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Lucinda Santos sitzt im Sprechzimmer bei Dr. Frank.
"Frau Santos, Ihr Blutdruck liegt bei hundertvierzig zu neunzig, was meinen Verdacht bestätigt hat. Bluthochdruck ist eine Folge von Übergewicht. Bitte verzeihen Sie mir, dass ich das so offen anspreche. Ich nehme an, dass Ihnen bewusst ist, dass Ihr Body-Maß-Index über dem Normalwert liegt, da Sie aus Ihrem Körper nun mal Kapital schlagen."
"Und was bedeutet das jetzt?", hakt die junge Frau nach.
"Das bedeutet, dass Sie dringend Ihre Ernährung umstellen, sich mehr bewegen - und Ihr Gewicht reduzieren sollten."
"Auf keinen Fall", erwidert das Curvymodel prompt. "Ich kann nicht abnehmen. Nein, ich darf nicht abnehmen. Wenn ich abnehme, kann ich nicht mehr als Plus-Size-Model arbeiten. Dann wäre meine Karriere beendet."
"Ich verstehe Ihr Dilemma, Frau Santos. Aber Sie sind jung. Zu jung. Arbeiten Sie an Ihrer Gesundheit. Achten Sie auf die Signale Ihres Körpers", mahnt Stefan Frank.
Lucy hält seinem Blick kaum stand. Was ist das hier? Eine Quizshow, die die Kandidaten vor die Wahl stellt? Gesundheit oder Karriere? Entscheiden Sie sich jetzt!
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Ich darf nicht abnehmen!
Vorschau
Impressum
Ich darf nicht abnehmen!
Ein Curvymodel muss sich entscheiden: Gesundheit oder Karriere?
Lucinda Santos sitzt im Sprechzimmer bei Dr. Frank.
»Frau Santos, Ihr Blutdruck liegt bei hundertvierzig zu neunzig, was meinen Verdacht bestätigt hat. Bluthochdruck ist eine Folge von Übergewicht. Bitte verzeihen Sie mir, dass ich das so offen anspreche. Ich nehme an, dass Ihnen bewusst ist, dass Ihr Body-Maß-Index über dem Normalwert liegt, da Sie aus Ihrem Körper nun mal Kapital schlagen.«
»Und was bedeutet das jetzt?«, hakt die junge Frau nach.
»Das bedeutet, dass Sie dringend Ihre Ernährung umstellen, sich mehr bewegen – und Ihr Gewicht reduzieren sollten.«
»Auf keinen Fall«, erwidert das Curvymodel prompt. »Ich kann nicht abnehmen. Nein, ich darf nicht abnehmen. Wenn ich abnehme, kann ich nicht mehr als Plus-Size-Model arbeiten. Dann wäre meine Karriere beendet.«
»Ich verstehe Ihr Dilemma, Frau Santos. Aber Sie sind jung. Zu jung. Arbeiten Sie an Ihrer Gesundheit. Achten Sie auf die Signale Ihres Körpers«, mahnt Stefan Frank.
Lucy hält seinem Blick kaum stand. Was ist das hier? Eine Quizshow, die die Kandidaten vor die Wahl stellt? Gesundheit oder Karriere? Entscheiden Sie sich jetzt!
»Super! So ist gut. Den Arm noch ein bisschen weiter nach rechts ... Streck dein Kinn ein bisschen in die Höhe, Süße! Perfekt.«
Die Aufforderungen des Fotografen dockten wie ein Stakkato bei Lucinda an. Gekonnt kam sie seinen Wünschen nach. Nun lag sie in einer unbequemen Haltung auf einem Sofa und blickte mit einem Lächeln in die Ferne, sodass die Szene möglichst natürlich wirkte.
Während draußen bereits die Sonne am Horizont verschwand, war der Raum von grellem Licht erfüllt. Hinter ihr strahlten ungenutzte Möbel in einem warmen Weißton. Vor ihr lag das Studio so nackt wie sie sich manchmal bei den Aufnahmen fühlte. Einzig die Scheinwerfer, der Fotograf und ein paar Angestellte huschten durch ihr Sichtfeld. Wie emsige Ameisen, die alles taten, um ihre Königin zufriedenzustellen. Die Königin war in diesem Fall Erik mit seiner Kamera. Doch anders als bei den Ameisen produzierte er keine Eier, sondern Aufnahmen. Lucinda war nur das Objekt.
»Okay, kurze Pause«, rief er nun in den Raum hinein. »Lucy, du kannst dich umziehen. Wir probieren das neue Outfit vor einem anderen Hintergrund.«
Lucinda Santos nickte und stand sofort von dem weichen Sofa auf. Sie ließ ihren Kopf kreisen, um die Verspannung in ihrem Nacken zu lösen. Gleich darauf kam ihre Agentin auf sie zu.
»Du musst lockerer werden«, sprach sie auf das Model ein. »In letzter Zeit wirkst du so steif.«
Das Model nickte wieder. Sie wusste um ihr Problem. Seit einiger Zeit war es, als protestierte ihr Körper gegen ihren Job. Sämtliche Muskeln verspannten sich. Dabei liebte sie ihre Arbeit. Denn Lucy war ein Curvy-Model und erfolgreich.
Seit über fünf Jahren nahm sie Aufträge angesehener Designer an, ließ sich für Kataloge und Websites fotografieren oder lief über den Laufsteg. Zuletzt kam ihr diese Ehre auf der Berliner Fashion Week zu. Dabei war es vor allem das Gewicht, das ihr diese Aufträge sicherte. Als kurviges Model hatte sie darauf zu achten, dass sie nicht zu schlank und zu dünn wurde. Es gab bereits genügend schlanke Mädchen mit einem hübschen Gesicht. Sich gegen sie durchzusetzen, käme einer Herausforderung gleich, die kaum zu bestehen wäre. Doch in ihrer Branche hatte sich Lucinda bereits einen Namen gemacht. Jedes angesehene Label kannte sie. Und jeder wollte sie, und zwar so, wie sie war.
Lucinda schloss ihre Augen und atmete tief durch. Beim Ausatmen ließ sie die Luft langsam durch ihre Lippen entweichen. Es war ein kleines Ritual, das ihr für wenige Sekunden erlaubte, sich aus dem Trubel eines Shootings auszuklinken. Eine Ruhepause nur für sich. Als sie ihre Augen wieder öffnete, kam bereits die Visagistin auf sie zu.
»Für die rote Jeans müssen wir ein neues Make-up auflegen«, sagte sie, »etwas Dramatischeres.«
Das Model folgte ihr durch eine Tür in eine Kammer, die vorübergehend als Maske diente. Ohne Widerworte setzte sie sich auf den Stuhl und ließ geschehen, dass fremde Hände ihr Gesicht von Make-up-Resten reinigten. Dann beobachtete sie, wie sich ihr Spiegelbild in das Antlitz einer südländischen Verführerin verwandelte. Blutrote Lippen verliehen ihr einen kaltblütigen Zug, der nur von den schweren schwarz-getuschten Wimpern aufgehoben wurde.
Lucy liebte es, dabei zuzusehen, wie die Visagisten ihr Gesicht in abertausende andere Facetten verwandeln konnten. Es versetzte sie auch noch nach jahrelanger Modelerfahrung in Erstaunen.
»Ich würde sagen, die Haare bürsten wir streng nach hinten und binden sie im Nacken zu einem Knoten zusammen.«
Ein Mann mittleren Alters war hinter sie getreten. Seine ordentliche Frisur zeichnete ihn unverkennbar als Hairstylist aus. Mit geübten Fingern fuhr er durch Lucindas Haar und warf sie ihr kurz über die Schulter, bevor er zu bürsten begann.
»So, und nachher geht's noch zum Feiern in die Stadt?«, fragte er in einem freundlichen Plauderton.
Lucy fiel auf, dass er der erste Mensch seit Stunden war, der sie nicht nur ansprach, sondern tatsächlich mit ihr redete.
»Leider nicht«, dementierte sie. »Gleich geht's nur noch aufs Sofa, und zwar ohne Kamera.« Sie beobachtete im Spiegel, wie sich ihr Mund bedauernd verzog.
Der Stylist begab sich daran, einzelne Strähnen zwischen seinen Fingern zu toupieren. Das würde der Frisur mehr Halt verleihen.
»Ist ein anstrengender Beruf, oder?«, fragte er leise und beugte sich dabei ein bisschen über ihre Schulter, ganz so, als teilten sie Geheimnisse.
»Anstrengender, als es aussieht«, gab Lucy zu. »Aber mit Ihnen wollte ich auch nicht tauschen.«
»Wieso?«, fragte der Mann verwundert.
Das Model schätzte ihn auf Anfang sechzig. Die Ärmel seines eng anliegenden gemusterten Hemdes waren hochgekrempelt, sodass eine Tätowierung auf seinem Unterarm zum Vorschein kam. Sie mochte ihn auf Anhieb.
»Sie müssen den ganzen Tag stehen und sich die Problemchen anderer Leute anhören«, erklärte sie. »Das stelle ich mir ziemlich anstrengend vor.«
Nun hielt er inne.
»Ach, unter uns gesagt: Wer sich nicht für die Problemchen seiner Kunden interessiert, sollte besser einen anderen Beruf ergreifen«, antwortete er schmunzelnd. Dann nahm er ihr Haar und legte es säuberlich nach hinten, wo er es zu einem aufwendigen Knoten zusammensteckte. Als Lucinda das Ergebnis sah, erkannte sie sich kaum wieder.
»Wow«, befand sie, da ihr die Worte für das fehlte, was der Mann geleistet hatte. »Das ist ...«
»Ach, nichts für ungut«, winkte er lächelnd ab. »Übrigens – ich bin der Uli.«
Lucy hatte das Gefühl, einen neuen Freund gefunden zu haben.
***
Das Kopfsteinpflaster hallte unter Lucindas Sohlen wie eine Störquelle. Nichts war zu hören außer der ferne Ruf einer Eule. Die Neunundzwanzigjährige kam sich wie ein Eindringling in der Nacht vor, während sie durch die stillen Straßen Grünwalds spazierte.
Nach dem stundenlangen Shooting für die neue Jeanskollektion hatte Lucy Bewegung gebraucht. Zwar hatte sie es zugelassen, dass man ihr ein Taxi rief, das sie in den beschaulichen Vorort Münchens fuhr, doch gleich hinter dem Ortsschild hatte sie den Fahrer gebeten, sie aussteigen zu lassen, damit sie den restlichen Weg zu Fuß zurücklegen konnte. Sie hatte die Ruhe und die frische Luft gebraucht. Doch nun verfluchte sie ihre hohen Stiefeletten, die nicht nur laut, sondern auch unbequem waren.
Verstohlen sah sich Lucy um. Niemand war zu sehen. Also bückte sie sich und öffnete den Reißverschluss ihrer Schuhe. Ein letzter Rundumblick sagte ihr, dass sie immer noch allein war. Daher schlüpfte sie aus den Schuhen und zog ihre Socken aus.
Als sie sich wieder aufrichtete, stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Mit Wohlwollen spürte sie, wie sich ihre Füße bereits entspannten. Das Kopfsteinpflaster fühlte sich glatt und kalt an, obwohl es tagsüber bereits warm genug war, um in kurzärmeliger Kleidung hinauszugehen. Leichtfüßig steuerte Lucy die Straße an, in der ihr Haus lag. Als sie nach wenigen Minuten das Grundstück erreicht hatte, blieb sie stehen.
Mit einem wohlwollenden Blick betrachtete sie das, was sie sich allein errichtet hatte. Ein Heim. Ihr Heim. Ein Ort, der sie begrüßte, wenn sie wie heute einen langen Tag hinter sich hatte.
Lucy passierte das Tor des schmiedeeisernen Zauns, den sie um das Grundstück hatte errichten lassen. Mit einem Quietschen fiel es ins Schloss. Dann ging sie über den gepflasterten Weg auf die Haustür mit Rundbogen zu. Sie hatte das Haus gekauft, als es in einem völlig verwahrlosten Zustand gewesen war. Alte Fenster mit einfacher Verglasung, ein marodes Dach, auf dem einige Ziegel bereits fehlten, und eine Fassade, deren Farbe vor lauter Schmutz schon nicht mehr zu erkennen gewesen waren. Nach dem Kauf hatte sie alles in Bewegung gesetzt, um dieses Elend wieder in das Schmuckstück zu verwandeln, das es einmal gewesen war. Und nun stand sie vor ihrer eigenen kleinen Villa, umgeben von einem riesigen Garten, den sie sogar um einen Pool und einer geräumigen Terrasse erweitert hatte.
Lucy warf einen Blick in den Briefkasten. Lediglich ein Flyer schaute aus dem Briefschlitz. Darauf stand in dicken grünen Lettern: Wollen auch Sie abnehmen? Fitness ganz in Ihrer Nähe ...
Stöhnend zerknüllte die junge Frau den Flyer in ihrer Hand. Abnehmen war nun wirklich das Letzte, was sie wollte. Dann könnte sie gleich wieder bei Mark Klauser Klinken putzen, um bei dem Widerling von Steuerfachmann um ihre alte Stelle zu betteln.
Als sie die Tür aufschloss und ins Haus trat, wurde sie von einem durchdringenden Rosenduft empfangen. Lucy liebte es, immer frische Blumen im Haus zu haben. Daher arrangierte sie die bunten Farbtupfer überall dort, wo sie Zeit verbrachte. In der Küche. Im Flur als Willkommensgruß. In ihrem Schlafzimmer auf der Kommode. Und auf dem Schreibtisch in ihrem Büro. So war sie stets von Frühling und Sommer umgeben.
Müde ließ Lucy die Stiefeletten und ihre Handtasche auf den Boden fallen. Dann steuerte sie die Küche an. Da sie noch nichts am Abend gegessen hatte, bereitete sie sich schnell einen Snack zu. Wenig später saß sie mit einem Teller belegter Brote, Eiern und Tomaten auf der Couch. Im Fernseher lief eine Serie, in der es um eine Frau ging, die wie durch ein Wunder in einer anderen Zeit gelandet war.
Als Lucy den Mann auf dem Bildschirm erblickte, der der Frau nun bei ihren Abenteuern zur Seite stand, wünschte sie sich, ebenfalls eine Zeitreise unternehmen zu können. Denn obwohl sie alles hatte und nichts so sehr liebte wie ihren Job, fehlte ihr etwas. Aber das gestand sie sich nur in der Sicherheit der Dunkelheit ein.
***
Finn drängte sich durch die Menschentraube, die die Terrassentür verstopfte.
»Sorry, tut mir leid, darf ich mal«, sprach er zu den Plaudernden, die sich sogleich dünn machten, um den Mann mit den zu einem Knoten gebundenen blonden Haaren und den meerblauen Augen durchzulassen.
Dabei nickten die Männer bloß, während die Frauen ihm einen neugierigen Blick hinterherwarfen.
Als Finn sein Ziel erreicht hatte, atmete er kopfschüttelnd aus.
»Ich dachte, das sollte eine Grillparty werden«, lachte er und nahm die Flasche alkoholfreien Biers entgegen, die ihm sein Freund Paul reichte.
»Ist es doch auch«, entgegnete Paul und zuckte gelassen mit den Schultern. Mit der Grillzange in der Hand deutete er zuerst auf den Gasgrill, dann auf die Besucher. »Das ist ein Grill und das ist eine Party. Also was hast du nicht verstanden?«
Finn sparte sich eine Antwort. Er kannte seinen Kumpel zu gut, um ihm zu widersprechen, auch wenn ihm etwas Ruhigeres heute Abend lieber gewesen wäre.
»Finn«, quietschte nun eine entzückte Stimme hinter ihm. Erschrocken drehte er sich um und fand sich sogleich in zwei schlanken gebräunten Armen wieder. »Du bist wieder zu Hause.«
Die schlanken Arme ließen ihn los, sodass er einen Blick auf den Körper werfen konnte, der zu ihnen gehörte.
»Marie«, sagte er erfreut. Marie war Pauls beste Freundin seit Kindertagen. Seit einer halben Ewigkeit mussten sie sich dafür rechtfertigen, warum sie kein Paar waren. »Du wirst immer hübscher. Und seit wann sind deine Haare blond?«
Das Mädchen kicherte nur und zog schließlich weiter, um an der Terrassentür die nächsten Leute zu begrüßen.
Finn trat neben seinen Freund und stieß ihn an.
»Sag mal, wollt ihr zwei nicht langsam mal Nägel mit Köpfen machen?«, fragte er ihn.
Obwohl er wusste, wie genervt Paul von solchen Anspielungen war, konnte auch er nicht verstehen, warum Paul und Marie kein Paar waren. Denn was er schon seit Jahren beobachtete, war, dass sich beide immer wieder heimliche Blicke zuwarfen, doch nur dann, wenn der andere gerade nicht schaute.
»Jetzt fang du auch noch an«, stöhnte Paul und wendete ein Steak auf dem Grill.
Finn grinste. Doch er hörte auch die Frustration aus der Stimme seines Freundes heraus. Also trat er ein bisschen näher, damit niemand lauschen konnte.
»Willst du Marie nicht endlich sagen, was du für sie empfindest?«, fragte er ihn.
Schließlich wandte Paul ihm sein Gesicht zu.
»Seit wann trägst du eigentlich diese hässliche Matte auf dem Kopf?«, entgegnete er.
Finns Hände wanderten automatisch zu dem Knoten an seinem Hinterkopf.
»Seitdem du heimlich Marie anschmachtest«, antwortete er und ließ sich nicht weiter von dem fiesen Kommentar beirren.
»Wie oft soll ich noch sagen, dass Marie wie meine kleine Schwester ist?«, erwiderte Paul.
Er wendete dasselbe Steak schon wieder, mehr aus Verlegenheit, denn das Fleisch war noch genauso roh wie zuvor.
»Genau, du Idiot! Wie deine Schwester«, sagte Finn und betonte das Wie, um dem Mann am Grill deutlich zu machen, dass er sich nur selbst im Weg stand.
»Wie würdest du es denn finden, wenn ich dir andauernd in den Ohren damit läge, dass du endlich mal dein Glück bei Franzi versuchen solltest?«, wollte Paul wissen.
Er setzte die Grillzange ab und nahm einen Schluck aus seiner Flasche.
»Franzi ist meine Oma, du Klugscheißer«, erinnerte Finn seinen Kumpel. »Ich baggre doch nicht meine eigene Oma an.«
»Siehst du«, machte Paul nun und setzte die Flasche wieder ab.
Finn gab auf. Wenn es um Marie ging, war Paul ein hoffnungsloser Fall. Trotzdem wünschte er ihm, dass die beiden irgendwann doch noch zueinander finden würden.
»Sag mir lieber, wie es jetzt bei dir weitergeht.«
Nun hatte sich Pauls Stimme verändert. Sie war ernster geworden. Sein Blick untermauerte die aufrichtige Sorge um seinen Freund. Vor Monaten noch hätte Finn es ihm übelgenommen, ihn auf sein Schicksal anzusprechen, aber mittlerweile hatte er sich von den Ereignissen erholt, auch wenn die Erinnerung daran immer noch einen leichten Knoten in seinem Magen verursachte.
»Es geht bergauf«, antwortete er und lächelte seinem Kumpel ehrlich entgegen.
Paul legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Wirklich? Geht's dir wieder gut? Du hast ein Jahr lang niemanden an dich rangelassen, Finn. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht«, erklärte er.
»Ich weiß, Mann«, gab Finn zu. »Tut mir leid. Aber jetzt bin ich ja hier.«
Paul gab nicht nach. »Und was hast du nun vor?«, wollte er wissen.
Er kannte seinen Kumpel schon seit etlichen Jahren. Seit sie damals gemeinsam durch das Abitur gefallen waren, verband sie eine innige Freundschaft. Manchmal waren es einfach die Misserfolge, die zusammenschweißten.
»Ich habe eine Ausbildung zum Trainer absolviert«, verkündete Finn. »Ab sofort bin ich selbstständiger Fitnesstrainer für Leute, die keine Lust auf Muckibuden haben. Quasi ein Personal Trainer.«
»Dann kannst du gleich mal bei mir anfangen«, meinte Paul genervt. »Wenn ich die Typen bei mir im Studio sehe, kann ich mir kaum das Lachen verkneifen. Hundert Kilo stemmen und dabei Geräusche machen, als würden sie dabei die Welt retten.«
Finn lachte auf und hätte sich dabei fast an seinem Bier verschluckt.
»Jetzt stell dir mal vor, wie das für Frauen ist, wenn sie in so ein Studio kommen«, erklärte Finn ihm.
Auf Pauls Gesicht erschien ein hämisches Grinsen.
»Na, wie gut, dass sich wenigstens einer den Jungfrauen in Nöten annimmt.«
»Halt die Klappe, Idiot«, kommentierte Finn lustlos und schüttelte den Kopf.