Dr. Stefan Frank 2709 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2709 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Für ihr Alter ist Lia eine ernsthafte junge Frau. Die Fünfzehnjährige ist gut in der Schule, in ihrer Freizeit malt und zeichnet sie sehr gerne, nachmittags meist im Musikgeschäft ihres Vaters. Obwohl sie sich gut mit ihren Eltern und besonders mit ihrer Mutter Maria versteht, hat sie ständig das seltsame Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Besonders schlimm wird dieses Gefühl, wenn die Familie herumalbert und ausgelassen ist. Dann spürt sie diese unsichtbare Mauer besonders intensiv. Sprechen kann sie darüber nicht, auch nicht mit ihrer besten Freundin.
Eines Nachmittags betritt ein junger Mann das Musikgeschäft. Benedikt Kohler hat sich in die E-Gitarre in der Auslage verliebt. Da Lias Vater im Augenblick verhindert ist, übernimmt sie die Kundenberatung und hinterlässt bei Benedikt einen bleibenden Eindruck. Die Teenager treffen sich fortan regelmäßig. Lia vertraut Ben ihre Sorgen an. Die Beziehung der beiden wird intensiver und intensiver. Und als die Fünfzehnjährige eines Abends nach Hause kommt, ist nichts mehr, wie es war ...


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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Zwei rosa Striche

Vorschau

Impressum

Zwei rosa Striche

Die fünfzehnjährige Lia erwartet ein Baby

Für ihr Alter ist Lia eine ernsthafte junge Frau. Die Fünfzehnjährige ist gut in der Schule, in ihrer Freizeit malt und zeichnet sie sehr gerne, nachmittags meist im Musikgeschäft ihres Vaters. Obwohl sie sich gut mit ihren Eltern und besonders mit ihrer Mutter Maria versteht, hat sie ständig das seltsame Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Besonders schlimm wird dieses Gefühl, wenn die Familie herumalbert und ausgelassen ist. Dann spürt sie diese unsichtbare Mauer besonders intensiv. Sprechen kann sie darüber nicht, auch nicht mit ihrer besten Freundin.

Eines Nachmittags betritt ein junger Mann das Musikgeschäft. Benedikt Kohler hat sich in die E-Gitarre in der Auslage verliebt. Da Lias Vater im Augenblick verhindert ist, übernimmt sie die Kundenberatung und hinterlässt bei Benedikt einen bleibenden Eindruck. Die Teenager treffen sich fortan regelmäßig. Lia vertraut Ben ihre Sorgen an. Die Beziehung der beiden wird intensiver und intensiver. Und als die Fünfzehnjährige eines Abends nach Hause kommt, ist nichts mehr, wie es war ...

»Schau mal!« Lia Demetriou blieb vor einer Litfaßsäule in der Nähe der Ampel stehen und deutete auf eines der Plakate, das aus all den anderen Werbungen hervorstach. Bunt und opulent kündigte es die Ausstellung von Max Beckmann mit dem Titel »Departure« an. »Die will ich mir unbedingt ansehen. In einem Zeitungsartikel nannte der Sammlungsdirektor Oliver Kase die Schau auch eine Abenteuerreise. Und das war das Leben dieses Künstlers ja auch. Max Beckmann hat zwei Weltkriege erlebt, musste ins Exil gehen und wanderte schließlich nach Amerika aus.« Lias Wangen leuchteten.

Ihre Freundin Hannah dagegen rollte nur mit den Augen.

»Ich werde nie verstehen, wie man sich für solche Schinken interessieren kann.« Sie wanderte um die Säule herum. »Dann doch lieber das Konzert von Kupa.«

»Nicht ein Ernst, oder? Wie kann man freiwillig so einen Krach anhören?« Lia betrachtete ihre Freundin mit hochgezogenen Augenbrauen. Dann lachte sie. »Ach, jetzt weiß ich. Marvin hört die ganze dieses Zeug.«

Das Blut schoss Hannah in die Wangen. Schnell wandte sie sich ab.

»Das hat überhaupt nichts mit Marvin zu tun«, behauptete sie.

Die Fußgängerampel sprang ein weiteres Mal auf Grün. Hannah packte Lia am Arm und zog sie mit sich. Sofort war die kleine Unstimmigkeit vergessen. Lachend sprangen die beiden Mädchen hinüber auf die andere Straßenseite.

Lia konnte sich kaum mehr an die Zeit erinnern, an dem Hannah Kayser nicht ihre beste Freundin gewesen war.

Sie hatte Hannah an dem Tag kennengelernt, an dem sie mit ihrer Mutter Nele und den beiden Brüdern in das Haus gegenüber eingezogen war. Damals war Lia elf Jahre alt gewesen. Sie hatte am Fenster gesessen und den Umzugshelfern zugesehen, als sie ein Mädchen in ihrem Alter entdeckt hatte, das auf der Bank neben der Haustür saß. Auch es hatte die Arbeiter beobachtet, die Möbel ins Haus geschleppt hatten. Die langen, roten Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, dazu ein gelbes T-Shirt. Ihre Turnschuhe hatten in allen Farben des Regenbogens geleuchtet.

Als Lia am Gartenzaun stehen geblieben war, hatte Hannah sie überhaupt nicht beachtet. Lia hatte sich in den Schatten des Ahornbaumes gestellt und hatte darauf gewartet, dass das fremde Mädchen von ihr notiznahm.

Im Freundschaften schließen war sie noch nie gut gewesen. Sie war schon immer still und viel zu ernsthaft für ihr Alter gewesen. Vermutlich lag das an diesem seltsamen Gefühl, das sie schon ihr ganzes Leben lang begleitete. Als läge ein Schatten auf ihrer Existenz. Sie kämpfte mit einem extremen Verwirrtheitsgefühl und sozialen Ängsten, für die sie nie einen konkreten Auslöser oder Ereignisse festmachen konnte. Vielleicht suchte sie sich auch deshalb immer wieder Freundinnen aus, die sie schikanierten und herumkommandierten, bis sie schließlich weinend zu ihrer Mutter nach Hause lief.

Lia hatte noch nie eine beste Freundin gehabt. Und auch jetzt würde nichts daraus werden. Sie hatte sich damals umdrehen wollen und zurück nach Hause gehen, da hatte das Mädchen plötzlich gesagt: »Hallo, ich bin Hannah.«

»Ich heiße Lia.«

Hannah war ein Stück zur Seite gerutscht, Lia hatte sich zu ihr auf die Bank gesetzt. Seit diesem Tag waren sie unzertrennlich, auch wenn sie so verschieden waren wie Sommer und Winter.

»Kommst du noch mit in den Laden?«, fragte Lia, als das Musikgeschäft ihres Vaters in Sicht kam.

Mit einem Blick auf ihr Handy schüttelte Hannah den Kopf.

»Ich muss noch die Hausaufgaben fertig machen und Mathe lernen«, seufzte sie. »Manchmal würde ich echt gerne mit dir tauschen. Oder noch besser: Du verrätst mir endlich das Geheimnis, wie du es schaffst, nie etwas zu lernen und trotzdem nur Einser und Zweier zu schreiben.« Hannah strich sich eine rote Strähne aus der Stirn und musterte Lia aus grünen Augen.

»Da gibt es kein Geheimnis. Und ›nicht lernen‹ stimmt ja auch nicht. Ich kann mir die Sachen nur gut merken.«

»Das ist einfach nur ungerecht«, scherzte Hannah. »Meine Mutter ist Psychologin, dein Vater nur Kaufmann und deine Mama Erzieherin. Oder versteckt sich vielleicht ein Professor in deiner Familie, von dem du mir noch nichts erzählt hast und der dir seine schlauen Gene weitervererbt hat?«

Lia wusste, wie Hannah es meinte, und lachte.

»Zumindest weiß ich nichts davon. Aber falls ich etwas erfahren sollte, lasse ich es dich wissen.«

Die beiden Mädchen hatten das Musikgeschäft von Jorgos Demetriou erreicht. Neben Posaunen und Trompeten hingen kunstvolle Bilder in Acryl im Schaufenster. Hannah betrachtete sie voller Bewunderung. Sie wusste, dass es sich dabei um Lias neueste Werke handelte.

»Wenn ich doch wenigstens so gut zeichnen und malen könnte wie du.«

»Dafür bist du lustig, wahnsinnig sportlich und beliebt und hast die schönste Singstimme weit und breit«, hielt Lia dagegen. »Und wenn ich mich nicht geirrt habe, hat Marvin dir heute ganz besonders lange nachgesehen. Stell dir das mal vor! Der begehrteste Junge der ganzen Schule.«

»Ach, Marvin!« Mit knallroten Wangen winkte Hannah ab und fiel ihrer Freundin um den Hals. »Wozu brauche ich einen Mann, wenn ich meine perfekte Ergänzung längst gefunden habe?«

***

Die Glocke über der Tür klingelte eifrig.

»Ich bin's!«, rief Lia in den Laden.

Sie ging vorbei an der Wand mit den Gitarren, ließ im Vorbeigehen die Finger über die Tasten des Flügels gleiten und bog hinter dem Regal mit den Blasinstrumenten ins Büro ab. Sofort fühlte sie sich wie in einer anderen Welt.

Ein Geruch nach Papier und Möbelpolitur erfüllte den Raum. Die grünen Wände zierten gerahmte Zeichnungen und Bilder aus ihrer Feder. Rechts neben dem mächtigen Schreibtisch aus Holz bewahrte Jorgos in einem altehrwürdigen Bücherschrank die Aktenordner mit Bestellungen, Rechnungen und Aufarbeitungsaufträgen auf. Obwohl es draußen taghell war, brauchte es hier hinten Messinglampen in den Ecken und auf dem Schreibtisch, die ein heimeliges Lichts spendeten. Nur Computer und Drucker verrieten, dass es sich um ein Arbeitszimmer aus dem 21. Jahrhundert handelte. Am runden Tisch am Fenster wurden Kundengespräche geführt. Hier verbrachte Jorgos meist seine Pausen. Wenn es im Laden nichts zu helfen gab, saß auch Lia an den Nachmittagen mit ihrem Zeichenblock dort, den Blick auf den wilden Stadtgarten vor dem Fenster gerichtet. Sie liebte dieses Büro, das aus der Zeit gefallen schien.

»Hallo, Papa.« Sie beugte sich über ihren Vater und küsste seine bärtige Wange. Einzelne Silberfäden durchzogen das glänzende Schwarz.

Jorgos richtete sich am Schreibtisch auf und strich seiner einzigen Tochter über das dunkle Haar.

»Meine Blume!« Als er lächelte, kräuselte sich die Haut um seine schwarzen Augen. »Gut, dass du schon hier bist. Ich muss gleich zu einem Kunden, der eine Beratung wünscht. Kannst du solange auf das Geschäft aufpassen?«

Er kannte die Antwort längst und griff nach Aktentasche und Sakko. Noch ein Kuss, dann war Lia alleine. Aber nicht lange. Sie entdeckte den jungen Mann schon, als er noch vor dem Schaufenster stand. Seine Bewunderung galt der elfenbeinfarbenen E-Gitarre, die seit einer Woche auf einem mit einem rotsamtenen Tuch bedeckten Tisch in der Auslage lag.

Wie bei jedem Besucher klingelte das Glöckchen auch diesmal wieder emsig. Lia grüßte und beobachtete ihn, wie er durch den Laden schlenderte. Eilig schien er es jedenfalls nicht zu haben.

»Was kann ich für dich tun?«, fragte sie schließlich.

Der junge Mann – Lia schätzte ihn auf Anfang zwanzig – hob die Augen. Ihre Blicke trafen sich. Sofort spielte ein spöttisches Lächeln um seine Lippen.

»Ich interessiere mich für die Gitarre im Schaufenster und würde gerne mit einem Erwachsenen übers Geschäft reden.«

»Hast du heimlich Mamas Sparschwein geschlachtet? Falls nicht, glaube ich kaum, dass du dir das Baby leisten kannst«, erwiderte Lia so prompt, dass es ihrem Kunden kurz die Sprache verschlug.

»Gut gebrüllt, Löwe!« Lachend hielt er ihr die Hand hin. »Mein Name ist Benedikt Kohler. Tut mir leid, wenn ich dich beleidigt habe.«

»Dafür müsste mich deine Meinung interessieren.« Lia hielt seinem Blick aus grünblauen Augen stand. »Tut sie aber nicht.«

Benedikt zog die Hand zurück.

»Oho, bist du immer so unversöhnlich? Was verlangst du von mir, Prinzessin? Soll ich vor dir auf die Knie fallen?« Er hatte kaum ausgesprochen, als er seinen Worten Taten folgen ließ und vor ihr niederkniete.

Lias Blick flog durch das Schaufenster hinaus auf die Straße. Zwei, drei Passanten waren stehen geblieben und betrachteten die Auslage.

»Schon gut. Bitte steh wieder auf!«

»Dann hast du mir verziehen?«

»Ja. Und jetzt komm hoch.«

Benedikt klopfte den Staub von der Hose. Diese Gelegenheit nutzte Lia, um ihn genauer zu betrachten. Eigentlich sah er gar nicht so übel aus mit dem hellen Bart und den mittelblonden Haaren, die ihm bis auf die Schultern reichten. Offenbar war er der sportliche Typ, wie das enganliegende Kurzarmshirt verriet.

Er bemerkte ihren Blick und lächelte.

»Wo wir das geklärt hätten, kannst du mir vielleicht auch mehr über die Gitarre verraten?«

An seinem spitzbübischen Grinsen bemerkte Lia, dass er sie auf die Probe stellte. Sie dachte kurz an das, was ihr Vater ihr neulich erzählt hatte und holte tief Luft.

»Bei dem guten Stück in der Auslage handelt es ich um eine Fender der Artist Serie, eine limited Edition«, erklärt sie und kam hinter dem Tresen hervor. »Der Korpus besteht aus Erle, der geschraubte Hals aus Ahorn. Die Mensur beträgt 648, der Griffbrettradius 241 und die Sattelbreite 42 Millimeter. Der Sattel besteht aus synthetischem Knochenmaterial und hat 21 Bünde.« Als würde sie das Instrument jeden Tag mehrere Stunden spielen, nahm sie es aus der Auslage und reichte es Benedikt. »Beim Tonabnehmer handelt es sich um einen 3 Vintage Noiseless Strat Single Coils mit 5-Wege Schalter ...«

»Genug, genug, du hast mich davon überzeugt, dass du dich besser auskennst als ich mich.« Ben hatte sich die Gitarre umgehängt und hob lachend die Hände. »Sag bloß, du spielst selbst!«

Lia haderte mit sich. Sollte sie das Kriegsbeil begraben?

»Tatsächlich bin ich der unmusikalischste Mensch unter Gottes Sonne«, gestand sie. »Ganz im Gegenteil zu meinem Vater. Der kann jedem Instrument wenigstens eine kleine Melodie entlocken.«

»Das tröstet mich. Dann kann ich dich hoffentlich doch noch ein bisschen beeindrucken.« Benedikt setzte sich auf einen Hocker, schloss die Gitarre an einen Verstärker an und stimmte ein Lied an. Sein Spiel war virtuos, das erkannte Lia, auch ohne Profi zu sein. Andächtig lauschte sie den Akkorden.

»Das war wirklich sehr schön.«

»Daran ist die Gitarre schuld.« Benedikt schenkte dem Instrument einen verliebten Blick. »Denkst du, dein Vater würde sie für mich reservieren?«

»Ich kann ja ein gutes Wort für dich einlegen«, machte Lia einen Vorschlag und versprach, sofort mit Jorgos zu sprechen, sobald er zurück war.

Benedikt verabschiedete sich und verließ das Geschäft. Durch die Scheiben winkte er noch einmal. Lia dagegen legte die Gitarre zurück ins Schaufenster und stellte eine rote Karte mit dem Schriftzug »reserviert« dazu. Natürlich musste sie nicht erst mit ihrem Vater sprechen. Ganz im Gegenteil würde er stolz sein, dass sie einen Verkauf in die Wege geleitet hatte. Das würde seine Hoffnung schüren, dass sie eines Tages doch ins Geschäft einsteigen, es sogar vielleicht übernehmen würde.

Doch an diesem Tag würde Lia diese Diskussion nicht mit ihm führen. Ihre Gedanken verweilten noch immer hartnäckig bei Benedikt Kohler, beim Anblick seiner langen, schmalen Finger, die gekonnt die Saiten zum Klingen gebracht hatten. Sie dachte an seinen verklärten Gesichtsausdruck, den sie von sich selbst kannte. Von Fotos wusste sie, dass sie genauso aussah, wenn sie zeichnete. Vielleicht waren sie sich doch nicht so verschieden, wie es den Anschein gehabt hatte.

Inzwischen saß sie wieder an ihrem Lieblingsplatz im Büro.

»Warum ist das überhaupt wichtig?«, maßregelte sie sich und fuhr mit der Hand durch die Luft.

Das Glas auf dem Tisch machte einen Satz und stürzte über die Kante. Auf dem Boden zersprang es in große Stücke. Das Klirren vermischte sich mit dem eifrigen Klingeln des Glöckchens. Ein Kunde!

»So ein Mist!« Lia haderte kurz mit sich. Was sollte sie zuerst tun? Dann bückte sie sich, verlor das Gleichgewicht und fing sich mit der linken Hand ab. Ein scharfer Schmerz schoss den Arm hinauf. Für einen kurzen Moment schwankte der Boden unter ihren Füßen.

»Um Gottes Willen, Blümchen?«

Lia sank in die Arme ihres Vaters.

»Papa!«

»Was ist passiert?« Auf starken Armen trug er sie zum Sofa in der Ecke. »Warte kurz hier. Ich bin sofort wieder da.« Keine zwei Minuten später versorgte Jorgos die Wunde seiner Tochter, desinfizierte sie und umwickelte die Hand mit einem dicken Verband.

»Das Glas ist runtergefallen. Ich wollte die Scherben aufheben, als ich das Gleichgewicht verlor.« Sie lächelte entschuldigend. »Dafür war ein Kunde da und hat die Fender reserviert.«

»Dann können wir den Laden für heute ja schließen.« Jorgos sah auf die Uhr. »Ich rufe schnell bei Doktor Frank an. Er soll sich den Schnitt ansehen. Das muss bestimmt genäht werden.«

***

Dr. Alexandra Schubert, Lebensgefährtin des Allgemeinarztes Dr. Frank, schlenderte durch die Straßen der Stadt. Obwohl der Abend schon angebrochen war, herrschte zu dieser Jahreszeit noch reges Treiben. Die Menschen genossen die länger werdenden Tage, und auch Alexandra liebte die milden Temperaturen, den Duft und die Geräusche der wiedererwachten Natur. In Bäumen und Sträuchern zwitscherte und tschilpte es. Auf dem Boden raschelten Amseln im Laub des Vorjahres.

Schon bald kam die Villa in Sichtweite, in der Alexa seit einiger Zeit mit Dr. Stefan Frank im ersten Stock über der Praxis lebte.

Schon am energischen Rascheln von Papier erkannte sie, dass Schwester Martha noch am Tresen saß.

»Einen wunderschönen guten Abend, meine Dame«, begrüßte sie die langjährige Arzthelferin scherzhaft und zwinkerte ihr zu.

»Das wünsche ick Ihnen auch, junge Frau«, spielte Martha Giesecke das Spiel mit. »Tut mir leid, aber wir haben schon geschlossen.«

»Oh, das ist ja wirklich schade.« Alexandras Lächeln verriet, wie sehr sie sich darüber freute, in der Arzthelferin eine Mitspielerin gefunden zu haben. »Vielleicht könnten Sie mir trotzdem kurz weiterhelfen. Haben Sie zufällig einen gut aussehenden Mann bemerkt? Ungefähr einsfünfundachtzig groß, mit dunklen Haaren, an den Schläfen silbergrau. Er ist schlank ... na ja, von einem kleinen Wohlstandsbäuchlein abgesehen. Ich bin mir sehr sicher, dass er sich hier ziemlich häufig herumtreibt.«

Nur mit Mühe konnte sich Schwester Martha ein Kichern verkneifen.

»Das mit dem Wohlstandsbäuchlein lassen Sie ihn mal lieber nicht hören.«

»Und die grauen Schläfen sind auch eine Frechheit«, ertönte Stefan Franks Stimme aus dem Hintergrund. »Ich habe gerade nachgezählt. Es sind höchstens fünfzehn Härchen pro Seite.«