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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Celine Jaugstetter war wütend. Es ging auf dreiundzwanzig Uhr zu und ihr Mann war immer noch nicht zu Hause. Er arbeitete als Vermögensberater und kam – so seine Begründung -, nicht umhin, Kundentermine auf die Abendstunden zu verlegen, da seine Kundschaft in der Regel tagsüber schließlich das Geld verdienen musste, das sie bei ihm anlegte. Erst vor einer Woche, als sie ihm erklärte, dass es für sie kein Leben sei, ständig auf ihn zu warten und an langen Abenden alleine vor dem Fernseher zu sitzen, und oftmals sogar an den Wochenenden auf ihn verzichten zu müssen, hatte er ihr versprochen, das zu ändern. »Ich werde abends und an den Wochenenden keine Termine mehr oder nur noch in ganz seltenen Ausnahmefällen wahrnehmen«, hatte er versichert, sie in die Arme genommen und geküsst, als wollte er mit seinem Kuss sein Versprechen besiegeln. Er hatte sein Versprechen gebrochen. Seit er es abgegeben hatte, war er abends dreimal total verspätet nach Hause gekommen – in einem Zeitraum von sieben Tagen. Celine reichte es! Sie hatte die Nase voll. Sie schaltete den Fernseher aus und begab sich zur Ruhe. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie einschlafen konnte. Aber auch sie hatte den ganzen Tag im Friseursalon gestanden, außerdem war es spät, und so forderte der Körper sein Recht. Irgendwann wurde sie wach, weil sie Geräusche vernahm. Ein Blick auf die Uhr mit den Leuchtziffern, die auf dem Nachttisch stand, sagte ihr, dass Mitternacht vorüber war. Es war ihr Gatte, der sich ins andere Bett legte und sich die Zudecke bis unter das Kinn zog. Celine war schlagartig hellwach. »Auch schon da«, stieß sie ziemlich sarkastisch hervor. »Es tut mir leid«
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Celine Jaugstetter war wütend. Es ging auf dreiundzwanzig Uhr zu und ihr Mann war immer noch nicht zu Hause. Er arbeitete als Vermögensberater und kam – so seine Begründung -, nicht umhin, Kundentermine auf die Abendstunden zu verlegen, da seine Kundschaft in der Regel tagsüber schließlich das Geld verdienen musste, das sie bei ihm anlegte.
Erst vor einer Woche, als sie ihm erklärte, dass es für sie kein Leben sei, ständig auf ihn zu warten und an langen Abenden alleine vor dem Fernseher zu sitzen, und oftmals sogar an den Wochenenden auf ihn verzichten zu müssen, hatte er ihr versprochen, das zu ändern. »Ich werde abends und an den Wochenenden keine Termine mehr oder nur noch in ganz seltenen Ausnahmefällen wahrnehmen«, hatte er versichert, sie in die Arme genommen und geküsst, als wollte er mit seinem Kuss sein Versprechen besiegeln.
Er hatte sein Versprechen gebrochen. Seit er es abgegeben hatte, war er abends dreimal total verspätet nach Hause gekommen – in einem Zeitraum von sieben Tagen.
Celine reichte es! Sie hatte die Nase voll.
Sie schaltete den Fernseher aus und begab sich zur Ruhe. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie einschlafen konnte. Aber auch sie hatte den ganzen Tag im Friseursalon gestanden, außerdem war es spät, und so forderte der Körper sein Recht.
Irgendwann wurde sie wach, weil sie Geräusche vernahm. Ein Blick auf die Uhr mit den Leuchtziffern, die auf dem Nachttisch stand, sagte ihr, dass Mitternacht vorüber war. Es war ihr Gatte, der sich ins andere Bett legte und sich die Zudecke bis unter das Kinn zog.
Celine war schlagartig hellwach. »Auch schon da«, stieß sie ziemlich sarkastisch hervor.
»Es tut mir leid«, antwortete Ruben. »Aber es war ein wichtiger Kunde und ...«
»Schon gut«, fiel ihm Celine ins Wort. »Ich will es nicht wissen.«
Sie drehte sich um, von ihm weg, und drückte fest die Augen zu.
»Sei doch nicht so«, hörte sie Ruben sagen. »Der Termin hat mir einen schönen Batzen Geld eingebracht. In meinem Job muss man halt Abstriche machen.«
Celine gab keine Antwort und stellte sich schlafend.
»Gute Nacht«, murmelte Ruben, »schlaf gut.«
Auch jetzt schwieg Celine. Er hatte sein Versprechen keine drei Tag lang eingehalten. Dafür hatte sie nicht das geringste Verständnis, und sie wollte sich ihm auch nicht als entgegenkommend oder einlenkend präsentieren. Sie hatte nämlich einen Entschluss gefasst. Celine hatte sich vorgenommen, ihr Leben von Grund auf zu ändern.
Diesen Entschluss teilte sie Ruben am Morgen, als sie am Frühstückstisch saßen, mit. »Ich bin nach eingehender Überlegung zu dem Schluss gekommen«, sagte sie mit klarer, fester Stimme, »dass ich in dieser Wohnung für dich nur noch ein Stück Mobiliar bin, das du zwar pflegst, das dir im Endeffekt aber nur wenig bedeutet. Ein Stück Einrichtung eben.«
»Was willst du damit zum Ausdruck bringen?«, fragte Ruben. »Ich weiß, ich weiß«, fügte er sogleich hinzu. »Mein Versprechen ... Ich habe mich doch entschuldigt. Es geht oft nicht anders. Wenn ich erfolgreich sein will, muss ich flexibel sein. Meine Kunden ...«
Celine vollführte eine wegwerfende Handbewegung. »Du wirst ab sofort noch viel flexibler sein können«, sagte sie. »Denn du musst auf mich keine Rücksicht mehr nehmen. Ich werde dich nämlich verlassen.«
Ruben war wie elektrisiert. »Was willst du? Mich verlassen?« Er holte Luft. »Jetzt fang bloß nicht an, durchzudrehen. Wir führen doch eine gute Ehe, uns geht es blendend, wir streiten uns nicht, wir sind uns treu, unser Leben verläuft in absolut geordneten Bahnen.«
»Das mag deine Ansicht sein«, entgegnete Celine. »Ich bin der Meinung, dass unsere Ehe nur noch ein zweckbestimmtes Nebeneinanderher ist. Dir sind deine Kunden zehnmal wichtiger als ich. Dass es uns gut geht, bestreite ich nicht. Ob du mir treu bist, weiß ich nicht. Es könnte ja sein, dass es nicht nur Kunden sind, die dich an den Abenden davon abhalten, rechtzeitig nach Hause zu kommen.«
»Aber ...«
Celine winkte unduldsam ab und Ruben verstummte. »Dass wir uns kaum streiten liegt daran, dass du die meiste Zeit irgendwo unterwegs bist«, fuhr sie fort. »Egal! Ich habe mich entschlossen. Ich werde nachher die Traudl in St. Johann anrufen und sie fragen, ob ich bei ihr wohnen und arbeiten kann.«
»Ist das dein Ernst?«, fragte Ruben geradezu entsetzt. »Oder willst du mich nur erschrecken? Das wäre allerdings ein schlechter Scherz.«
»Es ist kein Scherz, Ruben. Ich gehe. Mein Friseurgeschäft wird die Monika leiten. Sie hat die Meisterprüfung und es dürfte keine Probleme geben. An meiner Stelle kann sie eine Friseuse einstellen. Ich lasse ihr das völlig freie Hand und werde sie am Umsatz beteiligen.«
»Du hast dir ja alles schon fein zurechtgelegt«, stieß Ruben hervor. Als er nach der Kaffeetasse griff, zitterte seine Hand leicht. Celines Eröffnung schien ihm näherzugehen, als er zeigen wollte. Seine Stimme hob sich, als er fortfuhr: »Das ist doch Irrsinn, Schatz! Die Tatsache, dass ich viel arbeite und sehr viel Geld verdiene kann doch kein Grund für dich sein, hier alles hinzuschmeißen, sämtliche Brücken abzubrechen und aus Garmisch wegzugehen.«
»Doch, das ist für mich ein Grund, Ruben, und zwar der Grund schlechthin. Erinnerst du dich? Als du mir damals den Heiratsantrag gemacht hast, wolltest du mich auf Händen tragen, mir die Welt zu Füßen legen, für mich die Sterne vom Himmel holen. Du hast mir das Blaue vom Himmel versprochen. Leider musste ich mehr und mehr feststellen, dass es leere Versprechungen waren. Also ziehe ich die Konsequenzen.«
Ruben griff sich an den Kopf. »Lass uns heute Abend in Ruhe darüber reden, Schatz«, murmelte er. »Wir können uns doch arrangieren. Du tust ja gerade so, als würdest du vereinsamen. Ich habe dir doch den Laden eingerichtet. Du bist den ganzen Tag mit deinen beiden Friseurinnen zusammen, du hast Kundschaft ...«
»Und einen Mann, dem seine Arbeit wichtiger ist als ich, der hinter dem Geld her hechelt und der wahrscheinlich der Meinung ist, dass ein dickes Bankkonto für mich das Nonplusultra darstellt. Du irrst dich, mein Lieber. Sicher, ich will das Leben genießen, aber es ist für mich kein Genuss, fast jeden Abend alleine vor dem Fernsehapparat zu sitzen und darauf zu warten, dass du irgendwann müde nach Hause kommst. In der vergangenen Woche hast du das Fass zum Überlaufen gebracht. Wenn du heute Abend, wahrscheinlich irgendwann spätnachts, heimkommst, bin ich nicht mehr da.«
»Ich bitte dich, Schatz, nimm Vernunft an«, flehte Ruben regelrecht, dem es mehr und mehr zur Gewissheit wurde, dass jedes Wort, das Celine von sich gegeben hatte, absolut ernst gemeint gewesen war. »Lass uns heute Abend alles besprechen. Ich versichere dir ...«
Wieder schnitt sie ihm mit einer unduldsamen Geste ihrer Hand das Wort ab. »Keine Versprechungen mehr, Ruben. Du hältst sie eh nicht ein. Also verschone mich damit.«
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war dreiviertel acht Uhr. »Ich würde es gerne mit dir ausdiskutieren«, murmelte er. »Denn ich denke, in dieser Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Allerdings habe ich um halb zehn Uhr einen Termin in München und muss zusehen, dass ich langsam weiterkomme. Bitte, überlege dir das alles noch einmal, Schatz. Führe dir vor Augen, was du alles aufgeben würdest.«
»Was denn?«, fragte sie fast ein bisschen aggressiv.
Ruben erhob sich. »Du weißt genau, wovon ich rede. Geh in dich, mein Schatz. Ich verspreche es dir noch einmal: Wenn es mir möglich ist, wenn die Chance besteht, meine Termine auf Zeiten während des Tages zu verlegen, dann tu‘ ich es. Leider geht es bei dem einen oder anderen Kunden nicht.«
»Fahr vorsichtig«, sagte Celine, ohne auf seine Äußerung einzugehen.
»Du hast mich in ein gefühlsmäßiges Chaos gestürzt, meine Liebe«, gab Ruben zu verstehen. »Ich kann kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Himmel, Schatz! Du musst mich doch verstehen. Jeder Erfolg bei einem Kunden bedeutet für uns bares Geld. Willst du einen erfolglosen Mann? Oder willst du mit einem Verlierer verheiratet sein? Gewiss nicht. Ich war der Auffassung, dass du meine erfolgreiche Arbeit anerkennst. Ist es dir wirklich wichtiger, dass wir die Abende gemeinsam vor dem Fernseher verbringen. Das kann doch nicht sein.«
»Du solltest aufbrechen, Ruben. Nach München sind es schließlich einige Kilometer, und du weißt nicht, was auf der Autobahn los ist. Du willst deinen Termin doch pünktlich wahrnehmen. Das ist doch Teil deines Erfolges.«
»Ironie steht dir gar nicht gut zu Gesicht, Schatz«, murmelte Ruben. Er wirkte ziemlich niedergeschlagen. Er wusste ja, dass Celine im Recht war. Aber er konnte eben nicht aus seiner Haut. Wenn sich ihm die Gelegenheit bot, Geld zu verdienen, dann griff er zu, dann stellte er alles andere hintan.
»Denk noch einmal über alles nach«, riet er seiner Gattin, dann griff er nach ihr, um sie an sich heranzuziehen und sie zu küssen.
Celine legte den Kopf in den Nacken. »Bitte, lass das«, murmelte sie. »Es würde nichts besser machen.«
Seine Hände sanken wie kraftlos nach unten. »Wie du meinst«, murmelte er, wandte sich ab, verließ das Esszimmer, zog im Flur seine Schuhe und die Jacke an und verließ ohne Abschiedsgruß die Wohnung.
*
Celine rief Monika Thalhauser an, die um diese Zeit ihre Arbeit im Friseurladen bereits angetreten hatte. Celine erklärte ihr, dass sie zumindest in der nächsten Zeit nicht im Geschäft erscheinen werde und bat sie, es zu führen. Sie sicherte ihr neben ihrem bisherigen Lohn eine fünfprozentige Umsatzbeteiligung zu. Monika war einverstanden und stellte keine Fragen. Sie war in Celines Eheproblem eingeweiht und ahnte, dass Celine endlich Nägel mit Köpfen machte. Mit irgendwelchen Fragen hätte sie ihrer Meinung nach nur den Finger in eine Wunde gelegt, darum wollte sie ihrer Chefin und Freundin gegenüber die Angelegenheit nicht weiter thematisieren. Celine litt eh schon genug unter der Situation.
Als nächstes kontaktierte Celine ihre Freundin Traudl Urbanek in St. Johann. »Grüß dich, Traudl«, grüßte sie, als die Freundin das Gespräch angenommen hatte.
»Hallo, Celine«, erwiderte Traudl den Gruß. »Ich glaub‘, ich weiß, was dich veranlasst, mich anzurufen. Dein Mann macht weiterhin sein Ding, und du hast dich entschlossen, seinem Treiben nimmer länger zuzuschauen.«
Auch Traudl gegenüber hatte Celine ihr Leid des Öfteren geklagt.
»Genau das ist der Grund, Traudl. Du verfügst in deinem Haus doch über ein Fremdenzimmer. Kann ich das für eine Weile beziehen? Ich würd‘ auch bei dir im Laden mitarbeiten. Für meinen Lebensunterhalt käme ich natürlich selber auf. Ich würde dir auch eine angemessene Miete für das Zimmer bezahlen.«
»Du kannst jederzeit kommen, Celine«, erwiderte Traudl. »Wenn du mir im Laden helfen würdest, würd‘ mich das freuen. Alles andere können wir besprechen, wenn du da bist. Bis wann wirst du ungefähr hier aufschlagen?«
»Ich packe nur einen Koffer mit dem Nötigsten, dann fahre ich los. Ich schätze mal, dass ich in einer Stunde bei dir auf dem Teppich stehe.«
»Was ist mit deinem Laden?«, erkundigte sich Traudl. »Hältst du ihn geschlossen?«
Celine erzählte der Freundin, dass das Geschäft Monika Thalhauser für sie leiten wird. Dann bedankte sie sich bei der Traudl und wies noch einmal darauf hin, dass sie in etwa einer Stunde bei ihr ankommen würde.
Ehe sie zwanzig Minuten später losfuhr, schaltete sie ihr Handy aus. Tatsächlich erreichte sie eine knappe dreiviertel Stunde später St. Johann. Sie hatte ihre Freundin Traudl schon einige Male besucht, und so wusste sie, wo sich deren Haus befand. Im Erdgeschoss des im alpenländischen Stil erbauten Gebäudes war der Friseursalon untergebracht.
Celine ließ ihren Koffer vorerst noch im Auto und betrat den Laden. Ihre Freundin Traudl war bei der Arbeit. Die Kundin war eine ältere, grauhaarige Frau, die sich eine Wasserwelle legen ließ. »Hallo«, grüßte Celine. »Da bin ich.«
Traudl unterbrach ihre Arbeit, kam auf Celine zu, umarmte sie und sagte: »Grüß dich, Celine. Gut schaust du aus. Setz dich einstweilen. Ich bin gleich fertig.«
Traudl machte sich wieder an die Arbeit, Celine ließ sich auf einen der Stühle nieder, die für wartende Kunden aufgestellt waren. Sie schaute sich um. Der Friseursalon war bei Weitem nicht so modern ausgestattet wie der, den sie in Garmisch-Partenkirchen betrieb. Dennoch wirkte er einladend, heimelig und irgendwie vertrauenserweckend. Auf einem Glastisch lagen einige Zeitschriften. Celine griff sich eine und begann darin zu blättern.
Eine Viertelstunde später war die Frisur der Kundin fertig. Traudl kassierte die Dame ab und bedankte sich, verabschiedete die Kundin und diese verließ den Salon. Die Türglocke bimmelte blechern.
»Ich sperr‘ kurz den Laden ab«, sagte Traudl. »Wir gehen hinauf in die Wohnung. Soll ich dir helfen, dein Gepäck aus dem Auto zu holen?«
»Nein, danke. Das schaffe ich schon.«
Celine holte ihren Koffer, Traudl sperrte die Tür zum Geschäft zu, dann stiegen sie Treppe hinauf in die erste Etage, wo sich die Wohnung Traudls befand. Traudl war achtundzwanzig Jahre alt, hatte lange, rotblond gefärbte Haare und braune Augen, die einen Stich ins Grünliche aufwiesen. Sie war etwas mollig und mittelgroß. Bekleidet war sie mit einem weißen Rock und einer hellgrünen Bluse.
Traudl führte ihre Freunde sofort ins Gästezimmer. Es wies eine eigene Nasszelle mit Toilette auf und war wie ein Hotelzimmer eingerichtet. »Fühl dich hier wie zu Hause«, sagte Traudl und lächelte. »Mag der Anlass auch noch so unerfreulich sein, Celine, ich freu‘ mich, dass du hier bist. Und ich fühl‘ mich sogar ein bissel geehrt, weil du dich in deinem Kummer an mich gewandt hast. Dass der Ruben nicht gescheiter wird. Er würd‘ doch immer noch genug Geld verdienen, selbst er einen Gang zurückschalten tät‘. Ist er denn wirklich so geldgierig?«
»Ich weiß selber nicht genau, was ihn treibt«, antwortete Celine etwas niedergeschlagen.
»Steckt vielleicht eine andere Frau dahinter?«, fragte Traudl.
»Nein, das glaube ich nicht. Es ist schon der Verdienst, der ihn treibt. Vielleicht liegt es daran, dass er in ziemlich einfachen, geradezu ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist. Er hat früh den Vater verloren, und seine Mutter hatte zu kämpfen, um ihn und seine vier Geschwister über die Runden zu bringen.«
»Ja, so etwas kann einen Menschen prägen«, murmelte Traudl. »Du kannst jedenfalls bleiben, solang du möchtest. Und wenn du mir im Laden ein bissel zur Hand gehst, dann freut mich das. Du weiß ja, ich arbeite allein, und manchmal artet das in Stress aus.«
»Ich bin froh, dass ich dich zur Freundin habe«, gestand Celine. »Wie schaut es denn bei dir in Sachen Liebe aus? Nachdem du dich vor etwa anderthalb Jahren von Bernhard getrennt hast, habe ich keinen Hinweis von dir erhalten, dass sich irgendetwas Neues anbahnen würde.«
»Da ist auch nix«, erklärte Traudl, und ihr Blick verlor sich irgendwo im Raum. »Seit mich der Bernhard so schmählich ausgeschmiert hat, bin ich von den Mannsbildern bedient.« In ihre Augen kehrte das Leben zurück. »Ich muss wieder hinunter, denn ein neuer Termin steht an. Pack deine Sachen aus und bring‘ sie an Ort und Stelle, Celine. Dann kannst du dich ein bissel frisch machen und hinunterkommen, du kannst dich aber auch ein wenig ausruhen. Ich kann mir vorstellen, dass du in den vergangenen Tagen nicht besonders gut geschlafen hast, weil dir die Sache mit deinem Mann ziemlich zu schaffen gemacht hat. So eine Entscheidung zu treffen ist ja auch nicht gerade alltäglich und einfach.«
»Stimmt«, bestätigte Celine. »Aber, wenn es nicht mehr geht, dann muss man einen Cut machen. Natürlich ist es mir nicht einfachen gefallen, diesen Schlussstrich zu ziehen. Ich musste über meinen Schatten springen. Es ist ja nicht so, dass mir der Ruben plötzlich egal wäre.« Obwohl Celine bemüht war, hochdeutsch zu sprechen – hin und wieder brach bei ihr der Dialekt durch, und der verriet, dass sie in Oberbayern aufgewachsen war. »Nein, ich mag ihn nach wie vor. Ich möcht‘ jedoch etwas haben von meinem Mann. Und das hat er mir verweigert. Es hat mich viel Überwindung gekostet.«
»Na ja, vielleicht renkt sich alles wieder ein«, verlieh Traudl ihrer unterschwelligen Hoffnung Ausdruck. Ihrer Meinung nach waren Celine und Ruben füreinander geschaffen, und sie hätte es für schade befunden, wenn diese Ehe auseinandergegangen wäre. Sie kannte Ruben und sie konnte ihn gut leiden. »Ich kenne Paare, bei denen hat es zehn Jahre und länger gedauert, bis sie sich zusammengerauft hatten«, fügte sie hinzu. »Ihr seid ja noch nicht mal fünf Jahre verheiratet.«
»Ich glaub‘ nicht, dass sich der Ruben ändern kann«, murmelte Celine, einen schwermütigen Ausdruck in den braunen Augen. »Es würde vielleicht eine Woche gutgehen, wenn überhaupt, doch dann würde er ins alte Fahrwasser zurückfallen.«