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Der vierzigjährige Adrian du Vinage hat innerhalb von wenigen Jahren dem neuen Modelabel "Chatterton" zu großer Bekanntheit verholfen. Wie betrunken von seinem erworbenen Reichtum, den Reisen und den Partys ließ sich der lässige Beau von seiner Erfolgswelle tragen. Doch mit der Zeit wird ihm immer klarer: Das ist nicht das Leben, nach dem er sich sehnt. Die Oberflächlichkeit in der Modewelt und seine zahlreichen Affären sind ihm zuwider. Unter den Menschen in seinem Leben gibt es niemanden, mit dem er sich ehrlich verbunden fühlt.
Während einer Geschäftsreise in Paris erhält er plötzlich die Diagnose Grüner Star. Die Schädigung der Netzhaut und des Sehnervs ist bereits weit fortgeschritten. Trotz Behandlung droht Adrian, eines Tages zu erblinden.
Als er sich am Tiefpunkt angekommen fühlt, begegnet Adrian der erfrischend authentischen Sophie. Es ist Liebe auf den ersten Blick, die Adrian in einen schweren Konflikt stürzt. Er will und darf diese wunderbare Frau nicht lieben! Sie hat so viel mehr verdient als ein Leben mit einem Blinden. So stößt er Sophie von jetzt auf gleich von sich und verzichtet auf sein Lebensglück ...
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Ich will dich nicht lieben!
Vorschau
Impressum
Ich will dich nicht lieben!
Adrian kämpft aufgrund seiner Erkrankung mit aller Macht gegen seine Gefühle
Der vierzigjährige Adrian du Vinage hat innerhalb von wenigen Jahren dem neuen Modelabel »Chatterton« zu großer Bekanntheit verholfen. Wie betrunken von seinem erworbenen Reichtum, den Reisen und den Partys ließ sich der lässige Beau von seiner Erfolgswelle tragen. Doch mit der Zeit wird ihm immer klarer: Das ist nicht das Leben, nach dem er sich sehnt. Die Oberflächlichkeit in der Modewelt und seine zahlreichen Affären sind ihm zuwider. Unter den Menschen in seinem Leben gibt es niemanden, mit dem er sich ehrlich verbunden fühlt.
Während einer Geschäftsreise in Paris erhält er plötzlich die Diagnose Grüner Star. Die Schädigung der Netzhaut und des Sehnervs ist bereits weit fortgeschritten. Trotz Behandlung droht Adrian, eines Tages zu erblinden.
Als er sich am Tiefpunkt angekommen fühlt, begegnet Adrian der erfrischend authentischen Sophie. Es ist Liebe auf den ersten Blick, die Adrian in einen schweren Konflikt stürzt. Er will und darf diese wunderbare Frau nicht lieben! Sie hat so viel mehr verdient als ein Leben mit einem Blinden. So stößt er Sophie von jetzt auf gleich von sich und verzichtet auf sein Lebensglück ...
Der Wecker von Sofie Schillings Smartphone klingelte, und sie wusste für einen kurzen Moment nicht, wo sie war. Schlaftrunken tastete sie nach ihrem Handy, schaltete den Wecker aus und setzte sich auf. Der Blick aus dem Fenster zeigte ihr das fast schon unwirkliche Rosa blühender Kirschbäume, die den kleinen verschlafenen Platz vor dem Hotel umstanden. Paris! Jetzt kam alles wieder. Nellys Geschenk ... Die Première Vision ...
Bei dem Gedanken, was sie heute vor sich hatte, wäre Sofie am liebsten wieder unter die Bettdecke gekrochen. Doch sie hatte sich nicht umsonst vorgenommen, um sieben Uhr aufzustehen. Sie wollte sicher sein, dass sie mehr als genug Zeit hatte, sich vorzubereiten.
Sofie seufzte. Sie hätte viel gegeben für die Möglichkeit, sich jetzt einen Kaffee zu machen, ihn im Bett sitzend zu trinken und so ganz in Ruhe in den Tag zu starten. Zuhause in Berlin war das eine Routine, die sie liebte und brauchte. Doch in dem winzigen Hotelzimmer, das sie für ihre zwei Tage in Paris gebucht hatte, gab es keinen Wasserkocher. Es gab überhaupt sehr wenig. Das Zimmer war klein, zweckmäßig – und absolut unpersönlich. Das einzig Gute war, dass es wirklich sauber war. Und natürlich, dass es in Paris war – dem Sehnsuchtsort Nummer Eins auf Sofies innerer Landkarte.
Gähnend stand sie auf und ging zum Fenster. Die blühenden Bäume, die sie gestern Abend bei ihrer Ankunft schon so bewundert hatte, sahen jetzt in der Morgensonne noch schöner aus. Wie hieß der kleine Platz noch mal? Place de la Cavalière –Platz der Reiterin. Sofie hatte keine Ahnung, was es mit dem Namen auf sich hatte, aber er gefiel ihr. Er hörte sich an, als wäre der kleine Platz nach einer Figur aus einem Märchen benannt worden.
Gegenüber vom Hotel sah Sofie ein kleines Straßencafé, das tatsächlich schon geöffnet war. Cheval Blanc stand in geschwungener Schrift über dem von zwei Steintöpfen mit Oleandersträuchern flankierten Eingang. Ein paar Leute, die offensichtlich auf dem Weg zur Arbeit waren, tranken hier einen schnellen Kaffee oder ließen sich frisch belegte Baguettes einpacken. Der idyllische Platz mit dem kleinen Café war ein Anblick, der dem Paris aus Sofies Träumen wesentlich näher kam als ihr anonymes Hotelzimmer.
Sie beschloss, auf das Hotelfrühstück und den zweifellos ungemütlichen Speisesaal zu verzichten und ihren ersten Kaffee in der Sonne vor dem Cheval Blanc zu trinken. So langsam begann sie, sich auf den Tag und die verrückte Mission, die vor ihr lag, zu freuen.
***
Wie jeden Morgen schaltete Adrian du Vinage, sobald er aus der Dusche kam, sein Smartphone ein, um das Wetter zu checken und seine Garderobe entsprechend anzupassen.
Der vierzigjährige Adrian war ein Mann, der immer perfekt gekleidet war. Es war nicht so, dass er bereit gewesen wäre, viel Zeit dafür aufzuwenden. Das musste er auch nicht – er besaß nur Kleidung, die sich durch hohe Qualität und lässige, moderne Schnitte auszeichnete. Ein Grund für seinen perfekten Stil war, dass das für ihn zu seiner Position als Inhaber des in wenigen Jahren ganz oben angelangten kleinen Modelabels Chatterton gehörte. Ein anderer Grund war, dass er ein sehr sinnlicher Mann war, der es liebte, wie sich gute Kleidung an seinem Körper anfühlte. Schon oft hatte er halb scherzhaft gesagt, dass keine noch so weiche Frauenhand an das Gefühl herankam, das ihm ein leichtes Hemd aus guter Baumwolle gab.
Was er hasste, war, wenn das Wetter ihn überraschte und er feststellen musste, dass er nicht perfekt für die Temperaturen gekleidet war. Adrian war gern Herr der Lage, was oft dazu führte, dass es ihm schwer fiel, loszulassen. Oder sich wirklich hinzugeben – ein Charakterzug, der leider in genauem Gegensatz zu seiner sinnlichen Ader stand.
Was seinen Wunsch betraf, immer Herr der Lage zu sein, stellte sich dieser Morgen als eine schwere Prüfung heraus. Kaum hatte er sein Smartphone angeschaltet, sah er drei Nachrichten auf dem Bildschirm. Mit einem cremefarbenen Handtuch um die Hüften gewickelt setzte er sich auf die Kante seines Designerbetts aus hellem Birkenholz. Alle drei Nachrichten waren von seiner rechten Hand und guten Freundin Inès. Sie hatte zweimal versucht, ihn anzurufen und ihm dann eine WhatsApp-Nachricht geschrieben:
Ruf mich an, sobald du kannst! Es ist WICHTIG!
Adrian machte sich nicht die Mühe, seine Mailbox zu checken, sondern rief seine Assistentin sofort an.
»Adrian«, meldete sie sich atemlos, »endlich! Hör zu, du musst die Messe übernehmen! Ich hab mir gestern Abend den Arm gebrochen. Hab die halbe Nacht im Krankenhaus verbracht ...«
»Was?! Was ist passiert?«
»Egal, erzähl ich dir später. Jemand muss um neun am Messestand sein und dafür sorgen, dass die Deko perfekt ist. Serge macht das alles toll, aber du weißt, dass er nicht das gleiche Auge hat wie wir. Und um halb elf haben wir einen Termin mit Soubourgh von Lafayette.«
Adrian knurrte und schaute auf die Uhr. Verdammt! Er musste sofort los.
»Okay«, sagte er knapp. »Ich bin schon da. Ich ruf dich nachher an.«
»Oh mein Gott, ich bin so froh, dass ich dich rechtzeitig erreicht habe!«
Inès klang, als wäre sie den Tränen nahe. So hatte Adrian sie noch nie erlebt.
»Ich wäre sonst selbst gefahren, Arm hin, Arm her ... Dieser Termin ist wirklich, wirklich wichtig für uns!«
»Ich weiß«, beruhigte er sie. »Jetzt mach dir keine Sorgen mehr. Kümmere dich um deinen Arm, leg dich hin, schlaf dich aus. Wir hören uns. Salut!«
Adrian legte auf und ging mit schnellen Schritten zu seinem begehbaren Kleiderschrank. Es war typisch für Inès, dass sie in ihrem Zustand zur Messe gefahren wäre. Er kannte niemanden, der seinen Job so ernst nahm – ihn selbst ausgenommen vielleicht.
Er warf sein Handtuch achtlos aufs Bett und griff sich eilig eines seiner leichtesten Hemden und einen hellgrauen, auf Figur geschnittenen Sommeranzug. Das Wetter war heute egal. Er würde die nächsten zehn, zwölf Stunden in den Messehallen verbringen müssen, und aus vergangenen Erfahrungen wusste er, dass es dort immer eine Spur zu warm war für seinen Geschmack.
Als Adrian vier Minuten später in seinem dunkelblauen Mercedes Coupé aus den achtziger Jahren saß, fluchte er leise vor sich hin. Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, sich einen Kaffee zu machen! Aber das war jetzt egal. Die Messe war wirklich extrem wichtig. Und das nicht nur wegen des Termins mit Soubourgh, dem Mann, der über die Einkäufe der renommierten Galerie Lafayette herrschte. Wie gut Chatterton in den Kaufhäusern, Boutiquen und Online-Shops Europas vertreten war, hing zu einem nicht ganz unerheblichen Teil davon ab, wie gut es auf der Première Vision mit den bestehenden und potenziellen Geschäftspartnern lief.
Adrian war heilfroh, dass er diese Aufgabe vor einigen Jahren komplett an Inès hatte übergeben können. Er hatte nicht nur absolutes Vertrauen in ihre Professionalität, inzwischen war ihm auch vollkommen klar, dass sie einfach viel besser mit Menschen umgehen konnte als er. Anfangs hatte er irrtümlich gedacht, dass es an ihrer Schönheit und an ihrem bewundernswerten Kleidungsstil lag, dass die meisten Menschen sofort von ihr eingenommen waren. Inès wusste immer genau, was in der Mode gerade angesagt war. Oft schon Wochen, bevor die Magazine und Mode-Blogs so weit waren, darüber zu berichten. Gleichzeitig kombinierte sie den aktuellen Trend meistens noch mit einer individuellen Note, die nicht so einfach zu kopieren war.
Natürlich stand ihr all das in ihrem Beruf nicht gerade im Weg, doch Adrian hatte schnell erkannt, dass es vor allem ihre Art war, die sie so unglaublich erfolgreich bei Geschäftsmeetings machte. Es war eine Mischung aus Herzlichkeit, Charme, Witz und souveräner Professionalität, die ihr die Herzen und Verträge reihenwiese zufliegen ließ. Dabei war das Ganze keine Berechnung von ihrer Seite – sie war einfach so, und es machte für sie absolut keinen Unterschied, ob sie mit dem Taxifahrer oder der Chefin der Vogue plauderte.
Adrian musste unwillkürlich seufzen. Es hatte eine Zeit gegeben, als er gedacht hatte, dass er sich vielleicht in die fünf Jahre ältere Inès verliebt hätte. Aber das war es nicht gewesen, wie er schnell realisiert hatte. Er bewunderte einfach, wie echt sie war. Und er mochte sie sehr, sehr gern – was leider mehr war, als er von den zahllosen Frauen, mit denen er in den letzten Jahren Affären gehabt hatte, sagen konnte. Jedenfalls verging kaum ein Tag, an dem er dem Universum nicht insgeheim dafür dankte, dass Inès seine rechte Hand war.
Und nun musste er ihren Job auf der Messe übernehmen! Musste smalltalken und netzwerken und gute Miene zum langweiligen Spiel machen. Er hasste das! Und er war einfach nicht gut darin. Er wusste, dass er meistens viel zu ungeduldig war und dass sein jeweiliges Gegenüber ihm deutlich anmerkte, dass er so schnell wie möglich zu den »wichtigen« Teilen seiner Arbeit zurückkehren wollte – zu der aktuellen Kollektion, zu der Auswahl neuer Stoffe und Materialien ... Dieser Tag würde ein Albtraum werden, und er hoffte nur, ihn so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.
***
Als Sofie die riesige Messehalle mit den zahllosen Ständen der verschiedenen Modelabels und Produktionsfirmen von Stoffen und Accessoires betrat, war sie verwundert, wie zweckmäßig die Atmosphäre war. Während ihres Modedesign-Studiums war sie auf ein paar Fashion Shows in München und Berlin – und sogar auf einer in London – gewesen. Und irgendwie hatte sie sich diese Messe ähnlich glamourös und aufregend vorgestellt.
Nicht, dass sie nicht aufgeregt gewesen wäre! Im Gegenteil, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie wünschte, sie hätte einfach über die Messe schlendern können und sich ganz in Ruhe alles anschauen können. Hätte sich stundenlang dieser nicht enden wollenden Auswahl an Stoffen hingeben können und in ihrem Kopf futuristische Abendkleider und lässige Sweater entwerfen können. Um sie dann, sobald sie Zeit hatte, in dem kleinen Heft, das sie immer bei sich trug, zu skizzieren.
Für Sofie war Modedesign nicht einfach nur ein Beruf. Es war sogar mehr als ihr Traumberuf. Sie hatte schon als kleines Mädchen begonnen, mit Filzstiften verrückte Kostüme zu entwerfen. Und als sie vor ihrem Studium eine Ausbildung als Schneiderin gemacht hatte, hatte sie oft halbe Nächte damit zugebracht, ihre eigenen Schnitte zu entwerfen und mithilfe einer mühsam zusammengesparten Profi-Nähmaschine auszuprobieren, ob sich diese wirklich realisieren ließen.
Jetzt tat es Sofie fast körperlich weh, dass sie ihre Ideen nicht sofort in Zeichnungen festhalten konnte. Sie hoffte inständig, dass sie sich am Abend wenigstens an die Hälfte der pausenlos in ihrem Kopf entstehenden Entwürfe erinnern würde.
Doch sie hatte heute eine Mission – und diese war der Grund dafür, dass ihr das Herz bis zum Hals schlug, seit sie vor einer halben Stunde aus der Metrostation Pointe du Lac ausgestiegen war.
Sofie musste – oder wollte – sich an diesem Tag mit ihren Entwürfen bei mindestens fünf ihrer liebsten Modelabels vorstellen. Das war der Deal gewesen, den Nelly ihr am Abend von Sofies sechsunddreißigsten Geburtstag unterbreitet hatte.
Sofie wusste noch genau, wie sie an dem Abend vor vier Wochen Nellys Geschenk entgegengenommen hatte. Es war ein großer, weißer Umschlag gewesen, von Nellys vierjähriger Tochter Mo liebevoll mit Bildern von fantasievoll gekleideten Prinzessinnen und Zauberinnen verziert. Zwischen Mos bunte Zeichnungen hatte Nelly mit dickem schwarzem Edding geschrieben: Achtung! Dieses Geschenk hat einen Haken!
Sofie hatte gelacht und den Umschlag geöffnet. Darin hatte sich ein Flugticket nach Paris und eine Eintrittskarte für die Première Vision –eine der wichtigsten Modemessen Europas – befunden. Sprachlos hatte Sofie die beiden Tickets in der Hand gehalten.
Dann hatte sie die Hand sinken lassen und gemurmelt: »Nelly, du bist komplett verrückt!«
Nelly hatte kichernd genickt und ihr dann erklärt, was der Haken an dem Geschenk war. Sie hatte eine richtige Rede gehalten, ein bisschen beschwipst von dem Prosecco, den die beiden getrunken hatten.
Sofie erinnerte sich noch ganz genau, wie sie Nellys Worten gelauscht hatte. Und dass sie sich noch nie in ihrem Leben so gesehen gefühlt hatte wie in diesem Moment.
»Sofie«, hatte Nelly feierlich begonnen, »wunderbare, wunderschöne, orangehaarige, unglaubliche, unglaublich talentierte Sofie ... Es ist jetzt fast drei Jahre her, dass du dein Studium beendet hast. Mit Bravour. Und seit über zwei Jahren muss ich mir jetzt ansehen, wie der talentierteste und kreativste Mensch, den ich kenne ...«, sie goss sich und Sofie Prosecco nach und stieß mit ihr an, »... in diesem bescheuerten Job als Assistentin versauert. Muss mit ansehen, dass dieses Riesentalent ungenutzt und ungesehen ...«
Sofie hatte versucht, einen Einwand zu machen, doch Nelly hatte sie mit einer Handbewegung zurückgehalten.
»Sag nichts! Ich weiß, ich weiß. Deine Kollegen sind total nett, deine Chefin voll okay, und mindestens zwanzig Prozent deiner Arbeit ist nicht todlangweilig ... Ich habe inzwischen auch verstanden, dass du dich nicht traust, dich selbstständig zu machen. Oder sagen wir so: Ich habe gelernt, es zu akzeptieren. Das ist ein großes Risiko, und man braucht dafür eine Menge Mut. Ich weiß selbst nicht, ob ich das könnte. Aber jetzt habe ich mir was für dich ausgedacht, das nicht ganz so viel Mut braucht ...«
Dann hatte sie Sofie den Plan erklärt. Nellys Teil des Deals: Paris und Première Vision. Sofies Teil des Deals: fünf Label mindestens! Und am Abend natürlich brühwarm berichten, wie es gelaufen war.
»... nicht ganz so viel Mut ...«, waren Nellys Worte gewesen ...
Doch als Sofie jetzt über die Messe ging, war sie sich nicht so sicher, ob Nelly gewusst hatte, wovon sie sprach. Sofies Herzklopfen war inzwischen fast unerträglich geworden, und als sie ihre Hand ausstreckte, sah sie, dass diese regelrecht zitterte.
Endlich erblickte sie vor sich das Firmenschild, das sie gesucht hatte: Chatterton. Sofie stand wie erstarrt vor Angst an dem Messestand und fragte sich, ob es ein Fehler gewesen war, sich ihren absoluten Favoriten als Erstes vorzunehmen. Sie war sich nicht sicher, was aus ihrem Mund herauskommen würde, wenn sie versuchte, etwas zu sagen.
Vor dem Stand standen ein paar elegante Sessel und einige niedrige Couchtische, auf denen ausgewählte Fotobände über Design herumlagen. Sofie war sofort klar, dass der Eindruck von cooler Lässigkeit von jemandem geschaffen worden war, der sich auf seinen Job verstand.
Chatterton hatte es scheinbar auch nicht nötig, seine gesamte neue Kollektion zur Schau zu stellen. Alles, was man davon sah, waren drei perfekt inszenierte und ausgeleuchtete Schaufensterpuppen, die alle das gleiche aus Sweatern und lässig fallenden, weichen Hosen bestehende Outfit trugen. Nicht zum ersten Mal fragte sich Sofie, wie man es hinbekam, dass Pullover und schlichte Baumwollhosen so aussahen, als kämen sie von einem anderen Planeten. Und zwar nicht von irgendeinem anderen Planeten, sondern von dem coolsten Planeten des Universums.