Dr. Stefan Frank 2842 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2842 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Der Duft von Glühwein, gebrannten Mandeln und frischem Lebkuchen liegt über dem festlich erleuchteten Weihnachtsmarkt. Zwischen Lichterketten, Kinderlachen und Musik scheint die Welt für einen Moment voller Zauber - bis Romy Kaufmann plötzlich von einem reißenden Schmerz in der Brust getroffen wird und vor den Augen ihrer kleinen Tochter zusammenbricht. In der Waldner-Klinik wird die junge Mutter untersucht. Zunächst Verdacht auf Herzinfarkt. Während Kardiologe Dr. Randau dann von Stress spricht, erkennt Assistenzarzt Julian Köbel den Ernst der Lage: Die Symptome sprechen nicht für einen Herzinfarkt. Alles weist auf eine lebensgefährliche Aortendissektion hin. Jede Minute zählt! Doch niemand will ihm glauben ...

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Zwischen Weihnachtsglanz und Wirklichkeit

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Zwischen Weihnachtsglanz und Wirklichkeit

Vor dem Lebkuchenhaus bricht eine Mutter zusammen

Der Duft von Glühwein, gebrannten Mandeln und frischem Lebkuchen liegt über dem festlich erleuchteten Weihnachtsmarkt. Zwischen Lichterketten, Kinderlachen und Musik scheint die Welt für einen Moment voller Zauber – bis Romy Kaufmann plötzlich von einem reißenden Schmerz in der Brust getroffen wird und vor den Augen ihrer kleinen Tochter zusammenbricht.In der Waldner-Klinik wird die junge Mutter untersucht. Zunächst Verdacht auf Herzinfarkt. Während Kardiologe Dr. Randau dann von Stress spricht, erkennt Assistenzarzt Julian Köbel den Ernst der Lage: Die Symptome sprechen nicht für einen Herzinfarkt. Alles weist auf eine lebensgefährliche Aortendissektion hin. Jede Minute zählt! Doch niemand will ihm glauben ...

»Und wenn ein Sternlein vom Himmel fällt«, sprach Alexandra Schubert geheimnisvoll, während sie ihren Oberkörper weiter nach vorn beugte, um den glänzenden Augen ein wenig näher zu sein.

»Dann ist es gar kein Stern, sondern ein Rentier vom Weihnachtsmann?«, rief ein pausbäckiger kleiner Junge, und seine Augen wirkten durch die dicken Brillengläser noch größer.

Alexandra blickte in die Runde und schmunzelte.

Vierundzwanzig kleine Geschichtenliebhaber hatten sich um die Frau mit den braunen Locken versammelt, die sich normalerweise nicht als Geschichtenerzählerin sondern als Augenärztin betätigte. Doch an diesem Tag war der Ärztekittel einmal zu Hause geblieben. Ebenso wie Stefans reinweiße Arbeitskleidung. Heute war Samstag, und so hatte das Ärztepaar ausgiebig Zeit, sich den weihnachtlichen Träumen der kleinen Gemeindebewohner Grünwalds zu widmen.

Frau Isenburg hatte Dr. Stefan Frank bereits vor Monaten gefragt, ob er in diesem Jahr nicht einmal den Weihnachtsmann für die Gemeindebibliothek spielen könnte. Verwundert über die Frage hatte er zunächst an sich herabgeschaut. Der Weihnachtsmann war schließlich nicht nur für seinen Rauschebart bekannt, sondern auch für seine Leibesfülle. Dabei hatte Frau Isenburg herzlich gelacht und ihm versichert, dass sein Bauchumfang mithilfe von einem Kissen aufgebessert werden könnte. Und so war es nun gekommen, dass er in der Teeküche der Bibliothek saß, von wo er seine Alexa im Blick hatte, in einem roten fadenscheinigen Mantel steckte und sich immer wieder im Gesicht und am Hals kratzte, weil die Haare des falschen Barts ihn überall kitzelten.

Alexandra klappte das Bilderbuch zu. Aber die eifrigen Besucher saßen weiterhin wie gebannt vor ihr auf dem Boden und schauten sie mit großen Kulleraugen an, da sie ahnten, dass es das noch nicht gewesen sein konnte.

»Und soll ich euch ein kleines Geheimnis verraten?«, flüsterte sie.

Die Luft knisterte nahezu, da die Anspannung der Kinder greifbar war. Selbst die Mütter, die sich normalerweise während der Vorlesestunden lautstark miteinander unterhielten, bedachten das Geschehen lediglich mit einem seligen Lächeln.

»Hast du uns was mitgebracht?«, fragte ein forsches Mädchen in einem rosa Latzkleid.

Alexandra wandte ihr Gesicht dem Kind zu. Dann legte sie den Kopf schief.

»Ich habe euch nicht nur etwas mitgebracht, sondern jemanden.«

Ein aufgeregtes Raunen ging durch den Raum der Vorleseecke.

»Jetzt kommt Ihr Auftritt, Herr Frank«, raunte Frau Isenburg in sein Ohr.

Der Arzt hatte gar nicht mitbekommen, dass sich die betagte Dame hinter ihn gestellt hatte, daher zuckte er kurz zusammen. Frau Isenburg war in ihren Siebzigern, daher kannte sie den Arzt schon länger, als es ihm manchmal lieb war. Vielleicht war das der Grund, warum sie so ungezwungen mit ihm umging. Etwas, das Stefan manchmal vermisste. Frau Isenburg weigerte sich auch seit Anbeginn, ihn mit seinem Titel anzusprechen. Er mochte es so und hätte nichts dagegen, wenn die Leute ihn häufiger mit seinem Namen ansprachen als mit seinem Doktor.

»Wisst ihr, als ich vorhin zur Bibliothek gegangen bin«, begann Alexa zu erzählen, die Stimme immer noch leise und geheimnisvoll.

»Was ist eine Bibliothek?«, fragte ein Junge mit abstehenden Ohren.

Die Frage brachte Alexandra kurz aus dem Takt. »Äh«, sagte sie.

»Oh, du sitzt in einer Bibbiothek«, antwortete der Junge mit den dicken Brillengläsern an ihrer Stelle.

Der andere Junge sah verwirrt zu Boden, als suchte er die Bibliothek dort, blieb aber schließlich still.

»Genau«, stimmte Alexandra zu, dann fing sie sich jedoch wieder.

Stefan musste lächeln. Weder er noch sie hatten Kinder in die Beziehung gebracht. Und mittlerweile standen sie so fest im Leben, dass sie sich einige darin waren, keine gemeinsamen Kinder mehr zu bekommen. Hinzu kam, dass sie beide ihre Arbeit mehr als ernst nahmen. Sie fühlten sich ihren Patienten verpflichtet. Daher war ihnen bewusst, dass sie entweder eigenen Kindern oder ihren Patienten nicht in dem Umfang gerecht werden konnten, wie sie es wollten. »Also, als ich zur Bücherei ging«, begann Alexa wohlüberlegt noch einmal von vorn, »da habe ich ein Leuchten am Himmel gesehen.«

»Wow«, riefen die Jansen-Zwillinge gleichzeitig.

»Und habt ihr eine Vorstellung, was das gewesen sein könnte?«

Mehr Hände als Kinder anwesend waren schossen in die Luft.

»Ein Rentier«, rief es hier und da.

Alexandra nickte. »Nicht nur ein Rentier«, schmunzelte sie.

»Der Weihnachtsmann«, staunten die Kinder und bekamen rote Wangen.

Stefan schulterte seinen Leinensack. Dann räusperte er sich, um seine Stimme vorzubereiten. In der nächsten Stunde wäre er der Weihnachtsmann mit Rauschebart, dickem Bauch und HoHoHo. Aber danach würde er wieder Stefan sein. Und seiner wundervollen Freundin zeigen, wie sehr er sie liebte.

***

Einen Tag vor Heiligabend

Julian trocknete seinen Oberkörper mit einem Handtuch ab, das so rau war, dass es rote Striemen auf seiner Haut hinterließ. Schließlich hängte er es zum Trocknen über die Stange an der Wand neben der Dusche. Das Bad war so eng, dass er aufpassen musste, nicht mit dem Ellbogen irgendwo gegenzustoßen.

Toilette und Waschbecken standen sich gegenüber und so nah beieinander, dass er beim Zähneputzen hätte sitzen können. Doch das störte ihn nicht. Julian liebte alles an seiner Zwei-Zimmer-Wohnung mitten in München. Er war stolz auf sie. Stolz darauf, es aus eigener Kraft geschafft zu haben, sich diesen Luxus auf vierzig Quadratmetern leisten zu können.

Julian wischte mit seiner flachen Hand über den beschlagenen Spiegel. Darunter kam das Bild seines Gesichts und seines nackten Oberkörpers zum Vorschein. Über seine gesamte Brust verlief eine Tätowierung, die an Szenen aus Dantes Inferno erinnerten. Ihn jedoch erinnerte sie daran, woher er kam. Was er durchlitten hatte. Und wie er sich aus eigener Kraft aus seiner eigenen Hölle befreit hatte.

Schließlich wandte er den Blick ab und strich sein blondes Haar nach hinten, welches ihm in die Augen hin. Auf der Arbeit wurde er immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass er sich die Haare schneiden lassen sollte. Aber jedes Mal, wenn er fragte, ob sich die Kolleginnen auch die Haare schneiden lassen sollten, erntete er ein Grunzen von dem Kollegen, der ihn schon deshalb nicht ausstehen konnte, weil Julian so aussah, wie er eben aussah.

Nach einer Viertelstunde hatte er sich angezogen und seinen Rucksack für die nächste Schicht gepackt. In seiner Hand hielt er einen Thermobecher mit Kaffee. Ohne Koffein brauchte er nicht in den Tag starten, obwohl der Tag schon lange vor ihm gestartet war. Die unterschiedlichen Schichten machten dem Vierunddreißigjährigem immer noch zu schaffen. Selbst nach zwei Jahren konnte er sich nicht daran gewöhnen, dass eine Schicht zwölf Stunden dauerte und die Arbeitszeiten von Monat zu Monat variierten.

Draußen auf der Straße wurde er von Betriebsamkeit begrüßt, die seine Wohnung von ihm ferngehalten hatte. Mit dem Hinaustreten ertönten die Geräusche der Stadt. Hupen, Sirenengeheul, Kindergeschrei, vorübereilende Passanten. Aus dem Laden nebenan, da, wo es bayrische Souvenirs zu kaufen gab, schallte urige Weihnachtsmusik.

Julian blickte nach links, dann rechts, bevor er die Straße im Eiltempo überquerte. Heute durfte er nicht zu spät kommen. Wenn Randau mitbekam, dass er sich noch mal verspätete, würde er ihm die Hölle noch vor Weihnachten heißmachen. Seit seines Scheidungsverfahrens war der Vorgesetzte unerträglich geworden. Dabei war Julian nur einmal dieser Fauxpas passiert, nämlich, als er einer Mutter mit Kinderwagen auf der Straße geholfen hatte, das Gefährt zusammenzuklappen und in den Kofferraum zu verstauen.

Julian spähte auf seine Armbanduhr. Wenn er die gewöhnliche Strecke lief, würde es knapp werden, weil er eben zu lange im Bad gebraucht hatte. Als Alternative bliebe ihm noch die Abkürzung über den Weihnachtsmarkt. Wenn er sich schnell durch das Gedränge wühlte, hätte er damit mindestens fünf Minuten gewonnen.

Kurz blieb er stehen. Überlegte. Dann nickte er. Die Abkürzung über den Weihnachtsmarkt! Randau stand bestimmt schon hinter einer Säule und wartete nur darauf, dass er sich verspätete. Aber diesen Gefallen würde er ihm nicht tun.

***

»Und die Pyramide aufbauen?«

»Natürlich.«

»Und dem Weihnachtsmann ein Glas Milch rausstellen, damit er sich von dem ganzen Stress erholen kann?«

»Das gehört doch dazu«, lachte Romy und wuschelte mit einer Hand ihrer kleinen Tochter über die Mütze.

»Hey«, beschwerte sich die Siebenjährige und rückte sich die Mütze wieder so zurecht, dass das Pony sorgfältig darunter hervorlugte.

Es war typisch für das Mädchen, dass sie sich um den Weihnachtsmann sorgte. Schon immer war Sophia besonnener als andere Kinder gewesen. Als die Kleine laufen gelernt hatte, hatte Romy sich nie Gedanken machen müssen, dass sie die Regalwände hinaufkletterte. Stattdessen war sie immer davor stehen geblieben und hatte sich mit dem Popo auf den Boden plumpsen lassen. Auch vor Steckdosen hatte sie immer Abstand gehalten, nachdem ihre Mama ihr einmal gesagt hatte, dass Steckdosen gefährlich wie feuerspeiende Drachen wären. Draußen hatte es das Mädchen nie gedrängt, einer Taube hinterherzulaufen, wenn sie über eine Straße geflogen war. Es war, als hätte Sophia schon von Beginn an gewusst, wo Gefahren lauerten.

Doch nicht nur, dass das Mädchen mit den braunen Augen und der süßen Stupsnase besonders vorsichtig war. Es verfügte vor allem über die Gabe, andere Menschen in den Blick zu nehmen. Und den Weihnachtsmann. Seit der Trennung und dem Auszug ihres Vaters hatte sich diese Fähigkeit noch mal verschärft. Romy machte dieser Gedanke traurig. Denn oft genug fragte sie sich, ob sich das Kind die Schuld an der Trennung der Eltern gab.

»Was machen wir noch alles an Weihnachten, Mama?«, wollte Sophia nun wissen.

Die Äuglein huschten von Marktbude zu Marktbude. Eine war festlicher geschmückt als die andere. Überall hingen Lichterketten, mal in Weiß, mal bunt, mal blinkend. Von überall her klingelten Glöckchen und ertönte Musik.

»Was hältst du davon, wir machen uns das leckerste Essen, das man sich nur vorstellen kann?«, schlug Romy vor und presste die Lippen zusammen, als überlegte sie stark, welches Gericht dafür wohl infrage kam.

Plötzlich wurde sie nach vorn gestoßen. Ein heftiger Schlag traf sie genau in die Mitte ihres Rückens. Überrumpelt taumelte sie nach vorn.

»Mama«, rief Sophia und hielt sich plötzlich beide Hände an die Pausbacken.

Romy stolperte und war kurz vorm Fallen, als ... sie eine kräftige Hand am Arm festhielt, während sich ein Arm um ihre Taille legte. Wie unter Schock, unfähig, etwas zu denken, ließ sich Romy hochziehen. Als sie wieder auf sicheren Füßen stand, sah sie auf. Und begegnete den blauesten Augen, die sie je gesehen hatte.

»Entschuldigung«, stammelte sie.

Kleine Fältchen legten sich um die Augen, als der Mann lächelte, die Augen weiterhin auf sie gerichtet. Sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt.

»Sie entschuldigen sich dafür, dass ich Sie fast umgeworfen habe?«

Erst jetzt wurde ihr bewusst, was sie gesagt hatte. Sie schüttelte den Kopf, um das Chaos darin zum Erliegen zu bringen.

»Ach so, ja, Entschuldigung. Ich meine, also, für die Entschuldigung. Also ...« Dann lachte sie und schlug sich beide Hände vors Gesicht.

Der Mann lachte über ihre Verlegenheit. Oder lachte er mit ihr? Auf jeden Fall war sein Lachen wunderschön. Da lag Jugend in seinen Gesichtszügen, obwohl seine Haut von der Reife eines Mittdreißigers zeugte.

»Geht es Ihnen gut? Habe ich Ihnen wehgetan?« Seine Stimme war jung. Tief. Und brachte Romys Nervenenden zum Flirren.

»Mama, komm, wir wollten doch noch Lebkuchen kaufen«, quengelte Sophia und holte sie in die Realität zurück.

Romy richtete sich auf und strich ihren hellen Wintermantel glatt. Eine Geste der Verlegenheit.

»Mir geht es gut, vielen Dank«, brachte sie heraus und nahm ein wenig Abstand zu dem Mann, der aussah wie ein schwedisches Supermodel für Herrenunterwäsche. Rau, natürlich, ein bisschen verwegen ... Stopp!

»Tut mir leid, dass ich Sie nicht gesehen habe. Ich muss nur pünktlich zur Arbeit kommen«, entschuldigte sich der Fremde und zeigte in eine unbestimmte Richtung. Gleichzeitig setzte er sich wieder in Bewegung, was sie sofort bedauerte.

»Ach so, ja, verstehe ich. Es ist wirklich überhaupt nichts passiert. Gehen Sie nur.«

Und dabei lächelte sie und lachte und winkte ab und versuchte zu überspielen, dass sie gerne seinen Namen erfahren hätte.

»Also dann«, sagte der Mann, hob die Hand und schenkte ihr ein letztes Lächeln.

Als er sich entfernte, drehte er sich noch einmal zu ihr um, sodass sie ihm nachwinkte. Dann war er im Taumel der Marktbesucher verschwunden.

Sophia fasste nach dem Mantelärmel ihrer Mutter.

»Komm, Mama, wir wollten doch Lebkuchen essen und Kakao trinken. Und danach wollten wir uns die Schlittschuhbahn ansehen. Komm«, forderte es immer wieder auf.

Da sammelte sich Romy wieder und griff nach der Hand ihrer Tochter, die sie nun quer durch das Getümmel zog, um schneller voranzukommen. Aber mit einem Mal spürte sie einen Schwindel. Eine Benommenheit. Nur ein Bruchteil einer Sekunde. Dann ... Ein reißender Schmerz durchzog ihre Brust. Der Schmerz war so gnadenlos, dass sie einen Laut ausstieß, der an ein Ächzen erinnerte. Mit der freien Hand fasste sie sich an die Brust. Hilflos spürte sie, wie ihre Kraft versickerte. Ihre Beine fühlten sich knochenlos an. Nichts, was sie mehr hielt. Schließlich sackte sie zu Boden. Alles, was sie noch mitbekam, war, wie sich Sophias Hand aus ihrer löste.

»Mami«, erschall es aus weiter Ferne.

Dann nichts mehr.

***

Ein Mann stürzte sich auf ihre Mutter. Sein Gesicht war vor Schreck verzerrt. Er drehte den Kopf, rief über die Schulter, gab irgendeinen Befehl.

Zwei Kinder weinten. Sie sahen gleich aus. Nur ihre Größe war unterschiedlich. Und die Gesichter. Kleidungszwillinge. Das eine Kind schrie jetzt und wollte auf den Arm der Mutter.

Rempeln von rechts hinten. Sophia wankte im Gedränge der Leute, die sich vorbeidrückten. Sie war wie ein Schiff im Sturm auf hoher See. Sie konnte dem Chaos um sich herum nichts entgegensetzen. Stattdessen war sie ausgeliefert.

»Ach du liebe Zeit, meine Süße«, sagte eine Frau und strich Sophia über die Mütze. So, wie ihre Mama es eben getan hatte. Die Mütze verrutschte. Sophia ließ es geschehen.

»Ist das die Mami? Na, komm mal her.« Und dann ließ sich die Frau neben ihr in die Hocke nieder und legte einen Arm um sie, und das fühlte sich irgendwie fremd und beruhigend zugleich an, sodass Sophia nichts dagegen hatte, dass die Frau gerade da war.

Aus der Ferne drang das Heulen einer Sirene. Es war wie eine Musik, die immer in den Filmen im Hintergrund lief. Sophia störte das manchmal, wenn da immer Musik lief. Wie sollte sie sich dann auf die Bilder konzentrieren können? Auch jetzt störte sie die Musik. Weil sie bedrohlich war. Wie in den Filmen, die Mama manchmal schaute, wenn sie glaubte, dass Sophia schon schlief, aber heimlich durch den Türschlitz spähte, um mitzuschauen.

Ein Flackern tauchte den Weihnachtsmarkt in Discolicht. Mama sagte immer Discolicht, wenn etwas flackerte. Das Discolicht war blau und machte alles unheimlich. Zu Weihnachten gehört doch Rot, dachte Sophia, aber dann begann die Hand der fremden Frau neben ihr, sie zu streicheln, während ihr Arm in ihrem Rücken Halt gab.

Fragend drehte das Kind den Kopf zur Seite. Die Frau lächelte traurig.