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Geschichten über Menschen, wie sie verschieden nicht sein können. Und doch haben sie alle etwas Gemeinsames. In jedem Wort steckt ein Stück Wahrheit. Es geht um einen jungen Mann, der hinaus auf das Meer fuhr und dem Krieg begegnete. Eine Frau aus Korsika, die im KZ starb. In einer anderen Geschichte liebten sich zwei Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind. Alle verbindet sie das Leben, das sich in ihnen verbirgt - dieses eine Leben. Aus Geschichten entstehen neue Geschichten. Sie sind auch Emotionen und Erinnerungen. Nach all dem Geschehen ist nichts mehr, wie es einmal war. Gedanken, Zweifel und Traurigkeit vermischen sich mit der Hoffnung, dass es so etwas nie wieder geben sollte. Ja, es geht nicht mehr rückgängig zu machen. Aber man könnte es viel besser machen, in naher Zukunft. Ob draußen auf dem Meer oder sonst wo auf dieser Welt. Dann denke ich wieder an die Zeit, an die Kriege, die sich irgendwo wiederholen Wieder gibt es Krieg, und wieder hat die Gier nach Macht Vorrang. Wie wertvoll doch ein Leben in Liebe und Frieden ist, wird vielen Menschen wieder einmal bewusst. Und plötzlich ist alles ganz nah. Man kann es kaum in Worte fassen. Krieg in unserem Jahrhundert. Als wäre es nicht schon genug, dass uns Viren und andere Krankheiten beherrschen, und scheinbar vernichten wollen. Krieg in der Ukraine, und erneut in Odessa. Es gibt keine Sieger in einem Krieg. Es ist eine große Beerdigung und bedeutet Leid, Hass und Verzweiflung, denn es sterben Menschen. Deshalb müssen diese Kriege aufhören. Vergessen wollen wir nie ... ... dieses Leid, das dahintersteckt. In den Kriegen, dem angeblichen Frieden, der Vergangenheit. Gräber sind stumm. Auf den Friedhöfen ist es still, und manchmal hört man ein Weinen, ein Schluchzen vielleicht. Doch die Erinnerungen sind lebendig, als wäre alles erst gestern gewesen.
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Seitenzahl: 76
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Für die Geschwister Alois, Ludwig, Margret, Maria und Franziska Krämer.
Für Danielle.
Für alle Menschen, die so viel unverzeihliches Leid erlebt haben.
Eine Reise in den Krieg
Danielle Casanova
Ein bisschen DDR
Epilog
Ludwig wurde genau wie Erich Honecker im Saarland geboren. Ja, sogar im Nachbarort.
Beide Buben wussten zu dieser Zeit noch nichts voneinander, lernten sie jedoch dieselbe Sprache.
Neunkirchen und Sulzbach, beide Orte waren so nah, beide gingen in die DDR, beide waren sie kommunistisch geprägt. Manchmal nahm man an, sahen sie sich sogar ein klein wenig ähnlich.
Es war noch gar nicht so lange her, da lag ein weiteres Bündel im Kissen der Mutter. Ludwig sollte er heißen.
Der erste Sohn hieß Alois. Er war zu dieser Zeit typisch für eine katholische Familie. Namen wie dieser.
Söhne der Eltern: Vater Jakob und der Mutter Maria.
Jakob und Maria hatten 1916 geheiratet. Sie hatten später fünf gemeinsame Kinder.
Man schrieb das Jahr 1924, als dieser Halbfranzose, wie man ihn später immer nannte, das saarländische Licht erblickte.
Der Name Ludwig war im 19. Jahrhundert ein beliebter Jungen-Vorname und bedeutete so viel wie berühmt, Kampf oder Krieg. Viele Heilige und Könige trugen diesen Namen.
Ein paar Jahre lag es erst zurück, als der „Erste Weltkrieg“ an den Menschen vorüberzog.
Noch 1918 fanden Schlachten in Frankreich statt.
Aber dann endlich im selben Jahr die Friedensverträge.
Waffenstillstand!
Aufrufe zur Selbstbestimmung.
Das alles gehörte einer anderen Zeit an, doch werden sich solche Ereignisse immer wiederholen.
Das Gute und das Böse liegt so nah beieinander.
Die Jahre vergingen.
Aus dem kleinen Bub wurde ein junger Mann.
Braune Augen, dunkle Haare. Ganz anders wie sein älterer Bruder Alois, der blonde Haare und eine Wellenpracht auf dem Kopf trug. Der Erste kommt eben nach der Mutter, und der Zweite sieht dem Vater sehr ähnlich. Wie auch immer.
Ludwig war ein gutaussehender Mann. Doch auch er blieb nicht verschont, als die Kriegsmarine aufrief, und er mit hinaus auf das offene Meer musste.
Bruder Alois kämpfte bereits irgendwo. Und später erfuhr man, dass er im Osten Deutschlands wäre.
Für die Buben aus dem Saarland änderte sich schlagartig das ganze Leben.
Noch lächelt dieser jungenhafte Abenteurer und ahnt nicht, was auf ihn zukommt.
Stolz eine Matrosenuniform tragen zu können.
Er ist bereit, mit den anderen hinaus auf das Meer zu fahren, in eine für ihn scheinbar andere Zeit.
Er sieht diese vielen Orte, die Länder schon vor seinen Augen.
Die Ostsee war ja schon ein großer Anblick mit kleinen Wellen. Doch als er die riesigen, gewaltigen Wellen da draußen sah, war er überwältigt.
Seine Augen konnten gar nicht alles auf einmal aufnehmen.
Was spielte sich hier ab?
Das Schiff wurde kurz vom Nebel verschlungen.
Man konnte die Gewalt der Stürme fühlen, und die der Menschen, die davon geprägt waren.
Nun hatte er sich rasch verzogen, dieser angsteinflößende Dunst.
Gleich zeigten sich die Sonnenstrahlen, die mit dem Wasser spielten, auf diesem Meeresspiegel, dieser Weite dort draußen, und gleich sah man auch im Silberschein die wärmende Sonne.
Der Rauch löste sich von Ludwigs Lippen, wenn er die nächste und übernächste Zigarette vor Erregung rauchte.
Nun bei klarer Sicht konnte man erkennen, wie sein Blick das Wasser traf und er in tiefen Gedanken versank.
Für kurze Zeit fühlte er einen heimlichen Stolz, weil er dachte, etwas Gutes zu tun.
Ludwig brachte seine guten Gedanken mit hinaus auf das Meer, denn es war ja noch nicht lange her, als er sich von Mutter, Vater, den Geschwistern und seiner Heimat verabschiedete.
Er spürte noch diese Wärme und Liebe, und diese große Abenteuerlust wie alle jungen Männer in seinem Alter.
Und ja, die Welt war groß in seinen Gedanken.
Doch wo dieser Weg, dieses Schiff ihn hinführte, das wusste er noch nicht.
Wer einen Fluss überquert muss die eine Seite verlassen.
MAHATMA GANDHI
Rot zeigt sich der Himmel – ein Schweif über dem Meer, während der Tod lauerte dort draußen.
***
Es war keine Urlaubsreise, keine, von denen man schon immer geträumt hatte.
Nein, auch kein Ausflug, wo man sich in die Sonne setzt, um das glitzernde Nass zu beobachten, und die Wellen hin und her geschoben werden, und man den Wunsch hätte, darauf zu sitzen, um schwebend zu wiegen.
Nichts von allem, denn es war eine Reise in den Krieg.
Krieg war und ist gleichzusetzen mit Ohnmacht, krank sein, Monaten, Jahren. Bis eben alles vorbei ist.
Doch wann ist so etwas vorbei – wahrscheinlich niemals. Denn diese Zeit nimmt man mit, drinnen im Hirn und im Herzen.
Man wird verfolgt von den Erinnerungen.
Schiffe, die gesunken sind, Bomben, die ihre schwarzen Schleifen mit sich ziehen, Flugzeuge, die wie Spielzeuge vom Himmel fielen.
Der Tod, er war allgegenwärtig und überall.
Der Krieg ist niemals ganz vorbei.
Bereits 1940 konnte man von einem Winterkrieg Finnlands und Norwegens sprechen.
Eine Luftschlacht um England mit Bomben auf London.
Krieg in der weiten Wüste Afrikas.
Drei französische Schlachtschiffe versanken – fast 1300 Matrosen fanden den Tod. Frankreich erlebte seinen Fall.
1941 ein Angriff auf Kreta, und die Fallschirme schwebten am Himmel von Heraklion.
6000 Tode, Verwundete und Vermisste mussten teuer bezahlen.
Im selben Jahr ein Angriff auf Russland, und Japan überfiel die amerikanische Flotte in Pearl Harbor.
Es weitete sich ein bis dahin europäischer zu einem Weltkrieg aus.
Deutsche U-Boote vor Java, brasilianische Soldaten kämpften in Italien. Dann gab es den Chinesisch-Japanischen Krieg und den Kampf im Nordatlantik.
***
Meeresenge, Ludwig war angekommen.
An die Geleitzüge zwischen Gibraltar und der Irischen See kamen starke Rudel kaum heran.
Kreuzer, Schlachtschiffe und Flugzeugträger wurden hier eingesetzt.
Ein klarer Sternenhimmel schaukelte mit dem Mond über dem sich sanft wiegenden Schiff.
In dieser hellen Nacht waren die Silhouetten der Berge zu erkennen. Ein U-Boot hatte die Absicht, dicht unter der afrikanischen Küste von Spanisch-Marokko die Meerenge getaucht zu passieren. Der Kommandant wusste genau, dass diese Seite kontrolliert werden würde.
Man wusste aber auch, dass die Enge des Raumes durch Flugzeuge ein gutes Sicherheitsverhältnis darstellte, bei zumeist ruhiger See.
Später erfuhr man, dass vor Gibraltar der Flugzeugträger „Ark Royal“ durch U-Boot-Torpedos versenkt wurde.
An Bord aller anderen Schiffe hielten die Wachen ständig Ausschau nach angreifenden U-Booten.
Was waren das alles für Menschen?
Welche Kraft trieb diese Männer an, solche Gefahren einzugehen und den Tod nicht zu scheuen!
Im Zweiten Weltkrieg fehlte es nicht an geheimnisvollen Unternehmungen.
***
Erstickte Schreie!
Überall Tote!
Es gab über 30 Millionen, die ihr Leben verloren.
Viele Soldaten und Menschen in Deutschland und anderen Ländern begannen über den Krieg nachzudenken.
Hört das nie auf?
Männer ziehen in den Krieg, ja sogar Frauen tun ihnen gleich. Lächelnd stehen sie da, um für die Angehörigen schnell noch ein Erinnerungsfoto zu machen. Für jetzt und später, als Andenken. Als wäre das alles ein Picknickausflug oder eine Reise in ein exotisches Land.
Doch es kommt für die Jungs, diese Matrosen, ganz anders.
Noch nicht ahnend, verlieren sie einige Wochen und Monate später ihre ersten Kameraden, und die Nächte werden zur Hölle.
Diese Zeit, in der ihre Frauen und Kinder nachts schlafen, sinken dort draußen Schiffe, fallen Bomben vom Himmel.
Die See ist rau, das Meer schmeißt mit seinen Wellen nur so um sich, als hätte es reichlich davon.
Genug, um Menschen mit sich nach unten zu zerren.
Ludwig hat noch keine Kinder, keine Frau, um die er sich in dieser Zeit Sorgen machen muss.
Als gäbe es nicht schon genug davon, unter dem Sternenhimmel vor Gibraltar – Kummer und Sorgen.
Für ihn ist es wahrscheinlich noch ein Abenteuer, denn sein junges Blut möchte dieses Adrenalin spüren.
Ludwig hat in der Heimat noch Eltern und Geschwister. Er ahnt nichts davon, wie es gerade zu Hause aussieht. Dort wurden die Familie und Angehörige ausgebombt. Weit weg fuhren sie, um dem Leid und der Obdachlosigkeit aus dem Weg zu gehen.
Mit nur einem kleinen Köfferchen verließen sie ihr zerstörtes Haus.
Dasselbe Leid da draußen auf dem eisigen Meer.
Monatelang hallte das Lied in den Ohren. Tote, verletzte Kameraden, und erst jetzt begriff der junge Mann. Wird er das Geschehene rückgängig machen können, wird er vergessen können? Sicher nicht.
Wieder wurde ein Kamerad getötet.
Seinen Hund nahm Ludwig einige Zeit an sich, bis er eine gute Familie an Land finden würde. Wenigstens war noch Mitleid für ein Tier da.
Die Freude schrumpfte, mit der er vor Monaten als Matrose hinauszog. Das war kein Spaß mehr.
Das Einzige, was ihn noch aufmunterte, war sein Fotoapparat, weil er leidenschaftlich gerne Fotos machte und sogar selbst entwickelte.
Doch was sollte er hier draußen fotografieren?
Ihm blieb nichts anderes übrig, wie dieses Geschehen festzuhalten.
Wird er das alles überleben?
Würde er seine Familie, die Eltern und Geschwister jemals wiedersehen?
Die Angst stand Ludwig im Nacken.
Er hatte noch kein Auge zugetan, als es schon wieder von neuem losging.
Erschöpft sank er früh um fünf Uhr auf seine Liege. Er kauerte sich zusammen vor Kälte und Müdigkeit.
Ludwig versank in einen Tiefschlaf und träumte, dass sein Bruder verletzt worden sei, der in den Osten von Deutschland ziehen musste. –
Und er träumte, dass er ihm nicht helfen konnte.