Kein Sex mit einem Casanova - Sabine Richling - E-Book

Kein Sex mit einem Casanova E-Book

Sabine Richling

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Beschreibung

Ich bin eine blondgelockte, unsympathische Schönheit. Nichtsahnend sitze ich in meinem Stammcafé, als mich dieser smarte Tom anflirtet. Mir fällt die Kinnlade runter, weil er so ein Leckerbissen ist, trotzdem gebe ich mir alle Mühe, ihn zu vergraulen. Als wir uns zufällig wiederbegegnen, stelle ich fest, dass mein Leben ein Irrtum ist und ich eine völlig andere Person bin. Auch Tom ist wie verwandelt und scheint ein rücksichtsloser Frauenheld zu sein. Und tatsächlich versteht er sein Handwerk und beherrscht die Kunst des Verführens nur zu gut ...

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Leseprobe

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

1

Ich blicke in den Spiegel und bewundere mich. Was bin ich doch für eine außergewöhnlich attraktive junge Frau. Die Schöpfung hat bei mir ganze Arbeit geleistet und mir langes blondes Haar geschenkt, das mir in sanften Wellen bis zu den schlanken Hüften reicht. Meine Augen leuchten blau wie das karibische Meer und mein hübsches Gesicht sieht auch mit Mitte dreißig so glatt wie das einer Teenagerin aus. Kurzum: Ich bin eine Schönheit, ein wahrer Männertraum!

Mein Name ist Eva und ich bin unsympathisch. Schon als Kind wurde ich nicht gemocht, weder von meinen Mitschülern noch von meinen Eltern. Auch meine Schwestern – drei an der Zahl – hassten mich und somit kam, was kommen musste: Ich entwickelte mich zum schwarzen Schaf der Familie, zur Außenseiterin.

Ich konnte es niemandem wirklich recht machen, alles, was ich tat oder sagte, war in ihren Augen falsch. Ich gebe zu, ich war von jeher exzentrisch und etwas anders denkend, habe meine Meinung immer lautstark herausposaunt, ob man mich nach meiner Ansicht gefragt hat oder nicht. Aber soll ich denn schweigen, wenn allzu deutlich wird, dass jemand uninformiert ist und Unsinn daherredet? Ich kann das jedenfalls nicht, darum habe ich ein verboten vorlautes Mundwerk.

Meine Leistungen in der Schule waren hervorragend, aber selbst die Lehrer konnten mich nicht leiden. Immerzu fuhr ich ihnen über den Mund und meinte, alles besser zu wissen. Na ja, so war es ja auch! Ich verfüge über ein überdurchschnittliches Gedächtnis. Sobald ich etwas lese, speichere ich es ab. Ich bin eben furchtbar schlau und lasse auch ständig den Besserwisser raushängen.

Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, nur von Dumpfbacken umgeben zu sein. Mein Gott, dieses Halbwissen der Leute geht mir ehrlich auf die Nerven!

Auch in der Schule wurde ich zur Außenseiterin, keiner wollte was mit mir zu tun haben. Ich hatte niemals Freunde, nicht mal eine Busenfreundin, mit der ich mich zum Bummeln verabreden konnte und zum anschließenden Kaffeekränzchen, um über Männer und Schminke zu fachsimpeln.

In meiner Klasse war ich nicht die einzige Randfigur. Da gab es noch Luise – das Mauerblümchen. Ihr Stimmchen war so zart wie ein Windhauch, ebenso ihre Statur. Herrje, sie war so zerbrechlich, dass auch ich nichts mit ihr zu tun haben wollte. Ich verabscheue schüchterne Menschen, die haben hier auf dem Globus nichts verloren. Sie sind die Minderwertigen der Gesellschaft und schwächen die Gemeinschaft. Meine Abneigung ihr gegenüber habe ich deutlich gemacht. Sobald sie es wagte, mich anzusprechen, hat sich mein ohnehin zickig klingender Ton noch multipliziert. Trotzdem schien sie mich gemocht zu haben. Wahrscheinlich war sie der einzige Mensch meiner Jugend, der es wirklich ehrlich mit mir meinte. Doch hey, eine Eva Kramer, schön und gebildet, gibt sich nicht mit Losern ab. Schließlich bin zu Höherem berufen. Ich will emporsteigen, mit der Crème de la Crème verkehren und von weit oben runterschauen auf die Nichtsnutzigen, die, die ununterbrochen jammern über ihr Leben und ihre Unvollkommenheit und beruflich nichts erreichen. Statt sich aus ihrem Elend herauszukämpfen, etwas zu lernen und zu bewegen, suhlen sie sich in ihrem kontraproduktiven Dasein und fühlen sich auch noch ungerecht behandelt. Sie zeigen mit dem Finger auf reiche Leute, auf die Regierung oder Firmenbosse und suchen die Schuld stets bei anderen. Dass sie ihren eigenen Hintern nicht bewegt bekommen, wird dabei geflissentlich übersehen. Jeder kann alles erreichen, wenn er nur will. Erfolglose Menschen wollen es demzufolge eben nicht und haben in meiner Welt einfach nichts verloren.

Aus diesem Grund habe ich auch den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen. Sie sind allesamt Taugenichtse. Meine Eltern haben uns mit Ach und Krach durchbekommen mit ihrem mickrigen Einkommen. Mein Vater war Sachbearbeiter in einem Getränkeunternehmen, meine Mutter Hausfrau. Keine Ahnung, wie man mit der Hausfrauenrolle zufrieden sein kann. Das ist doch vergeudete Zeit. Aber bitte, wer es mag, so zu leben, sich täglich mit Kinderbrei und Windeln wechseln beschäftigen will, soll sich keinen Zwang antun. Ich weiß da Besseres mit meinem Leben anzufangen.

Meine Schwestern haben handwerkliche Berufe ergriffen. Die eine ist Friseurin, die mittlere Gärtnerin und die jüngste Elektrikerin. Sorry, aber damit kommt man doch nicht weit im Leben – gerade mal bis zur Abbruchkante und danach geht’s nur noch bergab.

Um mich von der Wertlosigkeit meiner Familie nicht runterziehen zu lassen, war es das Beste für mich, meinen eigenen Weg einzuschlagen und sämtliche Kontakte dorthin einzufrieren. Und ehrlich gesagt, fahre ich ohne ihre ständige Kritik an mir schlicht besser. Nie war ich in ihren Augen richtig, was ich auch sagte, alles wurde auf die Goldwaage gelegt und immerzu reagierten sie pikiert. Dabei nenne ich die Dinge lediglich beim Namen, sage halt, was ich denke. Sie sind doch selbst schuld, wenn sie gleich beleidigt sind und die Wahrheit nicht aushalten. Ich musste ja ihre wachsende Rummäkelei an mir auch ertragen.

Ohne sie bin ich zufriedener. So gesehen fühle ich mich grundsätzlich ohne Menschen wohler. Aber ich bin nun mal nicht die Einzige auf dem Erdball und muss akzeptieren, dass niedere Menschen meinen Weg kreuzen, ob mir das passt oder nicht.

Gerade habe ich Mittagspause, die ich selbstverständlich alleine verbringe. Meine Kollegen wollen mit mir nichts zu tun haben. Ich lege ebenfalls keinen Wert auf ihre Gesellschaft. Immerhin bin ich in leitender Position eines großen Bekleidungsunternehmens, da gebe ich mich mit dem Fußvolk nicht ab. Außerdem habe ich vor, meine Karriere voranzutreiben, da sind mir kleingeistige Mitarbeiter nur im Weg.

Ich arbeite gerade daran, die Geliebte meines Bosses zu werden. Bisher ist es mir stets gelungen, den Mann meiner Wahl zu verführen. Solange ich einen Vorteil daraus schlagen kann, bin ich nicht wählerisch. Er muss lediglich vermögend sein und mein berufliches Vorankommen beeinflussen können. Der Rest ist mir egal. Am Ende kommt es nur darauf an, was unterm Strich für mich herauskommt. Wenn nötig, führe ich sogar Gott in Versuchung. Als mächtigstes Wesen im Universum steht er ganz oben auf meiner Liste. Jedoch gestaltet sich ein Date mit ihm schwierig, immerhin ist er nicht einfach so verfügbar. Aber ich bleib dran, denn mein Ziel ist es, reich und mächtig zu werden. Und dafür bin ich bereit, alles zu tun. Das ist mein Kredo!

Ich betrete das gemütliche Café, in dem ich meine Pause bevorzugt verbringe. Als Stammkundin steht mir seit einigen Jahren ein kleiner, einsam gelegener Tisch zu, der stets um dieselbe Uhrzeit für mich frei gehalten wird. Die Mitarbeiter des Cafés sind die einzigen Menschen, die nett zu mir sind, was daran liegen mag, dass mein Trinkgeld für sie mehr als großzügig ausfällt. In der Regel bin ich Fremden gegenüber nie in Geberlaune. Wenn ich aber das Gefühl habe, jemand ist fleißig, kann sich meine Stimmung in dieser Hinsicht auch mal wandeln. Kommt allerdings bloß in Ausnahmefällen vor. Ich bin schließlich nicht der Weihnachtsmann. Außerdem muss auch ich für mein Geld hart arbeiten.

Ich nehme Platz an meinem Tisch und kaum sitze ich, fegt Pia heran, um meine Bestellung aufzunehmen.

„Das Übliche, Frau Kramer?“, erkundigt sie sich, obwohl ihr längst klar ist, dass meine Antwort ja lauten wird.

„Ja“, gebe ich also erwartungsgemäß zurück und lächle sie an. Immerhin strahlt sie wie die Morgensonne, in der Hoffnung auf gutes Trinkgeld.

„Gerne“, flötet sie mir zu und fliegt davon.

„Entschuldigung, ist bei Ihnen noch ein Platz frei?“, fragt mich ein gut aussehender, hochgewachsener junger Mann mittleren Alters.

Mir friert das Lächeln ein, das ich vergessen hatte, rechtzeitig aus dem Gesicht zu löschen.

„Nein, tut mir leid“, antworte ich kratzbürstig, „das ist mein Tisch.“

„Aber an Ihrem Tisch scheint mir genug Platz für zwei zu sein. Hier steht ein zweiter Stuhl und meine kleine Tasse Kaffee, die ich trinken möchte, wird Sie bestimmt nicht weiter stören“, erwidert er grinsend und zwinkert mir zu.

In Gedanken rolle ich mit den Augen. Der Kerl mag ja übermäßig attraktiv aussehen (erstaunlich, wie ein einzelner Mensch so viel innerliche und äußerliche Schönheit ausstrahlen kann), aber er ist auch unerträglich penetrant. Meine Güte, was mache ich jetzt bloß? Ich will alleine sein, merkt er das nicht?

„Nun geben Sie sich einen Ruck“, fügt er schmunzelnd an und zieht sich bereits den Stuhl zurecht. Jedoch besitzt er die Höflichkeit, weiterhin auf meine Antwort zu warten, statt sich einfach zu setzen.

„Also schön“, gebe ich leicht gereizt von mir, „Sie haben mich überredet.“

Dabei waren seine Argumente fadenscheinig. Als ich mich umsehe, fallen mir freie Plätze auf. Er hätte auch woanders fragen können, doch er musste ausgerechnet meine Ruhe stören.

„Ich wusste, Sie sind eine nette und charmante junge Frau“, sagt er zu meiner Überraschung und nimmt mir gegenüber Platz.

„Da muss Ihr Urteilsvermögen aber getrübt sein. Mich findet niemand nett, schon gar nicht charmant.“

Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem amüsierten Lächeln.

„Und witzig sind Sie auch noch“, vervollständigt er sein fehlerhaftes Meinungsbild über mich.

„Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber ich verfüge über keinerlei natürlichen Witz oder Humor. Ich bin steif wie ein Sahnehäubchen und zum Lachen gehe ich nicht mal in den Keller, denn ich lache nie.“

Plötzlich bricht mein Tischgenosse in schallendes Gelächter aus. Was ihn allerdings so erheitert, bleibt mir verborgen, denn meine Worte waren bitterernst gemeint und eher als Warnung zu verstehen. Sie sollten ihn abschrecken und jeglichen Flirtversuch im Vorfelde abwürgen. Ich lege keinen Wert auf Zufallsbekanntschaften, ich habe andere Pläne.

Nur mühsam fängt er sich wieder und als seine Lachfältchen um die Augen langsam wieder verschwinden, beginnt mir dieser liebenswerte Anblick schon zu fehlen. Häh …?

„Nein, ich muss mich korrigieren“, schwenkt er unerwartet um und sieht mich mit ernster Miene an. „Sie sind eine einsame Wölfin und geben sich unnahbar, um von niemandem verletzt zu werden.“

Sofort unterbreche ich unseren Augenkontakt und blicke auf die Zuckerdose vor mir.

„Und Sie sind wohl Psychologe“, erwidere ich und erneuere unseren Blickkontakt. Dabei stelle ich fest, dass er wieder zu lächeln beginnt. Bis eben befürchtete ich schon, von ihm analysiert zu werden. Jetzt bin ich froh, dass seine flüchtige Ernsthaftigkeit sogleich verflogen ist. Ich kann es nicht ausstehen, wenn andere mein Innenleben auseinander nehmen wollen. Meine Psyche gehört mir! Da lass ich niemanden ran. Nur mich selbst und ich will mich mit ihr nicht beschäftigen, deshalb bleibt sie jungfräulich unangetastet.

„Oh nein“, streitet er meine perfekt hergeleitete Hypothese ab. „Ich beschäftige mich zwar mit Menschen, aber anders, als Sie denken.“

„Woher wollen Sie wissen, was ich denke?“, frage ich eine Spur zu unhöflich. Aber ich sitze ja auch nicht hier, um mich mit fremden Männern zu unterhalten, sondern um meine wenige freie Zeit in Frieden zu verbringen. Dieser wird nun unverhohlen gestört, das finde ich unerhört!

Er schlägt seine Beine übereinander und nimmt eine bequeme Sitzhaltung ein.

„Nun ja, ich will es mal so ausdrücken: Mit Ihrer Aura senden Sie deutliche Zeichen“, behauptet er allen Ernstes. „Darin kann man lesen wie in einem Buch.“

„Und Sie verstehen sich im Auralesen?“, möchte ich wissen und fühle mich unwohl bei dem Gedanken, er könnte mich durchschauen. Denn nach außen kehre ich meine starke Seite. Stark, so möchte ich auch wahrgenommen werden. Niemand soll wissen, wie zerbrechlich ich in Wahrheit bin.

Als hätte er meine Ängste gespürt, lässt er sich mit der Antwort Zeit und beobachtet meine unsichere Mimik.

„Ich vermute, es ist Ihnen unangenehm, durchleuchtet zu werden“, antwortet er an meiner Frage vorbei.

„Da liegen Sie richtig“, bestätige ich seine Annahme. „Und ich vermute, das haben Sie auch aus meiner Aura herausgelesen.“

„Nun ja, schon“, gibt er zu. „Ich beschäftige mich viel mit Menschen, da fallen einem so manche Dinge ins Auge.“

„Ach ja? Ich denke, ich möchte nicht erfahren, was Ihnen bei mir auffällt. Das geht Sie eigentlich auch nichts an“, vergreife ich mich im Ton.

Zum Glück kommt Pia mit meiner Bestellung herangeeilt, was mir einen Augenblick Zeit zum Luftholen gibt. Schäme ich mich gerade dafür, dass ich meinen Gesprächspartner ruppig angegangen bin? Seit wann empfinde ich Reue für gefühlskaltes Benehmen? Das ist schon viele Jahre nicht mehr vorgekommen. Seitdem mir klar geworden ist, dass andere meine Verletzlichkeit ausnutzen, wenn ich zu sanftmütig erscheine.

„So, ein Käsekuchen und eine heiße Schokolade“, sagt Pia und drapiert alles akkurat vor meiner Nase.

„Danke“, erwidere ich kurz und knapp.

„Und was kann ich Ihnen bringen?“, fragt sie meinen Auraleser.

„Einen schwarzen Kaffee bitte“, gibt er seine Bestellung lächelnd auf. Offenbar ist ihm das Lächeln trotz meiner stimmungskillenden Bemerkung nicht vergangen.

„Einen Kaffee“, wiederholt Pia, entzückt von seinem Charme, und schwebt davon.

Als wir wieder allein sind, lehnt er sich weiter vor und starrt mich intensiv an. Oh Mann, muss das sein?

„Ich bin Ihnen wohl zu nah gekommen“, stellt er richtig fest.

Ich greife mir den Löffel und rühre den Milchschaum unter die Schokolade.

„Bitte hören Sie auf, mich zu analysieren“, flehe ich ihn beinahe an. „Ich mag das nicht.“

„Tue ich das denn? Das ist mir gar nicht aufgefallen.“ Er reibt sich das Kinn. „Das muss wohl daran liegen, dass ich täglich von vielen Seelen umgeben bin, die Hilfe benötigen. Ich erfahre eine Menge über sie und bemühe mich, jeder einzelnen zu helfen.“

„Sind Sie der liebe Gott? Mir braucht niemand zu helfen, ich komme sehr gut klar. Und falls ich göttlichen Beistand benötigen sollte, weiß ich ja jetzt, wo ich Sie finde“, gebe ich spöttisch von mir. So habe ich mir das Date mit Gott nicht vorgestellt. Er soll mich nicht therapieren, sondern heiraten und zu einer mächtigen Frau machen.

Mein Gegenüber beginnt, amüsiert zu lachen, sodass sich diese sympathischen Fältchen um seine Augen formen.

„Sie sind in der Tat eine humorvolle Frau. Und streiten Sie es nicht wieder ab! Ich habe lange nicht mehr so herzhaft gelacht. In meinem Beruf habe ich täglich mit Elend und Leid zu tun. Glauben Sie mir, da tut einem eine kleine Ablenkung wirklich gut.“

Aha, habe ich also Recht! Er ist der liebe Gott! Sein Beruf, ha, ich lach mich schlapp!

„Sie streiten es also nicht ab?“, frage ich vorsichtshalber noch mal nach.

„Was meinen Sie?“, stellt er sich dumm.

„Na, dass Sie Gott leibhaftig sind“, helfe ich ihm auf die Sprünge.

Erneut kann er sich kaum halten vor Lachen.

„Sie sind lustig. Ich habe ja bereits einiges gehört: dass ich ein Samariter bin oder ein Engel auf Erden, aber das sagt man mir zum ersten Mal.“

Na glaubt er denn, nur weil er sich in menschlicher Gestalt zeigt, unerkannt zu bleiben?

Pia kommt mit dem Kaffee vorbei und stellt ihn Gott direkt vors Gesicht, dabei strahlt sie ihn aus allen Öffnungen an und kann sich seiner Attraktivität kaum erwehren.

„Danke, Pia“, weiß er ihren Namen. Woher? Schließlich sehe ich ihn heute hier das erste Mal. Ach so, er kennt bestimmt alle Namen, einschließlich meinen.

„Gerne“, singt Pia zurück und tänzelt von dannen.

„Ich heiße übrigens Tom“, gibt er freimütig seinen Namen preis. Dabei ist mir längst klar, wer er wirklich ist.

„Soll ich Sie nicht besser ‚Gott‘ nennen?“, lasse ich nicht locker.

„Tommy wäre mir lieber“, sagt er amüsiert. „So nennen mich meine Freunde.“

Also schön, wenn er dieses Versteckspiel unbedingt weiterspielen möchte, bitte. An mir soll’s nicht liegen.

Ich nicke nur und erwidere nichts.

„Und wie soll ich Sie nennen?“, fragt er zu meinem Erstaunen.

„Das müssten Sie doch wissen, wenn Sie meine Aura lesen können.“

„Ja, ich muss gestehen, solche Informationen finden sich darin nicht. Obwohl ich mich darüber sehr freuen würde, denn dann ließe sich Ihre Telefonnummer in ihr sicher auch erkennen“, gibt er feixend von sich.

Mir bleibt die Luft weg, mit welcher Penetranz er vorgeht. Selbst dem Allerheiligsten sollte klar sein, dass man ein Kennenlernen sachte beginnt und nicht sofort mit der Tür ins Haus fällt. Gut, er mag mich lange kennen, immerhin ist davon auszugehen, dass er all seine Schäfchen kennt. Aber ich habe heute das erste Mal das Vergnügen, seine Bekanntschaft zu machen.

„Hören Sie, Tom …“

„Tommy“, korrigiert er mich.

„Also schön, Tommy … wir können gerne eine ungezwungene Unterhaltung führen und vielleicht wäre ich sogar bereit, meine morgige Mittagspause erneut mit Ihnen zu verbringen – immerhin erspare ich mir so den Gang in die Kirche –, aber das war’s dann erst mal. Schließlich bin ich eine Frau mit Prinzipien.“

Toms Lächeln wird immer breiter. Offenbar kann ich ihn mit meiner pampigen Art nicht schocken. Das ist gut, denn wer mit mir zusammenleben will, muss eine Menge aushalten. Ich bin intolerant, selbstsüchtig und alles andere als kompromissbereit. Vor allem aber bin ich wenig verständnisvoll und nie gut gelaunt. Morgens bin ich eine Kröte und zum Nachmittag hin mutiere ich zu einer spaßbefreiten Zicke. Aber Gott wird schon klar sein, worauf er sich einlässt. Immerhin ist er allwissend. Außerdem bekommt er als Entschädigung eine überaus intelligente, blond gelockte Schönheit fürs Leben. Wenn das kein Bonus ist!

„Frau Kramer“, haut Tom plötzlich meinen Nachnamen raus, „verraten Sie mir dann wenigstens Ihren Vornamen?“

Grinsend führt er sich die Tasse zum Mund, während ich bis jetzt weder meinen Kuchen noch die Schokolade angerührt habe.

„Woher kennen Sie meinen Familiennamen?“, lasse ich meine Verblüffung zu. „Ach nein, warten Sie“, kommt mir ein Geistesblitz, „Sie sind ja ein allwissendes Wesen. Also sollte meine Frage eher lauten: Warum ist Ihnen mein Vorname unbekannt?“

Toms Lachen schallt durch den gesamten Laden. Er kann gerade noch seinen Kaffee zurück auf den Tisch stellen, bevor er sich die schwarze Brühe über die Hose schüttet.

Ich nutze seinen Lachanfall, um ein paar Happen von meinem Käsekuchen zu verschlingen und einen kräftigen Schluck meines inzwischen lauwarmen Getränks aus der abgekühlten Porzellantasse zu nehmen.

„Sie sind ja eine richtige Ulknudel! Seit dem Tod meiner Familie habe ich nicht mehr so viel Spaß gehabt. Bitte mehr davon, Frau Kramer! Ich könnte hier ewig mit Ihnen sitzen und mir Ihre Gags anhören.“

Seine Familie? Wie meint er das denn jetzt? Oder ist sein am Kreuz verstorbener Sohn damit gemeint? Aber natürlich! Wer denn sonst?

„Das tut mir leid zu hören“, versuche ich, etwas Mitgefühl zu zeigen, was mir normalerweise nie gelingt. Schließlich bin ich so spröde wie verfilztes Haar. „Aber ist das nicht Jahrtausende her? Irgendwann muss man doch mal abschließen können mit einem Verlust.“

Hoffentlich war ich jetzt in meiner Wortwahl nicht zu unsensibel. Im Trösten bin ich nicht so gut. Eigentlich bin ich in jeglichen zwischenmenschlichen Bereichen absolut inkompetent.

„Sie haben Recht“, bestätigt er meine Aussage. „Es ist in der Tat Jahrtausende her. Darum wird es Zeit, den Mantel der Trauer abzulegen. Sie könnten Therapeutin sein, Sie finden immer die richtigen Worte. Wie machen Sie das nur?“

Ich schlürfe meinen Kakao und überlege, wie es sein kann, dass er mich so fehleinschätzt. Wurde ich womöglich nach meiner Geburt von ihm übersehen? Es wäre nicht das erste Mal, dass mir so etwas passiert. Alle Menschen in meinem Umfeld haben mich mit voller Absicht übersehen, weil ich ihnen unangenehm war. Lieber haben sie gar nicht mit mir geredet, als stundenlange Diskussionen mit mir führen zu müssen. Sobald ich mich an einem Thema festbeiße, höre ich nicht mehr auf. Das ging allen auf die Nerven. Ehrlich gesagt, gehe ich mir manchmal selbst auf den Keks. Aber was soll ich machen? Ich kann mich schlecht von mir trennen.

„Wie mache ich was?“, bin ich verwirrt. „Die richtigen Worte finden, die ich tatsächlich nie finde, weil ich eine verbohrte, kaltherzige Eiskönigin bin? Hören Sie, Gott, ich meine Tom …“

„Tommy“, verbessert er mich abermals.

„Natürlich, Tommy … Sie verkennen mich – was mich in der Tat sehr überrascht –, denn Sie sollten es wirklich besser wissen. Ich bin weder nett noch charmant und meine Worte verletzen jeden. Und bitte denken Sie nicht, ich wäre witzig. Ich kann ja nicht mal Freude empfinden. Vielleicht lachen Menschen hinter meinem Rücken über mich, aber bestimmt nicht mit mir gemeinsam.“

Toms Lächeln verschwindet und er sieht mich mitleidig an. Dabei hatte ich nicht vor, Mitleid bei ihm zu erregen. Ich wollte nur etwas klarstellen und sein fehlerhaftes Meinungsbild über mich zurechtrücken.

„Sie müssen sich irren, Frau Kramer“, hat er den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt. Also gut, dann halt nicht. Ich habe alles versucht, um ihn zu warnen, ihm deutlich zu machen, dass ich ihn niemals glücklich machen könnte und er sich mit meiner schönen Erscheinung zufrieden geben müsste. Liebe oder gar Warmherzigkeit wäre ich nicht in