Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 475 - Katja von Seeberg - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 475 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

Nichts ist einfach ohne Träume

Packender Roman um ein schwer errungenes Glück

Als die bezaubernde Christine Wegener, die gerade ihre Ausbildung zur Erzieherin abgeschlossen hat, in einer Annonce liest, dass auf Schloss Tramberg ein Kindermädchen gesucht wird, bewirbt sie sich. Wenige Tage später wird sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Doch sie hat kein Glück. Viel zu hübsch, lautet insgeheim das Urteil der Gräfin.
Traurig und zutiefst enttäuscht verlässt das junge Mädchen das Schloss. Christine ahnt in diesem Moment nicht, dass sie schon sehr bald zurückkehren wird ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Nichts ist einfach ohne Träume

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Daria_Cherry / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8848-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Nichts ist einfach ohne Träume

Packender Roman um ein schwer errungenes Glück

Als die bezaubernde Christine Wegener, die gerade ihre Ausbildung zur Erzieherin abgeschlossen hat, in einer Annonce liest, dass auf Schloss Tramberg ein Kindermädchen gesucht wird, bewirbt sie sich. Wenige Tage später wird sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Doch sie hat kein Glück. Viel zu hübsch, lautet insgeheim das Urteil der Gräfin.

Traurig und zutiefst enttäuscht verlässt das junge Mädchen das Schloss. Christine ahnt in diesem Moment nicht, dass sie schon sehr bald zurückkehren wird …

In dieser abgelegenen Gegend verkehrte der Bus nur dreimal am Tage: morgens, mittags und abends. Christine lehnte an dem verwitterten Holzpfahl, an dem der Fahrplan hing. Es war ziemlich einsam hier, zu beiden Seiten der Chaussee ein dunkler Hochwald. Nur gelegentlich fuhr ein Auto vorüber.

Sie überlegte gerade, ob sie einem Wagen winken und einen Fahrer bitten sollte, sie mitzunehmen, als ein altes Auto neben ihr anhielt.

„Kann ich Sie mitnehmen?“, fragte der junge Mann, der hinter dem Steuer saß. Er schaute Christine liebenswürdig an.

Sie musterte ihn misstrauisch. Sollte sie? Er wirkte sympathisch – schlank, sonnengebräuntes Gesicht, dunkles, vom Wind zerzaustes Haar.

Christine dachte an die Ermahnungen ihrer Mutter.

„Ich werde auf den Bus warten“, antwortete sie.

„Der nächste Bus kommt erst in einer guten Stunde, und bis zum Dorf sind es über acht Kilometer.“

„Also gut, dann fahre ich mit Ihnen.“

Der Fremde öffnete den Schlag und half ihr in den Wagen.

Christine fuhr sehr gerne Auto, wenn die Landschaft hübsch war. Leider hatte ihr Vater keinen Wagen. Ihre Eltern gehörten zu den Leuten, die sich diesen Luxus nicht leisten konnten.

„Kommen Sie vom Schloss?“, fragte der Fremde.

Christine nickte. Ein Schatten flog über ihr Gesicht.

Der junge Mann blickte sie von der Seite an.

„Es war wohl nichts Gutes, was Sie dort …“ Er zögerte einen Moment. „… was Sie dort zu erledigen hatten?“

„Ach, ich hatte mich auf dem Schloss als Kindermädchen beworben.“

„Und?“

„Es hat nicht geklappt. Angeblich bin ich zu jung.“

„Wieso angeblich?“

Christine überlegte. Sollte sie sich diesem Fremden mitteilen? Sie kannte ihn erst seit ein paar Minuten. Aber daran hätte sie früher denken sollen. Jetzt hatte sie ihm den Anfang erzählt, nun konnte sie ihm wohl auch über das Ende berichten.

„Ich hatte den Eindruck, die Frau Gräfin mag mich nicht.“

„Das bilden Sie sich gewiss nur ein“, meinte der Fremde lachend. „Ich könnte mir kein netteres Kindermädchen für meinen Nachwuchs vorstellen. Sie sind jung, Sie sind hübsch, und Sie können bestimmt ausgezeichnet mit Kindern umgehen.“

„Danke für das Kompliment. Nur scheint mir, junge Männer und ältere Damen haben einen sehr unterschiedlichen Geschmack.“

Christine schaute ernst vor sich hin. Ihre erste persönliche Vorstellung war ein glatter Misserfolg gewesen. Kein ermutigender Start, wenn man eben begann, sein eigenes Leben aufzubauen.

„Ich glaube“, nahm der Mann das Gespräch wieder auf, „Sie sehen Ihre Lage zu pessimistisch. Am Ende bekommen Sie die Stellung doch noch.“

„Bitte“, wehrte Christine ab, „sparen Sie sich die Mühe, mich trösten zu wollen.“

„Ich will Sie nicht trösten. Ich will Ihnen lediglich klarmachen, dass man die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen darf. Denn wenn ich Sie recht verstanden habe, hat man Ihnen ja keine direkte Absage erteilt.“

„Das nicht. Aber das ist wohl in diesen Kreisen nicht üblich. Die Frau Gräfin ließ mir durch den Diener ausrichten, sie werde in den nächsten Tagen von sich hören lassen. Und das ist so gut wie ein Nein.“

„Das ist es nicht, mein kleines Fräulein.“

„Das ist es doch“, beharrte Christine. „Und bitte, nennen Sie mich nicht kleines Fräulein. Ich bin kein Kind mehr, das man vor herben Enttäuschungen bewahren muss.“

„Für ein Kind habe ich Sie auch nicht gehalten. Eher für eine nette, temperamentvolle junge Dame. Ganz nebenbei: Ich bin der festen Überzeugung, wenn es auf Schloss Tramberg nicht klappen sollte, dass Sie sehr bald schon eine andere gute Stellung finden.“

♥♥♥

„Frau Gräfin, ein Ferngespräch.“ Der Diener stand devot vor seiner Herrin.

Helene Gräfin von Tramberg saß in einem bequemen Rohrsessel im Schatten einer Kastanie. Zu ihrer Rechten spielte ihre Enkelin in einem eigens für sie hergerichteten Sandkasten.

„Wie dumm“, entgegnete sie, „eben habe ich es mir hier bequem gemacht. Wer ist es denn, Georg?“

„Fräulein von Greif ist am Telefon, Frau Gräfin.“

„Melanie von Greif?“ Gräfin Helene erhob sich hastig. „Warum sagen Sie das nicht gleich, Georg? Das ist natürlich etwas anderes. Und bitte“, setzte sie noch hinzu, während sie schon dem Schloss zustrebte, „geben Sie auf die Kinder acht. Peter wird sicher gleich zurück sein.“

Als sich Gräfin Helene am Telefon meldete, klang ihre Stimme ruhig und gelassen. Weder die innere Spannung noch die Neugierde waren ihr anzumerken. Umso erregter sprach Melanie von Greif.

„Tante Helene“, stotterte sie zerfahren, „bitte entschuldige, dass ich mich so plötzlich bei euch melde, nach all den Jahren, und gerade mittags. Ich weiß ja, dass du um diese Zeit zu ruhen pflegst. Bitte, Tantchen, sei nicht böse deswegen. Was machen Susi und Peter? Und wie geht es Hans-Friedrich?“

„Danke der freundlichen Nachfrage, meine liebe Melanie. Es geht ihm ausgezeichnet. Uns allen geht es ausgezeichnet.“

„Ach, Tantchen, ich habe so oft an euch gedacht! Wie habe ich mich nach dem guten alten Tramberg gesehnt, besonders dann, wenn ich irgendwo im Ausland war, von Ort zu Ort jagte und mein Manager mich ständig zu besseren Leistungen antrieb. Nicht wahr, Tante Helene, du bist mir nicht böse, dass ich dich in deiner mittäglichen Ruhe gestört habe?“

„Aber nein, Melanie“, beruhigte Gräfin Helene die Tochter ihrer besten, längst verstorbenen Freundin. „Wie könnte ich dir jemals böse sein! Was ist denn geschehen, Melanie? Man kennt dich ja kaum wieder. Hast du Kummer?“

„Ach, Tantchen, es ist alles aus, alles. Meine Karriere als Pianistin. Ich kann nicht mehr spielen.“ Leises Schluchzen drang durch den Hörer.

„Aber Melanie, so beruhige dich doch. Schütte mir dein Herz aus. Dann wird dir leichter werden.“

„Tante Helene, es ist so unendlich schwer, über alles zu sprechen. Ich kann es nicht am Telefon. Eigentlich wollte ich dich fragen, ob ich so wie früher für einige Zeit nach Tramberg kommen darf.“

Gräfin Helene schwieg. Ihre Gedanken waren in die Vergangenheit zurückgetaucht, in jene Zeit, als Melanie, ein Kind noch, in jedem Sommer nach Tramberg gekommen war. Schon damals hatte Gräfin Helene in Melanie die zukünftige Schwiegertochter gesehen. Daran hatte sich auch nichts geändert, als sie zu einem jungen Mädchen herangewachsen war.

Melanie entstammte einem alten adligen Geschlecht. Es war zwar verarmt, doch das spielte für die Trambergs keine Rolle.

„Wann können wir dich erwarten, Melanie?“

„Wenn es euch recht ist, in der nächsten Woche, Tante Helene. Könnte Hans-Friedrich mich mit dem Wagen abholen?“

„Aber natürlich, Melanie. Es wird ihm eine Freude sein.“

Als Gräfin Helene den Hörer auf die Gabel legte, blickte sie noch lange vor sich hin. So spielte das Leben. Gestern noch war Melanie eine namhafte Pianistin. Und heute stand sie offenbar vor dem Ende ihrer Karriere.

♥♥♥

Mit elegantem Schwung lenkte der junge Mann, der sich inzwischen als Hans Friedrich vorgestellt hatte, seinen Wagen vor das Bahnhofsportal der Kreisstadt.

„So, Fräulein Wegener, wir sind am Ziel.“

Herzlich streckte Christine ihm die Hand entgegen.

„Vielen Dank, Herr Friedrich. Es war sehr nett von Ihnen, mich mitzunehmen. Ich habe eine Menge Zeit dadurch gewonnen und …“

„Halt“, fiel er ihr ins Wort, „nicht so eilig, Fräulein Wegener. Noch ist es nicht so weit. Wenn Sie gestatten, werde ich Sie zum Bahnsteig bringen, ja?“

Hans Friedrichs Augen glitten über Christines schlanke Gestalt, über ihr gebräuntes Gesicht und das helle Haar.

Schweigend gingen sie in die Bahnhofshalle.

„Wann wollen Sie fahren, Fräulein Wegener?“

„Sobald es geht. Doch wie ich sehe …“

„Wie Sie sehen“, vollendete Hans Friedrich ihren Satz vergnügt, „hat ein Zug, den Sie hätten benutzen können, vor zehn Minuten den Bahnhof verlassen.“

Plötzlich sah für ihn die Welt viel freundlicher aus. Und Christine gab sich redlich Mühe, die jäh aufspringende Freude zu verbergen. Einträchtig gingen sie zum Ausgang zurück.

Die Straßen des kleinen Städtchens waren um diese Mittagsstunde fast menschenleer. Brütende Hitze lag über ihnen.

Langsam schlenderten sie durch die stillen Straßen. Manchmal standen sie vor einem Schaufenster und betrachteten die Auslagen. Dann gingen sie weiter. Als sie auf den Marktplatz kamen, blieb Hans Friedrich vor dem Ratskeller stehen.

„Wollen wir eine Kleinigkeit essen, Fräulein Wegener?“

Es wirkte alles ganz zufällig, vollkommen unbeabsichtigt.

„Ich weiß nicht“, meinte Christine unschlüssig. „Das hatte ich eigentlich nicht vor.“

Hans Friedrich überging ihren wenig überzeugenden Einwand und schob sie sacht ins Lokal. Dann ging er ihr voran, um nach einem geeigneten Platz Ausschau zu halten.

Da schoss ein dunkel gekleideter Herr beflissen auf ihn zu.

„Grüß Gott, Herr Graf. Welche Ehre, Sie wieder einmal bei uns …“

Ein kurzer Blick ließ den übereifrigen Geschäftsführer verstummen. Wie oft hatte Hans Friedrich ihm schon gesagt, man möge nicht so viel Aufheben um ihn machen.

Christine hatte jedes Wort verstanden. Ihr Blick glitt fragend von einem zum anderen.

Hans Friedrichs Gesicht blieb undurchdringlich. Auch im Gesicht des Geschäftsführers stand nach wie vor das liebenswürdige Lächeln.

„Verzeihung, die Herrschaften, eine bedauerliche Verwechslung“, murmelte er mit einer leichten Verbeugung. „Ich bitte vielmals um Entschuldigung.“

Er führte Hans Friedrich und Christine durch das gut besetzte Lokal zu einem freien Tisch.

„Wenn die Herrschaften hier Platz nehmen möchten?“

Hans Friedrich und Christine setzten sich, und der Geschäftsführer zog sich zurück.

Christine schaute ihm sinnend nach. Was war nun echt gewesen, die Anrede vorhin oder die darauf folgende Entschuldigung? Ihre Augen hefteten sich fragend auf Hans Friedrich. Er hatte sich in die Speisekarte vertieft.

„Was möchten Sie essen, Fräulein Wegener? Wiener Schnitzel? Wie wäre es mit Forelle blau mit zerlassener Butter und Kräuterkartoffeln? Das müssen wir nehmen, Spezialität dieses Hauses. Dazu nehmen wir einen Weißwein.“

Christine hatte kaum hingehört. War sein Eifer nicht ein wenig übertrieben?, fragte sie sich.

„Nun, Fräulein Wegener, ist es ihnen recht, wenn wir Forelle nehmen?“

Christine nickte abwesend. Die Heiterkeit, die Unbeschwertheit waren verflogen. Fremdheit stand zwischen ihnen. Auch Hans Friedrich schien es zu spüren.

„Sie sind so verändert, Fräulein Wegener. Hoffentlich stellen Sie jetzt keine tiefschürfenden Überlegungen an, ob ich wirklich ein Graf bin.“

Voller Misstrauen blickte sie Hans Friedrich an. Der Kellner, der eben an den Tisch trat, enthob sie einer Antwort.

Der junge Mann fühlte sich wenig behaglich. Fast war er geneigt, ihr die Wahrheit zu sagen. Aber dann unterließ er es. Er wollte nicht ein zweites Mal seines Titels und seines Geldes wegen begehrt werden.

„Wenn ich nun wirklich ein Graf wäre“, griff Hans Friedrich das Thema noch einmal auf, nachdem der Kellner sich entfernt hatte, „hätten Sie etwas dagegen?“

„Natürlich“, entgegnete Christine schnell.

„Und warum?“

„Na, hören Sie mal! Wenn Sie sich erst als Herr Friedrich vorstellen, und nachher kommt es heraus, dass Sie gar nicht der Herr Friedrich, sondern Graf Soundso sind, wie soll mir das gefallen?“

Hans Friedrich lachte laut.

„Sie haben recht, Fräulein Christine. So darf ich Sie doch nennen?“

„Ja“, erwiderte sie mit einem Lächeln.

Die Welt war wieder schön, und die Zeit verging unendlich schnell. Ehe sie es sich versahen, standen sie wieder auf dem Bahnsteig, um voneinander Abschied zu nehmen.

Und dann fuhr der Zug in den Bahnhof ein. Türen öffneten sich, Reisende entstiegen. Der Bahnsteig glich einem Ameisenhaufen.

„Bitte, einsteigen, und die Türen schließen!“ Der Zug hatte nur zwei Minuten Aufenthalt.

Christine streckte Hans Friedrich eilig die Hand entgegen.

„Auf Wiedersehen, Herr Friedrich.“

„Auf Wiedersehen, Christine!“ Plötzlich riss er sie in die Arme und küsste für den Bruchteil einer Sekunde ihren Mund.

Dann ein schriller Pfiff. Völlig durcheinander stolperte Christine die hohen Stufen in den Wagen hinauf. Die Tür knallte zu. Der Zug setzte sich in Bewegung.

„Christine!“, rief Hans Friedrich. Er lief neben dem Zug her. „Deine Adresse, sag mir deine Adresse, Christine!“

Mit Anstrengung kurbelte sie das Fenster herunter.

„Kölner Straße 123“, rief sie, „in …“

Den Ort verstand Hans Friedrich nicht mehr. Zu groß war die Entfernung geworden. Aber das machte nichts. Die Stadt, in der sie lebte, hatte sie ihm vorher schon während des Gesprächs genannt.

Gebannt starrte Hans Friedrich dem Zug nach. In der Ferne wurde er kleiner und kleiner, bis er im Dunst des Nachmittags verschwand.

♥♥♥

Gräfin Helene stand in der Bibliothek. Verärgert spähte sie aus einem der hohen, schmalen Fenster. Von hier aus konnte sie die Auffahrt bis hinunter zu dem eisernen Tor am besten überblicken.

Wo nur Hans-Friedrich blieb, fragte sie sich immer wieder. Seit Stunden schon wartete sie auf ihn. Jetzt war es bereits sieben Uhr. Die Gräfin ärgerte sich über die Verspätung ihres Sohnes.

Die stolze, herrische Frau wollte sich nicht eingestehen, dass Hans-Friedrich längst ihrem Einfluss entwachsen war. Alle Entscheidungen, die Tramberg betrafen, lagen seit Jahren in seinen Händen. In vielem ging er eigene neue Wege, die die Gräfin nicht guthieß.

Ihre Verstimmung hatte sich nicht gelegt, als sie dann endlich nach dem Abendessen in seiner Gesellschaft auf der Terrasse saß.

„Du hast dich heute ungebührlich lange in der Kreisstadt aufgehalten, Hans-Friedrich“, stellte sie nörgelnd fest. „War etwas Besonderes? Du solltest nicht immer mit dem alten klapprigen Wagen in die Stadt fahren. Die Leute müssen ja denken, wir Trambergs könnten uns nichts Besseres leisten.“

Der junge Graf unterdrückte eine unhöfliche Antwort. Ziemlich obenhin erklärte er nur, sein Sportwagen sei zur Inspektion.

„Dann könntest du doch die Limousine nehmen, Hans-Friedrich. Sie steht viel zu oft in der Garage.“

„Ach, Mutter, mach dir doch darüber keine Gedanken. Bei dieser Hitze fahre ich nun mal lieber mit offenem Verdeck.“

Der junge Graf erhob sich. Er hatte das Bedürfnis, mit sich und seinen Gedanken allein zu sein. Die Begegnung mit Christine war in vieler Hinsicht bedeutsam für ihn gewesen. Sie hatte vieles zum Klingen gebracht, was er seit Langem verschüttet gewähnt hatte.

„Du entschuldigst mich wohl, Mutter“, sagte er höflich. „Ich werde noch einmal zum Verwalter hinübergehen.“

„So?“, kam es pikiert zurück. „Ich wollte an sich noch etwas Wichtiges mit dir besprechen. Aber wenn du etwas Besseres vorhast …“

Tramberg setzte sich wieder.

„Wenn es etwas Wichtiges ist, Mutter, dann bleibe ich natürlich.“ Da die Gräfin sich über Gebühr Zeit nahm für ihre Neuigkeit, fragte er interessiert: „Hast du ein neues Kindermädchen eingestellt?“

„Ein neues Kindermädchen? Wie kommst du darauf?“

„Ich dachte, es wollte sich heute eine junge Dame vorstellen?“

„Ach so.“ Gräfin Helene machte eine geringschätzige Handbewegung. „Dieses Mädchen war nichts für uns, Hans-Friedrich.“

„Darf man fragen, weshalb?“

Gräfin Helene blickte ihren Sohn aufmerksam an.

„Seit wann interessierst du dich für unsere Kindermädchen, Hans-Friedrich?“, fragte die Gräfin misstrauisch.

In diesem Augenblick war sie ganz besonders froh, dass sie sich gegen dieses Fräulein Wegener entschieden hatte. Fräulein Wegener war jung und viel zu hübsch. Und Hans-Friedrich war ein junger Mann, der gegenüber weiblicher Schönheit nicht immun war.

„Nun, Mutter, was gibt es Neues?“, brachte sich Graf Tramberg in Erinnerung.

„Ach ja“, fuhr sie aus ihren Gedanken auf, „das hätte ich ja beinahe vergessen. Denk dir, Hans-Friedrich, heute hat uns jemand angerufen, jemand, der dir einmal sehr nahe stand.“

„Melanie?“

„Ja, Melanie von Greif. Deine frühere Verlobte.“

„Schau einer an“, sagte Graf Tramberg ohne sonderliche Überraschung, „nach so vielen Jahren!“

„Es interessiert dich wohl gar nicht, wie es Melanie in der langen Zeit ergangen ist?“, fragte die Gräfin.

„Doch, natürlich“, versicherte ihr Sohn.

„Irgendetwas muss mit ihrer Karriere nicht stimmen, Hans-Friedrich“, erzählte ihm die Gräfin nun. „Aber sie wollte es mir am Telefon nicht sagen. Wenn sie bei uns ist, wird sie uns alles erzählen. Dann …“

„Melanie will hierherkommen?“, unterbrach der Graf seine Mutter erstaunt. „Hierher nach Tramberg?“

„Ja, gewiss. Oder hast du etwas dagegen?“

Gräfin Helene wartete, wie so oft, keine Antwort ab. Lebhaft sprach sie weiter.