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Bereits zwei Fehlgeburten hat die zweiunddreißigjährige Romy erlitten. Die traumatischen Erlebnisse sitzen tief. Die beliebte Kosmetikerin bekommt viel Zuspruch aus der Nachbarschaft und Unterstützung von Familie und Freunden. Doch die große Angst und auch die Schuldgefühle lassen sich nicht beiseiteschieben. Sie fühlt sich minderwertig, weil es ihrem Körper nicht gelingt, ein Kind auszutragen. Ihr Mann Patrick tut alles, um sie zu unterstützen und zu trösten. Als Romy tatsächlich ein drittes Mal schwanger wird, sind alle aus dem Häuschen. Jeder fiebert mit der so sympathischen jungen Frau mit. Romy will nun alles richtig machen. Sie ist übervorsichtig. Diesmal muss es klappen! Ein Leben ohne Kind - für sie unvorstellbar. Doch dann ereilt sie erneut der schreckliche Schicksalsschlag ...
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Seitenzahl: 127
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Projekt »Nestwärme«
Vorschau
Impressum
Projekt »Nestwärme«
Doch statt des ersehnten Familienglücks durchlebt Romy tragische Verluste
Bereits zwei Fehlgeburten hat die zweiunddreißigjährige Romy erlitten. Die traumatischen Erlebnisse sitzen tief. Die beliebte Kosmetikerin bekommt viel Zuspruch aus der Nachbarschaft und Unterstützung von Familie und Freunden. Doch die große Angst und auch die Schuldgefühle lassen sich nicht beiseiteschieben. Sie fühlt sich minderwertig, weil es ihrem Körper nicht gelingt, ein Kind auszutragen. Ihr Mann Patrick tut alles, um sie zu unterstützen und zu trösten. Als Romy tatsächlich ein drittes Mal schwanger wird, sind alle aus dem Häuschen. Jeder fiebert mit der so sympathischen jungen Frau mit. Romy will nun alles richtig machen. Sie ist übervorsichtig. Diesmal muss es klappen! Ein Leben ohne Kind – für sie unvorstellbar. Doch dann ereilt sie erneut der schreckliche Schicksalsschlag ...
»Und du bist wirklich sicher, dass es in Ordnung ist, wenn ich nicht mitkomme?«, fragte Patrick seine Frau.
»Schatz, ich weiß doch, dass es nicht an dir liegt«, entgegnete Romy.
»Wenn ich könnte, würde ich euch beide zu jedem Termin begleiten«, versicherte er. Nachdem er die Tasche mit den Unterlagen, über denen er gestern bis spät in die Nacht gesessen hatte, aus der Küche geholt hatte, streichelte er im Vorgehen liebevoll über Romys prallen Bauch. »Denk dran, mir das neueste Ultraschallbild zu schicken«, bat er und küsste sie zum Abschied.
Romy musste lächeln. Ihrer Meinung nach reichte es völlig, ihrem Mann die Bilder, die sie nach jeder gynäkologischen Untersuchung erhielt, am Abend zu zeigen, doch Patrick bestand darauf, dass sie ihm die Bilder immer sofort auf sein Handy schickte. Von Patricks bestem Freund und Geschäftspartner wusste sie, dass ihr Mann jedem in seiner Umgebung stolz die unscharfen schwarz-weiß Bilder unter die Nase hielt. Wenn sie sich vorstellte, wie sich Bodybuilder und Boxtrainer mit Patrick über das Kinderkriegen unterhalten mussten, egal, ob sie wollten oder nicht, liebte sie ihren Mann noch viel mehr. Der attraktive Vierunddreißigjährige hatte sich vor ein paar Jahren mit einer Reihe Fitnessstudios selbstständig gemacht und war so vom Fitnesstrainer zum Geschäftsmann aufgestiegen. Romy war wahnsinnig stolz auf ihn.
Als sie ihn vor fünf Jahren kennengelernt hatte, hatte ihre Mutter ihr noch von ihm abgeraten. Denn obwohl Patrick charmant und nicht auf den Kopf gefallen war, hatte er außer Sport und Ausgehen nicht viel im Sinn gehabt. Seinem Beruf als Fitnesstrainer war er nur halbtags nachgegangen, und Romy hatte sich am Anfang ihrer Kennenlernphase gefragt, ob ihre Mutter recht hatte. Patrick schien keine großen Ziele oder Wünsche im Leben zu haben und passte in dieser Hinsicht so gar nicht so zu ihr. Die Zweiunddreißigjährige hatte seit sie sechzehn war durchgehend mit vollem Einsatz gearbeitet und nur selten richtig Urlaub gemacht. Für sie gab es immer etwas zu tun, denn sie war wie besessen davon, sich weiterzuentwickeln und ihre Fähigkeiten so gut es ging zum Einsatz zu bringen. Sie liebte es, Neues zu lernen, und so war weder für ihre Familie noch für ihre Freunde eine Überraschung gewesen, als sie bereits mit Anfang zwanzig ihr erstes Friseurgeschäft im Münchner Stadtteil Grünwald eröffnet hatte. Zusammen mit ihrer Mutter Brigitte, bei der Romy ihren Friseurmeister abgelegt hatte, hatte sie aus dem kleinen Laden über die Jahre einen erfolgreichen Beauty-Salon gemacht.
In Erinnerungen versunken, schenkte Romy sich ihren ersten Kaffee an diesem Morgen ein und setzte sich an den Küchentisch, um schon mal etwas zu arbeiten. Obwohl sie hochschwanger war, legte sie großen Wert darauf, so lange zu arbeiten, wie es ging. Sie genoss die morgendliche Stunde an ihrem Laptop, die sie damit verbrachte, die Social-Media- Kanäle für ihren Salon mit schönen Bildern und kreativen Sprüchen zu bestücken. Die letzten Monate hatte sie das Gefühl, dass ihre Online-Arbeit sich auszahlte. Manchmal, wenn sie etwas Neues postete, bekam sie mehr Terminanfragen, als sie und ihre Angestellten bedienen konnten. Als ihr Handy in der glitzernden Hülle klingelte, wusste sie, dass es nur die Arbeit sein konnte.
»Mausi, kannst du etwas früher kommen?«, fragte Brigitte Kaplan leicht verzweifelt. »Lara hat angerufen, sie fällt aus. Mindestens zwei Wochen!«
Romy stöhnte. Lara war die beste Auszubildende, die sie je gehabt hatten und der Terminkalender platzte aus allen Nähten – wie sollten sie die nächsten Wochen ohne zusätzliche Hilfe überstehen?
»Kein Problem, ich mach mich gleich auf den Weg«, versicherte sie schnell und hatte jäh eine Idee. »Könntest du nicht Judith anrufen? Die kann bestimmt einspringen. Wenn du sie lieb fragst.«
Noch bevor Brigitte etwas einwenden konnte, legte Romy auf und packte ihre Sachen zusammen. Sie wusste ganz genau, dass ihre Mutter es nicht leiden konnte, ihre Schwester um Unterstützung zu bitten. Doch Romy mochte ihre Tante, die selbst jahrelang als Friseurin gearbeitet hatte, und hielt viel von ihr. Nur, weil die beiden Schwestern ihre Problemchen hatten, bedeutete das nicht, dass der Salon vor die Hunde gehen konnte.
Außerdem hatte man als Geschäftsführerin nicht immer die Wahl, man musste sich professionell verhalten und Emotionen aus dem Spiel lassen. Romys Kundinnen war es schließlich egal, ob Judith und ihre Mama sich grün waren oder nicht. Hauptsache, die Haare wurden geschnitten, die Nägel gemacht und die Beauty-Treatments durchgeführt. Und vielleicht, dachte Romy auf dem kurzen Fußweg zum Salon, war der Ausfall von Lara eine gute Chance, dass ihre Mutter das endlich auch mal begriff.
***
»Verdammt schick«, flüsterte Martha Giesecke ihrer Praxiskollegin zu, als die aufgerufene Patientin bei Dr. Frank im Behandlungszimmer verschwand.
Zustimmend nickte Marie-Luise Flanitzer, die ebenfalls beeindruckt von dem neuen Haarschnitt war.
»Verrückt, oder? Ich hätte nie gedacht, dass Frau Gleiber sich so was traut.«
»Det ist ne Mutige«, meinte Martha. »Wenn die Kaplan mich fragen würde, ob sie mir die Haare abrasieren darf ... der würd ick was erzählen!«
Marie-Luise kicherte. »Vielleicht würde es Ihnen besser stehen, als Sie denken.«
Martha zeigte ihrer jüngeren Kollegin empört den Vogel. Die rüstige Berlinerin hatte die letzten zwei Jahrzehnte an ihrer Frisur festgehalten und so würde es auch bleiben!
»Romy Kaplan soll aber wirklich eine fantastische Friseurin sein«, setzte Marie-Luise noch mal an. »Jedes Mal, wenn ich einer Patientin ein Kompliment für ihren Haarschnitt oder die Haarfarbe mache, ist es ein Werk von Kaplan Beauty. Sie kennen doch den Salon, oder?«
»Allerdings«, antwortete Schwester Martha. »Der ist ja auch kaum zu übersehen.«
»Ich denke in letzter Zeit öfter darüber nach, selbst reinzugehen. Ich war schon ein paar Mal kurz davor, der Salon liegt ja quasi um die Ecke. Aber irgendwie hab ich mich nie getraut.«
»Warum denn das?«
»Wissen Sie, wie ich in der Mittagspause aussehe? In meiner Praxiskleidung?« Marie-Luise schüttelte heftig den Kopf. »Nein, das ist mir unangenehm. Haben Sie dort mal durchs Schaufenster geschaut? Das sieht alles so edel aus.«
»Na und? Meinst du etwa, du passt da nicht rein, oder wie?«, wollte Martha mit ihrem sympathischen Berliner Dialekt wissen. »Eine Top-Ausstattung sollte dich ja wohl nicht davon abhalten, sich was zu gönnen. Außerdem ist das doch ein Zeichen dafür, dass es dem Laden gut geht und man dort Wert auf Stil und Qualität legen. Wenn du Lust auf ne Veränderung hast, dann trau dich! Wenn du willst, gehe ich auch mit. Als seelische Unterstützung.«
Marie-Luises Miene erhellte sich sofort. »Das würden Sie wirklich machen?«
»Na klar, auf mich kannste dich verlassen. Aber nur, wenn du nicht nur zum Spitzenschneiden hingehst!«, forderte Martha sie heraus.
»Ja, wenn ich wirklich einen Termin dort mache, sollte es sich auch lohnen. Wenn jemand weiß, was zu mir passt, dann ist es Frau Kaplan.« Marie-Luise dachte nach. »Sie haben recht, Frau Giesecke. Ich fass mir ein Herz und ruf gleich heute in der Mittagspause an.«
»Da bin ick ja mal gespannt wie ein Flitzebogen«, freute sich Martha. »Und das bleibt unser Geheimnis. Ick will das Gesicht vom Chef sehen, wenn du mit pink gefärbten Haaren hier reinkommst.«
»Sie spinnen doch«, lachte Marie-Luise. »Nie und nimmer lass ich mir die Haare Pink färben!«
Martha grinste. »Det sehen wir dann, wenn es so weit ist.«
***
»Dass Sie in Ihrem Zustand noch arbeiten ...«, wunderte sich die gutbetuchte Stammkundin, die Romy gegen Mittag mit einer herzlichen Umarmung in Empfang genommen hatte.
»Ich bin schwanger, nicht krank«, erwiderte Romy und zwinkerte der Frau zu. »Außerdem kann ich ja wohl nicht zulassen, dass Sie auf mich verzichten müssen, nicht wahr?«
Die stilvoll gekleidete Dame verzog das Gesicht und schüttelte sich.
»Das wäre schrecklich! Ganz schrecklich.«
Romy unterdrückte ein Grinsen. Natürlich war es für Frau Kettler, die Frau eines sehr erfolgreichen Bauunternehmers, unvorstellbar, eine Woche ohne professionelle Haarbehandlung zu überleben. Obwohl Romy sich hier und da darüber wunderte, wie viel Einsatz und Aufwand einige ihrer Kundinnen betrieben, wenn es um das ihr Aussehen ging, konnte sie es irgendwie auch verstehen. Gehörte man erst einmal zur Münchner High Society, tat man alles, um in diesem illustren Kreis zu bleiben.
Romy, die selbst in einfachen Verhältnissen aufgewachsen war, konnte sich nur ausmalen, wie groß der Druck sein musste, wenn man einmal diesem Kreis angehörte. Wer keine teure Kleidung und wertvollen Schmuck trug, oder sich nicht rund um die Uhr um das perfekte Erscheinungsbild kümmerte, wurde bestimmt nicht auf die ganzen tollen Events eingeladen, von denen Romys Kundinnen ihr regelmäßig vorschwärmten.
Manchmal fand sie den Schönheitswahn übertrieben, besonders wenn jüngere Kundinnen sichtbare Beauty-Eingriffe hatten vornehmen lassen, die nach Romys Meinung gar nicht nötig gewesen wären. Aber wer war sie, um darüber zu urteilen? Sie legte ja schließlich selbst sehr viel Wert auf ihr Äußeres und verdiente nicht schlecht daran, anderen Frauen Wünsche zu erfüllen.
»Was passiert denn, wenn das Baby da ist? Verliere ich Sie dann?«, wollte Frau Kettler wissen, als sie sich in den cremefarbenen Samtsessel fallen gelassen hatte.
»Da kann ich Sie beruhigen«, gab Romy Entwarnung. »Es ist nur ein kurzer Mutterschaftsurlaub geplant und danach werde ich, zumindest halbtags, dem Salon erhalten bleiben.«
»Halbtags?«, hakte Frau Kettler nach und schaute Romy durch den Spiegel mit dem modernen Goldrahmen ernst an. »Das bedeutet, dass Sie die Zahl Ihrer Kundinnen um fünfzig Prozent reduzieren müssen. Wie wählen Sie denn aus, wer gehen muss und wer bleiben darf?«
Romy fühlte sich kalt erwischt. Daran hatte sie tatsächlich noch gar nicht gedacht. Sie hasste es, nicht vorbereitet zu sein und schalt sich dafür, weder die perfekte Antwort noch eine geeignete Lösung für das Problem parat zu haben. Romy wusste, dass die feinen Münchner Damen der gerne tratschten – wenn bekannt wurde, dass sie in Zukunft nur noch die Hälfte von Ihnen empfangen konnte, ging das Drama erst richtig los. Sie hatte nichts davon, wenn die einflussreichen Frauen sich um sie stritten. Sie musste unbedingt verhindern, dass die Kundinnen, die sie auf ihre Angestellten verteilen musste, sich zurückgesetzt oder gekränkt fühlten. Romy musste sich etwas einfallen lassen – und zwar schnell.
»Ich weihe Sie gleich ein«, versprach die Kosmetikerin geheimnisvoll und versuchte sich, Zeit zu verschaffen. »Aber erst mal müssen wir dafür sorgen, dass Sie nicht auf dem Trockenen sitzen. Wie immer?«, fragte sie rhetorisch und verschwand im hinteren Bereich des Salons, um das Übliche für Frau Kettler vorzubereiten.
Vier Eiswürfel, eine Scheibe Limette und ein Stängel Minze in einem eleganten Highball-Kristallglas. Dazu einen glänzend polierten Metallstrohhalm, um den Lippenstift zu schonen, und das Ganze mit Sprudel und einem Schuss Cremant aufgefüllt – fertig war der Drink, der nicht halb so aufregend schmeckte, wie er aussah.
»Und? Was muss ich tun, damit Sie mich in Ihrer Kartei behalten?«, wollte Frau Kettler wissen, noch bevor Romy ihr das Getränk reichen konnte. Romy spürte, wie ernst es der Kundin war und wenn sie ehrlich war, fühlte sie sich sogar ein bisschen geschmeichelt.
»Wir kennen uns schon sehr lange. Und Sie waren mir immer eine treue Kundin«, setzte Romy an.
»Und ich habe Ihnen viel Business eingebracht«, erinnerte Frau Kettler sie. »Ich habe Sie meine ganzen Freundinnen empfohlen, als alle in die Münchner Innenstadt gerannt sind und keiner extra nach Grünwald herausfahren wollte.«
Romy nickte. Genauso war es gewesen. Dass sie Frau Kettler in ihrem Salon weiterhin selbst bedienen würde, war für sie eine Frage der Ehre. Trotzdem musste sie dafür sorgen, dass sich die Nachricht ihrer geringeren Verfügbarkeit nicht wie ein Lauffeuer verbreitete.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Unterstützung«, bekannte Romy. »Deswegen lege ich die Karten auf den Tisch: Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht.«
»Meine Liebe, das sollten Sie aber, und zwar schnell. Wenn die anderen das erfahren, geht das Gezicke und Gezeter los, das kann ich Ihnen versprechen.«
»Und wenn ich Ihnen zusage, dass Sie die Erste sind, die einen festen Platz in meinem Terminkalender bekommt?«, bot Romy an.
»Dann bekommen Sie als Gegenleistung mein Schweigen«, versprach Frau Kettler und lächelte zufrieden. »Sollen die anderen sich doch um eine neue Friseurmeisterin kümmern, wenn sie es in ein paar Wochen verkünden.«
»Es ist mir eine Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen«, lachte Romy erleichtert.
»Ebenso. Sie sind eine gute Geschäftsfrau, wissen Sie das?«, fragte Frau Kettler und schaute ernst in den Spiegel. »Seit ich bei Ihnen bin, haben Sie sich kontinuierlich weiterentwickelt. Sie haben nicht nur ein Talent für Haare, sie haben ein Händchen für Business, Romy! Sie können wirklich stolz auf das sein, was sie erreicht haben.«
Romy freute sich aufrichtig über die netten Worte, spürte aber einen leichten Stich in ihrem Herz.
»Das Problem mit einem blühenden Geschäft ist nur, dass es wahnsinnig viel Zeit in Anspruch nimmt«, fuhr Frau Kettler fort. »So wie ich Sie einschätze, werden Sie sich nicht auf Dauer damit zufriedengeben, Mutter zu sein und sich ab und zu um die Haare und die Haut von reichen, alten Frauen zu kümmern.«
***
Am Abend ärgerte sich Romy darüber, dass sie nichts gesagt hatte. Sie hatte den ganzen verbleibenden Nachmittag an Frau Kettlers Worte denken müssen und hatte mehrmals in Gedanken angemessene Antworten formuliert. Sie bereute es, dass sie ihre Entscheidung, eine Familie zu gründen, nicht verteidigt hatte. Sie hatte die perfekte Chance verstreichen lassen, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einzutreten, dabei glaubte sie fest daran.
So ging es ihr oft: Meist fielen ihr erst im Nachhinein die richtigen Worte ein. Diese Schwäche machte sich vor allem dann bemerkbar, wenn sie sich überrumpelt oder bei Gedanken ertappt fühlte, derer sie sich selbst noch nicht ganz klar war.
»Wie war dein Tag, Schatz?«, holte Patricks Frage sie zurück in die Gegenwart.
»Lara hat sich das Handgelenk beim Volleyball geprellt«, erzählte sie. »Aus unserem freien Tag morgen wird also leider nichts.«
Patrick nahm sie in den Arm und streichelte ihr liebevoll über den Rücken.
»Kommen Sie nicht einmal ohne dich klar?«
»Natürlich geht der Laden nicht unter, nur weil mal ein bisschen Personalmangel herrscht«, erklärte sie. »Aber du weißt selbst, wie das ist.«
»Es ist immer besser, wenn der Chef vor Ort ist«, verstand Patrick und nickte zustimmend. »Aber mach dir nichts draus, dann gehe ich eben allein auf die Baustelle und bleibe den Tag dort.«
Traurig schaute Romy ihn an.
»Ich weiß ja, wie gern du mitgekommen wärst. Es ist eh noch eine Menge zu tun, ich werde mich also nicht langweilen ohne dich«, versprach er. »Vielleicht schaffen wir es ja am Wochenende.«
Romy wusste, dass es auch dieses Wochenende wieder nicht klappen würde, aber sie wollte ihrem Mann nicht die Laune verderben. Bis zur Geburt war noch viel zu viel zu tun, und Romy fragte sich, ob das Haus überhaupt rechtzeitig fertig werden konnte.