Die Tore nach Thulien - 9. Episode - Haltet die Furt! - Jörg Kohlmeyer - E-Book

Die Tore nach Thulien - 9. Episode - Haltet die Furt! E-Book

Jörg Kohlmeyer

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Beschreibung

Krieg zieht auf und Leuenburg steht allein. Vom König verraten und verkauft entsendet der Herzog die stehenden Truppen der Stadt um die Furt an der Leue zu halten. Er braucht Zeit. Zeit, um die Menschen zu evakuieren und den Widerstand zu organisieren. Ob adliger Ritter oder Fußsoldat, jeder Mann ist nun gleichermaßen gefordert. Die erste Schlacht in diesem Krieg mag vielleicht nur den Beginn des Überlebenskampfes der Menschheit markieren, trotzdem aber wird ihr schicksalhafter Ausgang wegweisend für alles Kommende sein. "Für Leuenburg und den Herzog!" HALTET DIE FURT ist die neunte Erzählung der "Tore nach Thulien", mit der wir euch in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Welt von Thulien entführen möchten. In den drei Buchreihen Wilderland, Leuenburg und Schlachtgesänge geben wir euch die Möglichkeit, aktiv an der Entstehung der Geschichten und dem Ausbau der Welt teilzuhaben. Wir schreiben Geschichten … und ihr könnt mitmachen! Wie genau das funktioniert, und noch weit mehr, erfahrt ihr auf der Website Tore-nach-Thulien.de. 1. Auflage Null Papier Verlag

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Jörg Kohlmeyer

SCHLACHTGESÄNGE

Haltet die Furt!

Ein Roman in der Welt von Thulien

Jörg Kohlmeyer

SCHLACHTGESÄNGE

Haltet die Furt!

Ein Roman in der Welt von Thulien

 

 

Coverhintergrund und Logogestaltung: Diana Rahfoth

Published by Null Papier Verlag, Deutschland

Copyright © 2015 by Null Papier Verlag

1. Auflage, ISBN 978-3-95418-640-2

www.null-papier.de/322

 

 

 

Krieg zieht auf und Leuenburg steht allein. Vom König verraten und verkauft entsendet der Herzog die stehenden Truppen der Stadt um die Furt an der Leue zu halten. Er braucht Zeit. Zeit, um die Menschen zu evakuieren und den Widerstand zu organisieren. Ob adliger Ritter oder Fußsoldat, jeder Mann ist nun gleichermaßen gefordert. Die erste Schlacht in diesem Krieg mag vielleicht nur den Beginn des Überlebenskampfes der Menschheit markieren, trotzdem aber wird ihr schicksalhafter Ausgang wegweisend für alles Kommende sein. »Für Leuenburg und den Herzog!«

Zum Buch

Danke, dass du mit dem Kauf dieses ebooks das Indie-Literatur-Projekt »Tore nach Thulien« unterstützt! Das ist aber erst der Anfang. Lass Dich von uns zu mehr verführen…

Was sind die »Tore nach Thulien«?

Die „Tore nach Thulien“ sind Dein Weg in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Fantasy-Welt von Thulien. Sie werden Dir die Möglichkeit geben, mit uns gemeinsam an den großen Geschichten zu arbeiten und der Welt mehr und mehr Leben einzuhauchen.

Unter www.Tore-nach-Thulien.de kannst du uns besuchen und Näheres erfahren. Wir freuen uns auf Dich!

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Nimm einfach an den regelmäßigen Abstimmungen teil!

Per Mehrheitsentscheid machen wir am Ende der Abstimmungen dann den nächsten Schritt auf unserem gemeinsamen Weg durch Thulien. Wir würden uns freuen, wenn du uns begleitest!

Autor

Jörg Kohlmeyer, geboren in Augsburg, studierte Elektrotechnik und arbeitet heute als Dipl.-Ing. in der Energiewirtschaft. Schon als Kind hatte er Spaß am Schreiben und seine erste Abenteuergeschichte mit dem klangvollen Namen »Die drei magischen Sternzeichen« passt noch heute bequem in eine Hosentasche.

Der faszinierende Gedanke mit Bücher interagieren zu können ließ ihn seit seinem ersten Kontakt mit den Abenteuer Spielbüchern nicht mehr los und gipfelte im Dezember 2012 in seinem ersten Literatur-Indie-Projekt »Die Tore nach Thulien«. Immer dann wenn neben der Familie noch etwas Zeit bleibt und er nicht gerade damit beschäftigt ist, seinen ältesten Sohn in phanatasievolle Welten zu entführen arbeitet er beständig am Ausbau der Welt »Thulien«.

www.Tore-nach-Thulien.de

 

Zur Leue

Es war warm und die Luft roch nach Tau im Gras und Frühling im Land. Der Winter war vorbei und die Bäume trugen bereits selbstbewusst ihr grünes Sommerkleid. In allen Farben streckten sie ihre Blütenblätter verheißungsvoll in den blauen Himmel und hießen die wärmenden Strahlen der Sonne begierig willkommen. Feldeschen und Blutbuchen ließen ihre Pollen in Schwärmen auf den milden Böen des Westwinds über die Wiesen und Felder der Leuenburger Au wehen. Fröhlich tanzend zogen sie über das silbern am Horizont glitzernde Band der Leue, sangen stumm vom Neuanfang und brachten die Saat des neuen Lebens in die Welt. Vögel zwitscherten und das Summen von Bienen erfüllte die Luft. Das ganze Land hatte sich aus der frostigen Umklammerung der vergangenen Monate gelöst und stemmte sich nun mit aller Kraft gegen die letzten, noch verbliebenen Boten des Winters. Geschlagen und mit gesenktem Haupt, gleichzeitig aber mit dem Wissen um den ewigen Kreislauf und seine sichere Rückkehr, hatte sich der Frost zurückgezogen und Platz gemacht für seinen zaghaften, aber dennoch kraftvollen Bruder, den Frühling. Nach langen Wochen der Kälte und des Stillstands rührte sich endlich wieder Leben im Herzogtum. Das große Gleichgewicht der Jahreszeiten war wiederhergestellt und weckte die Hoffnung auf einen wunderschönen Sommer.

»Verdammt und zugenäht! Was treiben wir bloß hier draußen?«, durchbrach plötzlich eine krächzende Stimme die himmlische Ruhe. Sie gehörte Wenzel, einem Schwertkämpfer aus der zweiten Kompanie des ersten Leuenburger Regiments. Missmutig setzte er einen Fuß vor den anderen. Schmatzend hinterließen seine Soldatenstiefel dabei einen tiefen Abdruck auf dem feuchten Boden. Er war schwer bepackt und trug neben seinem riesigen Soldatensack noch Kochgeschirr sowie Speer und Beil auf dem Rücken. Der Helm baumelte am Gürtel herab und schlug dabei immer wieder klimpernd auf die Nieten seiner dunklen Lederhose.

»Na marschieren, was sonst?«, antwortete Ingrimm genervt und schüttelte dabei schlecht gelaunt den Kopf. Er gehörte zu Wenzels Rotte und lief direkt hinter ihm. Ebenfalls schwer beladen, kämpfte er sich nicht weniger gebeugt als sein Kamerad vorwärts. Den Helm hatte er jedoch ganz oben auf dem Sack verschnürt. Das hin und her Baumeln machte ihn wahnsinnig.

»Scheiße! Du weißt genau, was ich meine!«, rief Wenzel zurück und warf einen zornigen Blick über die Schulter. Gerade noch so konnte er, an dem großen Paket auf seinem Rücken vorbei, Ingrimm erkennen.

»Ja, natürlich weiß ich, was du meinst! Ich hab bloß keine Lust mehr, dir eine vernünftige Antwort zu geben. Seit Leuenburg liegst du uns mit deinem Geschwätz in den Ohren. Bei der Herrin, das geht mir auf die Nerven!« Ingrimm sah nicht auf. Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse und blickte weiter stoisch auf die Stiefel seines Vordermanns.

»Verdammt, geht dir das wirklich so am Arsch vorbei?« Wenzel war entsetzt. »Ich meine, das ist doch alles irgendwie seltsam. Da tauchen mir nichts dir nichts Flüchtlinge aus dem Westen des Reichs auf, machen alle Pferde scheu und unsere Oberen werden plötzlich ganz nervös. Dann verlegt man uns in einer richtigen Nacht- und Nebel-Aktion an diesen blöden Fluss und niemand verliert auch nur ein Sterbenswörtchen über das Warum und Wieso!«

»Na, das Wieso ist doch klar!«, rief Ortolf plötzlich aus. Er gehörte ebenfalls zu Wenzels Rotte und marschierte etwas weiter hinten. »Die da oben haben gemerkt, dass du etwas fülliger um den Wanst geworden bist und wollten dir halt mal eine anständige Kur verpassen!« Er lachte laut auf und Ingrimm und der Neue, sein Name war Asmuth, stimmten mit ein.

»Haltet endlich die Klappe! Mir wird schon ganz schlecht von eurem Gewäsch.«, bellte Jonkor dazwischen. Als Rottenführer ging er an der Spitze und sorgte dafür, dass sie trotz der Tratscherei mit den anderen Gruppen auf Tuchfühlung blieben.

»Und ihr anderen hört auf zu lachen!«, schob er dann gleich noch hinterher und strafte damit jene Lügen, die sich vor seiner Schelte eben noch in Sicherheit gewähnt hatten. »Anstatt immer nur durch Schnee und Regen zu marschieren, haben wir’s mal gut getroffen und ziehen an einem schönen Frühlingstag durchs Land, und ihr habt nichts Besseres zu tun, als ständig nur diesen Mist von euch zu geben.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn ihr schon unbedingt zu nichts nütze sein wollt, dann tut doch wenigstens wie echte Soldaten. Genießt den Moment und scheißt drauf, was morgen kommt!« Er blieb stehen und verzog abschätzend den Mund.

»Wobei, vielleicht wollt ihr’s ja nicht anders. Ich werde euch jetzt mal was zum Nachdenken geben: Die Geschichte ist seltsam und alles andere als komisch. Genau genommen stinkt sie zum Himmel. Wenn’s nämlich ganz dumm kommt, behält am Ende nur einer von euch Recht.« Sein Blick ging zu Wenzel. »Was unser Erzählonkel hier nämlich von sich gibt, ist nicht von der Hand zu weisen. Die da oben sagen uns mit Absicht so wenig wie möglich. Und das aus gutem Grund. Was wäre wohl los, wenn alle Bescheid wüssten? Hm? Denkt doch mal nach!« Er starrte sie mit großen Augen an und wartete vergebens auf eine Antwort. »Na ist doch klar. Jeder würde sich das Maul zerreißen und zu einem Wenzel werden.« Er lachte grimmig und schlug Wenzel kraftvoll auf die Schulter. »Und das kann keiner wirklich wollen.«

Die Männer erwiderten das Lachen, Jonkor aber wurde sofort wieder ernst. »Aber jetzt haltet alle das Maul und marschiert! Spart euch die Luft für später auf! Im Kampf werdet ihr sie noch brauchen.« Damit drehte er sich um und marschierte weiter.

Von da an war die Diskussion beendet. Kurz sahen sie sich betroffen an und schwiegen dann. Nur Jonkor lief unbeeindruckt vorwärts und sorgte dafür, dass die Rotte den Anschluss an die vorderen Züge nicht verlor.

Es waren knapp dreihundert Mann, die da schwer beladen und bis an die Zähne bewaffnet durch das Frühlingserwachen in der Leuenburger Au in Richtung Südwesten marschierten. Sie kamen direkt aus der alten Herzogstadt und gehörtem zum ersten Leuenburger Regiment unter Ritter Pellgar Gillian. Eigentlich war das Regiment ja Ritter Sicarian unterstellt, der aber musste kurz vor Abmarsch noch einen Sonderauftrag oder etwas in der Art erhalten haben. Jedenfalls war er nicht erschienen und Ritter Gillian hatte seinen Platz eingenommen. Warum und wieso wusste natürlich niemand. Wenzel konnte damit leben. Er hatte schon unter beiden Rittern gedient und wusste um ihre Art zu führen.

Der beim Apell kundgetane Befehl des Herzogs lautete, die Furt an der Leue, einen schmalen, gangbaren Abschnitt im Fluss, zu besetzen und zu befestigen. Sie lag einen guten Tagesmarsch südlich des Treidelhafens und bildete einen von drei möglichen Übergängen über die Leue. Außer ihr gab es noch die Brücken im Norden bei den Kutten und im Süden beim Leuensprung an der Grenze zum Herzogtum Buchingen. Hatte man die Furt erst mal hinter sich gelassen, befand man sich in der östlichsten Grafschaft des Herzogtums, dem Leuenburger Becken.

An der Furt floss die Leue durch ein schmales, langgezogenes Tal. Der östliche Landstrich lag dabei deutlich höher als das übrige Gelände und hatte durch seine natürlich ausgeprägte Erhebung eine besondere strategische Bedeutung. Wer diese Anhöhe beherrschte, beherrschte nicht nur den Übergang über die Leue, sondern auch das umliegende Gebiet auf mehreren tausend Metern. Kein Wunder, dass sich der Herzog das Ding unter den Nagel reißen wollte. Nur vor wem? Gerüchte hatten sie natürlich gehört, klar, aber die gab es immer zuhauf. Viel geben durfte man darauf nicht. Oder etwa doch?

Das Regiment zog sich über mehrere hundert Meter weit hin und schlängelte sich seit heute früh über den ausgetretenen Treidelpfad in Richtung Furt. Zwischen den einzelnen Abteilungen rollten immer wieder Planwagen und andere, schwer beladene Gefährte dahin. Eine ganze Batterie Mantikore, eine auf dem Prinzip der Torsion beruhende Unterart der konventionellen Speerschleuder, war allein schon auf vier Wagen verteilt, und dazu kamen noch einmal so viele mit allerlei Gerätschaften und Gepäck. Sogar eine mobile Schmiede, voll ausgerüstet und sofort einsatzbereit, befand sich im Tross des Regiments. Mächtig viel Zeug, um eine einfache Furt zu bewachen, fand Wenzel.

Am späten Nachmittag trafen sie auf Flüchtlinge. Anfangs noch vereinzelt oder in kleinen Gruppen, kamen ihnen irgendwann ganze Fuhrwerke voller verängstigter Menschen entgegen. Kinder, Alte, Frauen und Männer. Verwahrlost und hungrig starrten sie auf die gut genährten Soldaten des Herzogs. Sie sagten kein Wort, blickten nur apathisch drein und setzten stoisch einen Fuß vor den anderen. Nur wenige der Krieger sprachen mit den Flüchtlingen. Aus Wenzels Rotte niemand. Ingrimm steckte zwei Kindern wenigstens noch etwas Essen zu. In dicke Felle gehüllt nickten sie dankbar und schoben sich das Wenige gierig in den Mund. Wenzel war viel zu erschrocken, um überhaupt zu reagieren. Erst, als der Treck hinter der nächsten Flussbiegung verschwunden war, fing sein Verstand wieder an zu arbeiten. Gerade noch rechtzeitig um mitzukriegen, dass die ersten Neuigkeiten bereits die Runde machten. Genau genommen war es sogar nur eine: Widergänger!

In Leuenburg hatte er die Gerüchte über diese Kreaturen noch mit einem Lächeln abgetan, heute aber jagten ihm die Geschichten der Flüchtlinge dafür einen umso größeren Schrecken ein. Hunderte oder gar Tausende dieser alten Sagengestalten sollten über den Sensenkamm gekommen sein? Wie war das möglich?

Aus dem Nichts und völlig überraschend, so hörte man, waren sie vor ein paar Wochen an der freien Küste und den Grenzlanden erschienen. Nachts und in aller Heimlichkeit. Einem riesigen, weißen Wurm gleich zogen sie nun mordend durch das Land und brannten alles auf ihrem Weg zur Leue nieder. Einfach unglaublich!

Wenzel schüttelte sich. Es dauerte etwas, bis er den Schrecken einigermaßen im Griff hatte, dann aber wurde ihm so einiges klar. Auch wenn Herzog Grodwig sicher niemals etwas dem Zufall überließ, hatte er seine Truppen diesmal doch über das normale Maß hinaus ausgerüstet. Anfangs sonderbar, war das nun, im Angesicht der drohenden Gefahr, überhaupt nicht mehr verwunderlich. Die Leue würde im aufkommenden Krieg die Frontlinie bilden, und die Furt dabei ihr strategisch wichtigstes Element sein.

Der Gedanke, womöglich bald gegen Widergänger antreten zu dürfen, machte Wenzel Angst. Nur die Ruhe, beruhigte er sich selbst. Das letzte Wort war in dieser Sache noch lange nicht gesprochen. Krieg mochte aufziehen, ja, aber ganz bestimmt nicht gegen Widergänger. In ihrer Panik sahen die Leute ganz einfach Gespenster und fingen an zu reden. Das war immer so. Einfach nichts drauf geben. Am besten machen was Jonkor gesagt hatte und nicht mehr darüber nachdenken. Vielleicht war es manchmal wirklich gut, wenn man nicht alles wusste.

Es dämmerte bereits, als die müden und abgekämpften Männer endlich die Ruinen der alten Befestigung auf der Anhöhe neben dem glitzernden Streifen der Leue erblickten. Ruhig und gemächlich vor sich hin fließend lag der große Strom des Nordens im silbernen Licht des vollen Mondes da. Nichts rührte sich, und die Geschichten der Flüchtlinge erschienen mit einem Male wieder weit weg.

Ritter Gillian ließ halten und das Nachtlager aufschlagen. Auf den Vollausbau zum Wehrlager verzichtete er. Offenbar fühlte er sich auf dieser Seite des Flusses sicher. Außerdem ging es ja nur um eine Nacht. Wenzel war das nur Recht. Morgen würden sie noch früh genug damit beginnen, den alten Wachturm aus der Zeit der Erlösung samt Furt in Besitz zu nehmen. An die Schanzarbeiten wollte er noch gar nicht denken. Wieder Erdhügel aufschütten und Gräben ziehen. Das konnte was werden.

Die Nacht verlief ruhig und ohne Zwischenfälle, und für die Männer wurde es viel zu schnell wieder Morgen. Verschlafen und den langen Marsch noch in den Knochen, begannen sie nach einem kurzen aber kräftigen Frühstück damit, die Wagen abzuladen und die mitgeführten Holzstämme auf die Front zu verteilen. Insgesamt hatten sie Material für gut einhundert Pfähle zur Verfügung. Gegen Mittag fingen sie dann an das Ostufer zu besetzen. Die Mantikore wurden in ihre Stellungen gefahren und dort montiert. Besatzungsmitglieder transportierten Kisten voller Bolzen und Speere zu den Kriegsmaschinen, und der Technikus gab allenthalben lautstark Anweisungen. Ein Trupp Soldaten verfrachtete jede Menge Ausrüstung und Proviant hoch zum Wachturm und Ritter Gillian richtete sich am höchsten Punkt seinen Kommandostand ein. Die Zugtiere und die mobile Schmiede fanden dort oben ebenfalls ihren Platz. Alles in allem dauerte es fast den gesamten Nachmittag, bis die Soldaten auf die Abschnitte verteilt waren und mit den eigentlichen Schanzarbeiten begonnen werden konnte. Ritter Gillian wollte keine Zeit verlieren. Wenzel hatte mitbekommen, dass Späher ausgesandt wurden, und bis zu deren Rückkehr mussten alle Gräben gezogen, sämtliche Barrikaden errichtet und auch die drei Einheiten Mantikore schussbereit sein. Es half alles nichts, sie mussten sich ranhalten.

Am Vormittag des zweiten Tages kamen die Vorbereitungen an der Furt langsam zum Abschluss. Sehr zu Wenzels Vergnügen hatte die Feldküche ihre Arbeit aufgenommen und ein vielversprechender Duft lag in der Luft. Er saß mit dem Rest von Jonkors Rotte im Mittelabschnitt der Hauptschanze am Fuße des Hügels und ruhte sich aus. Ihre Gesichter waren schmutzig und brauner, dreckiger Schweiß lief ihnen in kleinen Rinnsalen über die Wangen und den Rücken.

Die Sonne stand im Zenit und wärmte den Boden und die Haut der Männer. Gemeinsam mit dem kompletten ersten Zug und den Bogenschützen hatten sie den letzten Tag damit zugebracht, einen knapp ein Schritt breiten und eineinhalb Schritt hohen Wall zu errichten. Die zugespitzten Pfähle waren in unregelmäßigen Abständen in das Vorgelege des Walls gerammt worden. Sie sollten das Erstürmen des Walls erschweren und den Angreifern den Schwung nehmen. Vor der Aufschüttung verlief jetzt außerdem ein kleiner Graben, der mit Blick auf die Dammkrone für ausreichend Höhe sorgte, um ein einfaches Erklimmen des Walls zu verhindern. Den Verteidigern würde er als Brustwehr dienen und die ohnehin schon erhöhte Position noch verstärken. Die Männer hatten den Sinn dahinter sofort verstanden und auf übermäßiges Gemecker verzichtet. Jetzt aber, nach getaner Arbeit und mit schmerzendem Rücken, brach sich der Frust Bahn. Kaum war Ritter Gillian nach seiner Inspektion außer Hörweite, ging das Gejammer auch schon los.

»Verdammt noch eins! Wie die Wühlratten sitzen wir hier im Dreck und buddeln Löcher. Ich bin Soldat, kein beschissener Maulwurf!« Wütend warf Ingrimm den inzwischen stumpfen Eisenspaten zur Seite und wischte sich über das schweißnasse Gesicht.

»Da muss ich dir ausnahmsweise mal Recht geben. Als ob wir nichts Besseres zu tun hätten.«, schnaubte Wenzel und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Wall. Leckerer Duft hin oder her, er hatte das Graben mehr als nur satt.

»Ihr werdet euch nach dieser Arbeit noch sehnen und froh über den Wall sein.«, erwiderte Jonkor mit dumpfer Stimme. Der Rottenführer saß etwas weiter oberhalb im Gras und schabte sich gerade den Dreck mit der Spitze seines Messers aus den Fingernägeln.

Asmuth, der Neuling in der Rotte, schluckte bei Jonkors Worten und starrte den alten Veteran mit großen Augen an. »Wie meinst du das, Jonkor?« Die Angst stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben und sein Blick ging unsicher zwischen den anderen Kameraden hin und her.

»Mach dir nicht ins Hemd Junge! Der alte Jonkor sieht alles gerne etwas schwärzer. Wir werden hier ein paar schöne Tage verbringen und dann sehen was kommt.« Ortolf schlug Asmuth aufmunternd von hinten auf die Schultern. Der sah ihn nur entgeistert an. Wirklich beruhigen konnten ihn die Worte nicht.

»Nein, nein, Ortolf! Lass Jonkor doch mal erzählen! Wenn er mehr weiß, soll er es ruhig sagen. Ich möchte auch wissen, was wir hier treiben.« Ingrimm drehte sich um und sah auffordernd und abwartend zu seinem Rottenführer.

Der alte Veteran ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Gleichgültig fuhrwerkte er noch immer an seinen Fingern herum und machte sich nicht einmal die Mühe, aufzusehen. Irgendwann, als Wenzel schon dachte, sie würden überhaupt keine Antwort mehr bekommen, seufzte Jonkor und stemmte seinen massigen, bulligen Körper mit einem genervten Stöhnen in die Höhe.

»Ich weiß auch nicht mehr. Aber beim Arsch der Herrin, seht euch doch um! Der ganze Aufwand hier mit dem Wall, Ausrüstung vom Feinsten, Repetierer und eine volle Batterie Mantikore, ja sogar schwere Infanterie vom Herzog persönlich ist mit dabei. Macht die Augen auf! Irgendwas scheint den hohen Herren in Leuenburg gehöriges Kopfzerbrechen zu bereiten, und was auch immer es ist, wir sitzen hier vorne im Dreck und sollen uns darum kümmern.«

Jonkors nicht mehr ganz so ruhig gesprochenen Worte bestätigten Wenzel in seinen Überlegungen. Selbst ihr Anführer, der sich eigentlich nicht so schnell aus der Ruhe bringen ließ, machte sich Gedanken. Das wollte was heißen.

Den anderen schien es ähnlich zu ergehen, kam doch das erste Mal seit ihrem Aufbruch kein blöder Kommentar. Unsicher starrten sie Jonkor einfach nur an und hielten die Klappe. Wenzel konnte förmlich spüren, dass es ihnen langsam aber sicher dämmerte. Asmuth hatte jegliche Farbe im Gesicht verloren und suchte ängstlich den Blick seiner Kameraden. Ingrimm, der eigentlich immer etwas auszusetzen hatte, rieb sich mit den Händen den gröbsten Dreck aus dem Gesicht und selbst Ortolf, der ständige Possenreißer, lehnte mit verschränkten Armen stumm am Wall.

Wenzel holte tief Luft. Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt darüber zu sprechen. »Gut möglich, dass an den Gerüchten was dran ist.«

»Von welchen sprichst du?«, gluckste Ortolf plötzlich. »Das mit Ingrimm und seinem Verhältnis zur Latrinentante kannst du nicht meinen, schließlich weiß jeder Hund der Garnison davon. Bleibt nur die Geschichte, die sich die Flüchtlinge vor den Toren Leuenburgs erzählen.« Grinsend sah er in die Runde.

Sofort war das unheilvolle Eis von eben gebrochen. Asmuths Züge entspannten sich. Unsicher versuchte er sich an einem kläglichen Lächeln. Selbst Jonkor musste schmunzeln, auch wenn er genervt den Kopf schüttelte. Nur Ingrimm schien Ortolfs Spitze überhört zu haben. Er machte eine wegwischende Bewegung mit der Hand und sah zu Wenzel.

»Das sind doch nur Ammenmärchen und Gruselgeschichten. Nicht mal meinen kleinen Sohn könntest du damit beeindrucken.« Er lachte auf und griff nach seinem Spaten.

Wenzel fuhr unbeeindruckt fort. »Klar, die Geschichten kennt jeder aus seiner Kindheit, und dass auf den Gassen viel Mist erzählt wird, ist auch klar. Aber warum sollten sich die Flüchtlinge so was ausdenken? Was haben die davon?«

»Was weiß ich?«, knurrte Ingrimm. »Vielleicht erzählt man sich an der Küste gern Geschichten. Keine Ahnung. Oder sie brauchen einfach Aufmerksamkeit. Die kommen aus den Grenzlanden. Im Normalfall will mit dem Geschmeiß doch niemand was zu tun haben.«

»Ja, gut möglich. Aber was, wenn sie Recht haben und wirklich ein gewaltiges Heer aus Widergängern über die Berge gen Westen zieht? Die armen Schweine in den Grenzlanden sollen jedenfalls keine Chance gehabt haben.« Wenzel ließ nicht locker.

Und plötzlich war sie wieder da, die unheilvolle Stimmung. Wie eine große Glocke legte sie sich über die Schanze und lähmte die Männer. Asmuth hing förmlich an Wenzels Lippen.