Dr. Stefan Frank Großband 37 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank Großband 37 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

10 spannende Arztromane lesen, nur 7 bezahlen!

Dr. Stefan Frank - dieser Name bürgt für Arztromane der Sonderklasse: authentischer Praxis-Alltag, dramatische Operationen, Menschenschicksale um Liebe, Leid und Hoffnung. Dabei ist Dr. Stefan Frank nicht nur praktizierender Arzt und Geburtshelfer, sondern vor allem ein sozial engagierter Mensch. Mit großem Einfühlungsvermögen stellt er die Interessen und Bedürfnisse seiner Patienten stets höher als seine eigenen Wünsche - und das schon seit Jahrzehnten!

Eine eigene TV-Serie, über 2000 veröffentlichte Romane und Taschenbücher in über 11 Sprachen und eine Gesamtauflage von weit über 85 Millionen verkauften Exemplaren sprechen für sich:
Dr. Stefan Frank - Hier sind Sie in guten Händen!

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2560 bis 2569 und umfasst ca. 640 Seiten.

Zehn Geschichten, zehn Schicksale, zehn Happy Ends - und pure Lesefreude!

Jetzt herunterladen und sofort eintauchen in die Welt des Dr. Stefan Frank.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 1219

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Stefan Frank
Dr. Stefan Frank Großband 37

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2020 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2025 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Meeko Media/shutterstock

ISBN: 978-3-7517-8301-9

https://www.bastei.de

https://www.bastei-luebbe.de

https://www.lesejury.de

Dr. Stefan Frank Großband 37

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Dr. Stefan Frank 2560

Notruf aus der Küche

Dr. Stefan Frank 2561

Ich will meinen Sommer zurück!

Dr. Stefan Frank 2562

Das Leben findet einen Weg

Dr. Stefan Frank 2563

Bald sind wir zu dritt

Dr. Stefan Frank 2564

Ausgebremst!

Dr. Stefan Frank 2565

Gefährliches Souvenir

Dr. Stefan Frank 2566

Bitte finde meinen Papa, Dr. Frank!

Dr. Stefan Frank 2567

Am Rand des Abgrunds

Dr. Stefan Frank 2568

Trügerische Hoffnung

Dr. Stefan Frank 2569

Ein Baby um jeden Preis

Guide

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Contents

Notruf aus der Küche

Beim ersten Date passiert ein schrecklicher Unfall

Katharina kann den großen Tag kaum erwarten: Nach einer schweren Enttäuschung und einer viel zu langen Zeit als Single hat sie endlich wieder ein Date! In einem Kochforum im Internet hat sie den sympathischen Mann kennengelernt, der sich „Hobbykoch32“ nennt, und in nächtelangen Chats hat sie ihm von ihrem großen Traum, einem eigenen Café, erzählt. Obwohl sie sich noch nie gesehen haben, spürt Katharina: Sie sind füreinander bestimmt.

Endlich willigt sie ein, ihn persönlich zu treffen. In den Räumen, die sie für ihr Café gemietet hat, will sie für ihn kochen, denn Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen.

Dann aber steht „Hobbykoch32“ vor ihr: Es ist ausgerechnet Frederik, der Mann, der sie so furchtbar enttäuscht hat! Die verstörte Katharina kann sich nicht mehr auf die Abläufe am Herd konzentrieren. Es kommt zu einem schrecklichen Unfall, der Katharinas Träume und ihr Vertrauen in sich selbst zerstört …

„Also wirklich, Katharina, diese Suppe ist einfach nur köstlich. Wie hast du das nur wieder geschafft?“

Katharinas Mutter kratzte mit ihrem Löffel die letzten Reste aus dem Suppenteller und leckte sich über die Lippen.

„Ja, eindeutig ein weiteres Meisterwerk aus dem Hause Sedlmayer“, stimmte Sybille, Katharinas älteste Schwester, begeistert zu. „Wenn ich nicht auf meine schlanke Linie achten müsste, würde ich mir glatt noch einen Nachschlag erlauben.“

„Eine zweite Portion kannst du dir ruhig erlauben“, erwiderte Katharina, nahm ihrer Schwester kurzerhand den Teller weg und füllte ihn noch einmal randvoll. „Außerdem bist du so hübsch. Ein paar Pfunde mehr auf den Hüften würden deine Schönheit nur unterstreichen. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern dein Karsten stimmt mir – was das betrifft – ganz sicher auch zu.“

Karsten war Sybilles Langzeit-Verlobter. Für den Sommer, der vor der Tür stand, war endlich die große Hochzeit geplant, bei der Katharina und die mittlere der drei Sedlmayer-Schwestern, Tatjana, als Brautjungfern auftreten durften.

Sybille nahm lachend den Suppenteller entgegen.

„Du bist wie immer einfach süß, kleines Schwesterchen. Aber ich muss dich enttäuschen, Karsten steht auf schlanke Frauen.“

„Quatsch, er steht auf dich “, widersprach Katharina und schob demonstrativ den Korb mit den ofenwarmen, selbstgebackenen Kräuterbrötchen zu ihrer Schwester hinüber.

„Aber er hat sie doch kennengelernt, als sie noch schlank war“, alberte Tatjana. „Das war, bevor sich bei Kathi dieser Koch-Tick zur Meisterschaft ausgewachsen hat. Außerdem hat Sybille das Brautkleid schon bestellt. Das kann man nicht einfach so fünf Zentimeter weiter machen, weil sie sich bei deinem guten Essen nicht beherrschen konnte.“

Sybille stieß Tatjana den Ellenbogen in die Seite.

„Sei du mal ganz still. Du hast schon das dritte von Kathis Brötchen gegessen, und außerdem schielst du dauernd nach der Schüssel mit dem Nachtisch.“

„Da ist Tatjana nicht die Einzige“, kam es trocken von ihrer Mutter, und dann lachten alle vier.

Katharina liebte diese Freitagabende. Seit einiger Zeit hatte es sich eingebürgert, dass ihre Mutter und ihre Schwestern nach Feierabend in Katharinas kleiner Wohnung zusammenkamen und sie die drei bekochte. Ihre gemütliche Küche mit der Eckbank im Landhausstil war für ein gemeinsames Essen wie geschaffen. Es wurde immer ein kleines Fest und läutete nach einer anstrengenden Arbeitswoche das Wochenende ein.

Katharina ließ sich jedes Mal aufs Neue etwas Besonderes einfallen. Dass sie das Menü für den Freitag oft schon tagelang im Voraus vorbereiten und nach der Arbeit in überfüllten Geschäften einkaufen gehen musste, machte ihr nichts aus. Im Gegenteil. Für Katharina gab es nichts Schöneres, als für die Menschen, die sie liebte, Gerichte zu planen und zu kochen.

Gelernt hatte sie den Beruf einer kaufmännischen Angestellten. Ihre Schwester Sybille hatte ihr dazu geraten, weil das Möbelhaus, in dem sie selbst arbeitete, damals nach Lehrlingen gesucht hatte.

„Das ist eine sichere Sache“, hatte Sybille ihr erklärt. „Möbel werden schließlich immer gebraucht. Als kaufmännische Angestellte bist du außerdem vielseitig einsetzbar und wirst auch in schlechten Zeiten eine Stellung finden.“

Sybille handelte seit jeher selbst nach dieser Devise: In der Schulzeit hatten sich die drei Sedlmayer-Mädchen ein Zimmer geteilt. An sämtlichen Fenstern hatten Kakteen, Grünpflanzen und sogar Orchideen gestanden, die Sybille liebevoll gepflegt hatte. Sie hatte den berühmten grünen Daumen. Wenn sie den Kern von einem abgeknabberten Pfirsich in die Erde steckte, wuchs daraus in kürzester Zeit ein stattlicher Pfirsichbaum.

Als Sybille vor dem Schulabschluss gestanden hatte und die sieben Jahre jüngere Katharina noch zur Grundschule gegangen war, hatte sie eine Zeit lang mit ihrem Traumberuf der Gärtnerin geliebäugelt. Dann aber hatte sie sich dagegen entschieden. Ein kaufmännischer Beruf sei etwas Sicheres, hatte sie bekundet und ihre Lehre beim „Möbelhaus Rosemann“ angetreten.

Tatjana war denselben Weg gegangen. Ausnehmend hübsch, charmant und lebendig, wie sie war, hatte sie kurz eine Karriere als Schauspielerin erwogen, war dann aber als Verkäuferin im größten Kaufhaus der Stadt gelandet.

Dort war Tatjana alles andere als unzufrieden. Ihren Charme setzte sie nun bei den Kunden ein und war in kürzester Zeit zur Abteilungsleiterin aufgestiegen. Sie verdiente gut und war mit ihrem Sebastian glücklich, einem gleichaltrigen Kollegen, mit dem sie im Frühling in eine gemeinsame Wohnung gezogen war.

Ohne Zweifel hatte es auch etwas mit deren Mutter zu tun, dass sich alle drei Sedlmayer-Schwestern nicht für den Traumberuf, sondern für einen sicheren Weg entschieden hatten.

Annemarie Sedlmayer hatte ihre drei Töchter allein aufziehen müssen, nachdem ihr Mann, der Vater der Mädchen, verstorben war. Zu diesem Zeitpunkt war Katharina, die Kleinste, erst zwei Jahre alt gewesen. Es hatte den dreien an nichts gefehlt, dafür hatte Annemarie mit ihrem Beruf als Sekretärin gesorgt. Leicht waren die Jahre jedoch nicht gewesen, und oft hatte sie vor Sorgen um den nächsten Tag nicht schlafen können. Sybille, Tatjana und Katharina wollten, dass sich ihre Mutter um die Zukunft der Familie nie wieder ängstigen musste. Deshalb hatten sie sichere Berufe gewählt. Sie waren zufrieden damit, jeden Monat ihr Geld zu verdienen, sich in Ruhe etwas aufzubauen und ihr Glück in der Liebe zu genießen.

‚Nun ja‘ , dachte Katharina. ‚Was das Glück in der Liebe angeht, bin ich die Ausnahme.‘

Anders als bei ihren Schwestern war Katharinas Beziehung nicht von Dauer gewesen. Sie hatte lange gebraucht, um mit der Enttäuschung fertigzuwerden. Geholfen hatte ihr dabei ihre Leidenschaft: das Kochen.

Auch darin war sie die Ausnahme unter den Schwestern, wenn sie ganz ehrlich war. Sie konnte einfach nicht aufhören, von einem Leben als Köchin zu träumen. Während Sybille und Tatjana in ihren Berufen aufstiegen, war Katharina noch immer auf der untersten Stufe der Karriereleiter. Sie machte ihre Arbeit ordentlich, aber sie konnte einfach nicht dieselbe Begeisterung dafür aufbringen wie ihre Schwestern.

In letzter Zeit war der Drang wieder stärker geworden, sich den Traum doch noch zu erfüllen. Aus vagen Ideen war allmählich ein konkreter Plan geworden – und endlich gab es auch jemanden, der sie dazu ermutigte.

‚Wenn es bei mir in der Liebe nicht klappt, kann ich doch wenigstens mein Glück im Beruf versuchen‘, sagte sie sich immer häufiger. Das Risiko, das sie dabei einging, betraf schließlich nur sie selbst. Einen Partner, der darunter leiden würde, gab es nicht.

Katharina räumte die Suppentassen ab, um den Nachtisch zu servieren. Der Rest der Familie witzelte noch immer über Sybilles schlanke Linie und die bevorstehende Hochzeit.

„Ich war übrigens gestern bei Dr. Frank“, verkündete Sybille. „Karsten und ich haben gedacht, wir lassen uns vor der Hochzeit mal gründlich untersuchen. Ihr wisst schon, weshalb …“

Dr. Stefan Frank war der langjährige Hausarzt der Familie, der die Mädchen praktisch schon seit ihrer Geburt kannte.

„Und?“, fragten Tatjana und ihre Mutter wie aus einem Munde. „Was hat er gesagt?“

„Er hat bestätigt, dass ich kerngesund bin“, antwortete Sybille fröhlich, „wie Karsten übrigens auch. Somit steht der Hoffnung nichts im Wege, dass ihr in absehbarer Zeit Oma und Tanten werdet.“

Ihre Zuhörerinnen brachen in regelrechten Jubel aus. Katharina wusste, dass sich ihre Mutter innig ein Enkelkind wünschte. Auch sie selbst freute sich auf ein kleines Wesen, das neues Leben in die Familie bringen würde. Ein winziger Stachel machte sich dabei jedoch bemerkbar: Das Glück, ein Kind zu haben, würde ihr wohl nie zuteilwerden.

Umso wichtiger war es, beruflich glücklich zu werden! Sie würde dann eben die Koch-Tante werden, die den kleinen Neffen oder die kleine Nichte mit selbstgemachten Köstlichkeiten verwöhnte.

„Ich freue mich sehr für euch“, gestand ihre Mutter. „Ich kann es kaum erwarten, meinen kleinen Enkel in den Armen zu halten. Jetzt wollen wir uns aber Katharinas Nachtisch widmen. Ich bin sicher, sie hat wieder eine ganz besondere Delikatesse für uns gezaubert.“

Katharina hätte ihre Mutter umarmen können. Mit ihrer feinfühligen Art hatte sie wieder einmal gespürt, dass das Gesprächsthema in ihrer jüngsten Tochter die alte Traurigkeit wachgerufen hatte. Schließlich war auch Katharina einmal glücklich verliebt gewesen und hatte mit ihrem damaligen Freund Frederik von der Gründung einer Familie geträumt. Einstmals hatte sie ihn für die große Liebe ihres Lebens gehalten.

Katharina teilte die Dessertschalen aus und stellte eine hübsche, gläserne Schüssel auf den Tisch. Ansprechendes Geschirr, Servietten und Tischschmuck waren ihr beinahe ebenso wichtig wie gute Zutaten, denn die Augen aßen immer mit. Heute hatte sie eigens für das Dessert ihren massiven Holztisch mit schlanken, gelben Kerzen, gelben Tulpen und mit Zitronen bedruckten Servietten gedeckt.

„Es ist eine Pavlova“, erklärte sie der Tischrunde. „Aber passend zum schönen Wetter habe ich sie ein wenig abgewandelt und daraus eine leichtere, frischere Variante mit Zitrusfrüchten und einem säuerlichen Sorbet kreiert.“

Die drei Frauen brachen in Beifall aus. Dann stürzten sie sich regelrecht auf den Nachtisch, den Katharina ihnen in die Schüsseln gefüllt hatte.

‚Wie kleine Kinder‘ , dachte sie und musste lächeln. Sie war selbst ein wenig stolz. Die Sommer-Pavlova war ihr genauso gelungen, wie sie geplant hatte, und dabei schmeckte sie sogar noch besser als erwartet.

„Kathi, du bist eine Künstlerin!“, rief Tatjana, die ihre Schüssel in Windeseile geleert hatte. „Woher nimmst du nur immer diese genialen Rezepte? Wenn ich Sebastian mit einem tollen Essen überraschen will, muss ich vorher jedes Mal sämtliche Kochbücher und Zeitungen durchforsten. Und entweder sind die Sachen darin viel zu kompliziert, oder sie schmecken nicht einmal halb so gut wie beschrieben.“

„Ich denke sie mir alle selbst aus“, erwiderte Katharina. „Meist nehme ich ein klassisches Gericht als Grundlage, wie heute die französische Zwiebelsuppe und die Pavlova, und dann überlege ich mir, wie es mir noch besser schmecken oder zu der jeweiligen Gelegenheit passen würde und entwickle meine eigene Variante.“

„Das ist unglaublich“, lobte Sybille. „Ich kann nicht einmal nach Rezept kochen – mein Lebensretter ist der Pizza-Service.“

Alle lachten.

Katharina sah den geeigneten Moment gekommen. Ihr Herz begann, heftig zu klopfen. Sie würde es wahrmachen und ihre Familie in ihre geheimen Pläne einweihen.

„Ich möchte euch etwas fragen“, begann sie vorsichtig, während sie zierliche Tassen und Untertassen für den abschließenden Espresso auf den Tisch stellte. „Es gibt etwas, zu dem ich gern euren Rat hätte.“

„Immer raus damit“, entgegnete Sybille. „Sag bloß, unser Kathrinchen ist endlich wieder einem ansprechenden männlichen Wesen über den Weg gelaufen?“

„Oh, Kathi, das wäre ja wundervoll!“, rief Tatjana. „Hast du ihn im Möbelhaus kennengelernt? Wie sieht er aus? Du musst ihn unbedingt zu meiner Geburtstagsparty nächsten Sonntag mitbringen.“

„Halt, halt!“, gebot Katharina, ehe auch noch ihre Mutter ins Schwärmen geriet. „Es gibt doch gar keinen ‚ihn‘. Es tut mir leid, dass ich euch enttäuschen muss. Um einen Mann geht es nicht, sondern um meinen alten Traum von einem eigenen Café.“

Statt einer Reaktion herrschte völlige Stille. Offenbar hatte Katharinas Geständnis den dreien die Sprache verschlagen.

„Ich weiß, ich habe den Beruf der Köchin nicht erlernt“, sagte Katharina, „aber ich denke, ich habe mir in den letzten Jahren das meiste selbst beigebracht, und ich lerne täglich dazu. Außerdem würde ich mit einfachen Gerichten anfangen. Auch aus einer Sandwich-Auswahl, einer Tagessuppe und delikatem Gebäck kann man viel zaubern und Menschen damit glücklich machen. Und wie es der Zufall will, ist hier um die Ecke genau der Ladenraum frei geworden, den ich mir für mein Café erträumt habe.“

Katharina sah die ehemalige Boutique vor ihrem geistigen Auge und geriet augenblicklich wieder ins Träumen. Das Geschäft würde sich mit ein paar Tischen, Stühlen und Retro-Plakaten sowie mit ein paar Lampen vom Trödel urgemütlich einrichten lassen. Die kleine Küche hinter dem Gastraum konnte sie später erweitern. Sogar ein kleiner Innenhof gehörte zum Laden dazu, den sie mit wildem Wein und Lavendelsträuchern in eine verträumte Oase, fern vom lärmenden Treiben der Stadt, verwandeln würde.

Sie konnte das alles förmlich vor sich sehen: Den Ladentisch mit der Kuchentheke, die liebevoll gestaltete Speisekarte, die sie jede Woche neu entwerfen würde, die Tische, an denen ihre Gäste saßen und klönten, während sie gutes Essen und Kaffeespezialitäten genossen.

„Ach, Schätzchen“, ergriff ihre Mutter endlich das Wort. „Ich weiß, ein eigenes Café hast du dir immer gewünscht. Ich hätte es dir ja auch gegönnt. Aber es hat doch nun einmal nicht sein sollen. Schlag es dir aus dem Kopf, es gibt im Leben noch so viel anderes Schönes.“

„Ich wüsste nicht, warum es nicht doch noch sein sollte“, entfuhr es Katharina. „Ich bin erst siebenundzwanzig. Das ist eigentlich ein perfektes Alter, um sich selbstständig zu machen und beruflich noch einmal einen Neuanfang zu wagen.“

„Mir wäre lieber, du würdest endlich in der Liebe wieder einen Neuanfang wagen“, bekannte ihre Mutter. „Bei dem Gedanken, dich allein zu wissen, ist mir gar nicht wohl.“

„Das geht mir ganz genauso!“, meldete sich Sybille zu Wort. „Wenn du endlich mal wieder ein tolles Date hast, kommst du auch auf andere Gedanken und hängst nicht auf ewig diesem Café-Traum nach.“

„Für mich ist es mehr als nur ein Traum“, beharrte Katharina. „Die Räumlichkeit wird zu einem äußerst günstigen Preis angeboten, und wir haben doch nun alle das Geld von Omi geerbt …“

Ihre geliebte Großmutter war im vergangenen Herbst gestorben. Zur allgemeinen Überraschung hatte sie ein gut gefülltes Sparbuch hinterlassen, das unter ihren drei Enkeltöchtern aufgeteilt worden war. Das Geld sollte ausdrücklich „für einen großen Wunsch“ verwendet werden. So hatte es Omi in einem liebevollen Brief verfügt, der als Testament fungierte.

„Ich habe mir gedacht, dass ich meinen Teil dafür einsetze, das Café zu eröffnen“, fuhr Katharina mutig fort. „Ein bisschen Gespartes habe ich auch, um die erste Zeit zu überbrücken, die natürlich nicht einfach werden wird. Zur Not gibt es für Existenzgründer auch günstige Kredite, und wenn alle Stricke reißen, kann ich jederzeit in meinen alten Beruf zurückkehren.“

„Aber du fängst wieder von Null an“, warnte Sybille, „und dein Geld ist dann weg. Leg es lieber sicher an. Wenn du dir später ein eigenes Häuschen kaufen willst, ist es toll, schon ein bisschen Startkapital zu haben.“

„Wozu brauche ich denn für mich alleine ein eigenes Häuschen?“, platzte es aus Katharina heraus. „Ich fühle mich wohl in meiner günstigen, kleinen Wohnung, und Platz zum Austoben habe ich dann ja reichlich in meinem Café.“ Augenblicklich geriet sie wieder ins Schwärmen. „‚Kathis Kate‘ will ich es nennen. Mit einer lächelnden, dicken, runden Kaffeekanne als Logo. Das Ladenschild im Umriss der Kanne. Wie findet ihr das?“

„Ich finde, Mama und Billie haben recht“, antwortete Tatjana nüchtern. „Du brauchst einen Mann, kein Café. Und Kapital wirft man in unsicheren Zeiten wie diesen nicht einfach so zum Fenster raus.“

Tatjana klang wie ihr Freund Sebastian, der von Beruf Anlageberater war.

„Eine Existenzgründung ist ein gewaltiges Risiko“, gab Sybille ihr Schützenhilfe. „Da gibt es so vieles zu bedenken. Als Frau alleine bist du dem doch gar nicht gewachsen.“

„Wir wollen doch nur dein Bestes, Liebes“, warf ihre Mutter ein. „Wir verstehen ja, dass du unglücklich bist. Und es tut uns allen furchtbar leid, dass es mit Frederik nicht so gelaufen ist, wie wir es dir gewünscht haben. Aber es gibt doch noch so viele Männer auf der Welt, und für so ein zauberhaftes Mädchen wie dich ist ganz bestimmt auch noch der Richtige dabei.“

Es hatte keinen Sinn. Die drei verstanden sie einfach nicht. Sie meinten es nicht böse. Sie lebten schlicht in einer anderen Welt.

An diesem Abend war Katharina nicht traurig, als ihre Schwestern schließlich aufstanden und sich verabschiedeten, weil Sebastian und Karsten zu Hause auf sie warteten. Ihre Mutter fuhr mit Sybille nach Hause. Die beiden wohnten in demselben Mietshaus.

Kaum waren die drei gegangen, räumte Katharina die Küche auf. Dann ging sie hinüber in ihr behagliches Wohn- und Schlafzimmer und setzte sich an den kleinen Sekretär. Mit einem Griff klappte sie ihren Laptop auf. Das Gerät war ein Geschenk von Sybille.

„Vielleicht solltest du es mal mit einer dieser modernen Dating-Plattformen versuchen“, hatte sie einmal gesagt. „Meine Kollegin Meike hat darüber ihren Christoph kennengelernt, und die beiden sind wirklich happy zusammen.“

Wenn sie Sybille Glauben schenkte, war ihr gesamter Bekanntenkreis „wirklich happy“ miteinander verbandelt. Vermutlich wäre sie schwer enttäuscht, wenn sie wüsste, dass sich ihre kleine Schwester mit ihrem Geschenk bei keiner Dating-Plattform, sondern in einem Koch-Forum angemeldet hatte.

Zuerst war sie demgegenüber skeptisch gewesen. Ein Chat im Internet mit fremden Leuten war ihr ein wenig suspekt, aber schließlich suchte sie stets nach neuen Rezepten. Schon nach kurzer Zeit zählten die Besuche im Koch-Forum zu einem festen Bestandteil ihres Alltags. Sich mit Menschen auszutauschen, die mit derselben Begeisterung in der Küche standen wie sie, war einfach zu schön. Endlich fühlte sie sich verstanden. Dank des Koch-Forums hatte sie wieder neuen Mut gefasst, ihren Traum zu leben. Genauer gesagt gebührte der Dank einem einzelnen Mitglied: „Hobbykoch32“.

Im Internet gaben sich alle Fantasienamen. Man kannte sich schließlich nicht richtig und blieb deshalb lieber anonym. Bei „Hobbykoch32“ hatte Katharina allerdings das Gefühl, als würde sie ihn schon seit einer Ewigkeit kennen. Sie waren genau auf derselben Wellenlänge. Um sich von dem frustrierenden Gespräch mit ihrer Familie zu erholen, musste sie heute Abend mit ihm sprechen. Sie konnte nur hoffen, dass er online war.

***

Hallo, ihr Köche und Köchinnen da draußen! Herzlich willkommen im Koch-Forum von Gabi und Ralph. Wie schön, dass ihr unsere große Leidenschaft teilt und mit uns den virtuellen Löffel schwingt. Bei uns könnt ihr euch im allgemeinen Kreis über Rezepte, Ideen und Erfahrungen austauschen oder private Chat-Räume eröffnen, um ungestört mit Mitgliedern eurer Wahl zu plaudern. Seid nett zueinander und habt viel Spaß.

Immer wenn sich die Seite aufbaute; die fröhliche, mit Kochmützen dekorierte Begrüßung sichtbar wurde und er sich einloggen konnte, wich all der Stress des Tages einer Welle der Vorfreude.

Anfangs aber war er demgegenüber misstrauisch gewesen. Allzu albern war es ihm erschienen, sich „Hobbykoch32“ zu nennen und mit wildfremden Leuten über Rezepte zu chatten. Er hatte sich dennoch angemeldet, weil er anlässlich des Geburtstags seines Opas dringend ein Rezept für eine Stachelbeertorte benötigte. Opa Peter wurde schließlich nicht jeden Tag neunzig, und er sollte seine heiß geliebte Torte bekommen.

Bei Opas Geburtstagstorte durfte ihm nicht der kleinste Fehler unterlaufen. Er brauchte ein todsicheres Rezept, und außerdem sollte Baiser auf der Tortendecke sein. Somit war ihm das „Koch-Forum von Gabi und Ralph“ als keine schlechte Idee erschienen.

Tatsächlich war er sehr schnell fündig geworden. Etliche großartige Rezepte waren ihm empfohlen worden, unter denen er nur zu wählen brauchte. Aber es war der Rat einer besonders freundlichen Benutzerin mit dem Namen „Küchenfee“ gewesen, die Opas Geburtstagstorte zum Riesenerfolg machte.

„Küchenfee“ hatte mit der Zubereitung von Baisers jede Menge Erfahrung und kannte die kleinen Tricks, die dazu beitrugen, dass das komplizierte Gebäck aus Eierschaum todsicher gelang.

Nach dem Geburtstag hatte er sich eigentlich nur noch einmal bei ihr bedanken und von seinem Erfolg berichten wollen. Im Handumdrehen waren sei dabei ins Schwatzen geraten, hatten einander von ihren kleinen Triumphen und Katastrophen in der Küche erzählt und davon geschwärmt, wie schön es war, lieben Menschen eine kulinarische Freude zu machen.

Während er jedoch nur ein Hobbykoch war, der gutes Essen, ansprechende Tischkultur und Geselligkeit liebte, war das Kochen bei ihr eine echte Passion. Es schien einfach nichts zu geben, das „Küchenfee“ zum Thema Kochen nicht wusste. Es musste ein Genuss sein, ihre Kreationen zu kosten – ein Genuss, wie er ihn allzu lange nicht mehr erlebt hatte und wohl auch nie wieder erleben würde.

Sehr schnell landeten sie auch bei anderen Themen, erzählten einander von ihren Familien, ihren Freunden, der Musik, die sie mochten, und den Filmen, die sie liebten. Von ihrer Arbeit sprachen sie nicht. Beide waren sie in ungeliebten Stellungen tätig, über die es einfach nichts zu reden gab.

Zwar hatte er seinen Traumberuf des Toningenieurs erlernt, doch hatte sich sein Traum vom eigenen Studio zerschlagen. Er hatte junge, talentierte Musiker fördern und ihnen helfen wollen, ihre ersten Songs aufzunehmen, doch durch seine eigene Dummheit war er daran gescheitert. Nun arbeitete er in einem Computergeschäft, wo er recht ordentlich verdiente. Trotzdem konnte er nicht aufhören, von der Tontechnik zu träumen.

Mit „Küchenfee“ zu chatten, lenkte ihn von allem ab, was in seinem Leben schieflief. Und dann geschah, was er nicht für möglich gehalten hatte. Anfangs wollte er es nicht wahrhaben – doch bald musste er begreifen, dass er sich nicht täuschte. Er begann, den Begegnungen mit „Küchenfee“ entgegenzufiebern, auch wenn sie nur auf einem Computerbildschirm stattfanden. Den ganzen Tag über konnte er an kaum etwas anderes denken, und auch jetzt saß er mit klopfendem Herzen und einem wilden Flattern im Bauch vor dem Gerät.

Er musste sich einfach überwinden, seinen Mut zusammennehmen und sie um ein Date bitten, – ein echtes, in Fleisch und Blut. Bei dem Gedanken daran wurde ihm ziemlich mulmig, aber den wenigsten Menschen wurde eine zweite Chance auf dem Silbertablett serviert. Wenn er sie nicht nutzte, wenn er sie aus Feigheit verstreichen ließ, würde er sich das nie verzeihen.

Er hatte sich gerade eingeloggt, da sah er auch schon ihren Namen in der Anwesenheitsliste des Forums aufblitzen.

‚Heute Abend‘ , nahm er sich vor, ‚werde ich sie bitten, sich mit mir zu treffen.‘

Er hatte schon die Finger auf den Tasten, um sie anzuschreiben und in einen Chatraum einzuladen, da ertönte aus seiner Hosentasche der Klingelton seines Handys.

Ärgerlich zog er das Gerät aus der Tasche und las die Nummer des Anrufers auf dem Display: Sabrina Koschinsky. Ausgerechnet jetzt!

Diesen bösen Geist aus der Vergangenheit konnte er in diesem Moment am allerwenigsten gebrauchen. Am liebsten hätte er den Anruf einfach weggedrückt, aber dazu kannte er Sabrina zu gut. Sie hätte nicht lockergelassen, sondern es hartnäckig immer wieder versucht. Er brachte es besser hinter sich.

„Sabrina. Was gibt es denn, warum rufst du mich an?“

„He, Mister Sound, nicht so schroff! Da freue ich mich, endlich mal wieder deine Stimme zu hören, und dann werde ich so unfreundlich abgefertigt.“

„Mister Sound“. So hatte sie ihn immer genannt. Schon damals hatte er es albern gefunden. Jetzt aber machte ihn der blöde Spitzname regelrecht wütend.

„Sabrina, bitte sei so gut und fasse dich kurz. Ich wüsste nichts, was du und ich einander noch zu sagen hätten. Außerdem habe ich keine Zeit.“

„Oh, lieber Frederik, da wüsste ich eine ganze Menge“, flötete Sabrina. „Ich kann nicht fassen, dass du nach all der Zeit immer noch so unversöhnlich bist. Ich habe mir damals doch solche Mühe für dich gegeben. Kann ich vielleicht etwas dafür, dass sich mein Kontakt als Betrüger herausgestellt hat? Ich hätte etwas anderes für dich arrangiert, wenn du nur ein klitzekleines bisschen mehr Geduld bewiesen hättest.“

„Ich möchte darüber nicht mehr diskutieren“, erwiderte er. „Wenn es sonst nichts gibt, würde ich dieses Gespräch gerne beenden.“

„Aber warum denn so eilig?“, kam es mit gespielter Verwunderung von Sabrina.

„Ich habe Besuch“, entfuhr es ihm.

In gewissem Sinne entsprach das sogar der Wahrheit. Zumindest fühlte es sich für ihn fast so an. „Küchenfee“ hatte ihm soeben eine persönliche Nachricht geschickt:

Hallo! Wie geht es dir, wie war dein Tag? Hast du vielleicht noch Lust und Zeit, ein bisschen zu chatten?

Immer war sie so behutsam und fast ein wenig schüchtern. Sie fiel nie mit der Tür ins Haus und setzte auch nicht einfach voraus, dass der andere schon für sie Zeit haben würde. So kannte er sie. Und so liebte er sie.

So liebte er sie.

Hatte er das tatsächlich gerade gedacht?

Ja, so war es. Er konnte es nicht länger leugnen. Er liebte sie, und daran ließ sich nicht rütteln.

Bin gleich bei dir, muss nur noch schnell ein lästiges Telefonat beenden , tippte er mit einer Hand. So mühsam das auch war, fügte er trotzdem noch ein Freu mich hinzu, ehe er auf Senden drückte.

Ich mich auch! , kam es prompt zurück. Dann bis gleich.

Währenddessen hatte Sabrina weitergeredet, aber er hörte ihr kaum noch zu. Er freute sich auf den Abend mit seiner „Küchenfee“. Und er war sich sicher, dass er sich heute Abend endlich überwinden und sie um das so heiß ersehnte Date bitten würde.

„He, Mister Sound – bist du überhaupt noch da?“, fragte Sabrina.

„Eigentlich nicht“, antwortete er. „Ich habe dir ja gesagt, ich habe Besuch und muss Schluss machen.“

„Und ich habe dich gefragt, wer das ist, der da so Wichtiges bei dir herumsitzt, dass du nicht einmal ein paar Minuten Zeit hast, mit einer alten Freundin zu plaudern“, kam es prompt von ihr zurück.

„Das geht dich nichts an“, entgegnete er streng. „Und du bist keine alte Freundin.“

„Oho. Ist das nicht ein bisschen grob?“, fragte sie. Er konnte sich ihre vor Empörung hochgezogenen Augenbrauen und den Schmollmund förmlich dazu vorstellen. „Eigentlich wollte ich ja fragen, ob wir uns nicht mal wieder treffen wollen, ein bisschen über die alten Zeiten plaudern. Und wenn du jetzt mal deine schlechte Laune ablegst, könnte es sein, dass ich dir eine ziemlich coole Sache verrate, die ich für dich an der Hand habe.“

„Danke, aber ich habe kein Interesse“, erwiderte er. „Weder an einem Treffen mit dir noch an den alten Zeiten und schon gar nicht an einer deiner sogenannten ‚coolen Sachen‘.“

„Nun hör dir doch erstmal an, um was es geht!“, rief sie, aber er hatte den Finger bereits auf der Taste, die ihr Gespräch beenden sollte. „Schönen Abend noch, Sabrina“, sagte er und legte auf.

Mit einem tiefen erleichterten Atemzug schob er das Handy beiseite und wandte sich endlich wieder dem Bildschirm zu, auf dem noch immer die angefangene Unterhaltung mit „Küchenfee“ aufblinkte.

Hallo, hier bin ich endlich , tippte er mit fliegenden Fingern. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Aber jetzt habe ich nur noch Zeit für dich.

Sie sandte ihm einen strahlenden Smilie, ehe der Text folgte. Freut mich – ich für dich nämlich auch.

Er sandte einen ebenso strahlenden Smilie zurück.

Wie ist die Pavlova gelungen? Und was hat deine Familie zu der Zwiebelsuppe gesagt?

Danke, dass du fragst , las er ihre Antwort auf dem Bildschirm. Alles hat wunderbar geklappt. Die Suppe war ein voller Erfolg und der Nachtisch erst recht.

Toll! Ich freu mich für dich. Aber ich habe von dir auch nichts anderes erwartet.

Danke für das Kompliment. Ich glaube, ich werde rot.

‚Ich sehe es lebhaft vor mir‘, dachte er während in seinem Bauch die Schmetterlinge tanzten.

Ehre, wem Ehre gebührt , schrieb er stattdessen.

Du bist so nett , kam es von ihr. Leider ist das Gespräch später weniger gut gelaufen. Ich habe mich ganz plötzlich entschlossen, den dreien von dem Café zu erzählen. Das war keine gute Idee. Sie finden, es sei ein großer Fehler. Sie sagen, ich solle nicht so leichtsinnig sein, sondern mir lieber endlich einen Mann suchen.

Na ja, das eine schließt das andere ja nicht aus , tippte er, ohne nachzudenken und hätte sich gleich darauf ohrfeigen können. Er wusste doch, dass sie auf das Thema nicht angesprochen werden wollte. Zu seinem Leidwesen kannte er auch die Gründe dafür.

Du weißt, für mich kommt eine Beziehung nicht infrage , schrieb sie prompt zurück. Ich hatte gehofft, meine Familie würde Verständnis für meinen Traum haben und mir Mut machen. Aber vielleicht haben sie ja recht, und ich sollte endlich erwachsen werden.

Du bist erwachsen , antwortete er. Nach Wegen zu suchen, seine Träume in die Tat umzusetzen, ist so ungefähr das Erwachsenste, was man machen kann. Davon darfst du dich nicht abbringen lassen. Außerdem klingt der Plan mit der ehemaligen Boutique, von der du mir erzählt hast, doch wirklich von Grund auf vernünftig und durchdacht.

Findest du? , tippte sie, und er glaubte, ihre niedergeschlagene, entmutigte Stimme zu hören. Ich war mir ja selbst sicher, aber nach diesem Tag habe ich wieder so viele Zweifel. Ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du mir wieder ein bisschen Mut machst.

Ich mache dir ganz viel Mut , hämmerte er in die Tasten. Allen Mut der Welt. Du bist die Richtige für dieses Café. Wer denn sonst, wenn nicht du? Mit deinen Kochkünsten wirst du die ganze Gegend verzaubern. Natürlich wird es am Anfang hart sein, aber mit deinem Talent ist „Küchenfees Kate“ im Nu in aller Munde.

Sie schickte ihm nicht nur einen, sondern gleich drei strahlende Smilies. Ihm war beinahe zumute, als würde sie ihn anlächeln.

Du weißt doch gar nicht, ob ich wirklich so gut kochen kann. Wir kennen uns im richtigen Leben ja nicht. Vielleicht denke ich mir das alles nur aus, um vor dir anzugeben.

Tust du nicht , erwiderte er schlicht. Ich weiß es. Abgesehen davon hätte ich aber auch nichts dagegen, das zu ändern.

Was zu ändern? , fragte sie.

Er nahm all seinen Mut zusammen und tippte: Die Tatsache, dass wir uns im richtigen Leben gar nicht kennen. Wenn du mich zum Beispiel einladen würdest, um mir deine Kochkünste vorzuführen, würde ich ganz bestimmt nicht Nein sagen. Ich würde dich aber genauso gern auch zu mir einladen, nur müsstest du dich dann mit den Stümpereien eines Hobbykochs zufriedengeben.

***

Mit klopfendem Herzen starrte Katharina auf den Bildschirm. Auf ihren Armen bildete sich trotz des warmen Sommerabends eine Gänsehaut.

Er wollte sie kennenlernen! Im richtigen Leben!

Natürlich hatte sie irgendwo gewusst, dass es eines Tages so kommen würde, aber sie hatte den Gedanken verdrängt. Es war so schön, so wohltuend, mit ihm zu chatten. Sie fühlte sich so verstanden und genoss jeden Moment. Aber ein Date wollte sie auf gar keinen Fall. Allein die Vorstellung erfüllte sie schon mit Angst. Es sollte alles so weitergehen wie bisher.

Dass sie längst mehr als freundliches Interesse an ihren Gesprächen über das Kochen hegte und weit mehr als Vorfreude empfand, sobald sein Name auf der Anwesenheitsliste des Forums auftauchte, verdrängte sie. Sie konnte sich nicht online in jemanden verlieben, den sie noch nie gesehen hatte und von dem sie nicht einmal den Namen kannte.

Das war ganz und gar unmöglich.

Die Enttäuschung mit Frederik hatte ihr eine tiefe Wunde zugefügt, die nicht mehr heilte. Ein Teil von ihr hatte wieder Freude am Leben gefunden. Er genoss das Zusammensein mit ihrer Familie und ihrem kleinen, aber liebenswerten Freundeskreis und war glücklich, wenn sie am Herd stehen und nach Herzenslust den Kochlöffel schwingen konnte. Aber ein anderer Teil fühlte sich in ihrem Innersten wie tot an.

Sie hatte an Frederik und ihre Liebe geglaubt und war bitter enttäuscht worden. Wenn sie an ihre gemeinsamen Abende dachte, brach die alte Wunde sofort wieder auf. Es waren Abende gewesen, an denen sie nebeneinander in der Küche gestanden hatten; an denen er das Gemüse für einen frischen Salat geschnipselt und sie die Zutaten zu einer raffinierten Sauce zusammengerührt hatte. Sie hatten dabei gelacht und sich gegenseitig von ihrem Tag erzählt; hatten sich auf ein köstliches gemeinsames Essen gefreut und vergnügt über das Kochen gefachsimpelt. Auch Frederik hatte mit Begeisterung gekocht und es geliebt, zusammen mit ihr an einer schön gedeckten Tafel zu sitzen. Sie hatten so vieles gemeinsam und so vieles miteinander genossen.

Er hatte sie in ihren Träumen unterstützt, und sie ihn in den seinen. Sie hatten sogar schon darüber nachgedacht, wie sie ihre Träume vereinen konnten, sodass aus zwei Lebenszielen ein gemeinsames würde.

Zumindest hatte Katharina das geglaubt, bis er ihr plötzlich die rosarote Brille vom Kopf gerissen hatte. Durch seinen Verrat hatte Katharina ihr Urvertrauen in die Menschheit verloren. Einen so tiefen Schmerz wollte sie auf keinen Fall wieder durchleben müssen.

Außerdem brauchte sie keine neue Beziehung. Was sie brauchte, war ihr Traum: Das kleine Café, ihr zukünftiges Refugium.

Katharina hatte nicht bemerkt, dass der Bildschirm vor ihren Augen verschwommen war. Als sie sich jetzt zusammenriss, blinzelte und wieder richtig hinsah, stellte sie fest, dass ihr „Hobbykoch32“ eine neue Nachricht gesendet hatte.

Habe ich dich erschreckt? , stand da. War ich zu aufdringlich? Es tut mir leid, das wollte ich nicht. Ich genieße unsere Gespräche nur so sehr – und ich würde diese Unterhaltungen so gern einmal in der Wirklichkeit mit dir führen.

Katharina seufzte. Er war so nett. So ganz und gar nicht aufdringlich. Einfühlsam hatte er gespürt, dass sein Vorschlag sie verstört hatte. Dennoch saß sie hier und hatte ihm noch immer keine Antwort geschrieben.

Es kommt ein bisschen plötzlich , sah sie sich tippen.

Mehr fiel ihr nicht ein. Würde er jetzt das Gespräch unter einem Vorwand beenden? Hatte er genug von dieser komischen „Küchenfee“? Glaubte er am Ende doch noch, dass sie nur eine Angeberin war, die sich meisterhafte Fähigkeiten am Herd zusammenfantasierte?

Ich wollte dich nicht überrumpeln , schrieb „Hobbykoch32“. Es tut mir wirklich leid. Schließlich hast du jetzt ja auch ganz anderes im Kopf und musst dich auf dein Café konzentrieren. Das ist im Augenblick das Wichtigste für dich. Lass uns also lieber davon sprechen. Bis wann musst du der Vermieterin denn Bescheid geben, wie du Dich entschieden hast?

Katharina war baff. Statt verschnupft zu reagieren und das Weite zu suchen, wie sie es von den wenigen Männern kannte, die ihr seit der Trennung begegnet waren, bewies er Verständnis für sie. Und nicht nur das: Er heuchelte nicht nur Interesse an ihren Plänen, um sie herumzubekommen, sondern wollte sie wirklich unterstützen.

Leider schon bis Montag , tippte sie. Es gibt einen anderen Interessenten. Die Vermieterin würde mir gerne den Zuschlag geben, aber sie kann nicht noch länger warten.

Und mit der Finanzierung steht alles noch so, wie du es mir neulich erklärt hast? , erkundigte er sich.

Sogar noch ein bisschen günstiger , antwortete Katharina. Sie ist mit dem Kaufpreis noch einmal runtergegangen und berechnet mir nichts für die Übernahme der Küche. Die werde ich auf Dauer natürlich neu ausstatten müssen, aber für den Anfang reicht sie völlig. Und der Trödler, bei dem ich mir die kleinen Lampen und die Bistro-Tische ausgesucht habe, macht mir ebenfalls einen Sonderpreis für alles zusammen. Außerdem kann er mir zu den Tischen passende Stühle besorgen.

Unverhofft war Katharina wieder ins Schwärmen geraten. Sie wollte dieses kleine Café so sehr haben. Sie sah doch schon alles vor sich!

Das hört sich wirklich perfekt an , entgegnete „Hobbykoch32“. Wenn du mich fragst, solltest du sie noch heute anrufen. Eine solche Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder.

Meinst du wirklich? , tippte Katharina aufgeregt. Ich habe mir auch überlegt, dass ich in der ersten Zeit noch halbtags weiterarbeiten kann. Dann habe ich eine Sicherheit. Ich könnte das Café fürs Erste nachmittags und abends öffnen und vormittags weiter im Möbelhaus Geld verdienen. Allzu lange würde ich das aber nicht machen wollen. Schließlich ist ein richtiger Brunch eine der schönsten Mahlzeiten, die es überhaupt gibt. Ich würde gern ein warmes Buffet anbieten, zu dem sich Freunde und Verwandte treffen und einen ganzen Vormittag lang sitzen bleiben.

Nach allem, was du mir von deinem Brunch erzählt hast, wird das eines deiner Trumpfasse , kam die Antwort von „Hobbykoch32“. Und nein. Ich denke, du solltest nicht halbtags weiterarbeiten. Das, was du vorhast, braucht dich mit ganzer Kraft. Du musst schließlich auch Einkäufe erledigen, planen, vorbereiten und am Anfang auch allein putzen und aufräumen. Das lässt sich nicht mit einem Halbtagsjob verbinden. Und das Geld, das du gespart hast, reicht dir für die ersten Monate zum Leben. Du bist nicht leichtsinnig, wenn du dich dem Neuen voll und ganz widmest. Lass dir das nicht einreden. Du hast dir alles gut überlegt.

Es war so wunderbar, dass er mitdachte und Überlegungen zu ihrem Vorhaben anstellte, als wäre es sein eigenes. Sie wollte sich bei ihm dafür bedanken – auf einmal ärgerte es sie, dass sie ihn nicht mit seinem richtigen Namen ansprechen konnte. „Hobbykoch32“ war schließlich nur ein Pseudonym; genauso wie das alberne „Küchenfee“, das sie sich ausgesucht hatte, weil ihr nichts Besseres eingefallen war.

Vielen Dank , tippte sie. Du weißt nicht, wie sehr du mir hilfst. Mir kommt es vor, als würdest du den ganzen Plan genauso gut kennen wie ich. Du bist ganz anders als meine eigene Familie und meine Freunde, die nichts davon wissen wollen. Dabei weiß ich nicht einmal, wie du heißt. Ich bin übrigens Katharina. Und das Café soll nicht „Küchenfees Kate“, sondern „Kathis Kate“ heißen.

Eine Weile kam keine Antwort. Katharina glaubte schon, sie wären vielleicht unterbrochen worden.

Hallo, Katharina , schrieb er dann doch noch. Ein schöner Name. Und „Kathis Kate“ klingt toll. Das geht direkt ins Ohr.

Darf ich denn im Gegenzug auch deinen erfahren? , fragte Katharina.

Wieder folgte eine längere Pause.

Dann erschien ein einzelnes Wort auf dem Bildschirm: Thomas.

Katharina zuckte zusammen. Mit dem Namen verband sie eine unangenehme Erinnerung: Frederiks Nachname lautete Schulze-Thomas. Aber natürlich war es vollkommen albern, deswegen zu erschrecken. Thomas war schließlich ein Allerweltsname, der allein in München unzählige Male vorkam.

Eigentlich war er sogar ganz hübsch.

Sie erwischte sich dabei, nicht an ihn als „Hobbykoch32“, sondern als Thomas zu denken, und ihr Herz klopfte noch schneller. Sie hatte es nicht gewollt, aber es war dennoch geschehen.

Sie hatte sich verliebt.

Auf einmal hatte sie keine Lust mehr auf ihre ständige Angst. Dass Frederik sie mit einer anderen Frau betrogen hatte, während er ihr weisgemacht hatte, er kämpfe um seinen Traum, bedeutete doch nicht, dass alle Männer so waren. Und dass ihre Familie ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis hatte, bedeutete nicht, dass sie mit ihrem Café scheitern musste.

Katharina wollte beides: Ihrem Traum eine Chance geben und ihren Gefühlen für Thomas. Ein Date war schließlich nur ein Date und kein Eheversprechen. Und ein unterschriebener Vertrag hatte nicht zur Folge, dass ihr künftig alle anderen Möglichkeiten verstellt blieben.

Hallo Thomas, schön dich kennenzulernen , tippte sie geradezu beschwingt. Ich werde deinen Rat annehmen und am Montag den Vertrag unterschreiben. Die Vermieterin hat versprochen, dass ich die Räume sofort übernehmen und mit dem Renovieren anfangen kann. Bis nächsten Freitag habe ich sicher schon ein ganzes Stück geschafft. Wenn du Lust und Zeit hast, lade ich dich am Freitagabend zum Essen ein, um die Küche von „Kathis Kate“ einzuweihen.

***

„Herzlichen Glückwunsch, liebe Tatjana.“

Dr. Stefan Frank lächelte der Patientin aufmunternd zu, die sich um das Ergebnis ihrer Untersuchung offenbar ein wenig sorgte.

„Zwar kann ich mich noch nicht auf einen Termin festlegen, aber wenn alles gutgeht, sind Sie im nächsten Frühling zu dritt.“

„Um Gottes willen!“, sprudelte es aus Tatjana Sedlmayer heraus.

Dr. Stefan Frank kannte die junge Frau lange genug, um ihr vom Gesicht ablesen zu können, dass sie von Freude überwältigt war. Er betreute die Familie bereits seit der Geburt der ersten Tochter und hatte sie durch die schwierige Zeit nach dem plötzlichen Unfalltod des Vaters begleitet. Alle drei Schwestern bestanden nach wie vor darauf, dass er sie mit den Vornamen ansprach – obwohl sie längst erwachsen waren und die Zeit hinter ihnen lag, in der sie ihn mit ihren fröhlichen Kinderstimmen „Onkel Doktor“ gerufen hatten.

„Ich bekomme also wirklich ein Baby?“, fragte Tatjana noch immer fassungslos.

Stefan Frank nickte und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Wie so etwas möglich ist, haben Sie doch hoffentlich im Biologie-Unterricht gelernt.“

„Ja, ja, natürlich.“ Tatjana lachte.

Sie wirkte noch immer völlig überrumpelt. Wegen ständiger Übelkeit und einer unregelmäßigen Periode war sie zu ihm in die Praxis gekommen. Mit diesem Ergebnis hatte sie offenbar überhaupt nicht gerechnet. Es verblüffte Stefan stets aufs Neue, dass diese patenten jungen Frauen, die im Beruf ihren Mann standen, komplizierte Computersysteme bedienten und leichter Hand mit künstlicher Intelligenz jonglierten, bezüglich der menschlichen Fortpflanzung oft noch so naiv und ahnungslos waren wie ihre Ahnen vor Hunderten von Jahren.

„Sie sind jedenfalls gesund, und soweit es sich nach der Erstuntersuchung beurteilen lässt, geht es dem Baby ausgezeichnet“, erklärte er ihr.

„Wenn ich das Sebastian erzähle, fällt er mir glatt vom Stuhl“, freute sich Tatjana.

„Ich nehme an, auch er hatte Biologieunterricht in der Schule“, bemerkte Dr. Frank trocken.

Jetzt musste auch Tatjana lachen. In ihren Augen leuchtete das Glück.

„Ich fürchte, ich benehme mich gerade ausgesprochen albern, Herr Doktor.“

„Machen Sie sich keine Sorgen. Damit sind Sie in bester Gesellschaft“, erwiderte Stefan. „Diese Art von Albernheit haben Sie mit so gut wie allen frischgebackenen Schwangeren der Weltgeschichte gemeinsam. Und die Väter sind noch schlimmer. Aber wenn Sie mich fragen, hat das schon seine Richtigkeit. Das Geschenk eines Kindes ist und bleibt das größte Wunder, mit dem wir gesegnet werden können. Etliche Menschen warten ihr ganzes Leben lang vergeblich darauf. Weshalb sollten wir darüber also nicht sprachlos sein vor Verwunderung?“

„Da haben Sie recht, Herr Doktor“, stimmte Tatjana ihm zu. „Sebastian und ich wünschen uns auch sehnlichst Kinder. Es kommt jetzt nur ein bisschen früher als geplant.“

„Ist das denn ein Problem?“, erkundigte sich Stefan.

„Nein, eigentlich nicht“, antwortete Tatjana. „Wir verdienen beide gut und sind gerade in eine größere Wohnung gezogen. Das Kinderzimmer ist schon mit eingeplant. Wir wollten nur ursprünglich bis nach der Hochzeit von Sybille und Karsten warten, um den beiden nicht die Schau zu stehlen. Nun wird sich das aber wohl nicht verhindern lassen. Sebastians Eltern sind noch sehr traditionell eingestellt. Ihnen zuliebe müssen wir zusehen, dass wir den schnellsten Hochzeitstermin nehmen, den wir bekommen können.“

„Warum machen Sie keine Doppelhochzeit daraus?“, schlug Dr. Frank vor. „Es ist doch etwas sehr Schönes, wenn sich Schwestern so gut verstehen wie in Ihrer Familie.“

„Ja, eine Doppelhochzeit fänden Sebastian und ich auch sehr schön“, sagte Tatjana. „Wir haben auch schon einmal mit Karsten und Sybille darüber gesprochen. Das Problem bei der Sache ist Katharina. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass sie eine solche Doppelhochzeit sicher traurig machen würde, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen würde. Es würde ihr nur wieder vor Augen führen, dass ihre beiden Schwestern wunderbare Männer abbekommen haben und sich groß feiern lassen, während sie immer noch alleine dasteht.“

„Ja, da haben Sie recht“, entgegnete der Allgemeinmediziner. „Das täte mir auch sehr leid für Katharina. Auf der anderen Seite ist sie noch jünger als Sie und Sybille. Sie hat doch noch reichlich Zeit, um in ihrem Leben das Liebesglück zu finden.“

„Als ich in Kathis Alter war, waren Sebastian und ich schon seit Langem unzertrennlich“, wandte Tatjana ein. „Sybille und Karsten hatten sich in ihrem Alter auch schon gefunden.“

„Das ist natürlich wunderschön für Sie vier. Aber auch wenn es nicht gleich auf Anhieb klappt, kann ein Mensch noch den richtigen Partner finden.“ Stefan Frank lachte. „Sehen Sie mich an. Ich bin der Liebe meines Lebens erst begegnet, als ich im Vergleich mit Ihnen ein uralter Mann war. Und ich kann Ihnen versichern, dass uns jeden Tag aufs Neue bewusst wird, wie glücklich wir miteinander sind.“

Stefan sandte seiner geliebten Alexandra einen raschen, sehnsüchtigen Gedanken. Ihre Liebe hatte ihn vor ein paar Jahren aus einem tiefen Tal herausgeholt und seither empfand er an ihrer Seite ein Gefühl des Angekommenseins, wie er es nie gekannt hatte. Das Leben verlief nun einmal nicht immer geradlinig; so sehr er es den Menschen, die er gerne mochte, wünschte.

Katharina war unter den Sedlmayer-Schwestern immer diejenige gewesen, die Stefan besonders nahestand. Ihre warmherzige, fürsorgliche Art hatte ihn stets berührt. So hatte Katharina schon als kleines Mädchen versucht, ihre Mutter und ihre Schwestern aufzuheitern, wenn sie traurig waren, indem sie ihnen kleine Gerichte zauberte. Im Laufe der Zeit waren daraus ausgefeilte Menüs geworden, die sich mit dem Angebot feinster Restaurants durchaus messen konnten.

Katharina Sedlmayer tat alles mit Liebe, und Liebe ging bei ihr durch den Magen. Für sie gab es nichts Schöneres, als Menschen zu umsorgen, zu verwöhnen und ihnen auf diese Weise zu zeigen, dass sie ihr wichtig waren. Umso mehr tat es Dr. Frank leid, dass ausgerechnet Katharina in der Liebe kein Glück zu haben schien.

„Ja, natürlich hat Kathi noch jede Menge Zeit, den Richtigen zu finden“, sagte Tatjana. „Sie ist schließlich unser Küken. Das Problem ist aber, dass sie ihn gar nicht sucht. Seit der Enttäuschung mit Frederik lässt sie keinen Mann mehr an sich heran. Sybille und ich haben wirklich alles versucht, um sie mit netten Freunden von Sebastian oder Karsten zu verkuppeln. Sie geht überhaupt nicht darauf ein.“

„Vielleicht ist sie über die Trennung noch nicht hinweg?“, fragte der Arzt.

„Aber es ist doch nun schon bald drei Jahre her!“, rief Tatjana. „Irgendwann muss sie sich doch dem Leben wieder zuwenden. Sybille und ich haben ihr schon geraten, sich doch auf einem Dating-Portal anzumelden. Aber bisher sah es nicht aus, als hätte sie auf unseren Rat gehört. Stattdessen entwickelt sich diese Kocherei bei ihr langsam zu einer Besessenheit. Sie hat überhaupt nichts anderes mehr im Kopf.“

„Ist es nicht schön, wenn sie eine Beschäftigung hat, die sie ausfüllt und vielleicht über anderes hinwegtröstet?“, fragte Stefan Frank.

„Ja, sicher. Aber nicht, wenn sie alles andere dafür wegwirft“, entgegnete Tatjana. „Sie nimmt sich die Möglichkeit, einen netten Mann kennenzulernen. Jetzt zieht sie sogar in Erwägung, ihre schöne, sichere Stellung aufzugeben, um sich als Köchin selbstständig zu machen. Das ist doch verrückt!“

„Das kann ich nicht beurteilen“, erwiderte Dr. Frank. „Aber wenn es solche Verrückten nicht gäbe, wüssten wir nicht, wo wir essen gehen sollten.“

„Aber die Leute, die Restaurants leiten, sind doch gelernte Köche“, wandte Tatjana ein. „Außerdem haben sie Geld und Beziehungen und was weiß ich, was noch alles – lauter Dinge, die unsere Kathi eben nicht hat. Aber wer weiß? Vielleicht wendet sich ja doch noch alles zum Guten, und mein Kleines bekommt, noch ehe es geboren ist, einen weiteren Onkel.“

„Jetzt machen Sie mich neugierig“, gestand Stefan Frank.

„Ich platze ja selbst vor Neugier!“, rief Tatjana. „Meine Mutter, Billie und ich gehen nämlich jeden Freitag nach Feierabend zu Kathi zum Essen. Das ist so etwas wie unsere heilige Kuh. Wenn nicht gerade eine von uns krank im Bett liegt, findet dieses Essen statt. Und es ist auch einfach immer umwerfend. Für diesen Freitag hat uns Kathi nun aber aus heiterem Himmel abgesagt. Und als ich sie gelöchert habe, was denn los sei, hat sie schließlich ganz süß und verschüchtert zugegeben, dass sie eine Verabredung hat – mit einem Vertreter des männlichen Geschlechts. Ein echtes erstes Date.“

„Dann drücke ich für den künftigen Onkel fest die Daumen“, sagte Stefan Frank und lachte. „Versuchen Sie aber, Katharina nicht allzu sehr unter Druck zu setzen. Es könnte nämlich das Gegenteil bewirken, wenn Sie ständig nachfragen.“

„Ich weiß.“ Tatjana stand auf, um sich zu verabschieden. „Billie und ich sind schon eine echte Landplage. Aber was sollen wir denn machen? Wir wünschen uns so sehr, dass Kathi so glücklich wird, wie wir es sind.“

„Sie sind keine Landplage, sondern zwei äußerst reizende Schwestern, um die man Katharina beneiden könnte“, versicherte Dr. Stefan Frank und schüttelte der jungen Frau die Hand. „Es ist nur natürlich, dass wir denen, die wir lieben, Glück wünschen. Aber Glück ist eben für jeden Menschen etwas anderes. Nur wenn wir es uns selbst schmieden, können wir sicher sein, dass wir bekommen, was wir brauchen.“

„Das haben Sie wieder schön gesagt, Herr Doktor“, entgegnete Tatjana.

„Ich freue mich, wenn es Ihnen ein bisschen hilft“, erwiderte Stefan Frank. „Nun beeilen Sie sich, damit Ihr Verlobter die glückliche Nachricht rasch erfährt.“

„Das werde ich – und Sie drücken unserer Kathi am Freitag ein bisschen die Daumen!“

Dr. Frank versprach es und nahm sich fest vor, daran zu denken.

***

Die ganze Woche über war Katharina rotiert wie nie zuvor in ihrem Leben. Tagsüber hatte sie wie bisher im Möbelhaus gearbeitet, aber abends und die halbe Nacht hindurch hatte sie in ihrem Café geputzt, geschrubbt, gewienert und geräumt.

Mit „Kathis Kate“ wurde ein Traum wahr.

Die Räumlichkeiten der ehemaligen Boutique übertroffen ihre Erwartungen. Sie erwiesen sich als noch besser geeignet, als sie erwartet hatte. Von der Größe und dem Schnitt bis zum Lichteinfall war alles genau so, wie sie es sich vorgestellt hatte.

Der kleine Innenhof würde sich in einen lauschigen, von wildem Wein umrankten Biergarten verwandeln, und der Gastraum lud bereits jetzt zum Verweilen ein. Katharinas Budget war äußerst schmal, und den Löwenanteil würde sie für Zutaten benötigen. An der Qualität der Lebensmittel durfte nicht gespart werden. Aber ein Mangel an Mitteln hatte sie schon immer kreativ gemacht. Wenn sie sich Leuchter für Tischkerzen vorläufig nicht leisten konnte, stellte sie eben mit Wachs betropfte Korbflaschen auf, bemalte sich ihren Ladentisch selbst und umflocht einfach Brotkörbe mit dekorativem Bast.

Katharina musste es sich eingestehen: Nicht nur ihr Traum beflügelte sie, sondern auch die Aussicht, am Freitag „Hobbykoch32“ alias Thomas hier begrüßen zu können.

Würden gleich zwei Wunder auf einmal wahr werden? War es möglich, dass nicht nur im Beruf ihr größter Wunsch in Erfüllung ging, sondern sich ihr auch noch eine neue Chance in der Liebe auftat?

Katharina war so aufgeregt, dass sie den Freitag kaum erwarten konnte. Ihrer Familie hatte sie abgesagt, und natürlich hatten die drei sie daraufhin mit Fragen bombardiert. Schließlich hatte Katharina es gestanden:

„Ja, ich bin mit jemandem verabredet. Es ist ein Date, wenn ihr so wollt. Aber bitte macht euch keine Hoffnungen. Zwischen uns ist nichts. Wir kennen uns kaum und wollen uns nur auf ein kleines Abendessen treffen.“

„Wenn du ‚kleines Abendessen‘ sagst, weiß ich schon, wie du auftischst“, hatte Tatjana gesagt. „Ich wette, es gibt mindestens fünf Gänge.“

Katharina musste zugeben, dass sie das anfangs geplant hatte. Sie würde Thomas ein Gaumenfeuerwerk bereiten; eine Palette der raffiniertesten Gerichte, die sie zu bieten hatte! Dann aber war sie von dem Plan wieder abgekommen. War es nicht besser, ein schlichtes, heimeliges Gericht für ihn zuzubereiten, das ihre Fähigkeiten herausstrich und die Qualität der verwendeten Zutaten betonte?

Sie musste nicht mit den Sterneköchen der Welt konkurrieren. Sie war eine Autodidaktin, die wusste, wie man einfachen, herzhaften Speisen eine ganz besondere Note verlieh, ohne dass sie das Vertraute verloren, das sie so beliebt machte.

Nach längerem Überlegen entschied sie sich für eine italienische Minestrone mit frisch geriebenem Parmigiano, viel Basilikum und einem selbst gebackenen Ciabatta, dem Brot, das so wunderbar nach Süden und Urlaub schmeckte. Zitronensorbet, ihre Spezialität, würde mit Granatapfelkernen und einem herben Fruchtjus bei dem herrlichen Sommerwetter ein geeignetes Dessert abgeben, und um das Ganze abzurunden, würde sie einen frischen Salat mit Radicchio und Walnüssen zubereiten.

Auf diese Weise würde Thomas die Art von Essen kennenlernen, die sie hier im Café servieren wollte: Wohlfühl-Gerichte, die man gerne teilte und die zu langen Gesprächen unter vertrauten Menschen anregten.

Einen kleinen Weinhändler, der gastronomische Betriebe belieferte, hatte Katharina bereits ausfindig gemacht und eine erste Lieferung zum Einführungspreis vereinbart. Den Wein aus dem Piemont konnte sie mit Thomas verkosten, weil er schon am Donnerstag geliefert wurde. Katharina ertappte sich dabei, dass sie sich auf den Abend einfach unbändig freute – so sehr wie lange auf nichts mehr.

Das letzte Mal, als sie eine solche Freude empfunden hatte, war damals gewesen, als sie mit Frederick seinen Geburtstag hatte feiern wollen. Sie war nach der Arbeit nach Hause gehetzt, um ein Festessen für ihn vorzubereiten. Ihr war klar gewesen, dass sie nicht ganz fertig werden würde, ehe auch Frederik nach Hause kam. Doch das hatte keine Rolle gespielt. Schließlich hatten sie es beide geliebt, zusammen zu kochen und dann in ihrer warmen, gemütlichen Küche zusammenzusitzen, während das Essen vor sich hin köchelte und einen unwiderstehlichen Duft verbreitete.

Oh ja, sie hatte sich unbändig gefreut. Ihre Vorfreude war sogar noch gewachsen, als Frederik ihr vor einigen Tagen erzählt hatte, er habe an diesem Abend eine Überraschung für sie geplant. Damals hatte sie sich gefragt, was das sein konnte. Sie hatten schon seit Längerem von einer gemeinsamen Wohnung gesprochen. Hatte er vielleicht etwas gefunden?

Fröhlich hatte Katharina vor sich hin gerätselt, während sie die Einkäufe ausgepackt und mit dem Kochen begonnen hatte. Sie selbst hatte ihrem Liebsten eine CD von seiner Münchner Lieblingsband besorgt und außerdem eine Schürze mit der Aufschrift „Hier kocht der Chef“.

Der Sekt hatte kalt gestanden. Die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen hatten darauf gewartet, dass sie angezündet wurden. Doch Frederik war nicht gekommen.

Anfangs hatte Katharina lediglich angenommen, er stünde in einem Stau, doch je mehr Zeit verstrichen war, desto größer war ihre Sorge geworden. Sie hatte sich gefragt, warum er nicht anrief; warum er ihr nicht wenigstens eine Nachricht schickte, wenn ihm etwas dazwischengekommen war.

Immer wieder hatte sie seine Handynummer gewählt, doch er hatte sich nicht gemeldet. Die Erinnerung an diese schlimmsten Stunden ihres Lebens würden wohl nie ganz verbleichen. In ihrer Not und ihrer Angst um ihn war sie schließlich zu seiner Wohnung gefahren und hatte ihn dort beinahe buchstäblich in den Armen einer anderen Frau vorgefunden.

Sabrina Koschinsky.

Die aufreizend hübsche, goldblonde Sabrina war zuvor monatelang um das Großstudio herumscharwenzelt, in dem Frederik gearbeitet hatte, und hatte dabei Katharinas Freund mit ihren Erfahrungen in der Musikbranche der USA beeindruckt. Ihr war die Frau von Anfang an unsympathisch gewesen. Aber Frederik hatte es scheinbar genossen, mit ihr fachsimpeln zu können. Und Katharina hatte es ihm gegönnt. Eifersucht hatte sie nicht verspürt. Sie und Frederik hatten sich geliebt. Sie hatten ihr Leben miteinander verbringen wollen und waren dem anderen treu gewesen. – Zumindest war sie dumm genug gewesen, das zu glauben.

Katharina schüttelte sich, um die Gedanken loszuwerden. Das alles war lange her – und ausgerechnet heute wollte sie nicht daran denken. Schließlich sollte heute doch der Tag sein, an dem für sie ein neues Leben begann. Thomas war nicht Frederik. Sie wollte ihm offen und unbefangen begegnen, ihnen beiden eine Chance geben, die nicht von den Erfahrungen der Vergangenheit belastet war.

Wie immer beruhigte es sie ein wenig, sich mit der Zubereitung des Essens zu beschäftigen. Sie rührte in der Suppe, die bereits ein würziges Aroma verbreitete, schmeckte sie mit einer Prise Salz und etwas Liebstöckel ab und legte das Gemüse für den Salat zum Schneiden bereit.

Dann fiel ihr ein, dass Thomas jeden Augenblick kommen konnte. Sie durfte die köchelnde Suppe aber nicht aus den Augen lassen. In aller Eile zeichnete sie ein lustiges Schild mit der Aufschrift „Wir haben geöffnet“ , und schrieb an den unteren Rand: „Folgen Sie einfach Ihrer Nase.“

Das fertige Schild klebte sie an die Ladentür. Sie konnte nur hoffen, dass kein Passant, sondern allein Thomas es als Einladung verstehen würde. Wenn aber doch jemand hereinkam, konnte sie ihm die Lage erklären und hätte vielleicht einen künftigen Gast gewonnen. Schließlich war es wichtig, dass sich herumsprach, dass es hier in der Gegend bald ein neues Café geben würde, in dem man gut essen konnte.

Katharina entkorkte den Wein, um ihn atmen zu lassen, und pfiff dabei vor sich hin. Wie er wohl aussehen würde? Ob er groß und dunkelhaarig war wie Frederik? Hastig verbot sie sich den Gedanken. Ja, Frederik war ein äußerst gut aussehender Mann gewesen, aber das spielte keine Rolle. Wichtig war, dass er das Herz am richtigen Fleck hatte, dass er ehrlich war und meinte, was er sagte. Ob er groß oder klein war, volles Haar oder eine Glatze hatte, machte nicht den Wert eines Menschen aus.

Katharina mahlte gerade eine großzügige Prise weißen Pfeffer in die Suppe, als sie aus dem Bereich der Ladentür ein Geräusch hörte. Das kleine Windspiel mit den Glocken, das sie über der Tür aufgehängt hatte, klingelte. Gleich darauf folgten Schritte.

„Thomas?“, rief sie aufgeregt. „Bist du schon da? Ich bin hier hinten in der Küche. Komm ruhig herein.“

Keine Antwort erfolgte.

„Thomas?“, rief sie noch einmal und hatte das Gefühl, die kleinen Härchen in ihrem Nacken würden sich sträuben.

Etwas war hier ganz und gar nicht, wie es sein sollte.

Statt einer klaren Antwort ertönte ein Laut, der nach Zustimmung klang. Er war also schon da. Aber warum rief er ihr keine Begrüßung zu? Warum kam er nicht zu ihr in die Küche, wie sie ihn aufgefordert hatte?

Katharinas Gedanken überschlugen sich. Hatte sie nicht immer wieder gehört und gelesen, dass man sich mit fremden Leuten, die man lediglich aus dem Internet kannte, nicht treffen sollte, ohne zuvor jemandem Bescheid zu sagen? Wenn sie einem Verbrecher aufgesessen war, wusste kein Mensch, wo sie sich befand. Sie hatte zwar ihrer Familie auf Tatjanas Drängen hin erzählt, dass sie ein Date hatte. Aber Tatjana, Sybille und ihre Mutter hatten doch keine Ahnung, dass dieses Ladengeschäft existierte!

Sie hatte es ihnen erst erzählen wollen, wenn alles fertig war. Sie hatte die drei am Abend vor der Eröffnung einladen wollen, um mit ihnen auf den Erfolg von „Kathis Kate“ anzustoßen, – in der Hoffnung, dass dann von ihrer Begeisterung etwas auf die drei abfärben würde. Jetzt wurde ihr das womöglich zum Verhängnis. Wenn sie mit jemandem, der ihr übelwollte, hier in der Falle saß, würde ihr niemand zur Hilfe kommen.

Katharina vergaß, den Herd auszuschalten. Kopflos vor Angst ließ sie alles stehen und liegen und eilte in den künftigen Gastraum, der einmal der Verkaufsraum der Boutique gewesen war.

Wie erstarrt blieb sie dort stehen.

Der Mann, der in der Mitte des Raumes stand, wirkte keineswegs wie ein Verbrecher. Stattdessen verbarg er sein Gesicht hinter einem riesigen Blumenstrauß, den nur ein dunkler Haarschopf überragte. Der Strauß war nicht nur genau so bunt und sommerlich fröhlich, wie ihn Katharina liebte, sondern obendrein gespickt mit allerlei Utensilien, die in der Küche von Nutzen waren: Kochlöffel, Quirl und Backpinsel waren als Blumen dekoriert und steckten zwischen den leuchtenden Köpfen der Blumen.

Im ersten Augenblick wäre sie am liebsten zu dem fremden Mann hingelaufen und hätte ihm die Arme um den Hals geworfen, weil er ihr ein so schönes, genau auf sie abgestimmtes Geschenk machte.

Im zweiten Augenblick wusste sie jedoch, dass der hochgewachsene Mann, der da vor ihr stand, kein Fremder war.

Es kam ihr vor, als würde ihr das Blut gefrieren.

„Guten Abend, Katharina“, sagte eine dunkle, männliche Stimme, die sie unter Hunderten herausgehört hätte. „Vielen Dank für die wundervolle Einladung. Ich weiß, es fällt jetzt schwer, das zu glauben, aber ich bin wirklich ‚Hobbykoch32‘. Und als wir wegen der Stachelbeertorte für meinen Opa ins Gespräch kamen, habe ich wirklich nicht gewusst, dass „Küchenfee“ und Katharina Sedlmayer ein und dieselbe Person sind. Als ich es bemerkt habe, war es längst zu spät. Ich wusste, ich hätte mit alledem aufhören und aus dem Forum verschwinden müssen, aber ich habe es einfach nicht über mich gebracht – viel zu groß war die Sehnsucht, der Wunsch, dich wiederzusehen und noch einmal neu mit dir anzufangen.“

Vor der entsetzten Katharina stand Frederik.

„Neu anzufangen?“, brach es aus Katharina heraus. „Nach allem, was du mir angetan hast? Du hast mich belogen und betrogen, und dasselbe machst du jetzt schon wieder. Du hast dir meine Einladung erschlichen, indem du mich nach Strich und Faden belogen hast.“

Die Stimme versagte ihr. Weder ihr Hirn noch ihr Herz waren in der Lage zu fassen, was ihr gerade geschah, was dieser Mensch mit ihr machte. Sie drehte auf dem Absatz um und floh an den einzigen Ort, an dem sie sich sicher fühlte: In ihre Küche.

„Katharina, warte doch! Lass uns bitte endlich reden!“

Sie hörte nicht hin, sondern rannte.