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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Traudl Urbanek schloss um zwanzig Uhr ihren Friseurladen und begab sich in ihre Wohnung, die sich in der ersten Etage ihres Hauses befand. Seit zwei Wochen war sie wieder alleine in dem Haus. Ihre Freundin, Celine Jaugstetter, die sich von ihrem Mann getrennt und einige Zeit bei ihr gewohnt hatte, war in St. Johann auf Wohnungssuche gegangen, hatte Glück gehabt und war fündig geworden. Sie hatte eine kleine Dachgeschosswohnung bezogen und pendelte tagtäglich nach Garmisch-Partenkirchen, wo sie einen eigenen Friseursalon betrieb. Seit Celine eine eigene Wohnung bezogen hatte, fiel Traudl das Alleinsein viel schwerer, als es vor dem Einzug ihrer Freundin der Fall gewesen war. Bis vor etwas mehr als anderthalb Jahren war Traudl mit einem Mann namens Bernhard Sauer liiert gewesen. Der hatte sie jedoch in niederträchtiger Art und Weise betrogen, sodass sie einen Schlussstrich gezogen hatte. Seitdem hatte es in Traudls Leben keinen Mann mehr gegeben. Warum das so war, konnte Traudl selbst nicht sagen. Aber sie fühlte sich plötzlich einsam in ihrer Wohnung. Die Abende verbrachte sie alleine vor dem Fernsehapparat. Sicher, tagsüber hatte sie ihre Kundschaft. Sie sehnte sich aber nach einem Partner, nach jemand, an den sie sich anlehnen konnte, der mit ihr alle Sorgen teilte, der für sie da war. Sobald sie abends den Laden schloss, war ihr Leben grau und eintönig. Ihr Telefon klingelte. Sie warf einen Blick aufs Display und nahm das Gespräch an. »Grüß di, Celine. Hast du auch Schluss gemacht für heut'.« »Ja«
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Traudl Urbanek schloss um zwanzig Uhr ihren Friseurladen und begab sich in ihre Wohnung, die sich in der ersten Etage ihres Hauses befand.
Seit zwei Wochen war sie wieder alleine in dem Haus. Ihre Freundin, Celine Jaugstetter, die sich von ihrem Mann getrennt und einige Zeit bei ihr gewohnt hatte, war in St. Johann auf Wohnungssuche gegangen, hatte Glück gehabt und war fündig geworden. Sie hatte eine kleine Dachgeschosswohnung bezogen und pendelte tagtäglich nach Garmisch-Partenkirchen, wo sie einen eigenen Friseursalon betrieb.
Seit Celine eine eigene Wohnung bezogen hatte, fiel Traudl das Alleinsein viel schwerer, als es vor dem Einzug ihrer Freundin der Fall gewesen war. Bis vor etwas mehr als anderthalb Jahren war Traudl mit einem Mann namens Bernhard Sauer liiert gewesen. Der hatte sie jedoch in niederträchtiger Art und Weise betrogen, sodass sie einen Schlussstrich gezogen hatte. Seitdem hatte es in Traudls Leben keinen Mann mehr gegeben.
Warum das so war, konnte Traudl selbst nicht sagen. Aber sie fühlte sich plötzlich einsam in ihrer Wohnung. Die Abende verbrachte sie alleine vor dem Fernsehapparat. Sicher, tagsüber hatte sie ihre Kundschaft. Sie sehnte sich aber nach einem Partner, nach jemand, an den sie sich anlehnen konnte, der mit ihr alle Sorgen teilte, der für sie da war. Sobald sie abends den Laden schloss, war ihr Leben grau und eintönig.
Ihr Telefon klingelte. Sie warf einen Blick aufs Display und nahm das Gespräch an. »Grüß di, Celine. Hast du auch Schluss gemacht für heut‘.«
»Ja« erhielt sie zur Antwort. »Ich sitze schon im Auto, um nach Hause zu fahren. Alles im grünen Bereich bei dir?«
»Na ja. Was heißt im grünen Bereich? Seit du nimmer bei mir wohnst, hab‘ ich das Gefühl, mir fällt die Decke auf den Kopf, sobald ich nach Geschäftsschluss meine Wohnung betrete. Wie läuft’s bei dir. Ich schätz‘, der Spachtholz-Sepp macht dir fest den Hof.«
Celine lachte. »Ja, er erscheint fast jeden Tag mit einem Strauß frischer Blumen«, erzählte sie. »Am vergangenen Sonntag waren wir in Mittenwald. Ein schönes Städtchen. Wir haben in einem erstklassigen Restaurant zu Mittag gegessen und sind abends in einen der Landgasthöfe im Tal eingekehrt. Am kommenden Sonntag fahren wir nach Kufstein …«
»Du bist zu beneiden, Celine«, murmelte Traudl. »Ich hock‘ an meinen freien Tagen in meiner Wohnung und blase Trübsal. Alleine etwas zu unternehmen ist mir zu langweilig.«
»Du musst unter die Leute, Traudl«, mahnte Celine. »Du beschwerst dich, dass du einsam bist, tust aber nichts dagegen. In deiner Wohnung lernst du niemand kennen. Was ist mit deinen männlichen Kunden? Die sind doch nicht alle verheiratet oder sonst wie vergeben. Ist denn keiner unter ihnen, der dein Herz höherschlagen lässt?«
»Daran hab‘ ich eigentlich noch keinen Gedanken verschwendet. Es hat auch noch keiner versucht, mit mir anzubandeln oder bei mir Süßholz zu raspeln. Wahrscheinlich bin ich denen zu dick. Die ideale Frau muss heutzutag‘ doch schlank, um nicht zu sagen dürr sein. Ich hab‘ halt ein bissel was auf den Rippen, und das hält die Mannsbilder ab.«
»Du bist vielleicht ein bisschen mollig, Traudl«, erklärte Celine, »aber doch nicht dick. Rede dir doch nicht einen solchen Unsinn ein. Außerdem gibt es genug Männer, die auf etwas besser proportionierte Frauen stehen. Hast du es schon mal auf einer dieser Dating-Plattformen versucht? Da wird sich doch ein Mann für dich finden lassen.«
»Ich weiß nicht …«
»Versuche es doch einfach mal. Melde dich auf einer entsprechenden Plattform an, pass‘ aber auf, dass es sich um einen seriösen Anbieter handelt. Ich kenne einige Paare, die sich auf diese Weise kennengelernt haben. Warum solltest ausgerechnet du niemand kennenlernen.«
»Einen Versuch könnt‘ ich ja mal starten«, murmelte Traudl. »Ja, warum nicht? Außerdem hab‘ ich mich soeben entschlossen, eine Diät durchzuführen. Wenn ich sieben oder acht Kilo abnehmen könnt‘, dann wär‘ ich genau richtig, und ich hätt‘ sicher auch viel bessere Chancen beim anderen Geschlecht.«
»Die meisten Diäten taugen nichts«, sagte Celine. »Du hast gewiss schon vom Jo-Jo-Effekt gehört. Sobald eine Diät beendet wird, erfolgt die erneute Gewichtszunahme. Oft steigt das Gewicht wieder auf das Ausgangsgewicht, manche werden sogar noch schwerer als zuvor.«
»Ich müsst‘ neben der Diät Sport treiben«, murmelte Traudl versonnen. »Mit der richtigen Ernährung und ausreichend Bewegung würd‘ ich das Gewicht auch halten können. Da gibts im Internet doch sicher Unmengen an Tipps. Es gibt auch Unternehmen, die Diäten vermarkten. Ich werd‘ mich mal kundig machen.«
»Pass nur auf, Traudl, dass du nicht abgezockt wirst. Wenn du im Internet auf Partnersuche gehst, dann such‘ dir ein renommiertes Unternehmen aus. Und was eine Diät anbetrifft, da kann ich dir nur einen Rat geben: Lass dich auf nichts ein, das dich Geld kostet. Die beste Diät, die ich dir empfehlen kann, heißt FDH. Du weißt, was das heißt.«
»Natürlich, futtere die Hälfte.« Traudl lachte amüsiert auf. »Daran werde ich mich wohl halten. Was die Partnersuche mithilfe einer Dating-Plattform anbetrifft, werde ich gleich mal ein bissel im Word Wide Web stöbern. Du hast recht. Jeder Topf findet seinen Deckel. Warum sollt‘ ausgerechnet ich nicht fündig werden. - Grüß mir den Sepp. Seit du nimmer im Laden stehst, hab‘ ich ihn auch nimmer gesehen. Stutzt du ihm jetzt bei dir daheim den Bart?«
»Natürlich. Er bezahlt mich mit Blumen.«
»Du Glückliche. Von deinem Mann, dem Ruben, wirst du in Ruhe gelassen?«
»Ja. Wir haben uns arrangiert. Hin und wieder telefonieren wir sogar miteinander. Er geht in seinem Job auf. Nun ja, jedem das Seine. Na schön, Traudl. Dann setz‘ dich mal vor den Computer und mach‘ dich kundig. Es gibt einige seriöse Dating-Plattformen, bei denen du dich bedenkenlos anmelden kannst. Und – übertreibe es nicht mit der Diät. Iss einfach nur weniger und das Richtige. Dann schmelzen die Pfunde. Und wenn du dich dazu entschließen kannst, ein bisschen Sport zu treiben, dann ist der Erfolg vorprogrammiert.«
»Danke für den Anruf, Celine. Du kannst mich ja auch mal besuchen. Ich bin immer zu Hause anzutreffen.« Es klang ziemlich verbittert.
»Das ist das Problem, Traudl. Den Sommer über werden doch alle möglichen Events im Wachnertal angeboten. Geh‘ einfach hin. Du kennst doch fast jeden im Tal. An Gesellschaft wird es dir nicht mangeln. Und sicher lernst du auch jemand kennen.«
»Jetzt setz‘ ich mich erst mal an den Computer«, erwiderte Traudl. »Mach’s gut, Celine. Und komm‘ ruhig mal vorbei.«
»Ganz sicher, Traudl. Tschüss, bis zum nächsten Mal. Heute wird es dir gewiss nicht langweilig, wenn du die eine oder andere Dating-Plattform durchforstest.«
»Pfüat di, Celine. Ich wünsch‘ einen schönen Abend.«
Sie beendeten das Gespräch. Traudl aß ein Joghurt, ging hungrig unter die Dusche, danach setzte sie sich an den Computer und googelte eine Dating-Plattform. Ihr knurrte der Magen, aber sie wollte sofort mit der Diät beginnen. Und am nächsten Tag würde sie sich in dem Fitnesscenter, das vor einiger Zeit in Waldeck eröffnet wurde, anmelden …
*
Schon nach einer Woche meldete sich ein Interessent. Er schrieb eine Nachricht und stellte sich als Alfred Rademacher vor. Er sei dreiunddreißig Jahre alt, von Beruf Heizungsmonteur, lebe in Landsberg am Lech, und er würde Traudl nur zu gerne persönlich kennenlernen.
Traudl antwortete ihm. Aufgrund ihres Profils, das sie erstellt hatte, wusste er über sie Bescheid, sodass sie sich ihm nicht mehr groß vorstellen musste. Sie schrieben eine Weile hin und her, schließlich vereinbarten sie ein Treffen. Alfred Rademacher wollte am kommenden Sonntag nach St. Johann kommen. Traudl vereinbarte mit ihm ein Treffen im Biergarten des Hotels ›Zum Löwen‹.
Es war Freitagabend, es ging auf zwanzig Uhr zu, als Celine ›Traudls Frisurenladen‹ betrat. Traudel stellte soeben den Staubsauger ab. Vor zehn Minuten hatte die letzte Kundin den Salon verlassen.
»Ah, Celine«, stieg es erfreut aus Traudls Kehle. »Kommst du aus Garmisch?«
»Ja. Ich hab‘ heute ein bissel früher Schluss gemacht. Der Sepp und ich fahren nachher hinüber zum ›Schwarzen Bären‹ in Engelsbach. Da treffen sich heute Abend die Mitglieder des Wald- und Wandervereins, dem der Sepp angehört. Der Pfarrer Trenker ist auch vertreten. Es geht um die Absicht des Bürgermeisters von St. Johann, auf dem Hirschkopf diesen Märchenwald mit Wildpark zu betreiben. Es ist zwar nix spruchreif, und in den vergangenen Wochen ist dahingehend auch nix mehr laut geworden, aber die Vorstandschaft des Vereins und der Pfarrer Trenker sind der Meinung, dass sich der Bürgermeister und seine Fraktion in Zurückhaltung üben, um abzuwarten, bis sich die ersten Wogen, die bereits entstanden sind, wieder geglättet haben.« Plötzlich stutzte Celine und schaute prüfend in Traudls Gesicht. »Du siehst schlecht aus, Traudl«, stieß sie hervor. »Du bist blass, dein Gesicht ist eingefallen, die Augen liegen in tiefen, dunklen Höhlen. Bist du krank?«
»Iwo. Ich hab‘ dir doch kürzlich, als wir miteinander telefoniert haben, erzählt, dass ich abnehmen will. Außerdem hab‘ ich mich im Fitnessstudio in Waldeck angemeldet. Dort trainiere ich fast jeden Abend. Nachher fahr‘ ich auch wieder hin. Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass ich ein bissel blass um die Nase bin und mein Gesicht eingefallen wirkt.«
»Du bist nicht nur ein bisschen blass, sondern krankhaft blass, Traudl«, widersprach Celine. »Und dein Gesicht wirkt nicht eingefallen, es ist eingefallen. Machst du etwa eine Radikalabspeckkur? Du hast dir doch nicht etwa gar die Diabetes-Spritze aus Amerika besorgt?«
»Nein, nein.« Traudl lachte auf – es wirkte fast ein wenig gequält. »FDH – wir du mir empfohlen hast.« Sie wechselte das Thema, als wäre es ihr peinlich, über ihre Diät zu reden. »Am Sonntag hab‘ ich schon mein erstes Date«, berichtete sie. »Ein Mann aus Landsberg am Lech, sein Name ist Alfred Rademacher, trifft sich mit mir. Wenn du mit mir nach oben kommst, dann ich dir sein Profil zeigen. Falls es dich interessiert.«
»Natürlich interessiert es mich«, erwiderte Celine.
Zehn Minuten später wusste sie, wie der Mann aussah, mit dem sich die Traudl treffen wollte. »Ganz passabel«, meinte sie. »Vom Alter her passt er zu dir. Nach dem Treffen mit ihm wirst du mehr über ihn wissen, vor allen Dingen kannst du feststellen, ob die Chemie zwischen euch passt. Nach dem ersten Date wirst du eh kaum sagen können, das ist er oder das ist er nicht. Und irgendwann wirst du dann auf die Stimme deines Herzens hören müssen, die zu ihm ja oder Nein sagt.«
»Ich lass‘ das auf mich zukommen«, erklärte Traudl. »Gefällt er mir und entspricht er auch von seiner Art meinen Vorstellungen, dann werde ich mich gern wieder mit ihm treffen – vorausgesetzt, er findet mich auch annehmbar. Wenn nicht, dann such‘ ich einfach weiter.«
»Das ist genau die richtige Einstellung, Traudl«, sagte Celine. »So, jetzt muss ich aber weiter. In einer dreiviertel Stunde will mich der Sepp schon abholen. Ich wünsch‘ dir was, Traudl. Und übertreib‘ es nicht mit deiner Diät. Wenn du am Ende nur noch Haut und Knochen bist, ist das auch nicht schön. Dann schon lieber ein paar Kilos mehr auf den Rippen.«
Celine umarmte die Freundin zum Abschied, dann verließ sie ihre Wohnung und fuhr nach Hause. Sie wusch sich nur, schminkte sich dezent, zog sich frische Sachen an und kämmte sich die Haare durch, da läutete es auch schon an ihrer Korridortür. Sie öffnete und vor ihr stand Sepp im Trachtenanzug, mit dem Hut auf dem Kopf und einem Strauß Blumen in der Hand. Sie hatte vor längerer Zeit mal den über sechzig Jahre alten Heimatfilm ›Der Wilderer vom Silberwald‹ mit dem österreichischen Schauspieler Rudolf Lenz gesehen. An Rudolf Lenz erinnerte sie Sepp. Er war ein schneidiger Bursche. Celines Augen strahlten, als er sie in die Arme nahm und sie so begrüßte. Er hielt sie länger fest, als es notwendig gewesen wäre. Sie ließ es sich gefallen und schmiegte sich an ihn.
»Bist du abmarschbereit?«, fragte er, nachdem sie sich aus der Umarmung gelöst hatten und er ihr die Blumen übergeben hatte, die sie sofort in eine Vase stellte.
»Ja, wir können«, antwortete Celine schließlich.
Sie fuhren nach Engelsbach in das Wirtshaus ›Zum Schwarzen Bären‹, wo sich im Nebenzimmer der Wald- und Wanderverein ein Stelldichein gab. Pfarrer Trenker war auch schon da. Er war passives Mitglied in dem Verein. Heute stand die Diskussion bezüglich der Absicht Bürgermeister Bruckners, im Naturschutzgebiet Hirschkopf einen Märchenwald mit angegliedertem Wildpark für Touristen mit Kindern zu etablieren, auf der Tagesordnung.
Der Pfarrer erhob sich, als Celine und Sepp das Nebenzimmer betraten, ging auf sie zu und reichte Celine die Hand. »Habe die Ehre, Celine«, grüßte er. »Wie gehts Ihnen denn? Wird es Ihnen nicht zu viel, jeden Tag frühmorgens nach Garmisch zu fahren und am Abend nach St. Johann zurückzukehren?«
»Nein, in keiner Weise, Herr Pfarrer. Heute hab‘ ich die Traudl mal wieder besucht. Die macht Diät und hat sich im Fitnesscenter angemeldet. Meiner Meinung nach übertreibt sie. Sie schaut nämlich richtig krank aus, sodass ich ihr geraten hab‘, die Sache mit dem Abnehmen einen Gang langsamer anzugehen.«
»Ich hab‘ die Traudl auch schon eine ganze Weile nimmer gesehen«, versetzte Sebastian und griff sich an den Kopf. »Einen Haarschnitt könnt‘ ich auch mal wieder brauchen. Wahrscheinlich schau‘ ich in den nächsten Tagen mal bei ihr vorbei.«
»Dann wird sie Ihnen verraten, dass sie sich auf einer Dating-Plattform angemeldet hat. Am kommenden Sonntag trifft sie sich mit einem Mann. Sie will mal testen, ob er hält, was er verspricht. Die Traudl ist es nämlich leid, ihre Abende und Wochenenden einsam und allein in der Wohnung vor dem Fernseher zu verbringen. Drum hat sie sich entschlossen, nach einem Partner Ausschau zu halten.«
»Deswegen macht sie wohl die Diät«, konstatierte Sebastian.
»Ja. Sie meint, sie ist nicht attraktiv genug.«
»Haben S‘ ihr das nicht ausreden können?«, fragte Sebastian.
»Nein.« Celine zuckte mit den Schultern. »Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Wenn sie meint, sie ist zu dick, dann muss sie, was dagegen tun. Wie gesagt: Ich hab‘ ihr geraten, es nicht zu übertreiben. Alles, was zu viel ist, ist nicht gut.«
»Ein wahres Wort, Celine«, pflichtete der Pfarrer bei. »Nun ja, ich werde es ja sehen, wenn ich zum Haarschneiden zu ihr geh‘. Wenn ich ebenfalls der Meinung bin, dass sie übertreibt, dann rede ich ein ernstes Wort mit ihr. - Dieser Schönheitswahn macht die Leute bloß krank«, schimpfte er. »Wer hat den der Traudl eingeredet, dass sie zu dick wär‘?« Er winkte ab. »Wenn sie krankhaft dick wär‘, würd‘ ich ja nix sagen. Aber das ist sie ja bei Gott nicht.«
Sepp und Celine suchten sich Plätze und auch der Pfarrer setzte sich wieder.
Der Vorstand des Vereins eröffnete die Versammlung …
*
Am Sonntagmittag begab sich Traudl in den Biergarten, den das Hotel ›Zum Löwen‹ betrieb. Sie hatte zwei Plätze reserviert. Ohne Reservierung hätte sie keine Chance gehabt, für sich und ihr Date einen Tisch zu ergattern. Der Garten war voll mit Urlaubern, die hier ihr Mittagessen einnahmen. Es waren diejenigen, die in den Pensionen nur Unterkunft und Frühstück bekamen.
Gitti, die jüngste der drei Haustöchter, die heute den Biergarten als Bedienung betreute, nahm Traudl gewissermaßen in Empfang und geleitete sie zu dem Tisch, der für sie reserviert war. »Du hast aber doch für zwei Leute reserviert«, sagte Gitti etwas ratlos.
»Ich hoff‘, er kommt noch«, erwiderte Traudl.
»Er?« Gitti war echt erstaunt. »Oha, wer ist denn der Glückliche?«
»Ich kenn‘ ihn auch nur vom Bild und der Beschreibung, die er in seinem Profil zum Besten gegeben hat«, antwortete Traudl. »Er kommt aus Landsberg, und wenn er in echt so ausschaut wie auf dem Bild, das er ins Internet gestellt hat, dann ist er ganz passabel.«
Gitti lächelte. »Hast wohl das Alleinsein satt, Traudl?«, erkundigte sie sich. »Na ja, warum nicht? Mithilfe dieser Plattformen haben schon viele Paare zusammengefunden. Ich wünsch‘ dir jedenfalls viel Erfolg. – Was magst du denn trinken?«
»Bring‘ mir nur ein Glas Mineralwasser, Gitti.« Traudl lachte auf. »Ich muss einen klaren Kopf bewahren.«
»Natürlich. Soll ich gleich zwei Speisekarten mitbringen?«
»Sei so nett.«
Gitti entfernte sich.
Als ein mittelgroßer, schmaler Mann mit schütteren Haaren am Eingang zum Biergarten auftauchte, der wenig mit dem Bild im Internet gemein hatte, war Traudl enttäuscht. Er schaute sich suchend um. Traudl erhob sich und winkte ihm. Eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Bild auf der Dating-Plattform war vorhanden, und so war sie sich sicher, Alfred Rademacher vor sich zu haben.
Er sah sie, in seinen Augen blitzte es auf, er winkte zurück und setzte sich in Bewegung.