Du gehörst dem Mafia-Boss - Entführt Band 1 - Sabine Richling - E-Book

Du gehörst dem Mafia-Boss - Entführt Band 1 E-Book

Sabine Richling

0,0

Beschreibung

"Die Antwort ist ganz einfach, Emma", gibt er mit düsterem Blick zurück. "Du unterliegst meinem Schutz! Aber ich bin ein Monster und ich werde dich womöglich brechen. Doch du hast keine Wahl!" Als Emma von einer Sekunde zur nächsten in Gefahr gerät, steht ihre Welt auf dem Kopf. Denn ausgerechnet ein finsterer Gangster rettet ihr gleich zweimal das Leben. Dass sie einem gefürchteten Mafia-Boss ins Netz geht, der sie zu seinem Besitz erklärt, erkennt sie viel zu spät. Er wird sie nicht wieder freigeben, denn er weiß genau, was er will: Sie! Und jeder, der ihr zu nahe kommt, bezahlt dies mit seinem Leben! Bald erfährt sie, dass er sie zu beschützen versucht und ihre Schicksale miteinander verbunden sind. Wird sie die Regeln dieser brutalen Welt also lernen müssen? Von jetzt an soll sie tun, was er verlangt. Würde er Sex wollen, wäre sie verloren. Denn er ist alles, nur gewiss kein zärtlicher Liebhaber! Sie fürchtet diesen Mann, dem sie nun erlauben muss, ihr so nahe zu kommen. Aber wenn sie leben will, ist er ihre einzige Option! Doch damit hat sie nicht gerechnet: dass sie Gefühle für einen brandgefährlichen Gangster-Boss entwickelt! Kann sie seiner Anziehungskraft widerstehen oder wird er sie mit in seine Dunkelheit hineinziehen? *** "Du gehörst dem Mafia-Boss" ist der spannende Auftakt einer neuen "Dark Romance"-Buchreihe von Sabine Richling. Die Themen dieser mitreißenden, spicy Serie sind möglicherweise nicht für alle Leser geeignet. Es handelt sich nicht um einen eigenständigen Roman und endet mit einem Cliffhanger. Alle Warnhinweise zum Inhalt findest Du auf der Webseite der Autorin. *** www.sabine-richling.com

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 258

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 1

„Lass deine dreckigen Pfoten von ihr oder ich hacke sie dir ab!“, droht der dunkelhaarige mysteriöse Typ dem schmierigen kahlrasierten Kerl neben mir, als dieser meinen Hintern tätschelt.

„Was denn, Kumpel? Ich will bloß eine Flasche Wein bei dem Zuckertäubchen bestellen“, gibt der uneinsichtig zurück.

„Darauf können Sie warten, bis Sie schwarz werden!“, erwidere ich kühn und mache beiden Männern deutlich, dass ich gut auf mich selbst aufpassen kann.

Ich arbeite bereits seit ein paar Monaten in dieser Luxus-Bar, wo sich so mancher reiche Schnösel dem Personal gegenüber respektlos verhält. Sie wedeln mit Dutzenden von Hundertern in der Hand und protzen mit ihrem Reichtum. Wie sehr ich das hasse, wenn sie mir Geldscheine in den Ausschnitt stecken, damit ich mit ihnen schlafe! Sie denken wirklich, sie könnten mich kaufen!

Ich will ihr Geld nicht. Und sollte ich je Sex wollen, dann bestimmt nicht mit einem dieser Snobs!

Aber ich will keinen Sex! Niemals wieder!

„Nun stell dich nicht so an, Herzchen!“, scheint der Glatzkopf nicht zu verstehen, dass sein ungehobeltes Benehmen soeben dazu geführt hat, nicht mehr von mir bedient zu werden.

Er greift meinen Arm und zerrt mich zurück. Im gleichen Moment sehe ich, wie sich die Hand meines selbsternannten Beschützers um die Kehle des Unruhestifters legt und ihn aus dem Stuhl hebt.

„Du solltest jetzt besser gehen!“, ermahnt der geheimnisvolle Fremde den Glatzkopf und schnürt ihm die Luft ab.

Mein Arm ist erlöst und während ich den Schmerz wegzureiben versuche, frage ich mich, wer er ist … dieser gut aussehende Unbekannte, dessen Beschützerinstinkt mir Rätsel aufgibt.

Vor fünf Tagen habe ich ihn hier das erste Mal gesehen. Seitdem ist mir mulmig zumute, weil er mit seinen gefährlich wirkenden schwarzen Augen unentwegt zu mir starrt.

Noch habe ich kein einziges Wort mit ihm gewechselt. Meine Kollegin Moni bediente ihn bislang, da er immer auf demselben Platz sitzt: Tisch 25. Und dieser gehört zu ihrem Bereich.

Jetzt wird mir klar, dass ich ihn längst hätte fragen sollen, wer er ist und weshalb er jeden Abend hier auftaucht.

Er ist nie allein, wird begleitet von zwei ebenso finster dreinblickenden Kraftpaketen, wie er selbst eines ist. Sie tragen dunkle Anzüge und erwecken den Anschein, die Protagonisten eines Gangsterfilms zu sein.

Ich sehe, wie sich Billy – einer unserer Türsteher – in Bewegung setzt und beabsichtigt dazwischenzugehen. Doch er wird von den beiden Begleitern des Fremden aufgehalten. Trotz der Musik kann ich hören, wie der eine etwas zu Billy sagt.

„Der Boss regelt das!“, sind seine Worte, nach denen er sofort wieder verstummt.

Billy nickt bloß und bleibt zwischen den beiden stehen. Tatenlos beobachten die drei unbeweglich das Schauspiel, so wie das gesamte Lokal. Mein Beschützer kennt kein Erbarmen und lässt nicht von der Kehle seines Opfers ab.

Ich sehe, wie der Glatzkopf rot anläuft und nach Luft ringt.

Mein Gott, er wird sterben!, denke ich panisch und löse mich aus meiner Starre.

„Hör sofort auf damit!“, schreie ich meinen zweifelhaften Helfer an und stoße ihn mit ganzer Kraft zur Seite. Prompt lässt er von seinem Gegenüber ab und blickt irritiert, fast erzürnt zu mir.

„Was sollte das?“, knurrt er mich an und bemüht sich um Contenance.

„Du hättest ihn beinahe getötet!“, gebe ich viel zu laut zur Antwort und erlaube mir auch noch, ihn zu duzen! Eine Todsünde als Angestellte in diesem Club!

„Ja“, zischt er grimmig, als wäre genau das seine Absicht gewesen!

„Wir sind hier in Berlin und nicht im Wilden Westen!“, erkläre ich ihm, sich in einem zivilisierten Land zu befinden.

Ich spüre, wie sich alle Augen auf mich richten und jeder Gast in diesem Lokal etwas weiß, was mir nicht bekannt ist.

„Ja, sind wir“, gibt er mürrisch zurück und unterlässt es, meinen verärgerten Blick zu erwidern. Statt sich auf eine Diskussion vor Publikum mit mir einzulassen, dreht er sich herum und wendet sich an seine Begleiter.

Ich kann nicht hören, was er zu ihnen sagt, aber ich staune, als Billy plötzlich antwortet.

„Geht klar, Boss!“, erwidert er ergeben.

Wieso nennt er ihn so? Billy arbeitet doch nicht für diesen Unbekannten. Er ist bei Niko angestellt, dem Besitzer der Dinero Bar.

Der Glatzkopf reibt sich seinen Hals, während ich immer noch grübelnd dastehe und die Zusammenhänge zu begreifen versuche. Die Leute gaffen mich an, als wäre ich nicht ganz bei Trost, dem „Boss“ bei seinem Mordversuch dazwischenzufunken. Oder bilde ich mir diese seltsamen Blicke nur ein?

„Na, was stehst du noch so dämlich rum?“, faucht mich der Kahlrasierte an. „Jetzt hattest du deinen großen Auftritt mit El Gringo. Pass bloß auf, dass du nicht Opfer seiner Hitzköpfigkeit wirst. Solche Typen sind unberechenbar.“

Moni springt plötzlich in mein Gesichtsfeld und zieht mich beiseite. Gerade wollte ich noch etwas auf die Bemerkung des Kahlkopfs erwidern, immerhin habe ich diese Situation nicht heraufbeschworen, sondern er selbst. Außerdem habe ich ihm das Leben gerettet, was ihm wohl keine weitere Erwähnung wert ist.

Aber egal, was schert mich dieser Typ!? Ich sollte lieber darüber nachdenken, ob er Recht hat und der finstere El Gringo auch für mich zur Gefahr werden könnte. Schließlich hat er mich augenscheinlich seit fünf Tagen im Visier. Und das bilde ich mir bestimmt nicht ein!

Vielleicht ist er gar nicht mein Retter, sondern der Teufel höchstpersönlich, der hier in Berlin nach mir gesucht hat, um mich mitzureißen … tief nach unten … in seine dunkle seelenlose Hölle!

Kapitel 2

„Mein Gott, Emma“, spricht mich Moni aufgeregt an, „hast du eigentlich die geringste Ahnung, wer das ist?“

„Der Glatzkopf?“, frage ich doof, dabei weiß ich doch genau, dass sie El Gringo meint.

Sie verdreht die Augen über mich und hat für meine Wissenslücke kein Verständnis.

„Du wirst vom schönsten Mann des Planeten von diesem Armleuchter befreit und bist völlig ahnungslos?“, kann sie nicht fassen, wie uninformiert ich bin.

„Habt ihr nix zu tun?“, stört Niko Moni beim Tratschen, sodass ich womöglich nicht mehr erfahren werde, wer El Gringo nun eigentlich ist. Immerhin weiß ich schon mal, dass es sich bei ihm um den schönsten Mann des Planeten handelt. Ob das reicht, um ihn zu googeln?

„Wusstest du, dass Billy einen Zweitjob bei diesem Schönling hat?“, mache ich Niko darauf aufmerksam, dass sein Türsteher für El Gringo arbeiten könnte. Dass er ihn „Boss“ nannte, habe ich nicht vergessen.

„Was redest du da für einen Unfug, Emma?!“, gibt er unwirsch zurück. „Macht euch lieber wieder an die Arbeit! Fürs Herumstehen bezahle ich euch nicht!“

Moni stöhnt genervt auf und geht zum nächsten Tisch.

Ich dagegen bleibe verwirrt auf meinem Fleckchen Parkettboden stehen und staune über Nikos Reaktion. Warum interessiert es ihn nicht, dass Billy einen zweiten Boss zu haben scheint?

Auf einmal nehme ich Tumult wahr, der mit jeder Sekunde, die vergeht, lauter wird. Gläser werden zerschmettert, auf Mobiliar eingetreten. Gäste kreischen auf und plötzlich ist ein Schuss zu hören …!

„Haltet eure verdammte Klappe!“, brüllt ein halbwüchsiger Teenager kaugummischmatzend in die Menge und hält eine Waffe Richtung Decke.

Ein paar weitere Typen, die offenbar zu ihm gehören, folgen ihm und wedeln mit ihren Pistolen herum.

„Das ist ein Überfall, ihr reichen Lackaffen!“, übernimmt nun ein anderer der Bande das Wort und zielt mit seiner Waffe auf einen älteren Mann in einem marineblauen Seidenanzug.

Ich kann von Weitem eine teure Uhr an seinem Handgelenk ausmachen. Auch die jungen Frauen am Tisch tragen kostspieligen Schmuck, weshalb sie womöglich zuerst als Opfer der Bande auserkoren wurden.

„Bitte nehmt alles, was ich habe, aber verschont mein Leben!“, bettelt der Mann und legt seine Uhr ab, um sie über den Tisch zu schieben. „Ihr könnt auch meine Brieftasche haben“, bietet er freimütig an und will sie aus der Innentasche seines Jacketts ziehen. Doch bevor er dazu kommt, drückt ein Mitglied der Gang einfach ab. Ein Schuss genügt und der marineblaue Mann sackt tot in sich zusammen. Sein Kopf landet auf der Tischplatte und lässt dabei ein dumpfes Geräusch ertönen.

Ein panisches Raunen ist zu hören. Jedem im Saal wird klar, dass sein Leben in den Händen dieser irren Teenager liegt und von einer Sekunde auf die andere vorbei sein könnte. Niemand wird einem zu Hilfe eilen, falls sich die halbstarken Kerle entschließen sollten, alle der Reihe nach zu töten.

Ich halte Ausschau nach El Gringo und seinen coolen Jungs. Jetzt könnten sie beweisen, echte Helden zu sein. Aber sie sind wie von der Bildfläche verschwunden. Einem schwächlichen haarlosen Hohlkopf können sie das Fürchten lehren, aber bei einer ganzen Bande Krimineller suchen sie lieber das Weite.

Ich werde jedenfalls nicht zulassen, dass weitere Menschen ihr Leben lassen müssen! Todesmutig trete ich mit erhobenen Händen vor und gehe langsam auf die Typen zu, die mich aber noch nicht bemerkt haben. Was ich genau zu ihnen sagen werde, weiß ich noch nicht. Aber mir wird schon etwas Passendes im rechten Moment einfallen. Mein Vater ist der Polizeipräsident dieser Stadt und mir steckt es im Blut, für Gerechtigkeit zu sorgen. Nichts verabscheue ich mehr als kriminelle Menschen.

Unerwartet kann ich El Gringo unter den angespannten Gästen ausmachen. Er steht in einer dunklen Ecke und sieht verkniffen zu mir herüber. Dabei schwenkt er seinen Kopf langsam hin und her, was wohl so viel heißen soll, wie ‚Tu es nicht!‘.

Ich ignoriere seine stumme Aufforderung, meine unausgereifte Vorgehensweise abzubrechen, und gehe vorsichtig weiter. Dabei höre ich den Kerl mit den grün gefärbten Haaren die verängstigten Gäste anschreien.

„Legt eure Scheißbrieftaschen auf die Tische! Und euren verfickten Schmuck auch!“

„Hey!“, brüllt der Nächste – der mit den Tattoos im Gesicht. „Was macht die Tussi da?“

Die Tussi bin dann wohl ich, denn er zeigt mit der Pistole in meine Richtung.

„Bleib stehen oder du fängst dir ’ne Kugel ein, Schneewittchen!“, sagt der Grünschopf zu mir. Wie er darauf kommt, mich Schneewittchen zu nennen, ist mir schleierhaft. Mein langes Haar ist rotblond und nicht schwarz und meine Hautfarbe eher rosé und nicht kreideweiß. Aber hey, das geht in Ordnung, solange er mich nicht erschießt!

„Keiner muss heute Abend mehr sterben“, deute ich an, dass der Raubüberfall von nun an gewaltfreier ablaufen kann. „Ich werde euch dabei helfen, damit alles schnell und ruhig geht. Dann könnt ihr mit eurer Beute friedlich abziehen und niemand wird verletzt.“

Moni steht an einer Säule und hält sich die Hand vor den Mund. Sie wirkt geradezu fassungslos, dass ich mein Leben für fremde Menschen riskiere. Sicher fragt sie sich, ob ihre Kollegin und beste Freundin nun couragiert oder einfach nur dämlich ist. Das wüsste ich auch gern.

„Wow, die Kleine hat Eier“, bemerkt der Kaugummischmatzer und kommt mit schlurfendem Gang auf mich zu. Als er vor mir steht, lässt er seine rauen Finger über mein Gesicht gleiten.

Aus den Augenwinkeln nehme ich El Gringo wahr. Irgendwie ist es ihm gelungen, seinen Standort zu wechseln, und befindet sich nun hinter den halbstarken Banditen. Sein Blick verfinstert sich noch mehr, als er sieht, wie der Kerl mich berührt.

„Okay, Jungs! So wird’s gemacht!“, sagt der zu seinen Komplizen und sieht mich dabei weiter an. Offenbar ist er der Kopf der Bande und hat das Kommando. „Das Schneewittchen sammelt alles für uns ein“, nennt auch er mich nun so.

Na prima, ich lebe noch und habe jetzt einen Job. Hoffentlich geht alles gut und die Typen verschwinden danach so schnell, wie sie gekommen sind.

„Spinnst du? Die hat doch was vor!“, zeigt sich „Grünhaar“ nicht einverstanden mit der Entscheidung seines Anführers.

„Was kann dieses hübsche, zarte Püppchen schon ausrichten?“, widerspricht der Kaugummischmatzer und beugt sich zu mir heran, um an meinem Ohr zu nagen. „Danach kommst du mit uns und wir werden ein bisschen Spaß zusammen haben“, säuselt er mir ins Ohr, aber laut genug, dass alle es hören.

„Willst du, dass wir auffliegen, du Vollidiot?“, begehrt der Grünschopf erneut auf und entsichert seine Waffe. „Geh aus dem Weg, damit ich das Miststück erschießen kann!“

Der Kaugummischmatzer schenkt mir einen mitleidigen Blick und grinst daraufhin.

„Er will dich töten, Schneewittchen. Dabei haben wir doch noch gar nicht miteinander gevögelt. Ich glaube, das kann ich nicht zulassen.“

Plötzlich fallen zwei Schüsse! Fast zur gleichen Zeit. Es ist nicht klar, von wo sie kamen und wer sie abgegeben hat. Der Kaugummikerl stöhnt leise auf und scheint an der Schulter getroffen zu sein. Doch er lässt keine Zeit vergehen und richtet die Waffe auf seinen eigenen Mann.

Als er abdrückt, steht Billy plötzlich hinter mir und zieht mich aus der Schusslinie. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, als mich seine starken Arme zu Boden drücken. Weitere Waffen werden abgefeuert und ich habe das Gefühl, mich in einem Kugelhagel zu befinden.

Menschen im Saal schreien ohrenbetäubend laut und versuchen zu flüchten. Mit einem Mal herrscht ein heilloses Chaos und alle laufen wild durcheinander.

Billy pflückt mich vom Parkett und reißt mich zurück auf die Beine.

„Wir müssen hier raus!“, wird ihm klar, dass der Fußboden keine Sicherheit mehr bietet und die Lage immer unübersichtlicher wird.

Er will mich zum Ausgang drücken, doch überraschend bleibt er stehen und knickt wie ein Grashalm zusammen.

„Billy!“, schreie ich ihn beinahe hysterisch an, als könnte ihn meine Stimme zurück ins Leben holen. Doch er fällt wie ein Stein zu Boden, auf dem sich sein Blut wie ein warmer roter Teppich verteilt.

Geschockt starre ich auf seinen toten Körper und bringe es nicht fertig, mich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

„Lauf!“, höre ich Niko von Weitem rufen. Doch mein Antrieb ist ausgefallen und sämtliche Energie verpufft.

Auf einmal spüre ich, wie sich ein kräftiger Arm um meine Taille legt und mich von Billy wegreißt. Ich schaue entgeistert zur Seite.

„El Gringo“, sage ich leise zu ihm und hoffe, dass er es nicht gehört hat. Ich vermute, dass es kein besonders freundliches Wort ist und ganz bestimmt nicht sein Name.

Er erwidert nichts und konzentriert sich darauf, uns sicher durch den Kugelregen zu navigieren.

„Gehst du mir jetzt auch an die Gurgel, weil ich so unvernünftig war?“, plappere ich dummes Zeug, um von meiner Aufregung abzulenken.

„Später vielleicht“, antwortet er tatsächlich auf meine nicht ernst gemeinte Frage. „Aber erst mal, bringe ich uns hier raus.“

Seine Hand auf meiner Hüfte fühlt sich heiß an. Das ist alles, woran ich gerade denken kann. Ich müsste um mein Leben bangen oder wenigstens Angst vor einer Verletzung haben. Doch ich befinde mich in einer Blase, als hätte ich mal eben die Dimensionen gewechselt. Die Geräusche dringen gefiltert an mein Ohr – klingen dumpf und beinahe leise, als kämen sie von weit her. El Gringos Atem hingegen höre ich ganz deutlich und mir wird klar: Ich stehe unter Schock.

Soeben habe ich einen Menschen sterben sehen – direkt vor meinen Augen!

Und auf einmal erinnere ich mich wieder … nach so vielen Jahren erfolgreicher Verdrängung! Es war nicht das erste Mal, dass ich einen gewaltsamen Tod miterleben musste!

Kapitel 3

Willenlos lasse ich mich durchs inzwischen dunkle Lokal ziehen. Irgendjemand hat das Licht ausgeschaltet, sodass die Panik der Menschen sich weiter vergrößert. El Gringo scheint genau zu wissen, was zu tun ist, als hätte er solch eine Situation schon etliche Male erlebt.

Mittlerweile hat er meine Hand ergriffen und umfasst sie wie ein Gorilla. Könnte sein, dass sie bereits nicht mehr vollständig durchblutet wird. Aber nichts dergleichen spielt noch eine Rolle, wenn wir es hier nicht lebend rausschaffen.

Und dann erblicke ich ihn: den Ausgang! Der Flur dorthin ist wieder beleuchtet und ich kann den Pulk von hysterisch schreienden Flüchtenden sehen, in dem wir uns befinden. Sie schubsen, drängeln und scheren sich nicht darum, wenn einer zu Boden fällt.

Ich will einem jungen Mann aufhelfen, der Gefahr läuft, zertrampelt zu werden. Dabei werde ich von El Gringo getrennt. Kurz blicke ich mich um, aber er ist weg. Als ich mich wieder dem Hilfsbedürftigen zuwende, liegt dieser plötzlich leblos am Boden.

Blutüberströmt!

Versteinert schaue ich dabei zu, wie auf der Leiche herumgetrampelt wird. Keiner schenkt ihr Aufmerksamkeit … niemand außer mir!

Ich sollte meine Flucht fortsetzen. Aber ich kann nicht! Stattdessen denke ich an Moni und frage mich, ob sie es schon herausgeschafft hat. Obwohl meine Angst in diesem Augenblick zurückkehrt, erwäge ich, wieder reinzugehen. Denn ohne Moni gehe ich nicht! Sie und mein Vater sind die wichtigsten Menschen in meinem Leben und alles, was mir geblieben ist!

Doch als ich den Rückmarsch antreten will, reißt jemand an mir und stößt mich gegen die Wand.

„So, Schneewittchen, jetzt rechne ich mit dir ab!“, knurrt „Grünhaar“ und drückt seinen Unterarm gegen meinen Hals.

Das Luftholen fällt mir immer schwerer und obwohl ich weiß, dass ich gleich sterben werde, verliere ich wieder meine Angst.

„Du hast diese ganze Scheiße hier zu verantworten! Menschen wie du kotzen mich an!“, brüllt er mir ins Gesicht.

„Und mich kotzen kleine Wichser, wie du einer bist, an, die sich für einen inszenierten dreckigen Überfall bezahlen lassen!“, taucht El Gringo plötzlich hinter meinem Peiniger auf und drückt ihm den Lauf einer Waffe gegen die Schläfe.

Augenblicklich versteift der Kerl und hält den Atem an.

„Lass sie los!“, befiehlt El Gringo in einem furchteinflößenden Ton, während er keine einzige Miene verzieht. Aber das ist auch nicht nötig, da sein Blick bereits das pure Böse ausdrückt.

Der Arm löst sich von meinem Kehlkopf und es gelingt mir, wieder durchzuatmen.

„Geh!“, erteilt mir El Gringo eine glasklare Anweisung und sieht mich aus tiefschwarzen Augen an.

Es widerstrebt mir, seiner strengen Anordnung zu folgen, weil ich befürchte, er könnte den Jungen erschießen wollen.

„Bitte töte ihn nicht!“, bettle ich um das Leben eines jungen Mannes, der mich ohne die geringsten Gewissensbisse ermordet hätte.

Ich sehe El Gringo strapaziert durchatmen und spüre die zornige Spannung in ihm wachsen.

„Geehh …!!!!“, wiederholt er seine Aufforderung nachdrücklicher … mit demselben Wort.

Langsam entferne ich mich – rückwärtsgehend – und bekomme den Trubel um mich herum gar nicht mehr mit. El Gringo und der grünhaarige Gangster sind die einzigen Menschen, die ich noch wahrnehme.

„Verflucht noch mal, bleib hier!“, ruft mir der Kerl panisch hinterher. „Das Arschloch will mich kaltblütig erschießen!“

Ich gehe weiter, spüre warme Tränen meine Wangen hinablaufen. Es gibt nichts, was ich tun könnte, denn El Gringo ist der Mann mit der Waffe in der Hand! Ich habe die Entschlossenheit in seinen Augen gesehen und das Dunkle in seiner Seele.

Es wäre nicht das erste Mal, dass er tötet … das kann ich fühlen!

Kapitel 4

Seit gut einer halben Stunde laufe ich ziellos durch die Straßen in diesem dunklen Viertel. Ich bekomme die schrecklichen Bilder nicht mehr aus dem Kopf und weiß nicht, was ich tun soll. Mein Handy muss ich in dem Gewühl verloren haben, also kann ich niemanden anrufen. Und jetzt fange ich auch noch zu frieren an, weil ich keine Jacke anhabe. Es ist Frühling und heute Morgen kam ich deshalb auf die wahnwitzige Idee, ein Kleid anzuziehen. Doch abends, wenn die Sonne untergeht, wird es immer noch empfindlich kalt. All meine Sachen sowie auch meine Jacke und mein Geld sind im Club. Ich bin mittellos und allein!

Plötzlich greift eine Hand nach mir und zieht mich brutal nach hinten.

„Verfluchte Scheiße, du bist doch die Kleine aus der Bar!“, bemerkt der Typ mit den Tattoos im Gesicht, ein Mitglied der Bande. „Du müsstest tot sein, du!“, brüllt er mich an und bohrt seine Finger in meine Oberarme. „Deinetwegen habe ich meine Familie verloren! Sie waren meine Brüder! Hörst du, meine beschissenen Brüder! Keine Ahnung, ob es einer von ihnen da rausgeschafft hat! Und die zehn Riesen Belohnung kann ich jetzt auch abschreiben.“

Er macht eine kurze Pause und fährt sich nervös über Nase und Mund.

Ich würde gern etwas erwidern, aber ich stehe immer noch völlig neben mir und begreife nicht so ganz, was ich gerade zu hören bekomme. Wieso sagt er, ich sei diejenige, die tot sein müsse? Was hab ich mit alldem zu tun? Und wer bitteschön hätte ihm wofür zehntausend Euro bezahlt?

„Aber Micky wollte dich ja unbedingt vorher ficken, dieser notgeile Hurenbock!“, schimpft er weiter und wirkt immer aufgebrachter.

Er blickt an mir vorbei und scheint etwas ausgemacht zu haben. Ich kann nur hoffen, dass er mich jetzt nicht in die Parkanlage verschleppen will.

Als er wieder in mein Gesicht sieht und dann lüstern seinen Blick senkt, offenbart sich mir seine Absicht.

Mein Herz setzt vor Angst für einen Moment zu schlagen aus, bevor es seine Arbeit wieder aufnimmt und wild zu trommeln beginnt. Jetzt müsste ich aufschreien oder mich anders bemerkbar machen in der Hoffnung, Anwohner würden die Polizei rufen. Doch als er ein Messer hervorzieht, bringe ich nicht einen einzigen Ton heraus.

Er zerrt mich grob in die Grünanlage. Und als ich mich einfach fallen lasse, um es ihm schwerer zu machen, schleift er mich wie einen Sandsack weiter. An einem Mauervorsprung bleibt er mit mir stehen und zieht mich wieder hoch. Diese Stelle ist gut beleuchtet, da eine Laterne ganz in der Nähe Licht spendet. Offenbar hat er zu dieser späten Stunde keine Bedenken, entdeckt zu werden, und somit habe ich klare Sicht in seine tätowierte Visage, von der vor lauter Kriegsbemalung kaum noch etwas zu sehen ist.

„Jetzt werde ich ein bisschen Spaß mit dir haben, bevor du endlich stirbst!“, macht er klar, was er vorhat und dass ich hoffnungslos verloren bin.

„Du widerst mich an!“, zische ich in einem verächtlichen Ton und spucke ihm ins Gesicht.

Er wischt sich mit dem Ärmel seines Sweatshirts über die Wange und lächelt.

„Es turnt mich nur mehr an, wenn du dich wehrst, Schneewittchen“, lässt er sich seine Wut über meine Aktion nicht anmerken. Aber ich kann erkennen, wie es in ihm brodelt und dass er mich dafür bestrafen möchte.

Er nimmt meinen linken Arm zu sich heran und fügt mir eine tiefe Wunde mit der scharfen Klinge seiner Waffe zu.

Ich verkneife mir, vor Schmerz aufzuschreien, und gebe nur ein leises Stöhnen von mir. Danach presse ich meine Lippen fest zusammen, um ihn nicht noch weiter zu reizen.

„Für jede kleine Aufsässigkeit wirst du büßen“, erklärt er mir seine soeben aufgestellten Spielregeln. „Vielleicht ist es dir ja noch nicht aufgefallen, Schneewittchen, aber ich bin der Kerl mit dem Messer in der Hand und du gehörst jetzt mir!“

Ein Schatten taucht plötzlich hinter dem Tätowierten auf und zieht ihn von mir weg. Mein Blick ist getrübt von meinen feuchten Augen, sodass ich kaum etwas erkennen kann. Aber der Kampf ist schnell vorbei, die Situation im Nu entschieden.

„Jetzt bin ich der Kerl mit dem Messer in der Hand – Schneewittchen!“, erkenne ich El Gringos Stimme. „Und sie gehört mir!“, fügt er eigenartigerweise an.

Der Tätowierte scheint nicht fassen zu können, wie schnell sich das Blatt gegen ihn gewendet hat. Er starrt El Gringo mit großen Augen an und beginnt, leicht zu wackeln. Erst als seine Hand zu seiner Körpermitte wandert, bemerke ich es: Das Messer hat seinen Bauch durchbohrt und steckt darin fest. El Gringo hält den Griff fest umschlossen, bereit, die Klinge tiefer in sein Gegenüber zu rammen.

„Wenn du leben willst, verziehst du dich. Du vergisst das Mädchen und deine Auftraggeber“, lässt er dem Tätowierten überraschend eine Wahl. „Ich habe keine lebenswichtigen Organe getroffen und hier in der Nähe ist ein Krankenhaus.“

„Scheiße, Mann!“, ist der Typ verblüfft. „Warum tötest du mich nicht einfach?“

El Gringo wendet seinen Blick langsam ab und sieht zu mir herüber … barsch … sich wohl selbst fragend, warum er es nicht beendet und den Dolch bis zum Anschlag hineinschiebt. Es wäre so einfach und er hätte dieses Problem aus der Welt geschafft – auf seine Art! Aber er kennt meine Moralvorstellung, weiß, wie sehr ich Gewalt verachte. Immerhin habe ich ihn vorhin darum gebeten, das Leben des grünhaarigen Teenagers zu verschonen, obwohl der mir kurz zuvor noch an die Gurgel gegangen war.

Mir ist nicht klar, warum, doch es scheint dem harten El Gringo wichtig zu sein, was ein fremdes Bar-Mädchen von ihm denkt.

„Verstehe“, murmelt der Verletzte und nickt. „Die Kleine soll nicht sehen, was du in Wahrheit für ein Saftsack bist!“

El Gringos Mimik bleibt unverändert, obwohl er soeben beleidigt wurde. Er schaut wieder zu seinem Opfer und zieht das Messer tatsächlich aus der Wunde.

„Verdammt!“, stöhnt der Tätowierte auf und drückt seine Hand auf die blutende Stelle.

„Jetzt verzieh dich“, beabsichtigt El Gringo, dem Kerl die Freiheit zu schenken, „bevor ich es mir anders überlege.“

Der blickt ein paar Mal zwischen El Gringo und mir hin und her. Wahrscheinlich traut er dem Braten nicht so recht und befürchtet wohl, alles wäre ein perfider Streich.

„Und wenn ich mich umdrehe, was passiert dann?“, fragt er und kneift die Augen zusammen.

El Gringo hebt eine Braue an und antwortet nicht. Es ist ihm anzumerken, wie sehr es ihm missfällt, den Typen laufen zu lassen. Seine Hand umfasst den Griff des Messers fester und ich befürchte, er könnte ein zweites Mal zustoßen wollen. Aber er kämpft gegen das Bedürfnis an und bändigt den Sturm in sich.

„Verschwinde!“, sagt er in einem scheinbar gemäßigten Ton, der jedoch nicht darüber hinwegtäuscht, wie viel Kraft er für seine Zurückhaltung aufbringen muss.

Ich bin froh, als sich der Typ endlich in Bewegung setzt … torkelnd vor Schmerz Richtung Straße läuft und sich dabei immer wieder verunsichert umdreht. Als er sich aus unserem Blickfeld verliert, dreht El Gringo seinen Kopf in meine Richtung.

Zitternd blicke ich ihn an und fühle das warme Blut meinen Arm herunterlaufen. Erst jetzt fällt mir wieder ein, verletzt worden zu sein.

Er macht einen Schritt auf mich zu und scheint sich um mich kümmern zu wollen. Doch ich lasse es nicht zu und gehe etwas zur Seite.

„Nein!“, stelle ich klar, dass er mir nicht zu nah kommen soll. „Ich kenne dich nicht!“

Jetzt müsste er eigentlich etwas erwidern … mir mit beruhigenden Worten ein besseres Gefühl geben. Aber er schweigt und sieht mich immer heftiger vor Kälte zittern. Oder ist es die Furcht vor ihm und vor all diesen Erlebnissen der letzten Stunden, die mich völlig aus der Bahn geworfen haben?

Alles kommt auf einmal zurück – jede einzelne Erinnerung aus meiner Vergangenheit. Ich hätte nie gedacht, diesen Schrecken noch einmal durchleben zu müssen.

Und jetzt ist sie wieder da! Diese Angst vor Männern, vor Gewalt und meiner Hilflosigkeit.

Kapitel 5

„Bitte geh!“, flehe ich El Gringo an, sich zurückzuziehen.

Auch wenn er mich erneut gerettet hat, ist er ein gefährlicher Unbekannter, dessen Motive im Dunkeln liegen. Nichts deutet darauf hin, dass ich ihm vertrauen könnte.

Er atmet tief durch und schüttelt den Kopf. Statt meiner Aufforderung nachzukommen, streckt er mir seine Hand entgegen.

Ich vergrößere den Abstand zwischen uns und plane, zur Straße zu laufen.

Doch mir fällt auf, wie schwach ich mich fühle … ausgezehrt … machtlos. Ich friere immer stärker und mit meiner tiefen Schnittwunde werde ich wahrscheinlich nicht weit kommen.

„Warum gehst du nicht einfach?“, frage ich mit klappernden Zähnen und fühle, wie es mir immer schwerer fällt, aufrecht zu stehen.

Meine Beine knicken weg, als wären sie aus Pudding. Ich verliere meinen Halt und sacke in mich zusammen.

El Gringo macht einen großen Satz in meine Richtung und fängt mich wie ein herabfallendes Blatt auf. Mühelos hebt er mich in seine Arme und läuft mit mir über die Wiese Richtung Straße.

„Entführst du mich jetzt?“, frage ich leise, weil mir auch noch die Stimme versagt.

Eine Antwort erhalte ich nicht, stattdessen höre ich ein überspanntes tiefes Ein- und Ausatmen, bevor die Stille uns wieder einfängt.

An einer schwarzen Limousine bleibt er stehen und setzt mich ab. Während er in der Hosentasche nach dem Schlüssel sucht, hält er mich mit seinem freien Arm weiter an der Hüfte fest.

Ich betrachte das Auto und frage mich, ob es El Gringo gehört und er sein Geld vielleicht als Zuhälter verdient.

„Nein, lass mich los!“, verlange ich von ihm … doch mit zu wenig Nachdruck, da mich die Erschöpfung genauso fest im Griff hat wie El Gringo.

Er öffnet die Beifahrertür und drückt mich auf den Sitz.

„Ich werde nicht für dich anschaffen gehen“, kann ich noch sagen, bevor er meine Beine ins Auto schiebt. „Eher sterbe ich.“

„Du wirst nicht sterben, Emma“, erwidert er mit seiner beängstigend tiefen Stimme und ich überlege, ob es eine Drohung oder ein Versprechen ist. Dabei entgeht mir nicht, dass er meinen Namen kennt.

Er schlägt die Tür nicht zu und geht zum Kofferraum, um ihn zu öffnen. Ohne Eile sucht er nach etwas und lässt mich aus den Augen. Hat er denn keine Bedenken, dass ich flüchten könnte?

Kurz erwäge ich, meine Aussichten zu entkommen, und versuche, aus dem Auto zu steigen. Aber schon ist El Gringo fertig und donnert den Kofferraum wieder zu.

Er sieht meine Beine aus dem Auto hängen, obwohl er sie doch eben noch höchst selbst im Fußraum verstaut hatte. Ihm wird klar sein, dass mein Fluchtinstinkt nicht bezwungen ist und dass er besser auf mich aufpassen muss, damit ich ihm nicht verloren gehe.

Aber er sagt nichts dazu und öffnet den Verbandskasten in seinen Händen. Er stellt ihn aufs Autodach und zieht ein paar Dinge heraus.

„Gib mir deinen Arm!“, fordert er und bemüht sich anscheinend, seinen Ton weniger rau klingen zu lassen.

Ich pariere, obwohl mir nicht wohl dabei ist, mich von einem möglichen Zuhälter verarzten zu lassen. Er ist vor mir in die Hocke gegangen und sprüht ein Desinfektionsmittel auf meine Haut. Ich zucke zusammen, weil es im ersten Moment zu brennen beginnt.

Er wartet … gibt mir Zeit, bis der stechende Schmerz vorüber ist. Dabei sieht er mir in meine blauen Augen und vergisst für einen Augenblick seine Arbeit. Könnte es sein, dass sich dieser rohe, gewaltbereite Mann um mich sorgt?

Aber nein, lass dich nicht von diesem harmlos erscheinenden Blick täuschen, Emma!, hole ich mich zurück in die beklemmende Realität. Du weißt, wie ein Frauenschänder vorgeht … dass er versucht, dein Vertrauen zu gewinnen, um sich danach brutal und gewissenlos alles zu nehmen!

Mein Arm, ja, mein ganzer Körper ist inzwischen so ausgekühlt, dass mir El Gringos Hände wie glühende Kohlen vorkommen, als er erst die Kompresse auf die Wunde legt, um mir gleich darauf den Verband beinahe zärtlich anzulegen.