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Nach endlos langen, erfolglosen Jahren bekommen Anja und Nils Svensson von Dr. Frank endlich die frohe Botschaft: Anja ist schwanger! Und gleich mit Drillingen! Die Schwangerschaft gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt, die drei Mädchen werden in der 30. Woche geboren. Als Frühchen haben Leni, Lotta und Levke einen schweren Start ins Leben.
Während sich Levke und Leni gut entwickeln, ist Lotta immer kränklich und zart. Als die Dreijährige die Diagnose Leukämie erhält, steht die Welt der Familie still. Tapfer lässt die kleine Patientin die Chemotherapie und folgende Immuntherapie über sich ergehen. Zunächst scheint die Behandlung gut anzuschlagen. Die Kleine blüht wieder auf, ist unternehmungslustiger und fröhlicher als früher. Mit Erlaubnis der Ärzte erfüllen sie Lotta einen großen Wunsch: Sie fahren alle gemeinsam ins Disneyland Paris, wo die Kleine ihren Prinzessinnen-Idolen ganz nah sein kann. Nach der Reise jedoch bricht Lotta mit Fieber zu Hause zusammen. Sie wird mit dem Notarzt in die Waldner-Klinik gebracht. Das Ergebnis ist erschütternd. Die Therapien hatten nicht die erhoffte Wirkung. Auf Dauer kann Lotta nur eine Stammzellenspende retten. Und so beginnt die Suche nach einem geeigneten Spender - und die Zeit läuft Lotta davon ...
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Lotta will leben!
Vorschau
Impressum
Lotta will leben!
Eins der Drillingsmädchen braucht dringend eine Stammzellenspende
Nach endlos langen, erfolglosen Jahren bekommen Anja und Nils Svensson von Dr. Frank endlich die frohe Botschaft: Anja ist schwanger! Und gleich mit Drillingen! Die Schwangerschaft gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt, die drei Mädchen werden in der 30. Woche geboren. Als Frühchen haben Leni, Lotta und Levke einen schweren Start ins Leben.
Während sich Levke und Leni gut entwickeln, ist Lotta immer kränklich und zart. Als die Dreijährige die Diagnose Leukämie erhält, steht die Welt der Familie still. Tapfer lässt die kleine Patientin die Chemotherapie und folgende Immuntherapie über sich ergehen. Zunächst scheint die Behandlung gut anzuschlagen. Die Kleine blüht wieder auf, ist unternehmungslustiger und fröhlicher als früher. Mit Erlaubnis der Ärzte erfüllen sie Lotta einen großen Wunsch: Sie fahren alle gemeinsam ins Disneyland Paris, wo die Kleine ihren Prinzessinnen-Idolen ganz nah sein kann. Nach der Reise jedoch bricht Lotta mit Fieber zu Hause zusammen. Sie wird mit dem Notarzt in die Waldner-Klinik gebracht. Das Ergebnis ist erschütternd. Die Therapien hatten nicht die erhoffte Wirkung. Auf Dauer kann Lotta nur eine Stammzellenspende retten. Und so beginnt die Suche nach einem geeigneten Spender – und die Zeit läuft Lotta davon ...
Es klopfte.
»Ja, bitte!«, ertönte es jenseits der Tür.
Auf die Einladung ihres Chefs schlüpfte Marie-Luise Flanitzer ins Sprechzimmer, reichte ihm ein Blatt Papier und verschwand genauso schnell wieder, wie sie gekommen war.
Dr. Stefan Frank warf einen Blick darauf und lächelte.
»Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger!«
Anja Svensson konnte die frohe Botschaft kaum fassen. Schon als Mädchen hatte sie gewusst, dass sie irgendwann in ihrem Leben selbst einmal Mutter sein wollte. Doch es waren Jahre vergangen, ehe sie in Nils Svensson ihren Traummann gefunden, ihn geheiratet und sich ein Leben mit ihm aufgebaut hatte. Inzwischen war all das geschafft, und Anja hatte sich an die Träume ihrer Kindertage erinnert. Auch Nils konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als ihre Liebe mit einem gemeinsamen Kind zu krönen. Keiner der beiden hatte daran gedacht, dass dieser Weg so schwer werden würde.
Tränen des Glücks liefen über Anjas Wangen. Nun war es endlich so weit! Nach all den endlos langen, verzweifelten vier Jahren sollte ihr größer Wunsch endlich Wirklichkeit werden.
»Ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen«, wiederholte Dr. Frank seinen Glückwunsch.
Sein Strahlen verriet, wie sehr er sich mit seiner Patientin freute. Über all die Jahre hinweg hatte er die Bemühungen des Ehepaares Svensson, ein Kind zu bekommen, treu begleitet. In Abstimmung mit Anjas Frauenärztin hatte er Ursachenforschung betrieben und Untersuchungen empfohlen. In der Klinik seines besten Freundes Ulrich Waldner war ihr ein Myom entfernt und die Fruchtbarkeit ihres Mannes Nils untersucht worden. Nun trugen die Bemühungen endlich Früchte.
»Wenn Sie einverstanden sind, nehme ich Ihnen Blut ab, damit wir das beta-hCG bestimmen können, um wirklich sicher zu sein.«
Natürlich war Anja einverstanden, und schon bald bestätigten die Blutwerte, was der Schwangerschaftstest bereits angedeutet hatte. Zwei Wochen später fand die erste Ultraschalluntersuchung statt. Dieses Ereignis wollte sich auch der werdende Vater nicht entgehen lassen. Aufgeregt wie ein kleiner Junge an seinem ersten Schultag saß Nils auf einem Hocker neben der Behandlungsliege.
Dr. Frank ließ den Schallkopf über Anjas noch flachen Bauch gleiten.
»Hier sehen wir die Fruchtblase...« Er hielt inne. Eine Falte kräuselte seine Stirn. »Und hier ist eine zweite. Es sieht ganz danach aus, als ob sich Zwillinge auf den Weg gemacht hätten.«
»Oh, mein Gott!«, entfuhr es Anja.
Wie so oft in letzter Zeit flossen auch diesmal wieder Tränen.
Auch wenn von der Schwangerschaft noch nichts zu sehen war, schüttete ihr Körper fleißig Hormone aus. Sie sorgten dafür, dass sich die Schwangerschaft festigte und sich das Baby gut entwickeln konnte. Dieser Übereifer der Botenstoffe machte sich mit emotionalen Achterbahnfahrten bemerkbar.
»Aber das ist doch großartig, mein Schatz!«, frohlockte Nils. »Erst vor ein paar Tagen hast du dir noch Sorgen gemacht, dass unser Baby ein Einzelkind bleiben könnte. Schließlich sind wir nicht mehr die Jüngsten und haben einen langen Weg hinter uns, bis du endlich schwanger geworden bist.«
»Ich weiß, und ich freue mich ja auch«, schniefte Anja und nahm dankbar das Taschentuch, das Dr. Frank ihr reichte. »Ab wann sind denn die Herztöne zu sehen?«
»Ich schlage einen weiteren Ultraschalltermin in vierzehn Tagen vor«, versprach der Allgemeinmediziner, der in dieser Eigenschaft nicht nur Schwangerschaften begleitete, wenn die werdende Mutter dies wünschte, sondern sich auch als Geburtshelfer einen Namen gemacht hatte. »Dann sehen wir mit Sicherheit mehr.«
***
In den folgenden Tagen schwebten Anja und Nils auf einer Wolke des Glücks. Ihre Bilderbuchfamilie war in greifbare Nähe gerückt, der werdende Vater las seiner Frau jeden Wunsch von den Augen ab und hätte sie am liebsten auf Händen getragen.
»Fang gar nicht erst damit an!«, scherzte Anja lachend. »Sonst gewöhne ich mich noch daran. Aber in ein paar Monaten wiege ich mindestens zehn Kilo mehr. Dann hast du sicher keine Lust mehr, ein Nilpferd durch die Gegend zu schleppen.«
»Für dich und die Kinder werde ich sogar zum Bodybilder«, behauptete Nils, begnügte sich schließlich aber damit, Anja nach Strich und Faden zu verwöhnen.
Fast jeden Abend nach der Arbeit brachte er Blumen mit. Er überraschte sie mit Kino- und Theaterbesuchen und lud sie in ihre Lieblingsrestaurants ein.
»Bist du sicher, dass wir schon wieder ausgehen sollten?«, fragte Anja, als sie eines Abends völlig erschöpft auf dem Sofa lag.
»Wir müssen unsere Freiheit auskosten, solange es noch geht«, gab er zu bedenken, bestellte aber Essen nach Hause.
Und endlich war der herbeigesehnte Tag gekommen. Im Wartezimmer fühlten sich die beiden wie Kinder am Heiligen Abend, kurz bevor sie den strahlenden Baum mit den Geschenken darunter endlich bewundern durften. Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchte Schwester Martha im Wartezimmer auf und winkte die werdenden Eltern mit sich.
»Herzlichen Glückwunsch«, gratulierte auch sie auf dem Weg ins Sprechzimmer. »Gleich zwei kleine Racker! Det ist bestimmt wahnsinnig aufregend.«
»Ein bisschen Respekt habe ich ehrlich gesagt schon vor der Herausforderung«, gestand Anja und schickte ihrem Mann einen flüchtigen Blick. »Zwei Kinder auf einmal sind bestimmt ganz schön anstrengend in der ersten Zeit.«
»Doppelte Arbeit, aber auch doppelte Freude«, erwiderte Martha Giesecke unverdrossen. »Außerdem ist dann keines der beiden alleine und hat immer einen Spielkameraden.«
»Da haben Sie auch wieder recht«, bestätigte Nils und ließ seiner Frau den Vortritt ins Sprechzimmer, wo Dr. Frank schon auf sie wartete.
»Dann wollen wir mal sehen, was sich inzwischen im Verborgenen getan hat.«
Auch nach all den Jahren hatte das Wunder des Lebens für Stefan Frank nichts von seiner Faszination verloren. Von Anfang an etwas Werdendes zu verfolgen – weit vor der Geburt – begeisterte ihn jedes Mal wieder aufs Neue. »Vorsicht, gleich wird es kalt.«
Das durchsichtige Gleitgel tropfte auf Anjas Bauch. Sie bemerkte es kaum, so konzentriert starrte sie auf den Monitor. Das erste Herz entdeckte sie von selbst.
»Und hier haben wir das zweite Herzchen.« Dr. Frank deutete auf einen zuckenden Punkt im grauweißen Nebel.
In diesem Moment war das Glück des Ehepaares perfekt. Der Beweis war erbracht, dass die Babys wirklich existierten, dass sie wuchsen und gediehen. Unbeschreiblich, diese Freude und Erleichterung nach all den schwierigen Jahren!
»So etwas Wunderbares habe ich noch nie zuvor gesehen«, gestand Nils mit belegter Stimme.
Doch mit dem, was dann folgte, rechnete niemand der Anwesenden. Dr. Frank runzelte die Stirn. Unverwandt ruhte sein Blick auf dem Monitor. Anja bemerkte es.
»Stimmt was nicht?«, fragte sie nervös.
Stefan Frank räusperte sich.
»Ich sehe noch ein drittes Herz, das kräftig schlägt.«
Anja erstarrte. Ihr Blick flog hinüber zu ihrem Mann. Nils war genauso geschockt wie sie.
»Sind Sie sicher?«, hakte sie nach.
»Es gibt keinen Zweifel.« Dr. Frank holte tief Luft. »Sie erwarten Drillinge.«
***
An diesem Abend waren Stefan Frank und seine Lebensgefährtin, die Augenärztin Dr. Alexandra Schubert, mit ihren Freunden Ulrich und Ruth Waldner verabredet.
Die beiden Männer kannten sich seit dem Studium und hatten sich auch dann nicht aus den Augen verloren, als sich ihre beruflichen Wege in unterschiedliche Richtungen entwickelt hatten. Besonders intensiv wurde die Freundschaft, seit Stefan Frank den Vorschlag des Klinikleiters angenommen und Belegbetten in der Waldner-Klinik übernommen hatte. Seither trafen sich die beiden fast täglich zu beruflichen oder privaten Gesprächen. Auch die Frauen waren inzwischen Freundinnen geworden und genossen die gemeinsamen Treffen, wann immer es die knapp bemessene Freizeit erlaubte.
»So ein Sommerabend auf dem Viktualienmarkt ist doch immer wieder ein Erlebnis für die Sinne«, schwärmte Ruth, als sie neben Alexa durch die Gassen mit den Marktständen schlenderte.
Die Gerüche der herzhaften Speisen, der exotischen Früchte und frischen Kräutern ließen ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Um diese Uhrzeit herrschte noch buntes Treiben auf dem Markt. Die Händler präsentierten Käsespezialitäten, Leberkäse, Brezen und süße Backwaren und luden zu Kostproben ein. An Bierständen gingen kühle Maßkrüge über die Theken. Von der Bühne wehte Musik der Künstler herüber, die an diesem Abend ihr Können zum Besten gaben.
»Gibt es etwas Schöneres, als mit einem kühlen Getränk und einer leckeren Brotzeit in der Abendsonne zu sitzen und die Stimmung zu genießen?«, fragte Uli Waldner und hob seinen Bierkrug.
Die Gläser klirrten aneinander. Ein mehrstimmiges »Prosit« ertönte, und die Freunde tranken und lachten zusammen. Nur Stefan war an diesem Abend zwar gut gelaunt, aber deutlich stiller als sonst. Immer wieder wanderte sein Blick hinüber zu einem der anderen Tische, an dem ein Paar mit Zwillingen Platz genommen hatte. Die beiden Buben mochten drei Jahre alt sein und hielten ihre Eltern ganz schön auf Trab.
»Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte sich Ruth und pflückte eine Scheibe Radi vom Brotzeitbrett.
»Alles bestens«, versicherte er. »Die beiden Rabauken da drüben erinnern mich nur an eine Patientin, der ich heute eine Überraschung verkünden durfte.«
»Zwillinge? Das ist doch großartig«, stellte Alexandra fest und wollte schon fortfahren, als Stefan den Kopf schüttelte.
»Das dachten die Eltern und ich auch. Bis ich heute ein drittes Herzchen auf dem Ultraschall entdeckte.« Stefan sah hinüber zu seinem Freund. »Herr und Frau Svensson waren übrigens schon in deiner Klinik zur Behandlung.«
»Leider habe ich nicht alle Namen meiner Patienten im Kopf«, scherzte Uli. »Aber offenbar waren meine Mitarbeiter erfolgreich.«
»Haben sich die Eltern einer Hormonbehandlung unterzogen?«, hakte seine Frau Ruth nach.
»Nein«, erwiderte Stefan. »Aber beide sind schon Ende dreißig. Mit steigendem Alter der Frau kommt es häufiger zu Unregelmäßigkeiten oder mehrfachen Eisprüngen.«
Uli Waldner brach ein Stück von seiner Breze ab, steckte es aber nicht in den Mund. Stattdessen betrachtete er es nachdenklich.
»Das Risiko, dass Drillinge mit schweren vorgeburtlichen Schädigungen und viel zu früh auf die Welt kommen, ist sehr hoch«, gab er schließlich zu bedenken. »Möglich, dass eines der Kinder oder mehrere gar nicht lebensfähig sein werden.«
»Ganz abgesehen davon, dass so eine Hochrisikoschwangerschaft mit einem großen Risiko für die Mutter einhergeht.« Alexa schüttelte sich. Nein, Anja Svensson war wirklich nicht zu beneiden.
»Hast du mit dem Paar über die Möglichkeit einer Reduktion gesprochen?«, hakte Uli bei seinem Freund nach.
Am Nachbarstisch brach Geschrei aus. Die Zwillinge stritten sich um eine Breze. Das erinnerte Uli Waldner an das Stück in seiner Hand. Er bestrich es mit Butter und steckte es in den Mund. Sein Blick ruhte auf seinem Freund Stefan.
»Natürlich habe ich den beiden gesagt, dass einer der Embryonen gezielt getötet werden kann, um aus der risikoreichen Drillingsschwangerschaft eine wesentlich weniger gefährliche Zwillingsschwangerschaft zu machen.« Was für ein furchtbarer Gedanke! »Davon wollte Frau Svensson nichts wissen und auch ihr Mann hat rundweg abgelehnt.«
Die beiden Frauen atmete auf.
»Ich war ein paar Mal bei so einer Prozedur dabei«, erinnerte sich Ruth. »Das ist sehr tragisch und traurig, kann ich euch sagen.«
»Ich bin froh, dass ich keine solche Entscheidung treffen muss«, sprach Alexa laut das aus, was alle anderen dachten.
Das Geschrei am Nachbarstisch war wieder verstummt. In schönster Eintracht saßen die beiden Kinder inzwischen am Tisch und tuschelten miteinander. Gleichzeitig kicherten sie los. Was für ein herzerwärmender und hoffnungsvoller Anblick!
***
In den nächsten Wochen und Monaten fuhren die Gefühle der werdenden Eltern Achterbahn. In einer Sekunde empfand Anja unbeschreibliches Glück. Im nächsten Augenblick überfiel sie Panik. Abgesehen von den rein praktischen Dingen fürchtete sie die gesundheitlichen Probleme, die möglicherweise auf sie zukamen. Wie würde sie die Schwangerschaft überstehen? Wie zart und klein würden die Kinder sein und welches Leben wartete in Zukunft auf sie?
Einen Teil dieser Fragen konnte die auf Mehrlingsschwangerschaften spezialisierte Ärztin beantworten, an die Dr. Stefan Frank seine Patientin überwiesen hatte. Frau Dr. Kühnel empfahl den werdenden Eltern, sich auf eine Kaiserschnittgeburt einzustellen. Bei Drillingen lag die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer bei vierunddreißig Wochen und war damit etwa zwei Monate kürzer als bei voll ausgetragenen Einzelkindern. Eva Kühnel sprach auch von Anfang an von einer frühzeitigen Einweisung in eine Geburtsklinik mit angeschlossener Intensivstation für Säuglinge.
All diese Informationen und die gute Betreuung trugen langsam Früchte. Nach ein paar Wochen mit ihrem Geheimnis hatten sich Nils und Anja an die Neuigkeiten gewöhnt und freuten sich vorsichtig auf die zukünftigen Herausforderungen. Nach und nach erzählten sie Familie und Freunden von ihrem ganz besonderen Glück. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus.
»Wo ein oder zwei Kinder satt werden, hat auch noch ein drittes Platz«, konstatierte Nils' Mutter Miriam.
»Drei auf einmal? Wie praktisch. Du wolltest schon immer eine Großfamilie«, erinnerte sich Anjas Großmutter.
Doch es gab auch kritische Stimmen.
»Wollt ihr dieses Risiko wirklich eingehen?«, fragte ein Freund von Nils.
Diese Bemerkung machte Anja schwer zu schaffen.
»Denkst du, Wolfram hätte das auch gefragt, wenn wir nur ein Kind bekommen würden?«, fragte sie ihren Mann, als sie eines Nachts wieder einmal nicht schlafen konnte.
»Er hat einfach nicht nachgedacht«, tröstete Nils seine Frau und schloss sie in der Dunkelheit in seine Arme. »Du wirst schon sehen. Alles geht gut und die Zweifler werden verstummen.«
Der Rückhalt ihres Mannes machte Anja Mut. Die Schwangerschaft verlief reibungslos und wurde von Dr. Kühnel sogar als Vorzeige-Drillingsschwangerschaft bezeichnet. Es gab keine besonderen Vorkommnisse und nach und nach verflogen die Sorgen, die sich Anja anfangs gemacht hatte. Sie hielt sich strikt an die Anweisungen von Eva Kühnel, mied jede Anstrengung, bemühte sich, nicht zu lange zu stehen und möglichst viel zu liegen.
Anja Svensson genoss diese Zeit in vollen Zügen. Nachdem sie vorzeitig in den Mutterschutz geschickt worden war, versorgte sie sich in der Bücherei mit Lesestoff und suchte im Internet nach jeder noch so kleinen Information, die sie über Drillinge finden konnte. Wenn sie vom Lesen müde war, saß sie am Fenster und beobachtete das Leben in ihrem Reihenhausgarten. Die Blätter des Apfelbaums wurden dunkelgrün und rollten sich an den Rändern; ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Somme bald vorbei war.
Eines Tages wehte ein scharfer Wind und brachte kühle Luft mit sich. Das Wetter wurde unbeständiger, die Tage kürzer und die Nächte immer länger. Langsam kehrte im Garten Ruhe ein. Viele Vögel zogen in wärmere Regionen. Die Haselmaus, die unter der Terrasse lebte, legte Vorräte an. Anja wickelte sich in warme Decken ein, zündete Kerzen an und genoss die Ruhe und Stille.