Rugby-Artikeln.

Burtons plötzlicher, unerwarteter Tod im Alter von 58 Jahren bedeutete, dass seine Absichten für seine Tagebücher nicht geklärt waren. Als 1988 die Biografie von Melvyn Bragg »unter Verwendung der Tagebuchnotizen des berühmten Schauspielers« veröffentlicht wurde, wie es im Untertitel hieß, wurde verschiedentlich behauptet, Burton hätte gewollt, dass sie vernichtet würden oder zumindest bis 20 Jahre nach seinem Tod unter Verschluss blieben. Burton selbst hatte womöglich die damals geltende 30-Jahre-Regel für offizielle Dokumente im Kopf. Unter seinen Unterlagen findet sich ein undatiertes Telegramm an den Anwalt Aaron Frosch, offenbar in Erwiderung auf eine Anfrage nach einer Autobiografie:

»Mein Tagebuch ist mein persönlicher Besitz und wird von niemandem außer Elizabeth gelesen. Es wird aus offensichtlichen Gründen bis 100 Jahre nach unser aller Tod nicht veröffentlicht, außer in abgeschwächter Form. Ich lese es nicht mal selbst. Es ist bloß eine tägliche Übung, der Frustration zuvorzukommen.«

Liest man die Tagebücher heute, wundert man sich, wie wenig die im Telegramm zum Ausdruck gebrachte Einschätzung mit ihnen zusammenpasst. Es gibt relativ wenig Beleidigendes darin, nicht einmal zur Zeit der Abfassung (als die meisten der Erwähnten noch lebten). Burton liefert den Lesern keine Liste seiner Eroberungen und offenbart nicht bis dato verborgene sexuelle Vorlieben von Schauspielkollegen. Es gibt keine großen Enthüllungen von Korruption oder kriminellen Vorgängen. Stattdessen erzählen die Tagebücher vom Leben und den Gedanken Richard Burtons. Aber erzählen sie auch die Wahrheit?

TAGEBÜCHER, BIOGRAFIE UND »WAHRHEIT«

»Hier spricht er so wahrhaftig wie er nur kann.«

Melvyn Bragg, Richard Burton

»Ich lüge nie, wenn ich schreibe. Ehrlich. Obwohl ich da nicht so sicher bin!«

Tagebuch, 25. Mai 1969

Auf einer Ebene liegt der Reiz der Tagebücher als »wahrhaftige« Quelle auf der Hand. Es sind Aufzeichnungen einer Person über ihre Unternehmungen, Gefühle und Ansichten. Wenn der Autor ihr einziger Leser wäre, dann ergäbe eine ungenaue, unaufrichtige oder in anderer Weise falsche Darstellung, so könnte man argumentieren, keinerlei Sinn. Tagebücher können als unvermittelte, unreflektierte und natürliche Kommentare präsentiert werden, die einen unverstellten Blick ins Bewusstsein und auf Ereignisse eröffnen, wie ihn die meisten konkurrierenden Quellen nicht bieten können.

Doch es ist klar, dass eine solche Darstellung des Tagebuchschreibens als Genre eindimensional und irreführend ist. Schon der Prozess des Erinnerns und erst recht des Aufschreibens ist selbst ein editorischer Vorgang, der viele Möglichkeiten zur Selbstzensur bietet. Tagebuchschreiber, könnte man sagen, schielen immer mit einem Auge auf eine Leserschaft, selbst wenn diese erst nach ihrem Tod zustande kommt oder auch nur aus ihnen selbst besteht. In keiner Weise sind (aktuell verfasste) Tagebücher in irgendeiner Weise »natürlicher« als autobiografische Erinnerungen, die Jahre nach den beschriebenen Ereignissen verfasst werden, wenn sie auch offensichtlich andere Arten von Informationen bieten und ihren eigenen Genrekonventionen unterliegen.

Wie weit Burtons Tagebücher seinen Frauen zugänglich waren und ihre Existenz dem näheren Umkreis von Familie, Freunden und Anhang bekannt war, wurde bereits erörtert. Dass Burton wusste, dass Elizabeth, Susan oder Sally seine Einträge lesen könnten, mag ihn zu einem gewissen Maß an Selbstzensur veranlasst haben. Das sollte nicht überraschen: Alle Tagebuchautoren, selbst jene, die ihre Aufzeichnungen verschlüsseln und in Kellergewölben verschließen, müssen sich und ihr Zeugnis in einem gewissen Maß edieren.

Die Tatsache, dass Burton etwas nicht im Tagebuch festhielt, bedeutet nicht, dass es nicht geschehen war. Es gab selbst während der Tagebuchjahre Tage, Wochen, manchmal Monate, in denen er nichts notierte. Von Juli 1965 bis März 1966, von November 1967 bis Juli 1968 und von September 1970 bis Juni 1971 scheint er keine Aufzeichnungen gemacht zu haben. Natürlich entschied er selbst, wie viel er schreiben wollte, was enorm variieren konnte. Der Längenunterschied der Tagebucheinträge bedeutet, dass die Art der Notizen sehr unterschiedlich ist. Obwohl er 1975 ein Tagebuch über einen Zeitraum von acht Monaten führte, beläuft es sich auf lediglich 8000 Worte. Die meisten Einträge sind recht kurz.

Darüber hinaus erinnerte sich Burton zuweilen nicht mehr an das Geschehene, obwohl er Tagebuch führte. In manchen Jahren gab es Tage, die nur mit dem Eintrag »Schnaps« auftauchen. Dahinter könnte sich eine Fülle von Ausschweifungen verbergen. Man muss sich fragen, ob Burton immer ganz ehrlich zu sich selbst war, wenn er aufschrieb, was am Vortag geschehen war. Er notiert manchmal, dass er und Elizabeth einen Streithatten oder er sich in der Öffentlichkeit oder in geselliger Runde schlechtbenommen hatte, aber nur selten schildert er Einzelheiten. Über eine kurze Erwähnung hinaus wollte er solche Episoden nicht noch einmal durchleben. Ebenso gibt es andere Ereignisse und Begebenheiten, die ihn in keinem schlechten Licht erscheinen lassen, aber dennoch in den Tagebüchern nicht auftauchen.

Burtons Biograf Melvyn Bragg glaubt, dass die Tagebücher der Ort waren, an dem sich der Schauspieler vom Wirbel der Berühmtheit, den Klatschspalten und der spielerischen Boshaftigkeit der Interviews freimachen und ernst und ehrlich zu sich selbst sein konnte. Sie seien seine Niederschrift der Wahrheit: »Er schwor auf die Bibel dieser Notizbücher.« Zweifellos spürt man, dass er sich in den Tagebüchern bis zu einem gewissen Grad von seiner öffentlichen Person löst. Burton war bewusst, dass in der Presse, auf dem Fernsehbildschirm und im Kino jemand namens »Richard Burton« existierte, den Millionen von Menschen zu kennen glaubten (und glauben). Nicht immer erkannte er sich in dieser Person wieder. Sein Tagebuch bot ihm Gelegenheit zur Konstruktion seines eigenen Verständnisses davon, wer er war, woran ihm lag und wohin er ging.

Was die »Wahrheit« der Tagebücher betrifft, können wir ein Beispiel herausgreifen. Es gab damals und seither viel Spekulation um seine Beziehung zu der frankokanadischen Schauspielerin Geneviève Bujold, an deren Seite er in dem Film Königin für tausend Tage (1969) spielte. Elizabeth Taylor hegte offenbar den Verdacht einer Affäre zwischen den beiden und stritt sich mit Burton darüber. Burton selbst liefert in seinen Tagebüchern nicht den geringsten Anhaltspunkt für einen solchen Verdacht – ganz im Gegenteil. Nach seinem eigenen Zeugnis in einem der letzten Einträge aus der Sequenz der Tagebuchjahre am 15. März 1972 waren er und Elizabeth sich während ihrer Ehejahre treu, und es gibt nichts in den Tagebüchern, was dem widerspräche. Nichts anderes würde man erwarten, werden Skeptiker einwenden, schließlich hatte Taylor ja Zugang zu den Tagebüchern, und natürlich lässt sich nicht das Gegenteil beweisen. Die Belege für ein Verhältnis mit Bujold sind äußerst dünn gesät, sieht man von bloßen Mutmaßungen und Behauptungen ab wie zum Beispiel, dass Burton allen seinen Eroberungen Spitznamen gegeben habe und also auch mit Bujold eine Beziehung hatte, weil er sie »Gin« nannte, oder dass er generell mit »allen seinen Hauptdarstellerinnen« schlief – wobei freilich einige ausgenommen werden, namentlich Sue Lyon, Ava Gardner und Deborah Kerr zur Zeit von Nacht des Leguan; Claire Bloom während der Dreharbeiten zu Der Spion, der aus der Kälte kam; und Rex Harrison (!) zur Zeit des Homosexuellenfilms Unter der Treppe.

Verschiedene Gründe machen die Sache nicht einfacher: Da ist der Ruf, der Burton vorauseilte und ihn überdauerte; da ist die Lust der Öffentlichkeit, die unerhörtesten Behauptungen über sein Leben zu glauben; da sind sensationslüsterne Autoren, die über Burton lieber eine »gute Story« verbreiten, als nüchtern die Belege zu bewerten. Viel von dem, was als biografische Literatur durchgeht, ist schlecht recherchiert und missachtet die Pflicht eines jeden ernsthaften Autors, Aussagen zu überprüfen. Stattdessen werden die vielen grellen, sensationellen und unwahrscheinlichen Geschichten über Burtons Alkoholkonsum und Privatleben aufgewärmt und ausgeschmückt. Die Folge ist, dass Burtons Persönlichkeit, seine Leistung und Bedeutung regelmäßig verzerrt und missverstanden werden. Allzu häufig erscheint er als Karikatur: ein rauflustiger, trunksüchtiger Schürzenjäger, der sein Talent in einer Orgie der Selbstzerstörung wegwarf. Bei der Lektüre solcher Bücher wird man an John Updikes Kommentar erinnert, die meisten Biografien seien »Romane mit Index«.

Natürlich war es Burton zuweilen selbst, der ungeheuerliche Geschichten über sich in die Welt setzte, manchmal, wie es scheint, einfach um zu sehen, ob man sie ihm abkaufen würde, zu anderen Zeiten, weil er fürchtete, für einen Langweiler gehalten zu werden, sodass er nach einer möglichst dramatischen Wirkung strebte und sich dabei beträchtliche dichterische Freiheiten herausnahm. »Burton der Geschichtenerzähler«, wie seine frühen Biografen John Cottrell und Fergus Cashin zu Recht bemerkten, »war nie jemand, der die Genauigkeit der Wirkung vorzog. … Burton erzählt immer wieder so viele Geschichten, dass sie größer werden oder durcheinandergehen, aber so geringfügig, dass er es nicht bemerkt und aufrichtig überzeugt ist, das Original zu erzählen.«

Es sind häufig gerade die flüchtigsten Bekanntschaften Burtons, die als Zeugen für »verbürgte« Zitate über seine Eskapaden herhalten müssen oder die sich sogar selbst in die Erzählung seines Lebens hineinschmuggeln. Selbst diejenigen, die man als echte Freunde bezeichnen darf, tappen gelegentlich in die Falle, ihre Erinnerungen um der dramatischen Wirkung willen auszuschmücken, unterschiedliche Begebenheiten miteinander zu verschmelzen, Burtons Leben ihre eigenen Erklärungen und Interpretationen aufzupfropfen und sich selbst dabei wie selbstverständlich ins beste Licht zu rücken.

Burtons Tagebücher können nicht automatisch für sich beanspruchen, die »Wahrheit« zu sein. Aber sie sind, zumindest während der Jahre, in denen er sie führte, sicherlich eine wichtige, vielleicht die wichtigste Quelle für Burtons Leben. Sie lassen Burton selbst zu Wort kommen.

DIE EDITION DER TAGEBÜCHER

»Keinem Herausgeber darf man vertrauen, ein Tagebuch nicht zu verderben.«

Arthur Ponsonby, English Diaries

Melvyn Bragg, der 1988 eine autorisierte Biografie Burtons veröffentlichte – Richard Burton. Die Biografie – hatte Zugang zu den meisten hier verwendeten Tagebüchern. In seinem Buch lässt er Burton ausführlich selbst zu Wort kommen und zitiert etwa ein Fünftel des Materials, zu dem er beim Schreiben Zugang hatte. Dabei musste er zwangläufig sehr selektiv vorgehen und konnte nicht das gleiche Maß an Hintergrundinformationen und Verweisen bieten, wie es einer gründlicheren Edition möglich ist.

Damit soll nicht gesagt werden, dass Bragg den Inhalt der Tagebücher in nennenswerter Weise falsch oder verzerrend dargestellt hat. Es gibt ein paar Stellen, an denen sich die Transkription von seiner unterscheidet, überwiegend werden Burtons Worte in Braggs Biografie jedoch getreu ihrer wohl ursprünglich intendierten Bedeutung wiedergegeben. Allerdings erlaubt nur die Veröffentlichung der Tagebücher in der Form, wie sie verfasst wurden, Burtons eigene Worte und die Einsichten, die sie uns in sein Leben gewähren, voll zu würdigen. In den Tagebüchern erscheinen Burtons eigene Worte nicht wie bei Bragg (oder jedem anderen Biografen) an einer Stelle und zu einem Thema, die jeweils von Bragg selbst ausgewählt wurden, sondern hier vernehmen wir Burtons Stimme unvermittelt, direkt, klar und vollständig.

Das erste Prinzip bei der Herausgabe der Tagebücher bestand darin, jegliche Bedeutungsänderung des Textes zu vermeiden. Wo der Inhalt mehrdeutig ist, wurde er so gelassen, so bleibt es den Lesern überlassen, über die Bedeutung zu entscheiden. Wo sich Richard Burton allerdings eines anderen besann und Wörter oder Passagen durchstrich oder veränderte, wird dies respektiert.

Der zweite, dem ersten klar untergeordnete Grundsatz war, alle unnötigen Hindernisse, die sich der Lesbarkeit und Zugänglichkeit in den Weg stellen, zu beseitigen. Wo die korrekten Schreibungen außer Frage stehen, wäre es unsinnig, die Leser durch die Bewahrung von Tipp- und Rechtschreibfehlern zu irritieren oder zu verwirren. (Es lässt sich von Richard Burton nicht behaupten, dass seine Rechtschreibung »so durchgängig gut war, dass seltene Abweichungen erhalten werden«, wie dies von Virginia Woolf gesagt wurde.) Abkürzungen wurden in der Regel ausgeschrieben, Klein- und Großschreibung sowie Interpunktion vereinheitlicht, sofern der Text dadurch inhaltlich nicht beeinträchtigt wurde. Das Und-Symbol (&), sofern kein fester Bestandteil eines Namens, zum Beispiel eines Geschäfts, wurde durch »und« ersetzt, das gelegentliche »···« durch »also«. Der handschriftliche Text setzt die Titel von Filmen oder Büchern in Anführungsstriche; stattdessen werden sie hier kursiv gesetzt. Solche Veränderungen wurden stillschweigend vollzogen, d. h. ohne eigens in einer Fußnote darauf hinzuweisen. Der Text wurde zudem in konsistenter Weise formatiert, sodass die Datumsangeben in standardisierter Form erscheinen.

Was die Fußnoten betrifft, so sollen sie Zusatzinformationen bieten, die für das Textverständnis notwendig oder hilfreich sind. Wo keine klärende Fußnote steht, waren keine weiteren Informationen zu einer Person oder einem Ort auffindbar respektive nötig.

Buch- und Filmverweise wurden nach Möglichkeit geklärt. Wo Burton ein Gedicht, ein Theaterstück oder Buch zitiert, war es meist möglich, die entsprechende Zeile oder Passage aufzufinden und (zuweilen korrigierende) Kontextinformationen bereitzustellen.

Wie Virginia Woolf schrieb, muss ein Biograf »bereit sein, widersprüchliche Lesarten desselben Gesichtes zuzulassen«. Weder der Tagebuchschreiber noch erst recht der Herausgeber können natürlich als Biografen verstanden werden, und es ist ein großer Unterschied, ob man ein Tagebuch oder eine Autobiografie schreibt, welche Ansprüche auch immer für das alles umfassende Genre »schriftlicher Lebenszeugnisse« erhoben werden. Doch Woolfs Bemerkung drängt uns, das fragmentarische Wesen individuellen Lebens anzuerkennen, den konstruierten Charakter jeder sich kohärent wähnenden persönlichen Identität und die Schwierigkeiten, mit denen jeder Versuch zu ringen hat, sich dem »Wesen« eines Menschen zu nähern.

Richard Burton war ein vielschichtiger, widersprüchlicher, von widerstreitenden Gefühlen beherrschter Mensch. Dafür gibt es in seinen Tagebüchern wie in anderen Zeugnissen seines bewegten Lebens Belege in Hülle und Fülle. Es wäre voreilig zu behaupten, die Tagebücher offenbarten den »wahren« Richard Burton, nicht zuletzt, weil nicht klar ist, warum der Burton, der ruhig an seinem Schreibtisch sitzt, um das Erlebte des vergangenen Tages niederzuschreiben, automatisch als aufrichtiger betrachtet werden sollte als jener Burton, dessen Eskapaden die Zeitungsspalten füllten.

Dennoch, man darf wohl sagen, dass aus den Selbstzeugnissen ein vielseitigerer Burton auftaucht als das Bild von ihm, das gegenwärtig in der öffentlichen Sphäre zirkuliert. Wir finden hier Richard Burton, den gefeierten Schauspieler, den internationalen Filmstar und berühmten Jetsetter, aber wir entdecken auch den Familienmenschen, Vater und Ehemann Richard Burton. Die Tagebücher offenbaren den melancholischen, leidenden, besorgten, introspektiven Burton, der mit seinen verpassten Chancen und dem unerfüllte Potenzial seines Lebens und Talents hadert, und sie zeigen uns den Burton, der zu Recht stolz auf seine Leistungen und seine Lebensreise ist, hungrig darauf, noch größere Höhen zu erklimmen. Auf den Seiten seines Tagebuchs sehen wir einen Richard Burton, der auf sein Gewicht achtet, auf sein Trinken, auf andere Männer und seine Elizabeth. Wir erleben einen Burton, der liest, denkt und sich danach sehnt, zu schreiben. Auf den vielen Seiten seiner Tagebücher offenbart Richard Burton die mannigfaltigen Seiten seines Selbst.

1965

JANUAR

Freitag, 1. 1., Gstaad Vom Kater erholt. Mit E. die Britannica gelesen. Sie ist ein gutes kleines Mädchen. Hat Sara gestern Abend im Palace Hotel abgeholt, sie herumgewirbelt und zauberhaft ausgerufen: »Ich hasse alte Frauen.«1

Mache mit J. Sullivan irgendeinen Vertrag.2 Er und seine Künftige Daliah Lavi reisen morgen ab.

Samstag, 2. 1. Sara und Francis fahren morgen nach London ab.3 Sind ins Park Hotel zum Versöhnungsessen. Erfolgreich. Sara leiert immer noch dauernd von Francis’ Herzleiden mit Flüstern, Blicken und manchmal so rundheraus und in der dritten Person, dass E. einmal sagte: »Du redest, als ob Daddy nicht hier wäre.«

Sonntag, 3. 1. Mittagessen mit Sara und Francis. Mit Natalie Wood und dem jungen Niven zu Abend gegessen.4 Sie ist abgemagert und sieht aus, als hätte sie TBC. Pekinesenaugen. Trauriger Fall. Sind ins Chesery gegangen – grässlich lauter Ort.

Montag, 4. 1. Bin nach Bern zum Konsulat gefahren, um mich zu registrieren, auch zur Polizei in Saanen, um ein permit de séjour zu erhalten. E. konnte nicht mitkommen. Hat sich mitten in der Nacht den Kopf an der offenen Küchenschranktür gestoßen. Mutter und Vater aller Veilchen. Niemand wird mir abkaufen, dass ich sie nicht geschlagen habe – einen solchen Ruf habe ich –, wir tun also so, als wäre sie auf der Piste gestürzt. […] E. und ich auf Rangliste der Kassenschlager des Jahres, ich Platz 10., E. 11. Ha, ha. Sie hat natürlich gar keinen Film gemacht! Nicht ganz fair.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!